Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 10/10
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 9/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Bescheid über die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Feststellung eines Grads der Schädigung regelt, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nicht die konkrete Erbringung von Heilbehandlung, und zwar auch dann nicht, wenn der Antragsteller in dem Formblattantrag bereits auf eine bestimmte gewünschte Heilbehandlung hingewiesen hat.
2. Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG kann auf diese Angaben im Formblattantrag nicht gestützt werden.
3. Auch wenn ein Klagebegehren seinem Wortlaut nach nur auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung gerichtet ist, kann es unter Umständen dahin zu interpretieren sein, dass auch die Feststellung der Schädigungsfolgen angefochten ist.
4. Eine Gesundheitsstörung, die als Schädigungsfolge anerkannt werden kann, liegt in entsprechender Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze im Wesentlichen nur dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der behandlungsbedürftig ist.
5. Auch Beweiserhebungen und Beweiswürdigungen, die in eine PKH-Entscheidung einfließen, können eine unzulässige Verlagerung der Hauptsache in das PKH-Verfahren darstellen.
2. Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG kann auf diese Angaben im Formblattantrag nicht gestützt werden.
3. Auch wenn ein Klagebegehren seinem Wortlaut nach nur auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung gerichtet ist, kann es unter Umständen dahin zu interpretieren sein, dass auch die Feststellung der Schädigungsfolgen angefochten ist.
4. Eine Gesundheitsstörung, die als Schädigungsfolge anerkannt werden kann, liegt in entsprechender Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze im Wesentlichen nur dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der behandlungsbedürftig ist.
5. Auch Beweiserhebungen und Beweiswürdigungen, die in eine PKH-Entscheidung einfließen, können eine unzulässige Verlagerung der Hauptsache in das PKH-Verfahren darstellen.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. Juli 2010 aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird für das Klageverfahren S 30 VG 10/10 vor dem Sozialgericht München ab 5. Mai 2010 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., B-Straße, B-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten wegen einer Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Am 19.11.2008 wurde die Beschwerdeführerin - zum wiederholten Mal - Opfer einer Gewalttat, wobei sie unter anderem eine Nasenbeinfraktur erlitt. Am 20.11.2008 erfolgte eine Nasenbein-Aufrichtung im Kreiskrankenhaus M ... Am 23.04.2009 beantragte die Beschwerdeführerin wegen dieser Gewalttat Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Bei der Rubrik "Gesundheitsstörungen" schrieb sie im Formblattantrag "Korrektur des Nasenbeins nach mehrfacher Nasenbeinfraktur (Knollennase)". Die Nasenscheidewand, so die Beschwerdeführerin in dem Antrag weiter, sei am 07.01.2009 operiert worden. Zudem teilte sie mit, sie strebe eine Korrektur der deformierten Nase an, damit sie nicht mehr an das Ereignis erinnert werde und wieder in den Spiegel schauen könne. Geplant sei eine operative Behandlung im Klinikum G ... Nachdem der Beschwerdegegner angefragt hatte, ob bereits ein Termin im Klinikum G. stattgefunden habe oder festgelegt sei, reichte die Beschwerdeführerin einen auf den 30.07.2009 datierten rhinochirurgischen Befund mit Kostenvoranschlag des Klinikums G. ein. Darin ist festgehalten, die Beschwerdeführerin habe aktuell über eine Nasenatmungsbehinderung geklagt, die verstärkt im Liegen auftrete. Ferner sei sie mit dem Ergebnis der Nasenbein-Aufrichtung nicht zufrieden und wünsche eine kosmetische Korrektur. Als Diagnosen werden eine hohe Nasenseptumdeviation, die im Wesentlichen nicht traumatisch bedingt sei, sowie eine Nasenmuschelhyperplasie beidseits genannt. Zudem bestehe eine kosmetisch störende, traumatisch bedingte Höcker-Breitnase. Als Therapie würden einerseits eine Septumplastik und Turbinoplastik beidseits aus funktioneller Indikation empfohlen sowie eine korrektive Rhinoplastik gemäß Patientenwusch bei kosmetischer Indikation (traumabedingt). Für Letztere würden Kosten von etwa 4.400 EUR anfallen.
Anfang September 2009 stellte die Krankenkasse der Beschwerdeführerin, die BEK, fest, dass eine Nasenoperation nur im Hinblick auf die Septumplastik medizinisch notwendig sei. Im Übrigen läge eine kosmetische Behandlung vor, die keine Kassenleistung darstelle. Die Beschwerdeführerin erwiderte demgegenüber dem Beschwerdegegner, ihre Nase sei durch die Gewalttat verunstaltet worden; sie fühle sich dadurch psychisch sehr belastet, einerseits aus ästhetischen Gründen, andererseits weil sie durch den Blick in den Spiegel an die Gewalttat erinnert werde.
Der behandelnde HNO-Arzt Dr. S. teilte dem Beschwerdegegner unter dem Datum 05.10.2009 mit, am 02.04.2009 habe die Beschwerdeführerin den Wunsch auf eine kosmetische Korrektur der Nase geäußert. Der Befund sei kosmetisch wenig störend.
