Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1043/08 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 49/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 245/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liegt nicht darin, dass die Hinterbliebene und der Versicherte vor dem Tod des Versicherten schon seit einigen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwenrente.
Die 1948 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, serbische Staatsangehörige, schloss am 16. September 2005 die Ehe mit dem 1932 geborenen Versicherten. Der Versicherte verstarb am 29. November 2005.
Mit Antrag vom 9. März 2006 begehrte die Klägerin Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass ein Rentenanspruch nur bestehe, wenn nachgewiesen werde, dass die Ehe nicht allein oder überwiegend aus dem Grunde geschlossen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Um Mitteilung von Gründen, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, wurde gebeten. Ferner wurde um Vorlage der gesamten medizinischen Befunddokumentation von 2005 für den verstorbenen Ehemann ersucht. Die Klägerin übersandte daraufhin diverse Krankenhausberichte vom 10. März 2005 bis 29. März 2005.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten stellte fest, dass aus medizinischer Sicht bei Eheschließung absehbar gewesen sei, dass der Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres eintreten werde. Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 10. April 2008 die Gewährung der Witwenrente ab. Die Ehe habe nicht mindestens ein Jahr gedauert. Es liege eine sog. Versorgungsehe vor.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch mit der Begründung erhoben, sie habe vom Februar 2002 bis zum Tod ihres Ehemanns am 29. November 2005 in außerehelicher und ehelicher Gemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Eine Bestätigung der Gemeinde K. wurde beigefügt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008 zurückgewiesen. Das jahrelange Führen einer Lebensgemeinschaft sei ein weiterer Hinweis auf den Versorgungscharakter der Ehe, da diese geschlossen worden sei, nachdem die schwere Krankheit des Klägers bekannt geworden sei. Die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe habe somit nicht widerlegt werden können.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut mit der Begründung, der Versicherte sei ihre Jugendliebe gewesen. Sie hätten sich erst sehr spät gefunden, als der Versicherte in sein Land zurückgekehrt sei, um dort zu leben. Sie habe es mit der Heirat nicht eilig gehabt, sondern wollte nur, dass er möglichst bald genese und dass sie möglichst lange zusammenleben. Wenn sie etwas für sich selbst im Sinn gehabt hätte, hätte sie ihn gleich geheiratet. Sie wollte aber nur mit ihm zusammen sein und möglichst lange zusammen mit ihm leben. Die Ehefrau des Versicherten sei 2001 verstorben und er habe darauf bestanden, dass sie heirateten, aber sie habe nicht gewollt. Sie hätten nicht geahnt, dass der Versicherte sie schnell verlassen werde. Auch eine eheähnliche Gemeinschaft werde nach dem neuen Gesetz berücksichtigt.
Das SG holte ein Gutachten nach Aktenlage des Internisten Dr. R. vom 25. November 2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherte an den Folgen eines zunehmenden Herz- und Lungenversagens gestorben sei, welches sich als Folge einer chronischen obstruktiven Bronchitis mit Entzündungskomplikationen entwickelt hatte. Die Diagnosen dieses Todesleidens seien seit Februar 2005 durch Klinikbefunde eindeutig dokumentiert. Aufgrund klinischer Erfahrungen könne bei dem fortgeschrittenen Zustand des Todesleidens mit Sicherheit festgestellt werden, dass die bekannten Krankheiten zum Tod führen würden. Der Todeszeitpunkt am 29. November 2005 entspreche dem klinischen Verlauf. Der Tod sei zweieinhalb Monate nach der Eheschließung erwartungsgemäß eingetreten.
