L 5 KR 453/10 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 329/05
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 453/10 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Streitwert zur Kündigung eines Versorgungsvertrages einer Pflegeeinrichtung richtet sich nach deren Umsatz und nicht lediglich nach deren Gewinn
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 10. März 2010 abgeändert und der Streitwert auf 259.278,20 Euro festgesetzt.



Gründe:

I.
Die Beteiligten führten vor dem Sozialgericht Nürnberg einen Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Versorgungsvertrages über die häusliche Krankenpflege nach § 132a Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Beklagte hatte mit Schreiben an die Klägerin vom 21. Juli 2005 das bestehende Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 31. Juli 2005 gekündigt. Dagegen hatte die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei rechtswidrig und unwirksam gewesen. Die Klage war verbunden mit einem zugleich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 18. August 2005 hat das Sozialgericht angeordnet, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens für gesetzlich Krankenversicherte nach entsprechender ärztlicher Verordnung erbrachte Versorgungsleistungen gemäß § 37 SGB V durch die Antragstellerin als Leistungserbringerin weiterhin nach den rahmenvertraglich vereinbarten Vergütungssätzen abzurechnen ist. Am 24. November 2005 hat das Sozialgericht in der Hauptsache einen vorläufigen Streitwert in Höhe von 5.000 Euro festgesetzt. Mit Schriftsatz an das Sozialgericht vom 12. November 2009 hat die Beklagte mitgeteilt, sie hebe den "Bescheid" vom 21. Juli 2005, mit dem das Vertragsverhältnis nach § 132a SGB V gekündigt worden sei, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht auf. Mit Beschluss vom 23. November 2009 hat das Sozialgericht die Kosten des Verfahrens nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung der Beklagten auferlegt. Die Beteiligten wurden um eine Stellungnahme zur Höhe des Streitwertes gebeten. Die Beklagte hat einen Streitwert in Höhe von 6.000 Euro für angemessen erachtet und in ihrer Antwort vom 25. November 2009 mit den auf ein Jahr hochgerechneten monatlichen Leistungen der Klägerin an Mitglieder der Ersatzkassen in Höhe von 500 Euro begründet. Dagegen hat die Klägerin für das Jahr 2005 abgerechnete Leistungen in Höhe von monatlich 14.675 Euro geltend gemacht. Daraus ergebe sich als maßgeblicher Jahresbetrag eine Summe von 176.100 Euro. Darauf hat die Beklagte erwidert, es sei höchstens ein Streitwert in Höhe von 32.000 Euro angemessen. Von den in Rechnung gestellten Leistungen müssten pauschal Betriebskosten in Höhe von 50 % abgezogen werden (Schriftsatz vom 19. Januar 2010). Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 hat die Klägerin ihre Auffassung korrigiert und einen Streitwert in Höhe von mindestens 265.107,40 Euro angegeben. Diesen Wert hat die Klägerin errechnet aus den in 19 Monaten erbrachten Leistungen für einen schwerstpflegebedürftigen Versicherten (201.107,40 Euro) und den von der Beklagten veranschlagten Umsatzzahl von 64.000 Euro. Den Abzug eines Anteils von 50 % für pauschale Betriebskosten hat die Klägerin abgelehnt. Zwischen den Beteiligten bestand Einigkeit, dass auf einen Zeitraum von 19 Monaten (Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der Kündigung zum 31. Juli 2005 und dem 1. März 2007, ab dem sich die Beklagte nicht mehr auf ihre Kündigung berufen hat). Auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten (Bl. 113, 119, 126 f. und 131 f. der Sozialgerichtsakte) wird Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat den Streitwert schließlich mit Beschluss vom 10. März 2010 auf 265.107,40 Euro festgesetzt. Das Sozialgericht hat sich maßgeblich auf die sich aus dem Antrag der Klägerin für diese ergebende Bedeutung der Sache gestützt und den Streitwert nach seinem Ermessen gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bestimmt. Das Sozialgericht hat entgegen von § 42 Abs. 3 GKG einen Zeitraum von 19 Monaten zugrunde gelegt und auf den von der Klägerin in dieser Zeit getätigten Umsatz abgestellt. Das Sozialgericht hat auf vergleichbare Rechtsstreitigkeiten über die Entziehung einer Zulassung für Pflegeeinrichtungen abgestellt, in denen ebenfalls auf den Umsatz und nicht den konkret erzielten Gewinn abgestellt werde.
Dagegen hat die Beklagte mit Schreiben an das Sozialgericht vom 9. April 2010 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Schreiben vom 15. November 2010 hat das Sozialgericht die Beschwerde an das Bayerische Landessozialgericht weitergeleitet. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2011 hat die Beklagte die Beschwerde begründet. Die Beklagte ist der Auffassung, für die Festsetzung des Gegenstandswertes sei auf Überschuss aus den Grundeinnahmen und Betriebsausgaben abzustellen. Zudem sei das Sozialgericht von einem zu hohen monatlichen Betrag für den schwerstpflegebedürftigen Versicherten ausgegangen. Monatliche Pflegeleistungen nach dem SGB IX in Höhe von 306,80 Euro seien in Abzug zu bringen.
Die Beklagte beantragt,
den Streitwert auf 32.000 Euro festzusetzen, jedenfalls angemessen herabzusetzen.
Die Klägerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Sozialgericht habe den Streitwert korrekt festgesetzt.
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt aller Akten, einschließlich der Akten des Sozialgerichts Bezug genommen.
II.
Das Sozialgericht Nürnberg hat zu Recht den Streitwert nach seinem Ermessen auf der Rechtsgrundlage des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt. Dabei durfte das Sozialgericht einen Zeitraum von 19 Monaten (1. August 2005 bis 1. März 2007) und den von der Klägerin in dieser Zeit erzielten Umsatz zugrunde legen.

Anders als bisher in Fällen von Zulassungsstreitigkeiten mit Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, mit nichtärztlichen Leistungserbringern oder Heilmittelerbringern (vgl. BSG, Beschluss vom 10. November 2005 - B 3 KR 36/05 B) ist in einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Versorgungsvertrages der Berechnung des Streitwerts nicht lediglich der Gewinn, sondern der Umsatz zugrunde zu legen. In einem Rechtsstreit über die Kündigung des Versorgungsvertrags eines Pflegeheims hat das Bundessozialgericht bereits entschieden, die finanziellen Folgen einer Zulassungsentziehung seien regelmäßig gravierender als bei der Ablehnung eines Zulassungsantrages einer erst noch geplanten bzw. noch nicht eröffneten Pflegeeinrichtung. Das Bundessozialgericht hat daher auf den dreifachen Jahresumsatz (statt Jahresgewinn) zurückgegriffen. Dadurch werde zugleich verhindert, das bei der Streitwertfestsetzung sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zwischen gewinnorientierten privaten Trägern und gemeinnützigen Einrichtungen erfolgten (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 2/07 R, Rz. 51 - zitiert nach juris; a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Juli 2009 - L 5 KR 19/09 B ER und Bayer. LSG, Beschluss vom 31. Juli 2008 - L 2 P 32/05). Im Übrigen gilt auch für Zulassungsverfahren die Dreijahresfrist des § 42 Abs. 3 GKG nur in den Fällen, in denen die Zulassung für mindestens drei Jahre streitig ist. Bezieht sich der Anspruch auf einen Zeitraum von weniger als drei Jahren, ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 2/07 R, Rz. 50 - zitiert nach juris;).

Der Beschluss des Sozialgerichts war nur insoweit zu korrigieren, als bei der Berechnung durch das Sozialgericht für die Versorgung des umsatzstärksten Patienten der Klägerin, eines schwerstpflegebedürftigen Versicherten, monatlich 10.584,60 Euro angesetzt wurden, ohne den Anteil für Pflegeleistungen nach dem SGB XI in Höhe von monatlich 306,80 Euro herauszurechnen. Von der Klägerin waren für diesen Versicherten für Leistungen nach § 37 SGB V lediglich ein Monatsbetrag von 10.277,80 Euro abgerechnet worden.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 GKG).

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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