Mit Bescheid vom 29.10.2009 erkannte der Beschwerdegegner die Schädigungsfolge "Narben nach operativ versorgten Kopfplatzwunden occipital, Knochennarben nach Nasenbeinfraktur und nach Fraktur 8. Rippe links" im Sinn der Entstehung an, zudem für die Zeit bis 18.05.2009 "Schädelhirntrauma Grad I, Thoraxkontusion". Ein Grad der Schädigungsfolgen sei nicht feststellbar, weswegen eine Versorgungsrente nicht zustehe. Den ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beschwerdegegner mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2010 zurück.
Am 06.04.2010 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Zugleich hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihren Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Sie hat vorgetragen, weder die BEK noch der Beschwerdegegner wollten für die Wiederherstellung ihrer Nase aufkommen. Sie sei sehr unglücklich über die "Kartoffel" im Gesicht. Zudem sei vor Kurzem ein Zwerchfellbruch festgestellt worden; dieser sei ihrer Ansicht nach auf die Gewalttat zurückzuführen. Im Mai 2010 hat das Sozialgericht Befundberichte von behandelnden Ärzten eingeholt.
Mit Beschluss vom 12.07.2010 hat das Sozialgericht den PKH-Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. In der Begründung hat es darauf abgestellt, die Beschwerdeführerin sei in der Vergangenheit in ihrem Beziehungsumfeld schon mehrfach Opfer von Gewalttaten geworden. Das lasse eine eindeutige Zuordnung der gesundheitlichen Dauerschäden zu dem Ereignis vom 19.11.2008 nur schwer zu.
Dagegen richtet sich die am 12.08.2010 eingelegte Beschwerde. Auf ein Hinweisschreiben des Senats hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin klargestellt, dass es in dem gerichtlichen Verfahren ausschließlich um die Nasenoperation gehe. Letztlich komme es auch auf die Frage an, ob für den Beschwerdegegner ausschließlich die medizinische Notwendigkeit Maßstab sei oder ob auch kosmetische Operationen geleistet werden müssten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil das Sozialgericht zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens verneint hat. Zwar sieht der Senat in der Sache nach gegenwärtigem Aktenstand keinerlei Erfolgsaussicht. Jedoch kommt der Beschwerdeführerin in diesem Beschwerdeverfahren zu Gute, dass die "hinreichende Erfolgsaussicht" im Sinn des PKH-Rechts spezifisch interpretiert werden muss.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Gemäß den Grundsätzen zur Auslegung von Klagebegehren legt der bisherige Vortrag der Beschwerdeführerin zwei mögliche "Angriffsrichtungen" nahe. Zweifellos ist die konkrete Leistung von Heilbehandlung zur Nasenkorrektur Streitgegenstand. Insoweit besitzt das Klagebegehren keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO (dazu unten 1). Jedoch wird eine hinreichende Erfolgsaussicht dadurch vermittelt, dass das Klagebegehren auch eine abweichende Feststellung der Schädigungsfolgen umfasst (dazu unten 2). Keinesfalls Streitgegenstand ist nach den jüngsten Einlassungen des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 22.03.2011 die Frage, ob auch ein Zwerchfellbruch als Schädigungsfolge anzuerkennen wäre.
1. Sofern die Beschwerdeführerin eine konkrete Maßnahme der Heilbehandlung begehrt, kann sie ihr Rechtsschutzziel nicht dadurch erreichen, dass sie sich gegen den Bescheid vom 29.10.2009 wendet. Denn dieser hat genauso wie der Widerspruchsbescheid vom 17.03.2010 keine Entscheidung zu der Nasenkorrektur getroffen (dazu unten a). Eine Untätigkeitsklage gegen den Beschwerdegegner insoweit hätte keinen Erfolg (dazu unten b).
a) Im angegriffenen Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 ist über den Wunsch der Beschwerdeführerin, eine operative Nasenkorrektur als Leistung der Heilbehandlung zu erhalten, nicht negativ entschieden worden; vielmehr hat der Beschwerdegegner dazu noch überhaupt keine unmittelbare Regelung getroffen. Der Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 betrifft nur die aufgrund des Tatereignisses verbliebenen Schädigungen sowie den dadurch bewirkten Grad der Schädigung. Eine Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin konkret angestrebte medizinische Behandlung ist weder explizit noch schlüssig ergangen; der Beschwerdegegner hat diesen Gegenstand vielmehr gänzlich ausgespart.
Wegen der rechtlichen Ausgestaltung der Heilbehandlung verweist § 1 Abs. 1 OEG auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach § 11 Abs. 1 des BVG wird Beschädigten als Folge einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist, Heilbehandlung gewährt. Voraussetzung für den Anspruch auf Heilbehandlung ist also, dass eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung, um deren Heilung oder Linderung es geht, als Schädigungsfolge anerkannt ist; der Feststellung eines bestimmten Grades der Schädigung bedarf es nicht. Die Heilbehandlung umfasst nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 5 BVG die ambulante ärztliche Behandlung sowie Krankenhausbehandlung; für die gewünschte Nasenkorrektur wird eine ambulante Operation aller Voraussicht nach ausscheiden, so dass die Krankenhausbehandlung die einschlägige Leistungsart sein dürfte.
