Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 22/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 502/10 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 20. Mai 2010 wird aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Landshut zum Az.: S 5 AS 22/08 machte die dortige Klägerin geltend, ihr stünden für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 03.12.2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu. Das Sozialgericht lud den Beschwerdeführer als Zeugen zum Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme auf den 20.05.2010. Die Ladung wurde am 04.05.2010 mit Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, es könne Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Zeuge unentschuldigt ausbleibe. Ferner müsse, sofern der Zeuge aus dringenden Gründen der Ladung nicht Folge leisten könne, beim Gericht rechtzeitig unter Darlegung der Hinderungsgründe beantragt werden, den Zeugen vom Erscheinen zu befreien. Wenn diesem Antrag nicht schriftlich entsprochen werde, bleibe es bei der Pflicht zu erscheinen.
Am 12.05.2010 teilte der Beschwerdeführer dem Sozialgericht telefonisch mit, er könne es sich nicht leisten, zum Termin am 20.05.2010 zu erscheinen, da er kein Geld für die Fahrkosten habe und bitte um einen Vorschuss. Dem Beschwerdeführer wurde von einer Mitarbeiterin mitgeteilt, dass er über die Gemeindeverwaltung einen Vorschuss erhalten könne. Am 15.05.2010, eingegangen beim Sozialgericht am 17.05.2010, beantragte der Beschwerdeführer per Fax nochmals einen Vorschuss auf seine Reisekosten in Höhe von 50,00 EUR. Er könne eventuell ein Fahrzeug bekommen, aber nicht die Betriebsmittel (Kraftstoff). Des Weiteren wies er darauf hin, dass er kein Arbeitslosengeld II bekomme, weshalb ein Verfahren laufe.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2010 war der Zeuge nicht anwesend. Nach Umfrage (Beratung) wurde ein Ordnungsgeld von 100,00 EUR wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin vom 20.05.2010 gegen den Beschwerdeführer festgesetzt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin wurde aufgehoben. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde am 04.06.2010 zugestellt. Am 21.05.2010 ging per Fax eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Allgemeinarztes
Dr. A. ein. Danach sei der Beschwerdeführer vom 20.05.2010 bis voraussichtlich 28.05.2010 arbeitsunfähig.
Gegen den Ordnungsgeldbeschluss legte der Beschwerdeführer am 05.07.2010 Beschwerde ein. Zum Beweis berief er sich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.05.2010.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 20.05.2010 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des Sozialgerichts vom 20.05.2010.
Insbesondere ist die Ein-Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG gewahrt. Der Beschluss wurde am 04.06.2010 zugestellt. Die Frist endete somit am 04.07.2010. Da dies ein Sonntag war, endete die Frist erst am 05.07.2010 (§§ 187, 188 BGB).
Gemäß § 118 Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 380 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO) können einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, ohne dass es eines Antrags bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn er nicht erscheint. Nach § 381 Abs.1 ZPO hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Zeuge glaubhaft macht, dass ihm die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist bzw. nachträglich entschuldigt wird. Voraussetzung ist demnach die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers als solche und sein Ausbleiben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Unter Würdigung der Gesamtumstände kommt der Senat zum Ergebnis, dass zumindest eine nachträgliche hinreichende Entschuldigung vorliegt. Die Vorschrift des § 380 ZPO bezweckt eine Achtung und Durchsetzbarkeit staatsbürgerlicher Ehrenpflichten, die einen Zeugen treffen können. Sie dient jedoch nicht in erster Linie der Bestrafung, was bei der
Auslegung der Vorschrift mit zu berücksichtigen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.04.2000 - 13 W 23/00). Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er vom 20.05. bis 28.05.2010 wegen einer Seitenstrangangina und Sinubronchitis arbeitsunfähig war und deshalb am Erscheinen zum Termin am 20.05.2010 verhindert war. Da diese Erkrankung erst am 20.05.2010 akut aufgetreten ist, konnte er diese Erkrankung dem Gericht nicht vorab mitteilen. Er hat dies einen Tag nach der mündlichen Verhandlung per Fax und damit unverzüglich nachgeholt. Sein Nichterscheinen ist deshalb ausreichend nachträglich entschuldigt. Die Würdigung der Gesamtumstände gebietet es, von der Verhängung von Ordnungsgeld Abstand zu nehmen, weil ein solches ein eigenes Verschulden des Zeugen voraussetzt und ein solches nicht gegeben ist.
Demnach sind die Voraussetzungen zum Aufheben des Ordnungsmittels gemäß §§ 380, 381 Abs.1 ZPO erfüllt. Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 20.05.2010 war aufzuheben.
Es braucht deshalb auch nicht weiter auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen zu werden, dass er nicht vor Gericht erscheinen könne, weil ihm das Fahrgeld fehle. Auch nicht eingegangen zu werden braucht auf die Tatsache, dass das Gericht in seinem Urteil vom 20.05.2010 als letztlich nicht nachweisbar angesehen hat, ob die Klägerin und der Beschwerdeführer tatsächlich in einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft leben. Es verwies in seinem Urteil auf die Angaben der Klägerin und des Beschwerdeführers, in getrennten Wohnungen zu leben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, der hier Anwendung findet, weil der Beschwerdeführer nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Danach sind nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger von Gerichtskosten befreit, wenn sie als Kläger oder Beklagte in einem Rechtsstreit vor den Sozialgerichten beteiligt sind. Der Beschwerdeführer ist als Zeuge nicht diesem Personenkreis zuzuordnen. Da die Beschwerde jedoch zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet hier
§ 467 Abs.1 Strafprozessordnung und § 46 Abs.1 Ordnungswidrigkeitengesetz in entsprechender Anwendung für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde an. Demnach ist Kostenersatz aus der Staatskasse zu leisten. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 22 Gerichtskostengesetz abzusehen (Kopp, VwGO, 10. Auflage, § 155 Nr.24 ).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Landshut zum Az.: S 5 AS 22/08 machte die dortige Klägerin geltend, ihr stünden für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 03.12.2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu. Das Sozialgericht lud den Beschwerdeführer als Zeugen zum Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme auf den 20.05.2010. Die Ladung wurde am 04.05.2010 mit Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, es könne Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Zeuge unentschuldigt ausbleibe. Ferner müsse, sofern der Zeuge aus dringenden Gründen der Ladung nicht Folge leisten könne, beim Gericht rechtzeitig unter Darlegung der Hinderungsgründe beantragt werden, den Zeugen vom Erscheinen zu befreien. Wenn diesem Antrag nicht schriftlich entsprochen werde, bleibe es bei der Pflicht zu erscheinen.
Am 12.05.2010 teilte der Beschwerdeführer dem Sozialgericht telefonisch mit, er könne es sich nicht leisten, zum Termin am 20.05.2010 zu erscheinen, da er kein Geld für die Fahrkosten habe und bitte um einen Vorschuss. Dem Beschwerdeführer wurde von einer Mitarbeiterin mitgeteilt, dass er über die Gemeindeverwaltung einen Vorschuss erhalten könne. Am 15.05.2010, eingegangen beim Sozialgericht am 17.05.2010, beantragte der Beschwerdeführer per Fax nochmals einen Vorschuss auf seine Reisekosten in Höhe von 50,00 EUR. Er könne eventuell ein Fahrzeug bekommen, aber nicht die Betriebsmittel (Kraftstoff). Des Weiteren wies er darauf hin, dass er kein Arbeitslosengeld II bekomme, weshalb ein Verfahren laufe.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2010 war der Zeuge nicht anwesend. Nach Umfrage (Beratung) wurde ein Ordnungsgeld von 100,00 EUR wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin vom 20.05.2010 gegen den Beschwerdeführer festgesetzt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin wurde aufgehoben. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde am 04.06.2010 zugestellt. Am 21.05.2010 ging per Fax eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Allgemeinarztes
Dr. A. ein. Danach sei der Beschwerdeführer vom 20.05.2010 bis voraussichtlich 28.05.2010 arbeitsunfähig.
Gegen den Ordnungsgeldbeschluss legte der Beschwerdeführer am 05.07.2010 Beschwerde ein. Zum Beweis berief er sich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.05.2010.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 20.05.2010 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des Sozialgerichts vom 20.05.2010.
Insbesondere ist die Ein-Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG gewahrt. Der Beschluss wurde am 04.06.2010 zugestellt. Die Frist endete somit am 04.07.2010. Da dies ein Sonntag war, endete die Frist erst am 05.07.2010 (§§ 187, 188 BGB).
Gemäß § 118 Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 380 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO) können einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, ohne dass es eines Antrags bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn er nicht erscheint. Nach § 381 Abs.1 ZPO hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Zeuge glaubhaft macht, dass ihm die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist bzw. nachträglich entschuldigt wird. Voraussetzung ist demnach die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers als solche und sein Ausbleiben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Unter Würdigung der Gesamtumstände kommt der Senat zum Ergebnis, dass zumindest eine nachträgliche hinreichende Entschuldigung vorliegt. Die Vorschrift des § 380 ZPO bezweckt eine Achtung und Durchsetzbarkeit staatsbürgerlicher Ehrenpflichten, die einen Zeugen treffen können. Sie dient jedoch nicht in erster Linie der Bestrafung, was bei der
Auslegung der Vorschrift mit zu berücksichtigen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.04.2000 - 13 W 23/00). Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er vom 20.05. bis 28.05.2010 wegen einer Seitenstrangangina und Sinubronchitis arbeitsunfähig war und deshalb am Erscheinen zum Termin am 20.05.2010 verhindert war. Da diese Erkrankung erst am 20.05.2010 akut aufgetreten ist, konnte er diese Erkrankung dem Gericht nicht vorab mitteilen. Er hat dies einen Tag nach der mündlichen Verhandlung per Fax und damit unverzüglich nachgeholt. Sein Nichterscheinen ist deshalb ausreichend nachträglich entschuldigt. Die Würdigung der Gesamtumstände gebietet es, von der Verhängung von Ordnungsgeld Abstand zu nehmen, weil ein solches ein eigenes Verschulden des Zeugen voraussetzt und ein solches nicht gegeben ist.
Demnach sind die Voraussetzungen zum Aufheben des Ordnungsmittels gemäß §§ 380, 381 Abs.1 ZPO erfüllt. Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 20.05.2010 war aufzuheben.
Es braucht deshalb auch nicht weiter auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen zu werden, dass er nicht vor Gericht erscheinen könne, weil ihm das Fahrgeld fehle. Auch nicht eingegangen zu werden braucht auf die Tatsache, dass das Gericht in seinem Urteil vom 20.05.2010 als letztlich nicht nachweisbar angesehen hat, ob die Klägerin und der Beschwerdeführer tatsächlich in einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft leben. Es verwies in seinem Urteil auf die Angaben der Klägerin und des Beschwerdeführers, in getrennten Wohnungen zu leben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, der hier Anwendung findet, weil der Beschwerdeführer nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Danach sind nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger von Gerichtskosten befreit, wenn sie als Kläger oder Beklagte in einem Rechtsstreit vor den Sozialgerichten beteiligt sind. Der Beschwerdeführer ist als Zeuge nicht diesem Personenkreis zuzuordnen. Da die Beschwerde jedoch zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet hier
§ 467 Abs.1 Strafprozessordnung und § 46 Abs.1 Ordnungswidrigkeitengesetz in entsprechender Anwendung für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde an. Demnach ist Kostenersatz aus der Staatskasse zu leisten. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 22 Gerichtskostengesetz abzusehen (Kopp, VwGO, 10. Auflage, § 155 Nr.24 ).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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