Die Klägerin machte geltend, sie hätte mit dem Versicherten mehrere Jahre ohne Trauschein gelebt, ihn gepflegt und versorgt. Als er dann erkrankt sei, habe sie weiterhin mit ihm in einer Gemeinschaft zusammengelebt und ihn gepflegt. Sie habe den Versicherten geliebt. Die Behauptung, die Ärzte hätten ihr gesagt, dass er bald sterben werde und deshalb habe sie den Versicherten geheiratet, sei nicht richtig. Sie hätte den Versicherten auch früher heiraten können, aber sie habe immer wieder gesagt: "Es soll dir nur besser gehen, damit wir so lange wie möglich zusammenbleiben können". Der Versicherte hätte darauf bestanden, dass sie so schnell wie möglich heiraten. Sie vermute, dies nur deshalb, weil er eine Frau neben sich haben wollte, die sich immer um ihn kümmern werde und zwar auch dann, wenn er diese Welt bereits verlassen habe. Er selbst habe es ihr nie gesagt gehabt, aber nun sei es ziemlich rasch passiert und so habe sie ihn auch so schnell verloren.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2009 wies das SG die Klage ab. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht widerlegt. Das Zusammenleben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft könne nicht die Vermutungsregel widerlegen, da in Deutschland, anders als im ehemaligen Jugoslawien, eheliche Lebensgemeinschaft und nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht gleichberechtigt nebeneinander stünden. Hinweise darauf, dass der Tod des Versicherten plötzlich und unerwartet eingetreten sei, lägen nicht vor. Aus dem Gutachten von Dr. R. gehe hervor, dass die Diagnosen des Todesleidens des Versicherten bereits im Februar 2005 bekannt gewesen seien. Dies gelte auch zum Zeitpunkt der Eheschließung zweieinhalb Monate vor dem Tod des Versicherten.
Hiergegen hat die Klägerin mit nicht unterzeichnetem Schreiben an das SG Landshut Berufung eingelegt mit der Begründung, sie habe nicht im Traum daran gedacht, dass sie den Versicherten so schnell verlieren werde. Aus diesem Grund habe sie es auch nicht eilig gehabt, ihn zu heiraten. Aber er selbst habe sich das doch gewünscht gehabt, weil seine Liebe zu ihr groß gewesen sei.
Der Senat hat die Klägerin unter Beifügung des Senatsurteils vom 9. September 2009, Az. L 13 KN 12/07, aufgefordert, Tatsachen dafür mitzuteilen, dass der Versorgungszweck doch nur nachrangig gewesen sein könnte. Benötigt werde eine ausführliche und konkrete Aufstellung von Tatsachen, die gegen den Versorgungszweck sprächen. Daraufhin wiederholte die Klägerin ihren bisherigen Vortrag. Sie wisse nicht mehr, was sie noch schreiben könnte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2009 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist zulässig, obwohl der Berufungsschriftsatz von der Klägerin nicht unterzeichnet worden ist. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Frist beträgt bei einer Zustellung im Ausland 3 Monate (§§ 133 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG).
Aus dem Schriftformerfordernis ist in der Regel abzuleiten, dass die Berufungsschrift durch den Berufungsführer eigenhändig unterschrieben wird. Ausnahmsweise kann hierauf jedoch verzichtet werden, wenn sich aus dem Schriftsatz selbst oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umstände hinreichend sicher die Urheberschaft und der Wille ergeben, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ohne dass hierüber Beweis erhoben werden müsste (BSG SozR 3-1500 § 151 Nr. 2). Anhaltspunkte hierfür kann der Zugang des Schriftstück in einem Umschlag mit handschriftlicher Angabe des Empfängers und des Absenders in Verbindung mit detaillierten Angaben zum Gegenstand des Rechtsstreits sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 151 Rdn.5 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Der Berufungsschriftsatz wurde in einem handschriftlich adressierten Umschlag übersandt. Aus dem Berufungsschriftsatz gehen das Aktenzeichen des SG, der Name der Klägerin sowie detaillierte Angaben zum Rechtsstreit hervor. Die Schriftform wurde damit gewahrt. Ebenso wurde die Berufungsfrist eingehalten.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von großer Witwenrente gemäß § 46 Abs. 1, 2 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Dem Anspruch der Klägerin steht § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Es liegt bei Hochzeit am 16. September 2005 und Tod des Versicherten am 29. November 2005 nur eine kurze Ehedauer iSd § 46 Abs. 2a SGB VI vor. Eine Rentengewährung kommt damit nur in Betracht, wenn die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach §§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. Kassler Kommentar, Band 1, § 46 SGB VI Rn. 46b, m.w.N.). Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen (BSGE 35, 272). Es sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von einer Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen. Hierbei hat eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, in juris). Dabei reicht es grundsätzlich aus, wenn für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht keine Rolle spielte, gleich, ob dies der Versicherte oder der überlebende Ehegatte war (Kassler Kommentar, a.a.O., Rn. 46c). Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Gatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Besondere Umstände, die die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen vermögen, können nur solche sein, die eindeutig darauf schließen lassen, dass die Ehe nicht zumindest überwiegend aus Gründen der Versorgung geschlossen wurde. Die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig mitentscheidender Gesichtspunkte wie der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, und die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen oder die Miete einer entsprechenden Wohnung rechtfertigt nicht die Annahme besonderer Umstände im Sinne des Gesetzes (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.1.1972, L 8 V 202/71 - zu § 38 Abs. 2 BVG -).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2009 klargestellt, dass dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine gewichtige Bedeutung zukommt. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer äußerer Umstand ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt eingetreten ist. Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Schließung der Ehe offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel die Annahme einer Versorgungsehe gerechtfertigt. Zwar ist bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Beteiligten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung führen (BSG, a.a.O).