Für die vorliegende Problematik kann dahin stehen, ob der Beschwerdegegner selbst oder aber die Krankenkasse eine Ablehnung einer Krankenhausbehandlung (durch Verwaltungsakt) auszusprechen hätte. Nach § 18c Abs. 1 Satz 1 BVG werden die §§ 10 bis 24a von der Verwaltungsbehörde durchgeführt. Krankenhausbehandlungen erbringen gemäß § 18c Abs. 1 Satz 3 BVG grundsätzlich die Krankenkassen für die Verwaltungsbehörde; im vorliegenden Fall würde die Leistungserbringung der BEK als Krankenkasse der Beschwerdeführerin obliegen (§ 18c Abs. 2 Satz 1 BVG). Die Durchführung bezieht sich auf die rechtliche, die Erbringung auf die tatsächliche Seite (Fehl in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage 1992, § 18c BVG Rn. 3). Die Durchführung im Sinn von § 18c Abs. 1 Satz 1 BVG umfasst alle Verwaltungsentscheidungen, die weder in der tatsächlichen Zuführung von Leistungen selbst liegen noch mit der Erbringung der Leistungen zwangsläufig verbunden sind (Fehl, a.a.O.). Es wird die Ansicht vertreten, auch ablehnende Entscheidungen, seien sie auch auf eine konkrete Leistung bezogen, dürften nur von der Verwaltungsbehörde erlassen werden (vgl. Fehl, a.a.O:, § 18c Rn. 5; vgl. auch Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 18c, S. 4/5 , unter Bezugnahme auf ein Rundschreiben des Bundesarbeitsministeriums vom 18.06.1982). Der Beschwerdegegner scheint dagegen, wie sich seinem Schriftsatz vom 20.01.2011 entnehmen lässt, der Auffassung zu sein, die Versorgungsverwaltung würde immer erst dann die Angelegenheit übernehmen, wenn Widerspruch gegen eine Entscheidung der Krankenkasse eingelegt worden sei.
Darauf kommt es aber deswegen nicht an, weil der Bescheid vom 29.10.2009 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 sich, wie oben ausgeführt, jeglicher Regelung dazu enthält. Ohne eine entsprechende ablehnende Verwaltungsentscheidung ist die auf die Leistung von Krankenhausbehandlung gerichtete Klage unzulässig.
b) Der Beschwerdeführerin würde auch nicht zum Erfolg verhelfen, würde man ihr Klagebegehren als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG interpretieren (unterstellt, dies wäre nach den einschlägigen Auslegungsgrundsätzen überhaupt möglich). Die Untätigkeitsklage wäre nämlich unzulässig. Denn ein hinreichender Antrag der Beschwerdeführerin gerade auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung, an dem eine Untätigkeitsklage ansetzen könnte, liegt nicht vor. Wie der Beschwerdegegner im Schriftsatz vom 20.01.2011 zutreffend ausgeführt hat, müsste sich die Beschwerdeführerin wegen der gewünschten Krankenhausbehandlung an die BEK wenden. Darüber ist sie auch durch Übersendung eines Merkblatts aufgeklärt worden. Angesichts dessen hat der Beschwerdegegner davon ausgehen dürfen, die Beschwerdeführerin würde diese Vorgaben beachten. Abwegig wäre, die in dem Formblattantrag enthaltenen Hinweise der Beschwerdeführerin auf die gewünschte Korrektur der Nase bereits als Antrag auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung einzustufen mit der Folge, dass der Beschwerdegegner diesen an die BEK hätte weiterleiten müssen. Das gilt umso mehr, als für die Gewährung von Heilbehandlung grundsätzlich Voraussetzung ist, dass zunächst Gesundheitsstörungen als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BVG), ehe die einzelnen Leistungen der Heilbehandlung gewährt werden können; bei der anders lautenden Vorschrift des § 10 Abs. 8 BVG handelt es sich um eine Ausnahmenorm, die nur unter ganz engen Voraussetzungen greifen kann.
2. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO muss aber insofern bejaht werden, als das Klagebegehren auch auf eine abweichende Feststellung der Schädigungsfolgen gerichtet ist. Obwohl die Beschwerdeführerin dies bislang nicht explizit zum Ausdruck gebracht hat, ist ihr Klageantrag dahin auszulegen, dass der Streitgegenstand sich auch darauf erstreckt (dazu unten a). Auch wenn auch diesbezüglich in der Sache keine Erfolgsaussicht festzustellen ist (dazu unten b), muss eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des PKH-Rechts gleichwohl deswegen bejaht werden, weil das Sozialgericht durch Einholung umfangreicher ärztlicher Befundberichte bereits medizinische Ermittlungen durchgeführt hat (dazu unten c).
