Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 633/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 293/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die als Unfallfolge geltend gemachte Erkrankung muss als anspruchsbegründende Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Das von der Klägerin geltend gemachte Schädelhirntrauma ist nach dem Unfallhergang möglich, jedoch nicht im obigen Sinne bewiesen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wegen des Arbeitsunfalls vom 14.09.1999 Unfallfolgen in rentenberechtigendem Maße verblieben sind und ihr danach eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1947 geborene Klägerin war als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Am 14.11.2000 erstattete sie bei der Beklagten eine Unfallmeldung. Danach habe sie am 14.09.1999 auf der Rückfahrt von einer Innungsversammlung der Friseur-Innung-O. einen Verkehrsunfall erlitten. Sie sei deshalb in ärztlicher Behandlung wegen HWS-Beschwerden und Absterben der Finger zwei, drei, vier und fünf. Bei dem Unfall prallte die Klägerin mit der linken Vorderseite gegen das rechte hintere Teil eines querstehenden LKWs und schleuderte um den LKW, um nochmals mit ihrem Autoheck in die Reifen des LKWs zu prallen. Nach dem Unfall wurde die Klägerin im Krankenwagen ins H. gebracht. Sie habe Schmerzen in der rechten Schulter, in der HWS, im Kopf, Rücken, in der Brust und Lendenwirbelsäule sowie am linken Knie und der linken Hand und rechten Ellenbogen gespürt. Am Tag nach dem Unfall habe sie gemerkt, dass die rechten Finger zwei, drei, vier und fünf taub seien.
Die Dres. W. berichteten am 16.03.2001, dass die Klägerin am 20.09.1999 über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS, BWS und LWS geklagt habe. Bereits nach einigen Tagen stellten sich Sensibilitätsstörungen im Sinne von Parästhesien, vorwiegend der Finger zwei und drei der rechten Hand, ein. Die Beschwerden dauerten diesbezüglich noch an. Ein Teil der Beschwerden sei sicher durch das Carpaltunnelsyndrom bedingt. Nach Arbeitsunfähigkeit habe ab 18.01.2000 eine stufenweise Eingliederung und Beschäftigung der Klägerin als selbstständige Friseurmeisterin stattgefunden.
Das H. übersandte den Aufnahmebefund vom Unfalltag. Bewusstlosigkeit habe nicht vorgelegen. Es wurde eine Zerrung der HWS sowie eine Knieprellung links und Schürfungen diagnostiziert. Die Klägerin sei kreislaufstabil und neurologisch unauffällig gewesen. Es wurde eine radiologische Kontrolle u.a. des Schädels durchgeführt, wobei kein Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung gefunden wurde. Eine stationäre Behandlung oder die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit erfolgte nicht. Im November 2000 wurde die Klägerin von der Ärztin für Neurologie Dr. B. untersucht. Diese diagnostizierte ein Engpasssyndrom des N. medianus und des N. ulnaris im Bereich des rechten Handgelenkes. Diese Beschwerden seien unfallunabhängig.
Am 12.12.2000 wurde ein MRT der HWS durchgeführt. Es zeigte lediglich leichte degenerative Veränderungen mit geringen Protrusionen der Bandscheiben C3/C4 und C5/C6. Der Dr. W. stellte am 20.12.2000 neben Myogelosen im Nackenbereich ein rechtsbetontes Carpaltunnelsyndrom fest. Auch Dr. S. von der Unfallklinik M. diagnostizierte ein CTS rechts und eine Einengung des N. ulnaris.
Die Beklagte holte ein chirurgisch-orthopädisches Hauptgutachten von Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M., und ein nervenärztliches Zusatzgutachten von Dr. N., Chefarzt der Neurologischen Abteilung, ein. Dr. N. wies darauf hin, dass am Unfalltag die Halswirbelsäule frei beweglich war, auch wenn in diesem Bereich Schmerzen geklagt wurden. Des Weiteren seien keine Schluckstörungen erwähnt. Bei kritischer Würdigung könne von einer Halswirbelsäulendistorsion maximal vom Grad I ausgegangen werden. Ein traumatischer Bandscheibenschaden sei auszuschließen. Das stark rechts betonte Carpaltunnelsyndrom sei Ursache der intermittierend auftretenden Sensibilitätsstörungen vorwiegend an der rechten Hand. Dies stelle eine unfallunabhängige Erkrankung dar. Die nun angegebenen Konzentrationsstörungen seien nicht auf den Unfall vom 14.09.1999 zu beziehen, zumal derartige Störungen bei den vorausgegangenen nervenärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen nicht auffällig waren. Vielmehr bestehe ein Zusammenhang mit der bei der heutigen Gutachtensuntersuchung auffällig depressiv ausgelenkten Stimmungslage, welche zumindest teilweise demonstrativen Charakters gewesen sei und bei den vorangegangenen nervenärztlichen Untersuchungen nicht beschrieben worden war. Mit einer Latenz zum Unfall von nahezu zwei Jahren sei diese affektive Auffälligkeit auch nicht als depressive Anpassungsstörung oder gar als posttraumatische Belastungsreaktion zu werten. Die beklagten Kopfschmerzen seien nicht auf die Schädigung nervaler Strukturen im Rahmen des Unfalles zu beziehen, da der Unfall weder zu einem Schädel-Hirn-Trauma führte noch zu einer Halswirbelsäulendistorsion mit neurologischer Symptomatik.
Prof. Dr. B. stellte unfallbedingt eine HWS-Distorsion vom Schweregrad I fest mit Zerrung des Weichteilmantels ohne Zusammenhangstrennung von Gewebsanteilen. Eine zusätzliche Schädigung organ-neurologischer Substrate, eine schwere Schädigung von Bändern, Gelenkkapseln, Sehnen, Bandscheiben oder knöchernen Strukturen könnten entsprechend des Verlaufs sowie der Befunde nach dem Unfall und der durchgeführten Untersuchungen ausgeschlossen werden. Es lägen somit spätestens ab 15.11.1999 keine Unfallfolgen mehr vor. Prof. Dr. B. wies insbesondere darauf hin, dass erst im Jahre 2001 von der Hausärztin nachträglich berichtet wurde, dass in der Nacht zum 15.09.1999 Benommenheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Nasenträufel, Schwindel sowie Halsschmerzen mit Engegefühl und Druckgefühl, starke Schluckbeschwerden und Schluckbehinderung aufgetreten seien.
Mit Bescheid vom 08.05.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da der Unfall vom 14.09.1999 über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) rentenberechtigenden Grades hinterlassen habe. Die als Folge des Unfalls anerkannte Zerrung der Halswirbelsäule sei folgenlos ausgeheilt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und bezog sich auf ein neu vorliegendes biomechanisches Sachverständigengutachten zum Unfallhergang von Dipl.-Ing. J.S. vom 29.05.2002. In diesem Gutachten wurde erstmals ein Heckaufprall durch das nachfolgende Fahrzeug festgestellt.
Der Augenarzt PD Dr.H. berichtete am 05.07.2002, dass die Klägerin seit der letzten Narkose (Spaltung eines Abszesses) wieder Sehstörungen habe, teilweise sei der Visus vermindert, teilweise beobachte sie Scheinbewegungen. Eine erhebliche depressive Verstimmung sei auffällig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München (SG). Sie verwies auf das biomechanische Gutachten, das einen Schädelkontakt mit dem Fenster- und Türholm bestätige. Es sei von einem Schädel-Hirn-Trauma auszugehen. Im Auftrag des SG erstattete der Chirurg Dr. L. am 19.06.2003 ein Fachgutachten. Gegenüber dem Sachverständigen gab die Klägerin an, dass sie sich nur noch an den Ablauf bis zum Aufprall auf den LKW erinnere, dann erst wieder ab dem Hausbesuch ihrer Hausärztin in der Unfallnacht. Der Sachverständige hielt es für fraglich, ob tatsächlich ein Kopfanprall stattgefunden habe, da eine Prellmarke oder gar Platzwunde in den Unterlagen des Klinikums H-Stadt nicht erwähnt sei. Es liege ein beschwerdearmes Intervall von mehreren Stunden vor, das nur mit einer erstgradigen, allenfalls zweitgradigen HWS-Distorsion vereinbar sei. Die Auswertung der Bilddokumente ergebe keinen Anhalt für eine substanzielle Gewebeverletzung am Schädel oder der Halswirbelsäule, die über eine Zerrung der Weichteile hinausgegangen wäre. Anhand der Bilddokumente sei ein Zeitraum von fast dreieinhalb Jahren zu überblicken, in dieser Zeit sei es an der Halswirbelsäule zu keinerlei sekundären oder reaktiven Veränderungen gekommen, was eine unfallbedingte substanzielle Gewebeverletzung mit Sicherheit und zweifelsfrei ausschließe.
Auf Antrag der Klägerin erstellte der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie S. ein psychiatrisches Gutachten. Er kam darin am 08.11.2004 zum Ergebnis, dass es im Rahmen des Unfalls zu keinem Schädel-Hirn-Trauma gekommen sei, allenfalls zu einer erstgradigen HWS-Distorsion. Es sei zu einer abnormen Erlebnisreaktion im Sinne einer neurasthenischen Fehlhaltung gekommen. Dies impliziere eine bereits vorbestehende Persönlichkeitsstruktur, die eine Bereitschaft bei entsprechenden Auslösesituationen erst ermögliche. Die MdE sei mit 50 v.H. anzusetzen.
Mit Urteil vom 19.07.2005 wies das SG die Klage ab. Das Gericht stützte sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Dr. N., Dr. L. und Dr. S ... Die bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen könnten nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder teilursächlich auf das Unfallereignis vom 14.09.1999 zurückgeführt werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.08.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf das Gutachten des Dr. S. sowie auf ein Attest des Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.12.2004 verwiesen, der eine unfallbedingte diffuse schwere Hirnverletzung als gesichert angesehen hat. Die schwere Persönlichkeitsveränderung sei Folge des Unfalls.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. B. in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. B. am 31.01.2006 ein neurologisches Gutachten erstellt. Es sei unfallbedingt zu keiner Schädigung auf neurologischem Fachgebiet gekommen. Entsprechend sei auch ein MRT des Schädels vom 08.11.2001 altersentsprechend. Bei den jetzigen Untersuchungen habe sich ebenfalls kein Hinweis für ein unfallbedingtes neurologisches Defizit gefunden. Die angegebenen Sensibilitätsstörungen seien median begrenzt. Die rechtsseitige Schwäche sei wechselnd ausgeprägt, insbesondere seien diese Störungen nicht nach dem Unfall beschrieben worden. Ferner finde sich hierfür kein organisches Korrelat. Es bestehe die Möglichkeit einer unfallunabhängigen persönlichkeitsbedingten Unfallverarbeitung, die bereits in einer psychiatrischen Begutachtung gewürdigt wurde. Eine MdE sei auf Grund der unfallbedingt erfolgten HWS-Zerrung nicht verblieben.