Der Versicherte war nach den Feststellungen des internistischen Sachverständigen Dr. R. im Jahr 2005 vom 10. Februar bis 10. März, vom 12. April bis 17. April, vom 13. Juni bis 17. Juni und vom 7. bis 10. September insgesamt viermal vor der Hochzeit in stationärer Behandlung. Bei der erstmaligen Aufnahme im Februar 2005 wurde bereits die Diagnose einer chronisch obstruktive Bronchitis mit respiratorischer Insuffizienz, einer dekompensierten arteriosklerotischen Herzschwäche und eines Diabetes gestellt. Im Vordergrund hätten Atemnot, Beinödeme, Blauverfärbung (Zyanose) und pfeifende Atemgeräusche bei grenzwertiger Blutdruckerhöhung gestanden. Im April 2005 ereignete sich eine akute Verschlimmerung durch eine Lungenentzündung mit Lungenverschattung, im Juni 2005 erfolgt eine stationäre Aufnahme wegen Atemfunktionsschwäche bei obstruktivem Bronchitisschub, im September 2005 erfolgte eine erneute Behandlung wegen Atemschwäche. Dr. R. hat festgestellt, dass vorhersehbar war, dass dieses Leiden zum Tode führen werde. Angesichts der auch für Laien deutlich erkennbaren gravierenden Symptomatik einer schweren Atemnot mit Zyanose ist dies für den Senat sehr gut nachvollziehbar. Von einem für den Versicherten und für die mit dem Versicherten zusammenlebende Klägerin unerwarteten Ereignis kann damit keine Rede sein. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen war der Versicherte zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits erkennbar hochgradig multimorbide. Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht im Traum daran gedacht, dass sie den Versicherten so schnell verlieren werde, ist angesichts einer derart hohen Frequenz von stationären Krankenhausaufenthalten innerhalb eines Jahres aufgrund ein- und desselben Leidens und der aus den Befundberichten hervorgehenden Symptomatik für den Senat nicht glaubhaft.
Die von der Klägerin vorgetragenen weiteren (äußeren und inneren) Umstände, die ausschlaggebend für die Hochzeit gewesen sein sollen, können den Senat nicht mit der dafür erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe beider Ehegatten insgesamt gesehen zumindest gleichwertig sind.
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liegt nicht darin, dass die Klägerin und der Versicherte schon seit einigen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft lebten. Dieser Umstand spricht nach Auffassung des Senats vielmehr eher umgekehrt dafür, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Ehe war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Denn einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liegt die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen.
Auch in den geltend gemachten Heiratsabsichten des Versicherten kann der Senat keinen besonderen Umstand erkennen, der zu einer Widerlegung der Versorgungsvermutung führen würde. Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 23. Juli 2003, L 2 U 360/01). Von einer konsequenten Verwirklichung von langjährigen Heiratsplänen kann hier nach dem Vortrag der Klägerin nicht die Rede sein. Langjährige Heiratsabsichten der Klägerin lagen offensichtlich nicht vor. Von ihr wurde kein überzeugender Grund dafür genannt, warum sie nicht früher geheiratet hat. Von Seiten des Versicherten war eine frühere Hochzeit nach ihren Angaben zwar gewollt. Die Klägerin hat eine Heirat jedoch abgelehnt, weil es dem Versicherten besser gehen solle, damit der Versicherte und die Klägerin so lange wie möglich zusammenbleiben können. Diese Erklärung ist für den Senat in keiner Weise stimmig. Gerade wenn es zutrifft, dass der Versicherte die Jugendliebe der Klägerin war und er nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2001 wieder eine Ehe eingehen konnte, wäre dieses weitere Abwarten mit einer Hochzeit nur dann plausibel, wenn beim Versicherten eine akute, heilbare Erkrankung vorgelegen hätte. Dann wäre es nachvollziehbar, wenn die Klägerin zunächst eine Besserung des Zustands bis zur Hochzeit hätte abwarten wollen. Bei der chronischen schwerwiegenden Erkrankung des Versicherten macht es hingegen für jemanden, der einen heiratswilligen Partner gefunden hat und der wirklich eine Ehe entsprechend ihrem Wesen auf längere Dauer eingehen will, keinen Sinn, mit einer Hochzeit solange abzuwarten, bis beim Partner ein nahezu finaler Zustand erreicht ist. Dann liegt die vom Gesetzgeber grundsätzliche unterstellte Vermutung sehr viel näher, die Ehe werde "im Angesicht des nahenden Todes" jetzt noch schnell geschlossen, damit die Partnerin - vielleicht auch als Dank für erbrachte Betreuungs- und Pflegeleistungen in der Vergangenheit - zumindest eine Versorgung erhält.
Über die Motive des Versicherten zur Eheschließung konnte die Klägerin nur Vermutungen anstellen. Nach ihren eigenen Angaben hat er ihr hierüber nichts gesagt. Damit steht auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass er die Klägerin zur Sicherstellung seiner Pflege heiraten wollte. Hiergegen spricht im Übrigen schon der Umstand, dass die Klägerin den Versicherten nach ihren eigenen Angaben auch schon vor der Hochzeit gepflegt und trotzdem keine Heiratsabsichten geäußert hat. Es kann also keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Weiterführung der Pflege von einer Hochzeit abhängig gemacht hat. Im Übrigen vermutet die Klägerin, dass der Versicherte eine Frau haben wollte, die auch dann auf ihn aufpasst, wenn er diese Welt verlassen und eine andere betreten hat. Trifft diese Vermutung zu, spricht dies zunächst nur dafür, dass sich der Versicherte bei der Hochzeit bewusst gewesen sein muss, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Welche Beweggründe seitens des Versicherten für die Eheschließung tatsächlich maßgebend waren, lässt sich jedoch objektiv nicht mehr feststellen.
Nach alledem konnte nach Auffassung auch des Senats die Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwenrente.
Die 1948 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, serbische Staatsangehörige, schloss am 16. September 2005 die Ehe mit dem 1932 geborenen Versicherten. Der Versicherte verstarb am 29. November 2005.
Mit Antrag vom 9. März 2006 begehrte die Klägerin Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass ein Rentenanspruch nur bestehe, wenn nachgewiesen werde, dass die Ehe nicht allein oder überwiegend aus dem Grunde geschlossen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Um Mitteilung von Gründen, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, wurde gebeten. Ferner wurde um Vorlage der gesamten medizinischen Befunddokumentation von 2005 für den verstorbenen Ehemann ersucht. Die Klägerin übersandte daraufhin diverse Krankenhausberichte vom 10. März 2005 bis 29. März 2005.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten stellte fest, dass aus medizinischer Sicht bei Eheschließung absehbar gewesen sei, dass der Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres eintreten werde. Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 10. April 2008 die Gewährung der Witwenrente ab. Die Ehe habe nicht mindestens ein Jahr gedauert. Es liege eine sog. Versorgungsehe vor.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch mit der Begründung erhoben, sie habe vom Februar 2002 bis zum Tod ihres Ehemanns am 29. November 2005 in außerehelicher und ehelicher Gemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Eine Bestätigung der Gemeinde K. wurde beigefügt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008 zurückgewiesen. Das jahrelange Führen einer Lebensgemeinschaft sei ein weiterer Hinweis auf den Versorgungscharakter der Ehe, da diese geschlossen worden sei, nachdem die schwere Krankheit des Klägers bekannt geworden sei. Die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe habe somit nicht widerlegt werden können.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut mit der Begründung, der Versicherte sei ihre Jugendliebe gewesen. Sie hätten sich erst sehr spät gefunden, als der Versicherte in sein Land zurückgekehrt sei, um dort zu leben. Sie habe es mit der Heirat nicht eilig gehabt, sondern wollte nur, dass er möglichst bald genese und dass sie möglichst lange zusammenleben. Wenn sie etwas für sich selbst im Sinn gehabt hätte, hätte sie ihn gleich geheiratet. Sie wollte aber nur mit ihm zusammen sein und möglichst lange zusammen mit ihm leben. Die Ehefrau des Versicherten sei 2001 verstorben und er habe darauf bestanden, dass sie heirateten, aber sie habe nicht gewollt. Sie hätten nicht geahnt, dass der Versicherte sie schnell verlassen werde. Auch eine eheähnliche Gemeinschaft werde nach dem neuen Gesetz berücksichtigt.
Das SG holte ein Gutachten nach Aktenlage des Internisten Dr. R. vom 25. November 2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherte an den Folgen eines zunehmenden Herz- und Lungenversagens gestorben sei, welches sich als Folge einer chronischen obstruktiven Bronchitis mit Entzündungskomplikationen entwickelt hatte. Die Diagnosen dieses Todesleidens seien seit Februar 2005 durch Klinikbefunde eindeutig dokumentiert. Aufgrund klinischer Erfahrungen könne bei dem fortgeschrittenen Zustand des Todesleidens mit Sicherheit festgestellt werden, dass die bekannten Krankheiten zum Tod führen würden. Der Todeszeitpunkt am 29. November 2005 entspreche dem klinischen Verlauf. Der Tod sei zweieinhalb Monate nach der Eheschließung erwartungsgemäß eingetreten.
Die Klägerin machte geltend, sie hätte mit dem Versicherten mehrere Jahre ohne Trauschein gelebt, ihn gepflegt und versorgt. Als er dann erkrankt sei, habe sie weiterhin mit ihm in einer Gemeinschaft zusammengelebt und ihn gepflegt. Sie habe den Versicherten geliebt. Die Behauptung, die Ärzte hätten ihr gesagt, dass er bald sterben werde und deshalb habe sie den Versicherten geheiratet, sei nicht richtig. Sie hätte den Versicherten auch früher heiraten können, aber sie habe immer wieder gesagt: "Es soll dir nur besser gehen, damit wir so lange wie möglich zusammenbleiben können". Der Versicherte hätte darauf bestanden, dass sie so schnell wie möglich heiraten. Sie vermute, dies nur deshalb, weil er eine Frau neben sich haben wollte, die sich immer um ihn kümmern werde und zwar auch dann, wenn er diese Welt bereits verlassen habe. Er selbst habe es ihr nie gesagt gehabt, aber nun sei es ziemlich rasch passiert und so habe sie ihn auch so schnell verloren.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2009 wies das SG die Klage ab. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht widerlegt. Das Zusammenleben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft könne nicht die Vermutungsregel widerlegen, da in Deutschland, anders als im ehemaligen Jugoslawien, eheliche Lebensgemeinschaft und nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht gleichberechtigt nebeneinander stünden. Hinweise darauf, dass der Tod des Versicherten plötzlich und unerwartet eingetreten sei, lägen nicht vor. Aus dem Gutachten von Dr. R. gehe hervor, dass die Diagnosen des Todesleidens des Versicherten bereits im Februar 2005 bekannt gewesen seien. Dies gelte auch zum Zeitpunkt der Eheschließung zweieinhalb Monate vor dem Tod des Versicherten.
Hiergegen hat die Klägerin mit nicht unterzeichnetem Schreiben an das SG Landshut Berufung eingelegt mit der Begründung, sie habe nicht im Traum daran gedacht, dass sie den Versicherten so schnell verlieren werde. Aus diesem Grund habe sie es auch nicht eilig gehabt, ihn zu heiraten. Aber er selbst habe sich das doch gewünscht gehabt, weil seine Liebe zu ihr groß gewesen sei.
Der Senat hat die Klägerin unter Beifügung des Senatsurteils vom 9. September 2009, Az. L 13 KN 12/07, aufgefordert, Tatsachen dafür mitzuteilen, dass der Versorgungszweck doch nur nachrangig gewesen sein könnte. Benötigt werde eine ausführliche und konkrete Aufstellung von Tatsachen, die gegen den Versorgungszweck sprächen. Daraufhin wiederholte die Klägerin ihren bisherigen Vortrag. Sie wisse nicht mehr, was sie noch schreiben könnte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2009 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist zulässig, obwohl der Berufungsschriftsatz von der Klägerin nicht unterzeichnet worden ist. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Frist beträgt bei einer Zustellung im Ausland 3 Monate (§§ 133 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG).
Aus dem Schriftformerfordernis ist in der Regel abzuleiten, dass die Berufungsschrift durch den Berufungsführer eigenhändig unterschrieben wird. Ausnahmsweise kann hierauf jedoch verzichtet werden, wenn sich aus dem Schriftsatz selbst oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umstände hinreichend sicher die Urheberschaft und der Wille ergeben, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ohne dass hierüber Beweis erhoben werden müsste (BSG SozR 3-1500 § 151 Nr. 2). Anhaltspunkte hierfür kann der Zugang des Schriftstück in einem Umschlag mit handschriftlicher Angabe des Empfängers und des Absenders in Verbindung mit detaillierten Angaben zum Gegenstand des Rechtsstreits sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 151 Rdn.5 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Der Berufungsschriftsatz wurde in einem handschriftlich adressierten Umschlag übersandt. Aus dem Berufungsschriftsatz gehen das Aktenzeichen des SG, der Name der Klägerin sowie detaillierte Angaben zum Rechtsstreit hervor. Die Schriftform wurde damit gewahrt. Ebenso wurde die Berufungsfrist eingehalten.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von großer Witwenrente gemäß § 46 Abs. 1, 2 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Dem Anspruch der Klägerin steht § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Es liegt bei Hochzeit am 16. September 2005 und Tod des Versicherten am 29. November 2005 nur eine kurze Ehedauer iSd § 46 Abs. 2a SGB VI vor. Eine Rentengewährung kommt damit nur in Betracht, wenn die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach §§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. Kassler Kommentar, Band 1, § 46 SGB VI Rn. 46b, m.w.N.). Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen (BSGE 35, 272). Es sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von einer Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen. Hierbei hat eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, in juris). Dabei reicht es grundsätzlich aus, wenn für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht keine Rolle spielte, gleich, ob dies der Versicherte oder der überlebende Ehegatte war (Kassler Kommentar, a.a.O., Rn. 46c). Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Gatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Besondere Umstände, die die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen vermögen, können nur solche sein, die eindeutig darauf schließen lassen, dass die Ehe nicht zumindest überwiegend aus Gründen der Versorgung geschlossen wurde. Die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig mitentscheidender Gesichtspunkte wie der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, und die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen oder die Miete einer entsprechenden Wohnung rechtfertigt nicht die Annahme besonderer Umstände im Sinne des Gesetzes (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.1.1972, L 8 V 202/71 - zu § 38 Abs. 2 BVG -).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2009 klargestellt, dass dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine gewichtige Bedeutung zukommt. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer äußerer Umstand ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt eingetreten ist. Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Schließung der Ehe offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel die Annahme einer Versorgungsehe gerechtfertigt. Zwar ist bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Beteiligten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung führen (BSG, a.a.O).
Der Versicherte war nach den Feststellungen des internistischen Sachverständigen Dr. R. im Jahr 2005 vom 10. Februar bis 10. März, vom 12. April bis 17. April, vom 13. Juni bis 17. Juni und vom 7. bis 10. September insgesamt viermal vor der Hochzeit in stationärer Behandlung. Bei der erstmaligen Aufnahme im Februar 2005 wurde bereits die Diagnose einer chronisch obstruktive Bronchitis mit respiratorischer Insuffizienz, einer dekompensierten arteriosklerotischen Herzschwäche und eines Diabetes gestellt. Im Vordergrund hätten Atemnot, Beinödeme, Blauverfärbung (Zyanose) und pfeifende Atemgeräusche bei grenzwertiger Blutdruckerhöhung gestanden. Im April 2005 ereignete sich eine akute Verschlimmerung durch eine Lungenentzündung mit Lungenverschattung, im Juni 2005 erfolgt eine stationäre Aufnahme wegen Atemfunktionsschwäche bei obstruktivem Bronchitisschub, im September 2005 erfolgte eine erneute Behandlung wegen Atemschwäche. Dr. R. hat festgestellt, dass vorhersehbar war, dass dieses Leiden zum Tode führen werde. Angesichts der auch für Laien deutlich erkennbaren gravierenden Symptomatik einer schweren Atemnot mit Zyanose ist dies für den Senat sehr gut nachvollziehbar. Von einem für den Versicherten und für die mit dem Versicherten zusammenlebende Klägerin unerwarteten Ereignis kann damit keine Rede sein. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen war der Versicherte zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits erkennbar hochgradig multimorbide. Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht im Traum daran gedacht, dass sie den Versicherten so schnell verlieren werde, ist angesichts einer derart hohen Frequenz von stationären Krankenhausaufenthalten innerhalb eines Jahres aufgrund ein- und desselben Leidens und der aus den Befundberichten hervorgehenden Symptomatik für den Senat nicht glaubhaft.
Die von der Klägerin vorgetragenen weiteren (äußeren und inneren) Umstände, die ausschlaggebend für die Hochzeit gewesen sein sollen, können den Senat nicht mit der dafür erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe beider Ehegatten insgesamt gesehen zumindest gleichwertig sind.
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liegt nicht darin, dass die Klägerin und der Versicherte schon seit einigen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft lebten. Dieser Umstand spricht nach Auffassung des Senats vielmehr eher umgekehrt dafür, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Ehe war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Denn einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liegt die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen.
Auch in den geltend gemachten Heiratsabsichten des Versicherten kann der Senat keinen besonderen Umstand erkennen, der zu einer Widerlegung der Versorgungsvermutung führen würde. Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 23. Juli 2003, L 2 U 360/01). Von einer konsequenten Verwirklichung von langjährigen Heiratsplänen kann hier nach dem Vortrag der Klägerin nicht die Rede sein. Langjährige Heiratsabsichten der Klägerin lagen offensichtlich nicht vor. Von ihr wurde kein überzeugender Grund dafür genannt, warum sie nicht früher geheiratet hat. Von Seiten des Versicherten war eine frühere Hochzeit nach ihren Angaben zwar gewollt. Die Klägerin hat eine Heirat jedoch abgelehnt, weil es dem Versicherten besser gehen solle, damit der Versicherte und die Klägerin so lange wie möglich zusammenbleiben können. Diese Erklärung ist für den Senat in keiner Weise stimmig. Gerade wenn es zutrifft, dass der Versicherte die Jugendliebe der Klägerin war und er nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2001 wieder eine Ehe eingehen konnte, wäre dieses weitere Abwarten mit einer Hochzeit nur dann plausibel, wenn beim Versicherten eine akute, heilbare Erkrankung vorgelegen hätte. Dann wäre es nachvollziehbar, wenn die Klägerin zunächst eine Besserung des Zustands bis zur Hochzeit hätte abwarten wollen. Bei der chronischen schwerwiegenden Erkrankung des Versicherten macht es hingegen für jemanden, der einen heiratswilligen Partner gefunden hat und der wirklich eine Ehe entsprechend ihrem Wesen auf längere Dauer eingehen will, keinen Sinn, mit einer Hochzeit solange abzuwarten, bis beim Partner ein nahezu finaler Zustand erreicht ist. Dann liegt die vom Gesetzgeber grundsätzliche unterstellte Vermutung sehr viel näher, die Ehe werde "im Angesicht des nahenden Todes" jetzt noch schnell geschlossen, damit die Partnerin - vielleicht auch als Dank für erbrachte Betreuungs- und Pflegeleistungen in der Vergangenheit - zumindest eine Versorgung erhält.
Über die Motive des Versicherten zur Eheschließung konnte die Klägerin nur Vermutungen anstellen. Nach ihren eigenen Angaben hat er ihr hierüber nichts gesagt. Damit steht auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass er die Klägerin zur Sicherstellung seiner Pflege heiraten wollte. Hiergegen spricht im Übrigen schon der Umstand, dass die Klägerin den Versicherten nach ihren eigenen Angaben auch schon vor der Hochzeit gepflegt und trotzdem keine Heiratsabsichten geäußert hat. Es kann also keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Weiterführung der Pflege von einer Hochzeit abhängig gemacht hat. Im Übrigen vermutet die Klägerin, dass der Versicherte eine Frau haben wollte, die auch dann auf ihn aufpasst, wenn er diese Welt verlassen und eine andere betreten hat. Trifft diese Vermutung zu, spricht dies zunächst nur dafür, dass sich der Versicherte bei der Hochzeit bewusst gewesen sein muss, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Welche Beweggründe seitens des Versicherten für die Eheschließung tatsächlich maßgebend waren, lässt sich jedoch objektiv nicht mehr feststellen.
Nach alledem konnte nach Auffassung auch des Senats die Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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