a) Nach Sinn und Zweck des Klageantrags ist es geboten, diesen dahin auszulegen, dass die Beschwerdeführerin auch eine für sie günstigere Feststellung von Schädigungsfolgen anstrebt. Zwar fehlt bis dato eine ausdrückliche Erklärung in diese Richtung. Jedoch ist das Gericht an die Fassung des Antrags nicht gebunden (§ 123 SGG). Entscheidend ist vielmehr, welches Ziel mit der Klage verfolgt wird. Diesbezüglich besteht kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin in letzter Konsequenz eine operative Nasenkorrektur auf Kosten des Beschwerdegegners bewilligt haben möchte. Ein bedeutsamer Zwischenschritt auf dem Weg dorthin stellt jedoch die Feststellung der Schädigungsfolgen dar. Denn aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG geht eindeutig hervor, dass Art und Umfang der Heilbehandlung maßgebend von den festgestellten Schädigungsfolgen abhängen (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., § 10, S. 9/10 ). Es liegt auf der Hand, dass die bislang festgestellte Schädigungsfolge, die lediglich "Narben" umfasst, kaum die von der Beschwerdeführerin gewünschte Nasenkorrektur rechtfertigen kann; eine solche Operation ist zur Behandlung von "Knochennarben" schlicht nicht erforderlich. Somit würde es der Beschwerdeführerin wesentlich weiterhelfen, wäre beispielsweise eine "Nasendeformation" als Schädigungsfolge anerkannt. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, das Klagebegehren der Beschwerdeführerin entsprechend auszulegen. Dass auch ihr Prozessbevollmächtigter bislang keinen eindeutigen Antrag dahin gestellt hat, schadet nicht. Unabhängig von der Frage, inwieweit Klageanträge auch bei anwaltlich vertretenen Klägern auslegungsfähig sind, ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Prozessbevollmächtigte sich allem Anschein nach erst dann eingehend mit der Sache befassen möchte, wenn PKH bewilligt und er beigeordnet ist; daher dürfen der Beschwerdeführerin aus der Passivität ihres Prozessbevollmächtigten keine Nachteile erwachsen.
b) In der Sache wäre das Begehren, die kosmetischen Defizite als eigene Schädigungsfolge festzustellen, ohne Aussicht auf Erfolg. Denn schon aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG ergibt sich unzweideutig, dass nur "Gesundheitsstörungen" als Schädigungsfolgen anerkannt werden können. Eine (anerkennungsfähige) Gesundheitsstörung liegt aber in entsprechender Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze nur dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der behandlungsbedürftig ist. Diese Abgrenzungsproblematik stellt sich somit nicht erst bei der Frage, ob eine bestimmte Heilbehandlungsmethode im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG zweckdienlich und erforderlich ist, sondern schon vorher auf der Stufe der Anerkennung als Schädigungsfolge. Aus den Akten ergibt sich klar, dass das traumatische Ereignis vom 19.11.2008 keine Auswirkungen auf die Nasenfunktion (mehr) hat. Für die Beschwerdeführerin sind vielmehr ästhetische Gesichtspunkte maßgebend. Diesbezüglich ist die Schwelle zu einer Regelwidrigkeit des Körperzustands bei ihr allem Anschein nach bei weitem nicht erreicht. Dagegen spricht einerseits die Äußerung des behandelnden HNO-Arztes Dr. S., der Befund sei kosmetisch wenig störend. Dies wird nicht dadurch relativiert, dass das Klinikum G. von einer kosmetisch störenden Nase gesprochen hat. Denn anzunehmen ist, dass das "Stören" insoweit aus der subjektiven Sicht der Beschwerdeführerin beschrieben wird. Aber auch wenn sich das "Stören" halbwegs objektivieren ließe, würde dies keineswegs auch einen regelwidrigen Körperzustand, welcher der Behandlung bedarf, implizieren. Gegen einen regelwidrigen Körperzustand spricht des weiteren, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sich negativ geäußert hat. Zudem belegen die bei den Akten befindlichen Fotos der Beschwerdeführerin, dass deren Antlitz keineswegs ungewöhnlich im Sinn eines regelwidrigen Körperzustands erscheint. Bedarf für weitere wesentliche medizinische Ermittlungen zum Aussehen der Nase, die nach den im Folgenden dargestellten Grundsätzen eventuell einen PKH-Anspruch auslösen könnten, sieht der Senat nicht.
Eine psychische Erkrankung, für die die Tat vom 19.11.2008 wesentliche Ursache ist, liegt trotz der Unzufriedenheit der Klägerin mit ihrer Nase nicht vor. Überdies würde die Heilbehandlung wegen einer psychischen Schädigungsfolge nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Krankenversicherungsrecht (vgl. BSGE 72, 96) gerade nicht die gewünschte Nasenkorrektur umfassen; die Rechtslage nach dem Krankenversicherungsrecht ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG maßgebend.
c) Gleichwohl darf eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des PKH-Rechts nicht verneint werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen bzw. Beweiswürdigungen müssen darauf hin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. Im Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 (NJW 2008, S. 1061) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, PKH dürfe nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht komme und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen würde. Denn die Gewährung von PKH soll den Rechtsschutz ermöglichen, ihn aber nicht vorwegnehmen. Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist der Senat der Ansicht, dass der PKH-Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht hätte abgelehnt werden dürfen, nicht zuletzt weil weitere medizinische Ermittlungen im Wesentlichen entbehrlich waren. Weil das Sozialgericht aber dennoch umfangreiche medizinische Befundberichte beigezogen hat - darin liegt eine "Beweisaufnahme" -, darf eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Der Beschwerdeführerin gereicht es zum Vorteil, dass das Sozialgericht die Notwendigkeit medizinischer Ermittlungen zunächst bejaht hatte. Diese Einschätzung des Prozessgerichts ist maßgebend. Die vom Sozialgericht offensichtlich für notwendig gehaltene Beweisaufnahme war für dieses auch nicht von vornherein nur eine "Formsache" im Sinn von mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg versprechend. Das war zwar wiederum aus der Sicht des Senats so, weil es nach dessen Einschätzung keiner wesentlichen medizinischen Ermittlungen bedurft hätte. Das Sozialgericht indes hat erst auf der Grundlage der aus den aktuellen Befundberichten gewonnen Informationen den PKH-Antrag abgelehnt. Es hat sich nämlich in erster Linie darauf gestützt, in der Vergangenheit hätte es bereits mehrere schädigende Ereignisse gegeben, weswegen eine eindeutige Zuordnung des Zustands der Nase der Beschwerdeführerin schwierig sei. Die entsprechenden Informationen hat dem Sozialgericht augenscheinlich vor allem der Befundbericht der Allgemeinärztin Dr. R. vom 06.06.2010 geliefert. Somit muss davon ausgegangen werden, dass die eingeholten Befundberichte für die Rechtsfindung des Sozialgerichts richtungweisend waren. Das genügt, um die Einholung der Befundberichte als Beweiserhebung einzustufen, die dem Verfahren in der Hauptsache zugeordnet bleiben muss.
Auch die übrigen, insbesondere die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor.
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten wegen einer Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Am 19.11.2008 wurde die Beschwerdeführerin - zum wiederholten Mal - Opfer einer Gewalttat, wobei sie unter anderem eine Nasenbeinfraktur erlitt. Am 20.11.2008 erfolgte eine Nasenbein-Aufrichtung im Kreiskrankenhaus M ... Am 23.04.2009 beantragte die Beschwerdeführerin wegen dieser Gewalttat Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Bei der Rubrik "Gesundheitsstörungen" schrieb sie im Formblattantrag "Korrektur des Nasenbeins nach mehrfacher Nasenbeinfraktur (Knollennase)". Die Nasenscheidewand, so die Beschwerdeführerin in dem Antrag weiter, sei am 07.01.2009 operiert worden. Zudem teilte sie mit, sie strebe eine Korrektur der deformierten Nase an, damit sie nicht mehr an das Ereignis erinnert werde und wieder in den Spiegel schauen könne. Geplant sei eine operative Behandlung im Klinikum G ... Nachdem der Beschwerdegegner angefragt hatte, ob bereits ein Termin im Klinikum G. stattgefunden habe oder festgelegt sei, reichte die Beschwerdeführerin einen auf den 30.07.2009 datierten rhinochirurgischen Befund mit Kostenvoranschlag des Klinikums G. ein. Darin ist festgehalten, die Beschwerdeführerin habe aktuell über eine Nasenatmungsbehinderung geklagt, die verstärkt im Liegen auftrete. Ferner sei sie mit dem Ergebnis der Nasenbein-Aufrichtung nicht zufrieden und wünsche eine kosmetische Korrektur. Als Diagnosen werden eine hohe Nasenseptumdeviation, die im Wesentlichen nicht traumatisch bedingt sei, sowie eine Nasenmuschelhyperplasie beidseits genannt. Zudem bestehe eine kosmetisch störende, traumatisch bedingte Höcker-Breitnase. Als Therapie würden einerseits eine Septumplastik und Turbinoplastik beidseits aus funktioneller Indikation empfohlen sowie eine korrektive Rhinoplastik gemäß Patientenwusch bei kosmetischer Indikation (traumabedingt). Für Letztere würden Kosten von etwa 4.400 EUR anfallen.
Anfang September 2009 stellte die Krankenkasse der Beschwerdeführerin, die BEK, fest, dass eine Nasenoperation nur im Hinblick auf die Septumplastik medizinisch notwendig sei. Im Übrigen läge eine kosmetische Behandlung vor, die keine Kassenleistung darstelle. Die Beschwerdeführerin erwiderte demgegenüber dem Beschwerdegegner, ihre Nase sei durch die Gewalttat verunstaltet worden; sie fühle sich dadurch psychisch sehr belastet, einerseits aus ästhetischen Gründen, andererseits weil sie durch den Blick in den Spiegel an die Gewalttat erinnert werde.
Der behandelnde HNO-Arzt Dr. S. teilte dem Beschwerdegegner unter dem Datum 05.10.2009 mit, am 02.04.2009 habe die Beschwerdeführerin den Wunsch auf eine kosmetische Korrektur der Nase geäußert. Der Befund sei kosmetisch wenig störend.
Mit Bescheid vom 29.10.2009 erkannte der Beschwerdegegner die Schädigungsfolge "Narben nach operativ versorgten Kopfplatzwunden occipital, Knochennarben nach Nasenbeinfraktur und nach Fraktur 8. Rippe links" im Sinn der Entstehung an, zudem für die Zeit bis 18.05.2009 "Schädelhirntrauma Grad I, Thoraxkontusion". Ein Grad der Schädigungsfolgen sei nicht feststellbar, weswegen eine Versorgungsrente nicht zustehe. Den ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beschwerdegegner mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2010 zurück.
Am 06.04.2010 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Zugleich hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihren Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Sie hat vorgetragen, weder die BEK noch der Beschwerdegegner wollten für die Wiederherstellung ihrer Nase aufkommen. Sie sei sehr unglücklich über die "Kartoffel" im Gesicht. Zudem sei vor Kurzem ein Zwerchfellbruch festgestellt worden; dieser sei ihrer Ansicht nach auf die Gewalttat zurückzuführen. Im Mai 2010 hat das Sozialgericht Befundberichte von behandelnden Ärzten eingeholt.
Mit Beschluss vom 12.07.2010 hat das Sozialgericht den PKH-Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. In der Begründung hat es darauf abgestellt, die Beschwerdeführerin sei in der Vergangenheit in ihrem Beziehungsumfeld schon mehrfach Opfer von Gewalttaten geworden. Das lasse eine eindeutige Zuordnung der gesundheitlichen Dauerschäden zu dem Ereignis vom 19.11.2008 nur schwer zu.
Dagegen richtet sich die am 12.08.2010 eingelegte Beschwerde. Auf ein Hinweisschreiben des Senats hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin klargestellt, dass es in dem gerichtlichen Verfahren ausschließlich um die Nasenoperation gehe. Letztlich komme es auch auf die Frage an, ob für den Beschwerdegegner ausschließlich die medizinische Notwendigkeit Maßstab sei oder ob auch kosmetische Operationen geleistet werden müssten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil das Sozialgericht zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens verneint hat. Zwar sieht der Senat in der Sache nach gegenwärtigem Aktenstand keinerlei Erfolgsaussicht. Jedoch kommt der Beschwerdeführerin in diesem Beschwerdeverfahren zu Gute, dass die "hinreichende Erfolgsaussicht" im Sinn des PKH-Rechts spezifisch interpretiert werden muss.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Gemäß den Grundsätzen zur Auslegung von Klagebegehren legt der bisherige Vortrag der Beschwerdeführerin zwei mögliche "Angriffsrichtungen" nahe. Zweifellos ist die konkrete Leistung von Heilbehandlung zur Nasenkorrektur Streitgegenstand. Insoweit besitzt das Klagebegehren keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO (dazu unten 1). Jedoch wird eine hinreichende Erfolgsaussicht dadurch vermittelt, dass das Klagebegehren auch eine abweichende Feststellung der Schädigungsfolgen umfasst (dazu unten 2). Keinesfalls Streitgegenstand ist nach den jüngsten Einlassungen des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 22.03.2011 die Frage, ob auch ein Zwerchfellbruch als Schädigungsfolge anzuerkennen wäre.
1. Sofern die Beschwerdeführerin eine konkrete Maßnahme der Heilbehandlung begehrt, kann sie ihr Rechtsschutzziel nicht dadurch erreichen, dass sie sich gegen den Bescheid vom 29.10.2009 wendet. Denn dieser hat genauso wie der Widerspruchsbescheid vom 17.03.2010 keine Entscheidung zu der Nasenkorrektur getroffen (dazu unten a). Eine Untätigkeitsklage gegen den Beschwerdegegner insoweit hätte keinen Erfolg (dazu unten b).
a) Im angegriffenen Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 ist über den Wunsch der Beschwerdeführerin, eine operative Nasenkorrektur als Leistung der Heilbehandlung zu erhalten, nicht negativ entschieden worden; vielmehr hat der Beschwerdegegner dazu noch überhaupt keine unmittelbare Regelung getroffen. Der Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 betrifft nur die aufgrund des Tatereignisses verbliebenen Schädigungen sowie den dadurch bewirkten Grad der Schädigung. Eine Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin konkret angestrebte medizinische Behandlung ist weder explizit noch schlüssig ergangen; der Beschwerdegegner hat diesen Gegenstand vielmehr gänzlich ausgespart.
Wegen der rechtlichen Ausgestaltung der Heilbehandlung verweist § 1 Abs. 1 OEG auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach § 11 Abs. 1 des BVG wird Beschädigten als Folge einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist, Heilbehandlung gewährt. Voraussetzung für den Anspruch auf Heilbehandlung ist also, dass eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung, um deren Heilung oder Linderung es geht, als Schädigungsfolge anerkannt ist; der Feststellung eines bestimmten Grades der Schädigung bedarf es nicht. Die Heilbehandlung umfasst nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 5 BVG die ambulante ärztliche Behandlung sowie Krankenhausbehandlung; für die gewünschte Nasenkorrektur wird eine ambulante Operation aller Voraussicht nach ausscheiden, so dass die Krankenhausbehandlung die einschlägige Leistungsart sein dürfte.
Für die vorliegende Problematik kann dahin stehen, ob der Beschwerdegegner selbst oder aber die Krankenkasse eine Ablehnung einer Krankenhausbehandlung (durch Verwaltungsakt) auszusprechen hätte. Nach § 18c Abs. 1 Satz 1 BVG werden die §§ 10 bis 24a von der Verwaltungsbehörde durchgeführt. Krankenhausbehandlungen erbringen gemäß § 18c Abs. 1 Satz 3 BVG grundsätzlich die Krankenkassen für die Verwaltungsbehörde; im vorliegenden Fall würde die Leistungserbringung der BEK als Krankenkasse der Beschwerdeführerin obliegen (§ 18c Abs. 2 Satz 1 BVG). Die Durchführung bezieht sich auf die rechtliche, die Erbringung auf die tatsächliche Seite (Fehl in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage 1992, § 18c BVG Rn. 3). Die Durchführung im Sinn von § 18c Abs. 1 Satz 1 BVG umfasst alle Verwaltungsentscheidungen, die weder in der tatsächlichen Zuführung von Leistungen selbst liegen noch mit der Erbringung der Leistungen zwangsläufig verbunden sind (Fehl, a.a.O.). Es wird die Ansicht vertreten, auch ablehnende Entscheidungen, seien sie auch auf eine konkrete Leistung bezogen, dürften nur von der Verwaltungsbehörde erlassen werden (vgl. Fehl, a.a.O:, § 18c Rn. 5; vgl. auch Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 18c, S. 4/5 , unter Bezugnahme auf ein Rundschreiben des Bundesarbeitsministeriums vom 18.06.1982). Der Beschwerdegegner scheint dagegen, wie sich seinem Schriftsatz vom 20.01.2011 entnehmen lässt, der Auffassung zu sein, die Versorgungsverwaltung würde immer erst dann die Angelegenheit übernehmen, wenn Widerspruch gegen eine Entscheidung der Krankenkasse eingelegt worden sei.
Darauf kommt es aber deswegen nicht an, weil der Bescheid vom 29.10.2009 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 sich, wie oben ausgeführt, jeglicher Regelung dazu enthält. Ohne eine entsprechende ablehnende Verwaltungsentscheidung ist die auf die Leistung von Krankenhausbehandlung gerichtete Klage unzulässig.
b) Der Beschwerdeführerin würde auch nicht zum Erfolg verhelfen, würde man ihr Klagebegehren als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG interpretieren (unterstellt, dies wäre nach den einschlägigen Auslegungsgrundsätzen überhaupt möglich). Die Untätigkeitsklage wäre nämlich unzulässig. Denn ein hinreichender Antrag der Beschwerdeführerin gerade auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung, an dem eine Untätigkeitsklage ansetzen könnte, liegt nicht vor. Wie der Beschwerdegegner im Schriftsatz vom 20.01.2011 zutreffend ausgeführt hat, müsste sich die Beschwerdeführerin wegen der gewünschten Krankenhausbehandlung an die BEK wenden. Darüber ist sie auch durch Übersendung eines Merkblatts aufgeklärt worden. Angesichts dessen hat der Beschwerdegegner davon ausgehen dürfen, die Beschwerdeführerin würde diese Vorgaben beachten. Abwegig wäre, die in dem Formblattantrag enthaltenen Hinweise der Beschwerdeführerin auf die gewünschte Korrektur der Nase bereits als Antrag auf eine konkrete Leistung der Heilbehandlung einzustufen mit der Folge, dass der Beschwerdegegner diesen an die BEK hätte weiterleiten müssen. Das gilt umso mehr, als für die Gewährung von Heilbehandlung grundsätzlich Voraussetzung ist, dass zunächst Gesundheitsstörungen als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BVG), ehe die einzelnen Leistungen der Heilbehandlung gewährt werden können; bei der anders lautenden Vorschrift des § 10 Abs. 8 BVG handelt es sich um eine Ausnahmenorm, die nur unter ganz engen Voraussetzungen greifen kann.
2. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO muss aber insofern bejaht werden, als das Klagebegehren auch auf eine abweichende Feststellung der Schädigungsfolgen gerichtet ist. Obwohl die Beschwerdeführerin dies bislang nicht explizit zum Ausdruck gebracht hat, ist ihr Klageantrag dahin auszulegen, dass der Streitgegenstand sich auch darauf erstreckt (dazu unten a). Auch wenn auch diesbezüglich in der Sache keine Erfolgsaussicht festzustellen ist (dazu unten b), muss eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des PKH-Rechts gleichwohl deswegen bejaht werden, weil das Sozialgericht durch Einholung umfangreicher ärztlicher Befundberichte bereits medizinische Ermittlungen durchgeführt hat (dazu unten c).
a) Nach Sinn und Zweck des Klageantrags ist es geboten, diesen dahin auszulegen, dass die Beschwerdeführerin auch eine für sie günstigere Feststellung von Schädigungsfolgen anstrebt. Zwar fehlt bis dato eine ausdrückliche Erklärung in diese Richtung. Jedoch ist das Gericht an die Fassung des Antrags nicht gebunden (§ 123 SGG). Entscheidend ist vielmehr, welches Ziel mit der Klage verfolgt wird. Diesbezüglich besteht kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin in letzter Konsequenz eine operative Nasenkorrektur auf Kosten des Beschwerdegegners bewilligt haben möchte. Ein bedeutsamer Zwischenschritt auf dem Weg dorthin stellt jedoch die Feststellung der Schädigungsfolgen dar. Denn aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG geht eindeutig hervor, dass Art und Umfang der Heilbehandlung maßgebend von den festgestellten Schädigungsfolgen abhängen (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., § 10, S. 9/10 ). Es liegt auf der Hand, dass die bislang festgestellte Schädigungsfolge, die lediglich "Narben" umfasst, kaum die von der Beschwerdeführerin gewünschte Nasenkorrektur rechtfertigen kann; eine solche Operation ist zur Behandlung von "Knochennarben" schlicht nicht erforderlich. Somit würde es der Beschwerdeführerin wesentlich weiterhelfen, wäre beispielsweise eine "Nasendeformation" als Schädigungsfolge anerkannt. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, das Klagebegehren der Beschwerdeführerin entsprechend auszulegen. Dass auch ihr Prozessbevollmächtigter bislang keinen eindeutigen Antrag dahin gestellt hat, schadet nicht. Unabhängig von der Frage, inwieweit Klageanträge auch bei anwaltlich vertretenen Klägern auslegungsfähig sind, ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Prozessbevollmächtigte sich allem Anschein nach erst dann eingehend mit der Sache befassen möchte, wenn PKH bewilligt und er beigeordnet ist; daher dürfen der Beschwerdeführerin aus der Passivität ihres Prozessbevollmächtigten keine Nachteile erwachsen.
b) In der Sache wäre das Begehren, die kosmetischen Defizite als eigene Schädigungsfolge festzustellen, ohne Aussicht auf Erfolg. Denn schon aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG ergibt sich unzweideutig, dass nur "Gesundheitsstörungen" als Schädigungsfolgen anerkannt werden können. Eine (anerkennungsfähige) Gesundheitsstörung liegt aber in entsprechender Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze nur dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der behandlungsbedürftig ist. Diese Abgrenzungsproblematik stellt sich somit nicht erst bei der Frage, ob eine bestimmte Heilbehandlungsmethode im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG zweckdienlich und erforderlich ist, sondern schon vorher auf der Stufe der Anerkennung als Schädigungsfolge. Aus den Akten ergibt sich klar, dass das traumatische Ereignis vom 19.11.2008 keine Auswirkungen auf die Nasenfunktion (mehr) hat. Für die Beschwerdeführerin sind vielmehr ästhetische Gesichtspunkte maßgebend. Diesbezüglich ist die Schwelle zu einer Regelwidrigkeit des Körperzustands bei ihr allem Anschein nach bei weitem nicht erreicht. Dagegen spricht einerseits die Äußerung des behandelnden HNO-Arztes Dr. S., der Befund sei kosmetisch wenig störend. Dies wird nicht dadurch relativiert, dass das Klinikum G. von einer kosmetisch störenden Nase gesprochen hat. Denn anzunehmen ist, dass das "Stören" insoweit aus der subjektiven Sicht der Beschwerdeführerin beschrieben wird. Aber auch wenn sich das "Stören" halbwegs objektivieren ließe, würde dies keineswegs auch einen regelwidrigen Körperzustand, welcher der Behandlung bedarf, implizieren. Gegen einen regelwidrigen Körperzustand spricht des weiteren, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sich negativ geäußert hat. Zudem belegen die bei den Akten befindlichen Fotos der Beschwerdeführerin, dass deren Antlitz keineswegs ungewöhnlich im Sinn eines regelwidrigen Körperzustands erscheint. Bedarf für weitere wesentliche medizinische Ermittlungen zum Aussehen der Nase, die nach den im Folgenden dargestellten Grundsätzen eventuell einen PKH-Anspruch auslösen könnten, sieht der Senat nicht.
Eine psychische Erkrankung, für die die Tat vom 19.11.2008 wesentliche Ursache ist, liegt trotz der Unzufriedenheit der Klägerin mit ihrer Nase nicht vor. Überdies würde die Heilbehandlung wegen einer psychischen Schädigungsfolge nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Krankenversicherungsrecht (vgl. BSGE 72, 96) gerade nicht die gewünschte Nasenkorrektur umfassen; die Rechtslage nach dem Krankenversicherungsrecht ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG maßgebend.
c) Gleichwohl darf eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des PKH-Rechts nicht verneint werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen bzw. Beweiswürdigungen müssen darauf hin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. Im Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 (NJW 2008, S. 1061) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, PKH dürfe nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht komme und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen würde. Denn die Gewährung von PKH soll den Rechtsschutz ermöglichen, ihn aber nicht vorwegnehmen. Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist der Senat der Ansicht, dass der PKH-Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht hätte abgelehnt werden dürfen, nicht zuletzt weil weitere medizinische Ermittlungen im Wesentlichen entbehrlich waren. Weil das Sozialgericht aber dennoch umfangreiche medizinische Befundberichte beigezogen hat - darin liegt eine "Beweisaufnahme" -, darf eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Der Beschwerdeführerin gereicht es zum Vorteil, dass das Sozialgericht die Notwendigkeit medizinischer Ermittlungen zunächst bejaht hatte. Diese Einschätzung des Prozessgerichts ist maßgebend. Die vom Sozialgericht offensichtlich für notwendig gehaltene Beweisaufnahme war für dieses auch nicht von vornherein nur eine "Formsache" im Sinn von mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg versprechend. Das war zwar wiederum aus der Sicht des Senats so, weil es nach dessen Einschätzung keiner wesentlichen medizinischen Ermittlungen bedurft hätte. Das Sozialgericht indes hat erst auf der Grundlage der aus den aktuellen Befundberichten gewonnen Informationen den PKH-Antrag abgelehnt. Es hat sich nämlich in erster Linie darauf gestützt, in der Vergangenheit hätte es bereits mehrere schädigende Ereignisse gegeben, weswegen eine eindeutige Zuordnung des Zustands der Nase der Beschwerdeführerin schwierig sei. Die entsprechenden Informationen hat dem Sozialgericht augenscheinlich vor allem der Befundbericht der Allgemeinärztin Dr. R. vom 06.06.2010 geliefert. Somit muss davon ausgegangen werden, dass die eingeholten Befundberichte für die Rechtsfindung des Sozialgerichts richtungweisend waren. Das genügt, um die Einholung der Befundberichte als Beweiserhebung einzustufen, die dem Verfahren in der Hauptsache zugeordnet bleiben muss.
Auch die übrigen, insbesondere die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor.
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved