Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 2846/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 326/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 5/11 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Rechtmäßigkeit der Verminderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrente.
Zur Rechtmäßigkeit der Minderung von Entgeltpunkten nach dem Fremdrentengesetz.
Zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden im Kontenklärungsverfahren.
Zur Rechtmäßigkeit der Minderung von Entgeltpunkten nach dem Fremdrentengesetz.
Zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden im Kontenklärungsverfahren.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.02.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Begehrt wird höhere Altersrente, ohne Abschlag aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme gem. § 237 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, 6. Buch, SGB VI, und ohne Minderung der Entgeltpunkte für Fremdrentenzeiten gem. § 22 Abs.4 Fremdrentengesetz (FRG).
Der 1943 in Rumänien geborene Kläger hält sich seit 08.07.1985 ständig in der Bundesrepublik Deutschland auf. In Rumänien war er nach seiner Berufsausbildung von August 1960 bis Oktober 1962 als Elektriker, anschließend bis Juni 1971 - unterbrochen durch seinen in der Zeit vom 18.06.1967 bis 30.11.1968 geleisteten Militärdienst - als Meister und vom 25.06.1971 bis 24.04.1985 als "Hauptmeister" versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seiner Vertreibung entrichtete er hier ab 19.08.1985 Rentenpflichtbeiträge aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. Arbeitslosengeldbezuges. Ab 21.03.1988 war er in einem Elektrounternehmen beschäftigt; in diesem leistete er vom 01.06.1998 bis 31.05.2003 Altersteilzeitarbeit.
Auf seinen Antrag vom 17.03.2003 bewilligte ihm die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.05.2003 ab Juni 2003 Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in Höhe von 718,45 EUR und ab Juli laufend in Höhe von 725,95 EUR. Der Anlage 6 zum Bescheid konnte der Kläger entnehmen, dass der Zugangsfaktor aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme um 0,180 (also 18 %) vermindert wurde. Die Anlage 10 zum Bescheid enthielt ferner den Hinweis, dass für die nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten rumänischen Zeiten nur 60 % der maßgeblichen Entgeltpunkte berücksichtigt wurden.
Hiergegen wandte der Kläger mit seinem Widerspruch vom 10.04.2003 ein, dass er mit diesen Kürzungen nicht einverstanden sei und nach 43 anerkannten Arbeitsjahren eine höhere Rente beanspruche. Nach Hinweis der Beklagten, dass sie bis zur ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kürzungsbestimmung des § 22 Abs. 4 FRG die Widerspruchsentscheidung aussetzen möchte, reichte der Kläger einen Nachweis über seine Meisterqualifikation ein und beanspruchte eine günstigere Bewertung der Beitragszeit, die er in Rumänien als Meister zurückgelegt hatte.
Mit Bescheid vom 01.12.2004 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab und ermittelte eine laufende Rentenzahlung in Höhe von 733,87 EUR sowie für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2004 eine Nachzahlung in Höhe von 248,94 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Übrigen mit der Begründung zurück, die Absenkung der aus den Tabellen zum FRG sich ergebenden Entgeltpunkten auf 60 % entspreche der Gesetzeslage; ebenso die Rentenminderung aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente.
Die hiergegen am 28.02.2005 erhobene Klage begründete der Kläger mit dem Eingliederungsprinzip des FRG, wonach es auszuschließen sei, dass er nach 43 anerkannten Berufsjahren Rente unter dem Niveau der Grundsicherung erhalte. Gegenüber einer von der Beklagten mit Bescheid vom 11. Mai 1988 getroffenen Feststellung betrage die Kürzung zudem nicht nur 40 %, sondern über 45 %. Mit dieser Feststellung aus dem Jahr 1988 habe er bereits eine Rentenanwartschaft in Höhe von 1.345,50 DM (oder 687,94 EUR) bescheinigt bekommen; nach weiteren 15 Jahren der Beitragsleistung könne die Rente daher nicht nur 725,95 EUR betragen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11.08.2005 dem Antrag des Klägers entsprochen und ihm Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt sowie Rechtsanwalt J. N. beigeordnet und im Rahmen eines Erörterungstermins mit Beschluss vom 7. September 2005 - im Einvernehmen mit den Beteiligten - das Ruhen des Verfahrens bis zur höchstrichterlichen Klärung der streitgegenständlichen Fragen im Rahmen anhängiger Verfahren vor dem Bundessozial- sowie Bundesverfassungsgericht angeordnet.
Auf Antrag des Klägers ist das sozialgerichtliche Verfahren am 21.09.2007 fortgesetzt worden. Die Klage ist insbesondere unter Hinweis auf die Feststellungen der Beklagten mit Bescheid vom 11.05.1988 aufrecht erhalten worden: Durch diesen Bescheid seien die Zeiten bis 1981 für verbindlich erklärt worden. Dieser Einlassung ist die Beklagte mit dem Argument entgegen getreten, mit ihrem Feststellungsbescheid sei nur der ermittelte Sachverhalt - nicht aber die Anrechnung und die Bewertung der dokumentierten Zeiten im Leistungsfall - für die Beteiligten verbindlich festgestellt worden.
Auf die mündliche Verhandlung der 47. Kammer des Sozialgerichts München (SG) vom 18.02.2009 hat das Gericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Verminderung des Zugangsfaktors aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente entspreche ebenso den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 237 Abs. 3, 77 Abs. 1 und 2 SGB VI), wie die Berücksichtigung der Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 4 FRG nur zu
60 %. Einen Anspruch auf einen Zuschlag nach der durch das RV-Altersgrenzen-Anpassungsgesetz auf Veranlassung des BVerfG für "rentennahe Jahrgänge" getroffene Übergangsregelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG habe der Kläger nicht, da seine Rente erst am 01.06.2003 begann und damit nach den gesetzlich begünstigten Bezugszeiträumen, die am 30.06.2000 endeten. Das SG-Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 09.04.2009 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 21.04.2009 Berufung im Wesentlichen mit der Begründung eingelegt, er berufe sich auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Feststellungen sowie auf den Gleichheitsgrundsatz und bestehe auf ungekürzte Rentenzahlung. Zudem habe die Beklagte seine schriftliche Anfrage vom 21.04.1998 nicht beantwortet, ob sich die Altersteilzeit negativ auf die Rentenhöhe auswirken könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Beklagte, in Abänderung der Bescheide vom 06.05.2003 und 01.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2005, zu verurteilen, seinen Rentenanspruch ohne Abschläge nach § 237 Abs. 3 SGB VI und ohne Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG zu ermitteln und ihm ab Rentenbeginn die entsprechend höhere Rentenleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Klageakte sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts (SG) sowie die Bescheide der Beklagten entsprechen den gesetzlichen Bestimmungen und sind inhaltlich nicht zu beanstanden.
Die gesetzlichen Berechungsbestimmungen der §§ 237 Abs. 3, 77 Abs. 2 Ziffer 2a
SGB VI i.V.m. Anlage 19 zum SGB VI für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten nach Altersteilzeit und die korrekte Anwendung dieser Vorschriften durch die Beklagte sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, so dass insoweit von einer weiteren Darstellung abgesehen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Zutreffend hat das SG auch den Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 13.06.2006 (Az.: 1 BvL 9/00) und den Inhalt der in der Folge dieser Entscheidung ergangenen Neuregelung des Art. 6 § 4c FANG dargestellt. Diese Übergangsregelung wurde den Vorgaben des BVerfG zu dem vom Gesetzgeber zu beachtenden "rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzip" gerecht, indem hierdurch nunmehr den "legitimen Intereressen der zum Zeitpunkt der Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG (also im Jahr 1996) rentennahen Jahrgänge" Rechnung getragen wurde. Nach dieser Übergangsregelung hat der Kläger keinen Anspruch auf höhere Rente. Denn für die Zeit ab Beginn seiner Rente sieht diese Übergangsregelung keinen Zuschlag mehr vor. Insoweit geht das Gesetz - wie vom BVerfG entschieden - davon aus, dass nach Einführung der Kürzung bis zum Rentenbeginn ein hinreichender Zeitraum gegeben war, die soziale Sicherung durch anderweitige Vorsorgeaufwendungen zu ersetzen. Die Rechtmäßigkeit der Übergangsregelung des
Art. 6 § 4c FANG begegnet keinen Bedenken (vgl. BSG vom 25.02.2010, B 13 R 61/09 R = Soz R 4 - 5050 § 22 Nr. 10).
Die vom Kläger ausgeführten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinsichtlich des bei seiner Einreise zu erwartenden Rentenniveaus, sind durch die Entscheidungen des BVerfG zu § 22 Abs. 4 FRG im Grundsatz ebenfalls erschöpfend abgehandelt.
Nicht relevant sind zudem die Feststellungen der Beklagten vom 11.05.1988 nach § 1325 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. nach der Nachfolgeregelung des
§ 149 SGB VI. Denn über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung der Leistung entschieden (§§ 300 Abs. 1, 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI).Die in der Rentenauskunft ausgewiesene voraussichtliche Rentenhöhe ist auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Rechts ermittelt worden und stand damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen (§§ 300 Abs. 1, 109 Abs. 2 SGB VI). Dementsprechend wurde sie von der Beklagten ausdrücklich für unverbindlich erklärt.
Es sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, dass die Beklagte es ggf. versäumt haben könnte, den Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid - aufgrund der erfolgten Änderungen der zugrundeliegenden Vorschriften - gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aufzuheben. Dies gilt jedenfalls für die streitgegenständlichen Punkte (d.h. für den geltend gemachten Rentenabschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente sowie der Kürzung der Entgeltpunkte gemäß § 22 Abs. 4 FRG), worüber der Senat ausschließlich zu entscheiden hat (vgl. z.B. Urteil des
4. Senats des BSG vom 30.03.2004, B 4 RA 46/02 R). Denn insoweit enthalten die ursprünglichen mit Bescheid vom 11.05.1988 getroffenen Feststellungen keine verbindlichen Regelungen, d.h. "keine in Bindung erwachsenen Verfügungssätze" (vgl. Urteil des 4. Senats des BSG v. 23.08.2005, B 4 RA 21/04 R = SGb 2006,429-433).
Der Einwand des Klägers schließlich, die Beklagte hätte ihn aufgrund seiner Anfrage vom 21.04.1998 auf die negativen Auswirkungen seiner Altersteilzeit hinweisen müssen, ist in keiner Hinsicht geeignet, den erhobenen Anspruch im Sinne des § 123 SGG auf höhere Rente zu begründen. Denn zum einen war nicht die Ausübung der Altersteilzeitarbeit maßgebend für den Rentenabschlag, sondern die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente und zum anderen könnte selbst die Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht seitens der Beklagten keinen höheren Rentenanspruch begründen: Im Rahmen eines sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann weder ein tatsächlicher Geschehensablauf - also hier die Inanspruchnahme der Arbeitsteilzeit - rückgängig gemacht werden, noch eine Leistung beansprucht werden, die nicht mit den gesetzlichen Grundlagen im Einklang steht. Auch wenn die Beklagte es rechtswidrig versäumt hätte, den Kläger seinerzeit umfassend aufzuklären, wofür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind, könnte der Kläger einen Anspruch auf höhere Rentenzahlung also nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen durchsetzen.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Begehrt wird höhere Altersrente, ohne Abschlag aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme gem. § 237 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, 6. Buch, SGB VI, und ohne Minderung der Entgeltpunkte für Fremdrentenzeiten gem. § 22 Abs.4 Fremdrentengesetz (FRG).
Der 1943 in Rumänien geborene Kläger hält sich seit 08.07.1985 ständig in der Bundesrepublik Deutschland auf. In Rumänien war er nach seiner Berufsausbildung von August 1960 bis Oktober 1962 als Elektriker, anschließend bis Juni 1971 - unterbrochen durch seinen in der Zeit vom 18.06.1967 bis 30.11.1968 geleisteten Militärdienst - als Meister und vom 25.06.1971 bis 24.04.1985 als "Hauptmeister" versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seiner Vertreibung entrichtete er hier ab 19.08.1985 Rentenpflichtbeiträge aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. Arbeitslosengeldbezuges. Ab 21.03.1988 war er in einem Elektrounternehmen beschäftigt; in diesem leistete er vom 01.06.1998 bis 31.05.2003 Altersteilzeitarbeit.
Auf seinen Antrag vom 17.03.2003 bewilligte ihm die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.05.2003 ab Juni 2003 Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in Höhe von 718,45 EUR und ab Juli laufend in Höhe von 725,95 EUR. Der Anlage 6 zum Bescheid konnte der Kläger entnehmen, dass der Zugangsfaktor aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme um 0,180 (also 18 %) vermindert wurde. Die Anlage 10 zum Bescheid enthielt ferner den Hinweis, dass für die nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten rumänischen Zeiten nur 60 % der maßgeblichen Entgeltpunkte berücksichtigt wurden.
Hiergegen wandte der Kläger mit seinem Widerspruch vom 10.04.2003 ein, dass er mit diesen Kürzungen nicht einverstanden sei und nach 43 anerkannten Arbeitsjahren eine höhere Rente beanspruche. Nach Hinweis der Beklagten, dass sie bis zur ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kürzungsbestimmung des § 22 Abs. 4 FRG die Widerspruchsentscheidung aussetzen möchte, reichte der Kläger einen Nachweis über seine Meisterqualifikation ein und beanspruchte eine günstigere Bewertung der Beitragszeit, die er in Rumänien als Meister zurückgelegt hatte.
Mit Bescheid vom 01.12.2004 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab und ermittelte eine laufende Rentenzahlung in Höhe von 733,87 EUR sowie für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2004 eine Nachzahlung in Höhe von 248,94 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Übrigen mit der Begründung zurück, die Absenkung der aus den Tabellen zum FRG sich ergebenden Entgeltpunkten auf 60 % entspreche der Gesetzeslage; ebenso die Rentenminderung aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente.
Die hiergegen am 28.02.2005 erhobene Klage begründete der Kläger mit dem Eingliederungsprinzip des FRG, wonach es auszuschließen sei, dass er nach 43 anerkannten Berufsjahren Rente unter dem Niveau der Grundsicherung erhalte. Gegenüber einer von der Beklagten mit Bescheid vom 11. Mai 1988 getroffenen Feststellung betrage die Kürzung zudem nicht nur 40 %, sondern über 45 %. Mit dieser Feststellung aus dem Jahr 1988 habe er bereits eine Rentenanwartschaft in Höhe von 1.345,50 DM (oder 687,94 EUR) bescheinigt bekommen; nach weiteren 15 Jahren der Beitragsleistung könne die Rente daher nicht nur 725,95 EUR betragen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11.08.2005 dem Antrag des Klägers entsprochen und ihm Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt sowie Rechtsanwalt J. N. beigeordnet und im Rahmen eines Erörterungstermins mit Beschluss vom 7. September 2005 - im Einvernehmen mit den Beteiligten - das Ruhen des Verfahrens bis zur höchstrichterlichen Klärung der streitgegenständlichen Fragen im Rahmen anhängiger Verfahren vor dem Bundessozial- sowie Bundesverfassungsgericht angeordnet.
Auf Antrag des Klägers ist das sozialgerichtliche Verfahren am 21.09.2007 fortgesetzt worden. Die Klage ist insbesondere unter Hinweis auf die Feststellungen der Beklagten mit Bescheid vom 11.05.1988 aufrecht erhalten worden: Durch diesen Bescheid seien die Zeiten bis 1981 für verbindlich erklärt worden. Dieser Einlassung ist die Beklagte mit dem Argument entgegen getreten, mit ihrem Feststellungsbescheid sei nur der ermittelte Sachverhalt - nicht aber die Anrechnung und die Bewertung der dokumentierten Zeiten im Leistungsfall - für die Beteiligten verbindlich festgestellt worden.
Auf die mündliche Verhandlung der 47. Kammer des Sozialgerichts München (SG) vom 18.02.2009 hat das Gericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Verminderung des Zugangsfaktors aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente entspreche ebenso den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 237 Abs. 3, 77 Abs. 1 und 2 SGB VI), wie die Berücksichtigung der Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 4 FRG nur zu
60 %. Einen Anspruch auf einen Zuschlag nach der durch das RV-Altersgrenzen-Anpassungsgesetz auf Veranlassung des BVerfG für "rentennahe Jahrgänge" getroffene Übergangsregelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG habe der Kläger nicht, da seine Rente erst am 01.06.2003 begann und damit nach den gesetzlich begünstigten Bezugszeiträumen, die am 30.06.2000 endeten. Das SG-Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 09.04.2009 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 21.04.2009 Berufung im Wesentlichen mit der Begründung eingelegt, er berufe sich auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Feststellungen sowie auf den Gleichheitsgrundsatz und bestehe auf ungekürzte Rentenzahlung. Zudem habe die Beklagte seine schriftliche Anfrage vom 21.04.1998 nicht beantwortet, ob sich die Altersteilzeit negativ auf die Rentenhöhe auswirken könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Beklagte, in Abänderung der Bescheide vom 06.05.2003 und 01.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2005, zu verurteilen, seinen Rentenanspruch ohne Abschläge nach § 237 Abs. 3 SGB VI und ohne Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG zu ermitteln und ihm ab Rentenbeginn die entsprechend höhere Rentenleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Klageakte sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts (SG) sowie die Bescheide der Beklagten entsprechen den gesetzlichen Bestimmungen und sind inhaltlich nicht zu beanstanden.
Die gesetzlichen Berechungsbestimmungen der §§ 237 Abs. 3, 77 Abs. 2 Ziffer 2a
SGB VI i.V.m. Anlage 19 zum SGB VI für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten nach Altersteilzeit und die korrekte Anwendung dieser Vorschriften durch die Beklagte sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, so dass insoweit von einer weiteren Darstellung abgesehen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Zutreffend hat das SG auch den Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 13.06.2006 (Az.: 1 BvL 9/00) und den Inhalt der in der Folge dieser Entscheidung ergangenen Neuregelung des Art. 6 § 4c FANG dargestellt. Diese Übergangsregelung wurde den Vorgaben des BVerfG zu dem vom Gesetzgeber zu beachtenden "rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzip" gerecht, indem hierdurch nunmehr den "legitimen Intereressen der zum Zeitpunkt der Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG (also im Jahr 1996) rentennahen Jahrgänge" Rechnung getragen wurde. Nach dieser Übergangsregelung hat der Kläger keinen Anspruch auf höhere Rente. Denn für die Zeit ab Beginn seiner Rente sieht diese Übergangsregelung keinen Zuschlag mehr vor. Insoweit geht das Gesetz - wie vom BVerfG entschieden - davon aus, dass nach Einführung der Kürzung bis zum Rentenbeginn ein hinreichender Zeitraum gegeben war, die soziale Sicherung durch anderweitige Vorsorgeaufwendungen zu ersetzen. Die Rechtmäßigkeit der Übergangsregelung des
Art. 6 § 4c FANG begegnet keinen Bedenken (vgl. BSG vom 25.02.2010, B 13 R 61/09 R = Soz R 4 - 5050 § 22 Nr. 10).
Die vom Kläger ausgeführten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinsichtlich des bei seiner Einreise zu erwartenden Rentenniveaus, sind durch die Entscheidungen des BVerfG zu § 22 Abs. 4 FRG im Grundsatz ebenfalls erschöpfend abgehandelt.
Nicht relevant sind zudem die Feststellungen der Beklagten vom 11.05.1988 nach § 1325 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. nach der Nachfolgeregelung des
§ 149 SGB VI. Denn über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung der Leistung entschieden (§§ 300 Abs. 1, 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI).Die in der Rentenauskunft ausgewiesene voraussichtliche Rentenhöhe ist auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Rechts ermittelt worden und stand damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen (§§ 300 Abs. 1, 109 Abs. 2 SGB VI). Dementsprechend wurde sie von der Beklagten ausdrücklich für unverbindlich erklärt.
Es sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, dass die Beklagte es ggf. versäumt haben könnte, den Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid - aufgrund der erfolgten Änderungen der zugrundeliegenden Vorschriften - gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aufzuheben. Dies gilt jedenfalls für die streitgegenständlichen Punkte (d.h. für den geltend gemachten Rentenabschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente sowie der Kürzung der Entgeltpunkte gemäß § 22 Abs. 4 FRG), worüber der Senat ausschließlich zu entscheiden hat (vgl. z.B. Urteil des
4. Senats des BSG vom 30.03.2004, B 4 RA 46/02 R). Denn insoweit enthalten die ursprünglichen mit Bescheid vom 11.05.1988 getroffenen Feststellungen keine verbindlichen Regelungen, d.h. "keine in Bindung erwachsenen Verfügungssätze" (vgl. Urteil des 4. Senats des BSG v. 23.08.2005, B 4 RA 21/04 R = SGb 2006,429-433).
Der Einwand des Klägers schließlich, die Beklagte hätte ihn aufgrund seiner Anfrage vom 21.04.1998 auf die negativen Auswirkungen seiner Altersteilzeit hinweisen müssen, ist in keiner Hinsicht geeignet, den erhobenen Anspruch im Sinne des § 123 SGG auf höhere Rente zu begründen. Denn zum einen war nicht die Ausübung der Altersteilzeitarbeit maßgebend für den Rentenabschlag, sondern die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente und zum anderen könnte selbst die Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht seitens der Beklagten keinen höheren Rentenanspruch begründen: Im Rahmen eines sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann weder ein tatsächlicher Geschehensablauf - also hier die Inanspruchnahme der Arbeitsteilzeit - rückgängig gemacht werden, noch eine Leistung beansprucht werden, die nicht mit den gesetzlichen Grundlagen im Einklang steht. Auch wenn die Beklagte es rechtswidrig versäumt hätte, den Kläger seinerzeit umfassend aufzuklären, wofür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind, könnte der Kläger einen Anspruch auf höhere Rentenzahlung also nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen durchsetzen.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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