Die Klägerin hat ein psychosomatisch-nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. vom 22.08.2007 für das Landgericht B-Stadt vorgelegt. Am 12.04.2007 hat Dr. D. ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Aus ihrer Sicht habe sich zwei Jahre nach dem Unfall ein erheblich krankheitswertiges psychiatrisches Störungsbild entwickelt, das bis heute einen deutlichen Leidensdruck verursache. Dieses sei jedoch als gemischte Angststörung mit neurasthenischem Syndrom und leicht depressiver Episode zu klassifizieren. Es handle sich hier um ein Krankheitsbild, das bei der gegebenen Schadenslage der Klägerin sehr häufig sei und allenfalls als austauschbare Gelegenheitsursache anzusehen sei.
Die Klägerin hat einen weiteren Befundbericht des Augenarztes Dr. H. vom 25.11.2008 bei Gericht eingereicht. Der Visus habe sich wegen der Quadrantenanopsie verschlechtert, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stehe.
Auf Antrag der Klägerin hat der Dr. E., E-Stadt, am 06.12.2009 ein weiteres Gutachten erstellt. Sie habe bei dem Unfall ein schweres posttraumatisches Cervico-cephalsyndrom mit Persönlichkeitsveränderungen bei Zustand nach Schädelhirntrauma sowie Verlust des Geruchssinnes und teilweisen Gesichtsfeldausfall rechts erlitten. Alle genannten Daten wiesen darauf hin, dass häufig nicht eindeutig zwischen Symptomen und Folgen von Schleudertrauma einerseits und Schädelhirntrauma (SHT)mit Commotio andererseits unterschieden werden könne. Ein Schleudertrauma führe zu der selben Einwirkung von Kräften auf Kopf und Gehirn wie die direkte Gewalteinwirkung auf den Kopf. Außerdem sei häufig eine Kombination von beiden Traumen festzustellen (z.B. Schleudertrauma und leichtes Anstoßen mit dem Kopf am Armaturenbrett oder am Türholm). Es komme auch umgekehrt vor, dass beim Schädelhirntrauma die Möglichkeit eines zusätzlichen Schleudertraumas übersehen werde. Bedeutsam sei, dass solche neuro-psychologischen Störungen wie bei der Klägerin nach sogenannten Schleudertraumen auftreten könnten. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. D. beschäftige sich zu sehr mit vermeintlichen persönlichkeitsbedingten Veränderungen und stelle die bestehende Problematik in einen fast ausschließlichen psychischen Zusammenhang. Diese Erklärung sei zu einfach. Die Klägerin leide massiv in rentenrelevanter Form an den Folgen des erlittenen Unfalls und können ihren Beruf nicht mehr ausüben.
Auf Antrag der Klägerin hat Prof. Dr. L. vom (M.), Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, am 28.01.2011 ein weiteres Gutachten erstellt. Er kam zum Ergebnis, dass die Quadrantenanopsie bei Zustand nach Schädelhirntrauma und die Visusminderung durch den Unfall verursacht worden seien. Hierdurch sei eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt.
Die Beklagte wandte ein, dass ein Schädelhirntrauma, von dem der Gutachter in seinem "Gutachten" ausgehe, nicht vorgelegen haben könne. Der Gutachter führe selbst aus, dass das Problem nicht unbedingt in dem wirklichen "Sehen", sondern in der Verarbeitung bzw. Wahrnehmung liege. Es dürfte sich daher weniger um ein augenärztliches, sondern vielmehr um ein neurologisch-psychiatrisches Problem handeln.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 zu verurteilen festzustellen, dass ein schweres posttraumatisches Cervicocephalsyndrom mit Persönlichkeitsveränderung bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, ein Verlust des Geruchssinns und teilweiser Gesichtsfeldausfall rechts sowie eine Visusminderung rechts und links Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.09.1999 sind und ihr eine Rente nach einer MdE um mindestens
30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. B. und der Frau Dr. D. das Ergebnis der im bisherigen Verfahren eingeholten Gutachten voll umfänglich bestätigen. Bei der Klägerin bestehen weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen, die durch den Unfall vom 14.09.1999 verursacht worden sind.
Frau Dr. D. kommt zum Ergebnis, dass bei der Klägerin eine gemischte Angststörung mit neurasthenischem Syndrom und eine leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung sowie eine HWS-Distorsion I ohne Nachweis einer zentralnervösen Schädigung vorliegt. Die Sachverständige führt aus, dass die Klägerin in den folgenden zwei Jahren nach dem Unfall durchgehend teils halbtags, teilweise sogar ganztags erwerbstätig war. Sie fuhr das ganze Jahr 2000 ihren eigenen Angaben nach noch Auto, wurde in mehreren, auch psychiatrischen und neurologischen, Untersuchungen als völlig unauffällig beschrieben. Erste Hinweise auf eine mögliche psychische Symptomatik finden sich erst zwei Jahre nach dem Unfall, nämlich im August 2001 im Gutachten des Dr.N., der den Verdacht auf eine Somatisierung bei Depression äußert. Dies war zu einem Zeitpunkt, nachdem die Klägerin erkennen musste, dass sie sich von der Ganztagstätigkeit im Geschäft während des Erziehungsurlaubes der Tochter überfordert fühlte. In den Befunden und Gutachten seitdem findet sich die bereits mehrfach zitierte Mischung depressiv-neurasthenischer Syndrome mit kognitiven Einschränkungen. Dieses Bild lässt sich zwanglos einer neurasthenischen bzw. Angstsymptomatik zuordnen.
Eine zentralnervöse Schädigung durch die nachgewiesene HWS-Distorsion lässt sich dagegen nicht wahrscheinlich machen. Röntgen von HWS und Schädel unmittelbar nach dem Unfall waren unauffällig. Ein MRT wurde erstmals zwei Jahre nach dem Unfall durchgeführt und ergab nur diskrete unspezifische Veränderungen. Auch ein weiteres MRT vom 15.12.2003 wurde als altersentsprechend befundet. Eine posttraumatische Läsion wurde nicht diagnostiziert. Auch Hirnnervenausfälle konnten in zahlreichen neurologischen Untersuchungen, auch in Universitätskliniken nicht objektiviert werden. Damit lässt sich eine Schädigung des Zentralen Nervensystems durch das Unfallereignis vom September 1999 zwar nicht gänzlich ausschließen, aber auch nicht wahrscheinlich machen. Wahrscheinlicher ist vielmehr die Erklärung im Sinne der von Dr. D. skizzierten ängstlich-neurasthenischen Symptomatik. Wenn im Gutachten von Prof. H. eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert wird, so widerspricht dies nicht der Einschätzung der Sachverständigen. Ängste und depressive Störungen gehen sehr häufig parallel, wobei die einzelnen affektiven Beeinträchtigungen an Intensität fluktuieren können.
Der gesamte affektiv-somatoforme Symptomkomplex ist unabhängig von der ICD-10-Zuordnung im Rahmen der unfallunabhängigen Angststörung zu sehen.
Auch eine posttraumatische Belastungsstörung liegt nicht vor. Die Symptome einer solchen Störung folgen dem Trauma unmittelbar, selten mit einer Latenz bis zu sechs Monaten. Bei der Klägerin ließ sich aber erst nach 24 Monaten eine psychische Symptomatik generell sichern, die auch in keiner Weise die charakteristischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beinhaltet, dazu gehören nämlich Vermeidung, Erinnerung und vegetative Störungen (zum Ganzen: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 144 f.).
Auch die auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten des Dr. E. und des Prof. Dr. L. können den Unfallzusammenhang nicht beweisen. Dr. E. hält die Beschwerden der Klägerin für orthopädisch erklärbar und nicht für psychische Folgen. Sein Gutachten überzeugt nicht, da er seine Argumentation im Wesentlichen im Bereich des "Möglichen" lässt. So argumentiert er, dass bei der Klägerin ein Schädelhirntrauma durchaus vorgelegen haben könnte, weil dieses in Zusammenhang mit einem Schleudertrauma leicht übersehen werde. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Insbesondere kann die Klägerin mit keiner radiologischen Untersuchung beweisen, dass hier ein Schädelhirntrauma vorgelegen hat. Auch das Gutachten des Dipl.-Ing. S. ändert im Ergebnis nichts. Dieser hält es für wahrscheinlich, dass die Klägerin sich den Hinterkopf an der Seitenscheibe angeschlagen hat oder auch an der Tür-B-Säule. Dies hat zu einer Oberdehnung der Halswirbelsäule geführt. Diese ist aber als Unfallfolge bereits anerkannt. Eine Dauerschädigung wurde jedoch von Prof. Dr. B. ausgeschlossen. Auch der Sachverständige S. kann sie letztlich nicht beweisen, sondern hält sie für möglich.
Auch das augenärztliche Gutachten des Prof. Dr. L. reicht nicht aus, um die Kausalität zu beweisen. Prof. Dr. L. bestätigt der Klägerin erneut wie schon mehrmals der Augenarzt Dr. H. die Quadrantenanopsie. Auch er geht von einem Schädelhirntrauma aus, ohne dies kritisch zu hinterfragen. Allerdings führt er in seinem Gutachten aus, dass das Problem nicht unbedingt in einem wirklichen Sehen, sondern in der Verarbeitung bzw. Wahrnehmung liegen könnte. Somit ist bereits die Diagnose Quadrantenanopsie mit Visusminderung nicht nachgewiesen, die im Übrigen erst Jahre nach dem Unfall im Juli 2002 aktenmäßig belegt ist. Zu den psychischen Folgen hat Dr. D., wie bereits oben dargestellt, ein Gutachten erstellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die psychische Entwicklung bei der Klägerin gerade nicht unfallbedingt ist.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wegen des Arbeitsunfalls vom 14.09.1999 Unfallfolgen in rentenberechtigendem Maße verblieben sind und ihr danach eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1947 geborene Klägerin war als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Am 14.11.2000 erstattete sie bei der Beklagten eine Unfallmeldung. Danach habe sie am 14.09.1999 auf der Rückfahrt von einer Innungsversammlung der Friseur-Innung-O. einen Verkehrsunfall erlitten. Sie sei deshalb in ärztlicher Behandlung wegen HWS-Beschwerden und Absterben der Finger zwei, drei, vier und fünf. Bei dem Unfall prallte die Klägerin mit der linken Vorderseite gegen das rechte hintere Teil eines querstehenden LKWs und schleuderte um den LKW, um nochmals mit ihrem Autoheck in die Reifen des LKWs zu prallen. Nach dem Unfall wurde die Klägerin im Krankenwagen ins H. gebracht. Sie habe Schmerzen in der rechten Schulter, in der HWS, im Kopf, Rücken, in der Brust und Lendenwirbelsäule sowie am linken Knie und der linken Hand und rechten Ellenbogen gespürt. Am Tag nach dem Unfall habe sie gemerkt, dass die rechten Finger zwei, drei, vier und fünf taub seien.
Die Dres. W. berichteten am 16.03.2001, dass die Klägerin am 20.09.1999 über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS, BWS und LWS geklagt habe. Bereits nach einigen Tagen stellten sich Sensibilitätsstörungen im Sinne von Parästhesien, vorwiegend der Finger zwei und drei der rechten Hand, ein. Die Beschwerden dauerten diesbezüglich noch an. Ein Teil der Beschwerden sei sicher durch das Carpaltunnelsyndrom bedingt. Nach Arbeitsunfähigkeit habe ab 18.01.2000 eine stufenweise Eingliederung und Beschäftigung der Klägerin als selbstständige Friseurmeisterin stattgefunden.
Das H. übersandte den Aufnahmebefund vom Unfalltag. Bewusstlosigkeit habe nicht vorgelegen. Es wurde eine Zerrung der HWS sowie eine Knieprellung links und Schürfungen diagnostiziert. Die Klägerin sei kreislaufstabil und neurologisch unauffällig gewesen. Es wurde eine radiologische Kontrolle u.a. des Schädels durchgeführt, wobei kein Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung gefunden wurde. Eine stationäre Behandlung oder die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit erfolgte nicht. Im November 2000 wurde die Klägerin von der Ärztin für Neurologie Dr. B. untersucht. Diese diagnostizierte ein Engpasssyndrom des N. medianus und des N. ulnaris im Bereich des rechten Handgelenkes. Diese Beschwerden seien unfallunabhängig.
Am 12.12.2000 wurde ein MRT der HWS durchgeführt. Es zeigte lediglich leichte degenerative Veränderungen mit geringen Protrusionen der Bandscheiben C3/C4 und C5/C6. Der Dr. W. stellte am 20.12.2000 neben Myogelosen im Nackenbereich ein rechtsbetontes Carpaltunnelsyndrom fest. Auch Dr. S. von der Unfallklinik M. diagnostizierte ein CTS rechts und eine Einengung des N. ulnaris.
Die Beklagte holte ein chirurgisch-orthopädisches Hauptgutachten von Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M., und ein nervenärztliches Zusatzgutachten von Dr. N., Chefarzt der Neurologischen Abteilung, ein. Dr. N. wies darauf hin, dass am Unfalltag die Halswirbelsäule frei beweglich war, auch wenn in diesem Bereich Schmerzen geklagt wurden. Des Weiteren seien keine Schluckstörungen erwähnt. Bei kritischer Würdigung könne von einer Halswirbelsäulendistorsion maximal vom Grad I ausgegangen werden. Ein traumatischer Bandscheibenschaden sei auszuschließen. Das stark rechts betonte Carpaltunnelsyndrom sei Ursache der intermittierend auftretenden Sensibilitätsstörungen vorwiegend an der rechten Hand. Dies stelle eine unfallunabhängige Erkrankung dar. Die nun angegebenen Konzentrationsstörungen seien nicht auf den Unfall vom 14.09.1999 zu beziehen, zumal derartige Störungen bei den vorausgegangenen nervenärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen nicht auffällig waren. Vielmehr bestehe ein Zusammenhang mit der bei der heutigen Gutachtensuntersuchung auffällig depressiv ausgelenkten Stimmungslage, welche zumindest teilweise demonstrativen Charakters gewesen sei und bei den vorangegangenen nervenärztlichen Untersuchungen nicht beschrieben worden war. Mit einer Latenz zum Unfall von nahezu zwei Jahren sei diese affektive Auffälligkeit auch nicht als depressive Anpassungsstörung oder gar als posttraumatische Belastungsreaktion zu werten. Die beklagten Kopfschmerzen seien nicht auf die Schädigung nervaler Strukturen im Rahmen des Unfalles zu beziehen, da der Unfall weder zu einem Schädel-Hirn-Trauma führte noch zu einer Halswirbelsäulendistorsion mit neurologischer Symptomatik.
Prof. Dr. B. stellte unfallbedingt eine HWS-Distorsion vom Schweregrad I fest mit Zerrung des Weichteilmantels ohne Zusammenhangstrennung von Gewebsanteilen. Eine zusätzliche Schädigung organ-neurologischer Substrate, eine schwere Schädigung von Bändern, Gelenkkapseln, Sehnen, Bandscheiben oder knöchernen Strukturen könnten entsprechend des Verlaufs sowie der Befunde nach dem Unfall und der durchgeführten Untersuchungen ausgeschlossen werden. Es lägen somit spätestens ab 15.11.1999 keine Unfallfolgen mehr vor. Prof. Dr. B. wies insbesondere darauf hin, dass erst im Jahre 2001 von der Hausärztin nachträglich berichtet wurde, dass in der Nacht zum 15.09.1999 Benommenheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Nasenträufel, Schwindel sowie Halsschmerzen mit Engegefühl und Druckgefühl, starke Schluckbeschwerden und Schluckbehinderung aufgetreten seien.
Mit Bescheid vom 08.05.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da der Unfall vom 14.09.1999 über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) rentenberechtigenden Grades hinterlassen habe. Die als Folge des Unfalls anerkannte Zerrung der Halswirbelsäule sei folgenlos ausgeheilt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und bezog sich auf ein neu vorliegendes biomechanisches Sachverständigengutachten zum Unfallhergang von Dipl.-Ing. J.S. vom 29.05.2002. In diesem Gutachten wurde erstmals ein Heckaufprall durch das nachfolgende Fahrzeug festgestellt.
Der Augenarzt PD Dr.H. berichtete am 05.07.2002, dass die Klägerin seit der letzten Narkose (Spaltung eines Abszesses) wieder Sehstörungen habe, teilweise sei der Visus vermindert, teilweise beobachte sie Scheinbewegungen. Eine erhebliche depressive Verstimmung sei auffällig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München (SG). Sie verwies auf das biomechanische Gutachten, das einen Schädelkontakt mit dem Fenster- und Türholm bestätige. Es sei von einem Schädel-Hirn-Trauma auszugehen. Im Auftrag des SG erstattete der Chirurg Dr. L. am 19.06.2003 ein Fachgutachten. Gegenüber dem Sachverständigen gab die Klägerin an, dass sie sich nur noch an den Ablauf bis zum Aufprall auf den LKW erinnere, dann erst wieder ab dem Hausbesuch ihrer Hausärztin in der Unfallnacht. Der Sachverständige hielt es für fraglich, ob tatsächlich ein Kopfanprall stattgefunden habe, da eine Prellmarke oder gar Platzwunde in den Unterlagen des Klinikums H-Stadt nicht erwähnt sei. Es liege ein beschwerdearmes Intervall von mehreren Stunden vor, das nur mit einer erstgradigen, allenfalls zweitgradigen HWS-Distorsion vereinbar sei. Die Auswertung der Bilddokumente ergebe keinen Anhalt für eine substanzielle Gewebeverletzung am Schädel oder der Halswirbelsäule, die über eine Zerrung der Weichteile hinausgegangen wäre. Anhand der Bilddokumente sei ein Zeitraum von fast dreieinhalb Jahren zu überblicken, in dieser Zeit sei es an der Halswirbelsäule zu keinerlei sekundären oder reaktiven Veränderungen gekommen, was eine unfallbedingte substanzielle Gewebeverletzung mit Sicherheit und zweifelsfrei ausschließe.
Auf Antrag der Klägerin erstellte der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie S. ein psychiatrisches Gutachten. Er kam darin am 08.11.2004 zum Ergebnis, dass es im Rahmen des Unfalls zu keinem Schädel-Hirn-Trauma gekommen sei, allenfalls zu einer erstgradigen HWS-Distorsion. Es sei zu einer abnormen Erlebnisreaktion im Sinne einer neurasthenischen Fehlhaltung gekommen. Dies impliziere eine bereits vorbestehende Persönlichkeitsstruktur, die eine Bereitschaft bei entsprechenden Auslösesituationen erst ermögliche. Die MdE sei mit 50 v.H. anzusetzen.
Mit Urteil vom 19.07.2005 wies das SG die Klage ab. Das Gericht stützte sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Dr. N., Dr. L. und Dr. S ... Die bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen könnten nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder teilursächlich auf das Unfallereignis vom 14.09.1999 zurückgeführt werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.08.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf das Gutachten des Dr. S. sowie auf ein Attest des Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.12.2004 verwiesen, der eine unfallbedingte diffuse schwere Hirnverletzung als gesichert angesehen hat. Die schwere Persönlichkeitsveränderung sei Folge des Unfalls.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. B. in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. B. am 31.01.2006 ein neurologisches Gutachten erstellt. Es sei unfallbedingt zu keiner Schädigung auf neurologischem Fachgebiet gekommen. Entsprechend sei auch ein MRT des Schädels vom 08.11.2001 altersentsprechend. Bei den jetzigen Untersuchungen habe sich ebenfalls kein Hinweis für ein unfallbedingtes neurologisches Defizit gefunden. Die angegebenen Sensibilitätsstörungen seien median begrenzt. Die rechtsseitige Schwäche sei wechselnd ausgeprägt, insbesondere seien diese Störungen nicht nach dem Unfall beschrieben worden. Ferner finde sich hierfür kein organisches Korrelat. Es bestehe die Möglichkeit einer unfallunabhängigen persönlichkeitsbedingten Unfallverarbeitung, die bereits in einer psychiatrischen Begutachtung gewürdigt wurde. Eine MdE sei auf Grund der unfallbedingt erfolgten HWS-Zerrung nicht verblieben.
Die Klägerin hat ein psychosomatisch-nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. vom 22.08.2007 für das Landgericht B-Stadt vorgelegt. Am 12.04.2007 hat Dr. D. ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Aus ihrer Sicht habe sich zwei Jahre nach dem Unfall ein erheblich krankheitswertiges psychiatrisches Störungsbild entwickelt, das bis heute einen deutlichen Leidensdruck verursache. Dieses sei jedoch als gemischte Angststörung mit neurasthenischem Syndrom und leicht depressiver Episode zu klassifizieren. Es handle sich hier um ein Krankheitsbild, das bei der gegebenen Schadenslage der Klägerin sehr häufig sei und allenfalls als austauschbare Gelegenheitsursache anzusehen sei.
Die Klägerin hat einen weiteren Befundbericht des Augenarztes Dr. H. vom 25.11.2008 bei Gericht eingereicht. Der Visus habe sich wegen der Quadrantenanopsie verschlechtert, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stehe.
Auf Antrag der Klägerin hat der Dr. E., E-Stadt, am 06.12.2009 ein weiteres Gutachten erstellt. Sie habe bei dem Unfall ein schweres posttraumatisches Cervico-cephalsyndrom mit Persönlichkeitsveränderungen bei Zustand nach Schädelhirntrauma sowie Verlust des Geruchssinnes und teilweisen Gesichtsfeldausfall rechts erlitten. Alle genannten Daten wiesen darauf hin, dass häufig nicht eindeutig zwischen Symptomen und Folgen von Schleudertrauma einerseits und Schädelhirntrauma (SHT)mit Commotio andererseits unterschieden werden könne. Ein Schleudertrauma führe zu der selben Einwirkung von Kräften auf Kopf und Gehirn wie die direkte Gewalteinwirkung auf den Kopf. Außerdem sei häufig eine Kombination von beiden Traumen festzustellen (z.B. Schleudertrauma und leichtes Anstoßen mit dem Kopf am Armaturenbrett oder am Türholm). Es komme auch umgekehrt vor, dass beim Schädelhirntrauma die Möglichkeit eines zusätzlichen Schleudertraumas übersehen werde. Bedeutsam sei, dass solche neuro-psychologischen Störungen wie bei der Klägerin nach sogenannten Schleudertraumen auftreten könnten. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. D. beschäftige sich zu sehr mit vermeintlichen persönlichkeitsbedingten Veränderungen und stelle die bestehende Problematik in einen fast ausschließlichen psychischen Zusammenhang. Diese Erklärung sei zu einfach. Die Klägerin leide massiv in rentenrelevanter Form an den Folgen des erlittenen Unfalls und können ihren Beruf nicht mehr ausüben.
Auf Antrag der Klägerin hat Prof. Dr. L. vom (M.), Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, am 28.01.2011 ein weiteres Gutachten erstellt. Er kam zum Ergebnis, dass die Quadrantenanopsie bei Zustand nach Schädelhirntrauma und die Visusminderung durch den Unfall verursacht worden seien. Hierdurch sei eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt.
Die Beklagte wandte ein, dass ein Schädelhirntrauma, von dem der Gutachter in seinem "Gutachten" ausgehe, nicht vorgelegen haben könne. Der Gutachter führe selbst aus, dass das Problem nicht unbedingt in dem wirklichen "Sehen", sondern in der Verarbeitung bzw. Wahrnehmung liege. Es dürfte sich daher weniger um ein augenärztliches, sondern vielmehr um ein neurologisch-psychiatrisches Problem handeln.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 zu verurteilen festzustellen, dass ein schweres posttraumatisches Cervicocephalsyndrom mit Persönlichkeitsveränderung bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, ein Verlust des Geruchssinns und teilweiser Gesichtsfeldausfall rechts sowie eine Visusminderung rechts und links Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.09.1999 sind und ihr eine Rente nach einer MdE um mindestens
30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. B. und der Frau Dr. D. das Ergebnis der im bisherigen Verfahren eingeholten Gutachten voll umfänglich bestätigen. Bei der Klägerin bestehen weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen, die durch den Unfall vom 14.09.1999 verursacht worden sind.
Frau Dr. D. kommt zum Ergebnis, dass bei der Klägerin eine gemischte Angststörung mit neurasthenischem Syndrom und eine leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung sowie eine HWS-Distorsion I ohne Nachweis einer zentralnervösen Schädigung vorliegt. Die Sachverständige führt aus, dass die Klägerin in den folgenden zwei Jahren nach dem Unfall durchgehend teils halbtags, teilweise sogar ganztags erwerbstätig war. Sie fuhr das ganze Jahr 2000 ihren eigenen Angaben nach noch Auto, wurde in mehreren, auch psychiatrischen und neurologischen, Untersuchungen als völlig unauffällig beschrieben. Erste Hinweise auf eine mögliche psychische Symptomatik finden sich erst zwei Jahre nach dem Unfall, nämlich im August 2001 im Gutachten des Dr.N., der den Verdacht auf eine Somatisierung bei Depression äußert. Dies war zu einem Zeitpunkt, nachdem die Klägerin erkennen musste, dass sie sich von der Ganztagstätigkeit im Geschäft während des Erziehungsurlaubes der Tochter überfordert fühlte. In den Befunden und Gutachten seitdem findet sich die bereits mehrfach zitierte Mischung depressiv-neurasthenischer Syndrome mit kognitiven Einschränkungen. Dieses Bild lässt sich zwanglos einer neurasthenischen bzw. Angstsymptomatik zuordnen.
Eine zentralnervöse Schädigung durch die nachgewiesene HWS-Distorsion lässt sich dagegen nicht wahrscheinlich machen. Röntgen von HWS und Schädel unmittelbar nach dem Unfall waren unauffällig. Ein MRT wurde erstmals zwei Jahre nach dem Unfall durchgeführt und ergab nur diskrete unspezifische Veränderungen. Auch ein weiteres MRT vom 15.12.2003 wurde als altersentsprechend befundet. Eine posttraumatische Läsion wurde nicht diagnostiziert. Auch Hirnnervenausfälle konnten in zahlreichen neurologischen Untersuchungen, auch in Universitätskliniken nicht objektiviert werden. Damit lässt sich eine Schädigung des Zentralen Nervensystems durch das Unfallereignis vom September 1999 zwar nicht gänzlich ausschließen, aber auch nicht wahrscheinlich machen. Wahrscheinlicher ist vielmehr die Erklärung im Sinne der von Dr. D. skizzierten ängstlich-neurasthenischen Symptomatik. Wenn im Gutachten von Prof. H. eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert wird, so widerspricht dies nicht der Einschätzung der Sachverständigen. Ängste und depressive Störungen gehen sehr häufig parallel, wobei die einzelnen affektiven Beeinträchtigungen an Intensität fluktuieren können.
Der gesamte affektiv-somatoforme Symptomkomplex ist unabhängig von der ICD-10-Zuordnung im Rahmen der unfallunabhängigen Angststörung zu sehen.
Auch eine posttraumatische Belastungsstörung liegt nicht vor. Die Symptome einer solchen Störung folgen dem Trauma unmittelbar, selten mit einer Latenz bis zu sechs Monaten. Bei der Klägerin ließ sich aber erst nach 24 Monaten eine psychische Symptomatik generell sichern, die auch in keiner Weise die charakteristischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beinhaltet, dazu gehören nämlich Vermeidung, Erinnerung und vegetative Störungen (zum Ganzen: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 144 f.).
Auch die auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten des Dr. E. und des Prof. Dr. L. können den Unfallzusammenhang nicht beweisen. Dr. E. hält die Beschwerden der Klägerin für orthopädisch erklärbar und nicht für psychische Folgen. Sein Gutachten überzeugt nicht, da er seine Argumentation im Wesentlichen im Bereich des "Möglichen" lässt. So argumentiert er, dass bei der Klägerin ein Schädelhirntrauma durchaus vorgelegen haben könnte, weil dieses in Zusammenhang mit einem Schleudertrauma leicht übersehen werde. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Insbesondere kann die Klägerin mit keiner radiologischen Untersuchung beweisen, dass hier ein Schädelhirntrauma vorgelegen hat. Auch das Gutachten des Dipl.-Ing. S. ändert im Ergebnis nichts. Dieser hält es für wahrscheinlich, dass die Klägerin sich den Hinterkopf an der Seitenscheibe angeschlagen hat oder auch an der Tür-B-Säule. Dies hat zu einer Oberdehnung der Halswirbelsäule geführt. Diese ist aber als Unfallfolge bereits anerkannt. Eine Dauerschädigung wurde jedoch von Prof. Dr. B. ausgeschlossen. Auch der Sachverständige S. kann sie letztlich nicht beweisen, sondern hält sie für möglich.
Auch das augenärztliche Gutachten des Prof. Dr. L. reicht nicht aus, um die Kausalität zu beweisen. Prof. Dr. L. bestätigt der Klägerin erneut wie schon mehrmals der Augenarzt Dr. H. die Quadrantenanopsie. Auch er geht von einem Schädelhirntrauma aus, ohne dies kritisch zu hinterfragen. Allerdings führt er in seinem Gutachten aus, dass das Problem nicht unbedingt in einem wirklichen Sehen, sondern in der Verarbeitung bzw. Wahrnehmung liegen könnte. Somit ist bereits die Diagnose Quadrantenanopsie mit Visusminderung nicht nachgewiesen, die im Übrigen erst Jahre nach dem Unfall im Juli 2002 aktenmäßig belegt ist. Zu den psychischen Folgen hat Dr. D., wie bereits oben dargestellt, ein Gutachten erstellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die psychische Entwicklung bei der Klägerin gerade nicht unfallbedingt ist.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved