Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 597/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 52/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es besteht kein Vertrauensschutz für den Verwaltungsakt, der auf einem Verwaltungsakt aufbaut, der durch falsche Angaben erwirkt wurde.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. November 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht den Rentenbescheid vom 28. Februar 2001 zurückgenommen hat und die sich ergebende Überzahlung in Höhe von 22.228,01 EUR zurückfordert.
Der 1940 geborene Kläger beantragte am 02.01.2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte gewährte ihm diese mit Bescheid vom 28.02.2001 ab 01.10.2000 in Höhe von monatlich 669,52 DM. Im Versicherungsverlauf sind seit Oktober 1994 mit kurzen Unterbrechungen Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit gespeichert.
Mit Schreiben vom 03.06.2004 bat die Beklagte die Agentur für Arbeit um Klärung der Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.1999. Diese teilte am 21.07.2004 mit, dass Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bestanden habe (§ 190 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III -) und die gezahlten Leistungen zurückgefordert würden. Die Agentur für Arbeit bestätigte dies am 07.03.2005 auch für die Zeiträume vom 01.01.2000 bis zum 15.07.2000 sowie vom 04.09.2000 bis zum 31.12.2000. Ein Sozialgerichtsverfahren sei nicht anhängig, aber ein Strafverfahren.
Mit Schreiben vom 03.05.2005 hörte die Beklagte den Kläger an. Aufgrund der Rückforderung durch die Agentur für Arbeit bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Arbeitslosigkeit, da in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente keine acht Jahre Pflichtbeiträge mehr vorhanden seien. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 28.02.2001 zurückzunehmen und die entstandene Überzahlung in Höhe von 20.139,33 EUR zurückzufordern.
Mit Bescheid vom 23.05.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 28.02.2001 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung zum 01.10.2000 auf, forderte die Überzahlung in Höhe von 21.394,65 EUR zurück und stellte die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Juni 2005 ein. Es liege ein Vertrauensausschlussgrund des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Da im Anhörungsverfahren keine Stellungnahme erfolgt sei, sei nach Aktenlage entschieden worden. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten.
Im Widerspruchsverfahren machte der Bevollmächtigte geltend, dass der Kläger gegenüber der Beklagten keine falschen Angaben gemacht habe. Auch habe er die Unrichtigkeit des Leistungsbescheides nicht gekannt. Der Kläger habe keine Kenntnis, dass mit der Rückforderung auch die Versicherungspflicht entfalle. Einen entsprechenden Hinweis habe er weder von der Arbeitsverwaltung noch von der Beklagten erhalten.
Die Agentur für Arbeit übersandte mit Schreiben vom 26.07.2005 ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.05.2004, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 01.01.1998 aufgehoben hatte, da der Kläger Mieteinnahmen und Einnahmen aus einem Postservice gehabt habe. Es seien zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht worden, die Arbeitslosenhilfe in Höhe von 25.336,49 EUR werde zurückgefordert, ebenso die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 7.088,15 EUR.
Mit Bescheid vom 22.08.2005 änderte die Beklagte die Höhe der Überzahlung auf 22.228,01 EUR, da die Rente erst mit Ablauf des August 2005 eingestellt worden sei. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens, § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Bevollmächtige des Klägers teilte mit, dass sich der Kläger seit Mitte Oktober 2004 in der Türkei aufhalte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei über die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente informiert gewesen und er habe auch gewusst, dass er in den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe unvollständige Angaben gemacht habe. Er habe also damit rechnen müssen, dass ihm die Arbeitslosenhilfe nicht zustehe. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass die Fehlerhaftigkeit des Bescheides auf unvollständigen Angaben des Klägers beruhte und die Beklagte kein Mitverschulden treffe, so dass das öffentliche Interesse überwiege.
Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 03.03.2006 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und ausgeführt, der Kläger habe keine Kenntnis davon gehabt, dass für die bewilligte Rente der Bezug von Arbeitslosengeld entscheidend gewesen sei. Er habe den Antrag auf Aufforderung durch die Agentur für Arbeit gestellt. Der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig, sei intellektuell einfach strukturiert und habe keine Kenntnisse, aufgrund welcher Umstände die Rentenbewilligung erfolgt sei. Ein Zusammenhang zwischen der Leistungsbewilligung durch die Bundesagentur für Arbeit und der Rentenbewilligung sei dem Kläger nicht ersichtlich gewesen. Der Kläger habe nicht in Arbeit gestanden und sei aus seiner Wertung damit arbeitslos gewesen. Er habe die Unrichtigkeit des Rentenbescheides nicht gekannt.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass ein Verfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit nicht betrieben werde. Das SG hat die Strafakten und die Akte der Bundesagentur für Arbeit beigezogen.
Mit Urteil vom 11.11.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien erfüllt, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Rentengewährung beruhe auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich bzw. grob fahrlässig in seinen Anträgen auf Arbeitslosenhilfe gemacht habe. Mit Beantragung der Altersrente habe der Kläger die Täuschung fortgesetzt. Auch hier habe sich der Kläger verpflichtet, die Beklagte unverzüglich über die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit zu informieren. Er habe auch hier die Rechtswidrigkeit des Bescheides gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt.
Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 23.01.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung die Ausführungen im Klageverfahren wiederholt und vorgetragen, dass das SG sich damit nicht auseinandergesetzt habe. Es mangle daran, dass der Kläger in Bezug auf die Rentenbewilligung die Unrichtigkeit erkannt habe.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass eine mittelbare Verursachung eines rechtswidrigen Bescheides ausreiche; denkbar sei auch, dass auf eine erste fehlerhafte Entscheidung ein weiterer Bescheid aufbaue. Unabhängig davon, ob der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der bewilligten Rente gekannt habe, sei es auch ohne einschlägige Vorbildung offensichtlich, dass nur ein Arbeitsloser das Recht auf eine Rente wegen Arbeitslosigkeit haben könne.
Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft M. beigezogen. Der Akte ist zu entnehmen, dass mit Datum vom 18.01.2005 ein Haftbefehl gegen den Kläger erlassen wurde. Er wird des Betruges beschuldigt. Der Kläger habe in den Jahren 1998 und 1999 monatliche Mieteinnahmen in Höhe von mindestens 5.200 EUR, in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von monatlich mindestens 6.125 EUR gehabt, zuzüglich Einkommen aus einem Friseursalon in Höhe von mindestens 300 EUR täglich und aus einem Postservice in Höhe von mindestens 1.000 EUR monatlich. Er habe daher vom Arbeitsamt A-Stadt Leistungen in Höhe von 41.517,57 EUR ohne Rechtsgrund erhalten. Das Verfahren wurde eingestellt, da der Aufenthaltsort des Klägers nicht ermittelt werden konnte.
Eine Beiziehung der Akten der Agentur für Arbeit war nicht mehr möglich.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Fassung des Bescheides vom 22. August 2005 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Februar 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsakte der Beklagte, die Klageakten beider Rechtszüge sowie die Akte der Staatsanwaltschaft M. vor. Auf deren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); sie erweist sich jedoch als nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.5.2005 in der Fassung des Bescheides vom 22.8.2005 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2006, mit dem die Beklagte den Rentenbescheid vom 28.02.2001 aufgehoben, vom Kläger die Rentenüberzahlung in Höhe von 22.228,01 EUR zurückgefordert und die Rente ab 01.09.2005 eingestellt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 45 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u. a. dann nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlichen Beziehungen unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), oder soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X); grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 3 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn nicht Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufes erlassen wurde. Gemäß § 45 Abs. 4 SGB X wird nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
Der Rentenbescheid vom 28.02.2001 war bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die gewährte Rente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 SGB VI nicht erfüllte. Er hat in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente keine acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Den zugrundeliegenden Pflichtbeiträgen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 01.01.1998 wurde durch rechtskräftige Aufhebung des Leistungsbescheids durch die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 11.05.2004 die Grundlage entzogen.
Die Beklagte konnte die Rentenzahlung nicht nur für die Zukunft einstellen, sondern auch mit Wirkung für die Vergangenheit ab 01.10.2000 zurücknehmen. Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Die Bewilligungsentscheidung in Bezug auf die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beruhte auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Er hat unstrittig seine Einnahmen aus diversen selbständigen Tätigkeiten in Höhe von monatlich mindestens 12.000 EUR nicht angegeben. Das Argument des Klägers, er habe die Unrichtigkeit des Rentenbescheides nicht gekannt, ist daher unerheblich. Es reicht eine mittelbare Verursachung aus. Die falschen Angaben des Klägers zu den Voraussetzungen der Arbeitslosenhilfe waren nicht nur für die Bescheide der Agentur für Arbeit bzgl. der Bewilligung für Arbeitslosenhilfe ursächlich, sondern auch für den Bescheid der Beklagten über die Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Auch diese Bewilligung beruht letztendlich auf den Angaben, die der Kläger grob fahrlässig oder unvollständig gegenüber der Agentur für Arbeit gemacht hat, so dass er sich nicht auf Vertrauen berufen kann, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Dass diese Angaben zunächst ausschlaggebend für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe waren, bedeutet nicht, dass der Kausalverlauf unterbrochen worden ist. Es entspricht nicht dem Sinn des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dem Begünstigten nur Vertrauensschutz in Bezug auf die Leistungen abzusprechen, die er durch seine falschen Angaben unmittelbar erwirkt hat. Es ist kein Gesichtspunkt zu erkennen, der dafür spräche, dass sich der Begünstigte in Bezug auf Leistungen Vertrauensschutz erworben haben könnte, die - wie hier - auf den unmittelbar erlangten Leistungen aufbauen (vgl. BSG Urteil vom 26.08.1992, 9b RAr 2/92). Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, die von den Beteiligten umfangreich diskutiert wurden, kommt es daher nicht mehr an.
Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Sie hatte Kenntnis über das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen frühestens ab der Mitteilung der Agentur für Arbeit vom 03.06.2004, die Rücknahme erfolgte mit Bescheid vom 23.05.2005. Die 10-Jahres-Frist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB X ist ebenfalls eingehalten. Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Soweit die Beklagte die Rückerstattung der erbrachten Leistungen fordert, beruht dies auf § 50 SGB X, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Gegen die Höhe der Forderung wurden keine Einwände erhoben, Fehler in der Berechnung sind nicht ersichtlich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. November 2008 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht den Rentenbescheid vom 28. Februar 2001 zurückgenommen hat und die sich ergebende Überzahlung in Höhe von 22.228,01 EUR zurückfordert.
Der 1940 geborene Kläger beantragte am 02.01.2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte gewährte ihm diese mit Bescheid vom 28.02.2001 ab 01.10.2000 in Höhe von monatlich 669,52 DM. Im Versicherungsverlauf sind seit Oktober 1994 mit kurzen Unterbrechungen Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit gespeichert.
Mit Schreiben vom 03.06.2004 bat die Beklagte die Agentur für Arbeit um Klärung der Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.1999. Diese teilte am 21.07.2004 mit, dass Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bestanden habe (§ 190 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III -) und die gezahlten Leistungen zurückgefordert würden. Die Agentur für Arbeit bestätigte dies am 07.03.2005 auch für die Zeiträume vom 01.01.2000 bis zum 15.07.2000 sowie vom 04.09.2000 bis zum 31.12.2000. Ein Sozialgerichtsverfahren sei nicht anhängig, aber ein Strafverfahren.
Mit Schreiben vom 03.05.2005 hörte die Beklagte den Kläger an. Aufgrund der Rückforderung durch die Agentur für Arbeit bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Arbeitslosigkeit, da in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente keine acht Jahre Pflichtbeiträge mehr vorhanden seien. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 28.02.2001 zurückzunehmen und die entstandene Überzahlung in Höhe von 20.139,33 EUR zurückzufordern.
Mit Bescheid vom 23.05.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 28.02.2001 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung zum 01.10.2000 auf, forderte die Überzahlung in Höhe von 21.394,65 EUR zurück und stellte die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Juni 2005 ein. Es liege ein Vertrauensausschlussgrund des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Da im Anhörungsverfahren keine Stellungnahme erfolgt sei, sei nach Aktenlage entschieden worden. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten.
Im Widerspruchsverfahren machte der Bevollmächtigte geltend, dass der Kläger gegenüber der Beklagten keine falschen Angaben gemacht habe. Auch habe er die Unrichtigkeit des Leistungsbescheides nicht gekannt. Der Kläger habe keine Kenntnis, dass mit der Rückforderung auch die Versicherungspflicht entfalle. Einen entsprechenden Hinweis habe er weder von der Arbeitsverwaltung noch von der Beklagten erhalten.
Die Agentur für Arbeit übersandte mit Schreiben vom 26.07.2005 ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.05.2004, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 01.01.1998 aufgehoben hatte, da der Kläger Mieteinnahmen und Einnahmen aus einem Postservice gehabt habe. Es seien zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht worden, die Arbeitslosenhilfe in Höhe von 25.336,49 EUR werde zurückgefordert, ebenso die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 7.088,15 EUR.
Mit Bescheid vom 22.08.2005 änderte die Beklagte die Höhe der Überzahlung auf 22.228,01 EUR, da die Rente erst mit Ablauf des August 2005 eingestellt worden sei. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens, § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Bevollmächtige des Klägers teilte mit, dass sich der Kläger seit Mitte Oktober 2004 in der Türkei aufhalte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei über die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente informiert gewesen und er habe auch gewusst, dass er in den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe unvollständige Angaben gemacht habe. Er habe also damit rechnen müssen, dass ihm die Arbeitslosenhilfe nicht zustehe. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass die Fehlerhaftigkeit des Bescheides auf unvollständigen Angaben des Klägers beruhte und die Beklagte kein Mitverschulden treffe, so dass das öffentliche Interesse überwiege.
Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 03.03.2006 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und ausgeführt, der Kläger habe keine Kenntnis davon gehabt, dass für die bewilligte Rente der Bezug von Arbeitslosengeld entscheidend gewesen sei. Er habe den Antrag auf Aufforderung durch die Agentur für Arbeit gestellt. Der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig, sei intellektuell einfach strukturiert und habe keine Kenntnisse, aufgrund welcher Umstände die Rentenbewilligung erfolgt sei. Ein Zusammenhang zwischen der Leistungsbewilligung durch die Bundesagentur für Arbeit und der Rentenbewilligung sei dem Kläger nicht ersichtlich gewesen. Der Kläger habe nicht in Arbeit gestanden und sei aus seiner Wertung damit arbeitslos gewesen. Er habe die Unrichtigkeit des Rentenbescheides nicht gekannt.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass ein Verfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit nicht betrieben werde. Das SG hat die Strafakten und die Akte der Bundesagentur für Arbeit beigezogen.
Mit Urteil vom 11.11.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien erfüllt, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Rentengewährung beruhe auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich bzw. grob fahrlässig in seinen Anträgen auf Arbeitslosenhilfe gemacht habe. Mit Beantragung der Altersrente habe der Kläger die Täuschung fortgesetzt. Auch hier habe sich der Kläger verpflichtet, die Beklagte unverzüglich über die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit zu informieren. Er habe auch hier die Rechtswidrigkeit des Bescheides gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt.
Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 23.01.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung die Ausführungen im Klageverfahren wiederholt und vorgetragen, dass das SG sich damit nicht auseinandergesetzt habe. Es mangle daran, dass der Kläger in Bezug auf die Rentenbewilligung die Unrichtigkeit erkannt habe.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass eine mittelbare Verursachung eines rechtswidrigen Bescheides ausreiche; denkbar sei auch, dass auf eine erste fehlerhafte Entscheidung ein weiterer Bescheid aufbaue. Unabhängig davon, ob der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der bewilligten Rente gekannt habe, sei es auch ohne einschlägige Vorbildung offensichtlich, dass nur ein Arbeitsloser das Recht auf eine Rente wegen Arbeitslosigkeit haben könne.
Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft M. beigezogen. Der Akte ist zu entnehmen, dass mit Datum vom 18.01.2005 ein Haftbefehl gegen den Kläger erlassen wurde. Er wird des Betruges beschuldigt. Der Kläger habe in den Jahren 1998 und 1999 monatliche Mieteinnahmen in Höhe von mindestens 5.200 EUR, in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von monatlich mindestens 6.125 EUR gehabt, zuzüglich Einkommen aus einem Friseursalon in Höhe von mindestens 300 EUR täglich und aus einem Postservice in Höhe von mindestens 1.000 EUR monatlich. Er habe daher vom Arbeitsamt A-Stadt Leistungen in Höhe von 41.517,57 EUR ohne Rechtsgrund erhalten. Das Verfahren wurde eingestellt, da der Aufenthaltsort des Klägers nicht ermittelt werden konnte.
Eine Beiziehung der Akten der Agentur für Arbeit war nicht mehr möglich.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Fassung des Bescheides vom 22. August 2005 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Februar 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsakte der Beklagte, die Klageakten beider Rechtszüge sowie die Akte der Staatsanwaltschaft M. vor. Auf deren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); sie erweist sich jedoch als nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.5.2005 in der Fassung des Bescheides vom 22.8.2005 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2006, mit dem die Beklagte den Rentenbescheid vom 28.02.2001 aufgehoben, vom Kläger die Rentenüberzahlung in Höhe von 22.228,01 EUR zurückgefordert und die Rente ab 01.09.2005 eingestellt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 45 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u. a. dann nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlichen Beziehungen unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), oder soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X); grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 3 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn nicht Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufes erlassen wurde. Gemäß § 45 Abs. 4 SGB X wird nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
Der Rentenbescheid vom 28.02.2001 war bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die gewährte Rente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 SGB VI nicht erfüllte. Er hat in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente keine acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Den zugrundeliegenden Pflichtbeiträgen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 01.01.1998 wurde durch rechtskräftige Aufhebung des Leistungsbescheids durch die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 11.05.2004 die Grundlage entzogen.
Die Beklagte konnte die Rentenzahlung nicht nur für die Zukunft einstellen, sondern auch mit Wirkung für die Vergangenheit ab 01.10.2000 zurücknehmen. Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Die Bewilligungsentscheidung in Bezug auf die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beruhte auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Er hat unstrittig seine Einnahmen aus diversen selbständigen Tätigkeiten in Höhe von monatlich mindestens 12.000 EUR nicht angegeben. Das Argument des Klägers, er habe die Unrichtigkeit des Rentenbescheides nicht gekannt, ist daher unerheblich. Es reicht eine mittelbare Verursachung aus. Die falschen Angaben des Klägers zu den Voraussetzungen der Arbeitslosenhilfe waren nicht nur für die Bescheide der Agentur für Arbeit bzgl. der Bewilligung für Arbeitslosenhilfe ursächlich, sondern auch für den Bescheid der Beklagten über die Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Auch diese Bewilligung beruht letztendlich auf den Angaben, die der Kläger grob fahrlässig oder unvollständig gegenüber der Agentur für Arbeit gemacht hat, so dass er sich nicht auf Vertrauen berufen kann, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Dass diese Angaben zunächst ausschlaggebend für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe waren, bedeutet nicht, dass der Kausalverlauf unterbrochen worden ist. Es entspricht nicht dem Sinn des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dem Begünstigten nur Vertrauensschutz in Bezug auf die Leistungen abzusprechen, die er durch seine falschen Angaben unmittelbar erwirkt hat. Es ist kein Gesichtspunkt zu erkennen, der dafür spräche, dass sich der Begünstigte in Bezug auf Leistungen Vertrauensschutz erworben haben könnte, die - wie hier - auf den unmittelbar erlangten Leistungen aufbauen (vgl. BSG Urteil vom 26.08.1992, 9b RAr 2/92). Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, die von den Beteiligten umfangreich diskutiert wurden, kommt es daher nicht mehr an.
Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Sie hatte Kenntnis über das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen frühestens ab der Mitteilung der Agentur für Arbeit vom 03.06.2004, die Rücknahme erfolgte mit Bescheid vom 23.05.2005. Die 10-Jahres-Frist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB X ist ebenfalls eingehalten. Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Soweit die Beklagte die Rückerstattung der erbrachten Leistungen fordert, beruht dies auf § 50 SGB X, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Gegen die Höhe der Forderung wurden keine Einwände erhoben, Fehler in der Berechnung sind nicht ersichtlich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. November 2008 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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