Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 152/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 168/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung einer bereits vollzogenen einstweiligen Anodnung. Die Klärung, ob die einstweilige Regelung zutreffend war, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 7.2.2011 wird unter Ziffer II insoweit abgeändert, als dem Antragsteller bis zum 28.2.2011 vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 29.11.2010 streitig.
Der 1964 geborene Beschwerdegegner (Bg) stellte am 29.11.2010 einen Leistungsantrag bei dem Beschwerdeführer (Bf), nachdem er erstmals am 1.3.2010 Leistungen bei dem Bf beantragt hatte. Im Erstantrag gab er an, mietfrei bei einem Freund in H. zu wohnen. Im Folgeantrag erklärte er, dass sich in seinen persönlichen Daten keine Änderungen ergeben hätten. Am 2.12.2010 übersandte der Bg das Kündigungsschreiben seines Arbeitsverhältnisses zum 1.12.2010, das an die Adresse B-Straße, M. gerichtet war.
Am 3.12.2010 erschien der Bg nicht zu einem Vorsprachetermin. Mit Schreiben vom 15.12.2010 wurde er um Stellungnahme gebeten, weshalb die Kündigung seines Arbeitgebers an die Adresse B-Straße, M. erfolgte. Nach Postrückläufen der Deutschen Post mit der Mitteilung, dass der Bg als Nachsendeadresse die o.g. Adresse angegeben hatte, ging der Bf davon aus, dass der Bg nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich wohne. Mit Schreiben vom 7.1.2011 wurde der Bg daher aufgefordert genaue Angaben zu seinem Wohnsitz zu machen.
Am 18.1.2011 erließ der Bf einen Versagungsbescheid nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), da der Bg seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
Bei dem Bf ging am 19.1.2011 ein Schreiben des Bg vom 17.1.2011 ein, in dem dieser mitteilte, dass sein Vater Arbeit für ihn gefunden habe und deshalb die Post zu diesem gekommen sei.
Am 18.1.2011 hat der Bg beim Sozialgericht München einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt, er sei weder umgezogen noch habe sich sonst etwas geändert. Der Bf hat darauf hingewiesen, dass die Leistungen nach dem SGB II versagt worden seien, da der Bg keine plausible Erklärung dafür angegeben hat, weshalb seine Post nach M. gesandt werde. Er hat ausgeführt, dass im Verwaltungsverfahren vom Bg mehrmals Telefaxe aus dem Vorwahlnummerbereich 07192, der Vorwahlnummer von M., versandt wurden.
Der Bg hat daraufhin angegeben, dass sein Vater unter dieser Adresse lebe. Sein Vater habe die Schriftstücke für ihn gefaxt, damit er einen Nachweis über den Zugang der Schreiben habe. Am 25.1.2011 hat er Widerspruch gegen den Versagungsbescheid eingelegt. Einen Vorsprachetermin am 27.1.2011 hat der Bg unentschuldigt nicht wahrgenommen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7.2.2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.1.2011 angeordnet und den Bf im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Bg für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 31.3.2011 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 359 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Es hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.1.2011 nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG angeordnet, da der Bg die von ihm gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I geforderte Auskunft geleistet habe und deshalb eine Versagung wegen der unzureichenden Ermittlungen des Bf nicht gerechtfertigt sei. Wegen des existenzsichernden Charakters der streitigen Leistungen sei es angezeigt, dem Bg die im Tenor genannten Leistungen vorläufig zuzusprechen.
Mit Bescheid vom 9.2.2011 hat der Bf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 18.1.2011 bis zum 31.3.2011 nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig gewährt.
Aufgrund einer Meldebestätigung der Ortsgemeinde St. G. bei S. hat der Bf erfahren, dass der Bg ab dem 10.2.2011 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist. Daraufhin hob er mit Aufhebungsbescheid vom 15.2.2011 den Bescheid vom 9.2.2011 ab dem 1.3.2011 auf, da der Bg umgezogen sei und seine neue Anschrift nicht bzw. nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Der Umzug sei in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers erfolgt. Zugleich wurde der Bg zur beabsichtigten Rückforderung der Leistungen für den Zeitraum vom 10.2.2011 bis zum 28.2.2011 angehört.
Am 14.2.2011 hat der Bf einen Hausbesuch bei der vom Bg angegebenen Adresse in H. vorgenommen. Dort hat die frühere Mitbewohnerin des Bg erklärt, dass sie diesen bereits im Oktober 2010 aus der Wohnung "rausgeschmissen" habe. Wo er sich seitdem aufhalte, wisse sie nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2011 hat der Bf den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 18.1.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde an den Bg nach Österreich versandt. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde er darauf hingewiesen, dass er gegen diese Entscheidung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht München erheben kann.
Am 23.2.2011 hat der Bf Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München eingelegt und beantragt den Beschluss aufzuheben, da der Bg seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Außerdem habe sich herausgestellt, dass er sich seit Oktober 2010 nicht mehr am gemeldeten Wohnort in H. aufhalte. Die Leistungen für den Monat März 2011 seien aufgrund des Aufhebungsbescheides vom 15.2.2011 nicht ausgezahlt worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Bf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, sowie statthafte Beschwerde (§§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet soweit der Bf die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München für den Monat März 2011 beantragt hat. Soweit die Aufhebung des Beschlusses für die Zeit vom 18.1.2011 bis 28.2.2011 beantragt wurde, ist die Beschwerde unzulässig.
Das Sozialgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.1.2011 nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG angeordnet. Der Bf hat vor Erlass des Versagungsbescheides den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Für die vorliegende Beschwerde unerheblich ist, ob der Bg gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.2.2011 Klage erhoben hat. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruch war unrichtig, da der Widerspruchsbescheid an den Bg im Ausland zugestellt wurde und die Frist nach § 84 Abs. 1 S. 2 SGG drei Monate beträgt. Somit ist für die Klageerhebung die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 S. 1 SGG maßgeblich.
Der Beschluss des Sozialgerichts München ist jedoch hinsichtlich des Erlasses einer Regelungsanordnung für den Monat März 2011 aufzuheben. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Das ist dann der Fall, wenn dem Bg ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG in BVerfGE 79,69 ff). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Bg einen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, d.h. den materiellrechtlichen Anspruch, auf den sich sein Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86 b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 929 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO). Bei der erforderlichen Überprüfung des Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach dem SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch sondern stets abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG vom 12.5.2005, NJW 2005, 2982). Ist dem Gericht im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand einer Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind stets die grundrechtlichen Belange des Bg einzubeziehen.
Für den Zeitraum vom 18.1.2011 bis zum 28.2.2011 fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde. Für diesen Zeitraum hat der Bf den Beschluss des Sozialgerichts München bereits vollzogen. Damit hat sich für diesen Zeitraum der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits erledigt. Die Klärung der Frage, ob die vom Sozialgericht getroffene einstweilige Regelung zutreffend war, bleibt dem Klageverfahren vorbehalten. Die gegebenenfalls vorzunehmende Rückabwicklung findet nach dem System des Prozessrechts im Hauptsacheverfahren statt, in dem zu klären ist, ob dem Bg diese Leistungen endgültig zustehen. Darüber hinaus hat der Bf mit Erlass des Bescheides vom 9.2.2011 eine eigenständige Entscheidung über die Leistungsgewährung getroffen, da er eine vorläufige Entscheidung nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III getroffen hat und nicht einen Ausführungsbescheid aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts München. Auch daher kann die Beschwerde hinsichtlich dieses Zeitraums keinen Erfolg haben.
Der Beschluss des Sozialgerichts München war jedoch für den Monat März 2011 aufzuheben, soweit er für diesen Monat Leistungen nach dem SGB II vorläufig bewilligt hat. Der Bg hat spätestens ab dem 10.2.2011 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die unter anderem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach den eigenen Angaben des Bg hat dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Damit besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, und der Beschluss des Sozialgerichts München ist entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dem Bf sind wegen der fehlenden Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich des Wohnsitzes des Bg keine Kosten zu erstatten.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 29.11.2010 streitig.
Der 1964 geborene Beschwerdegegner (Bg) stellte am 29.11.2010 einen Leistungsantrag bei dem Beschwerdeführer (Bf), nachdem er erstmals am 1.3.2010 Leistungen bei dem Bf beantragt hatte. Im Erstantrag gab er an, mietfrei bei einem Freund in H. zu wohnen. Im Folgeantrag erklärte er, dass sich in seinen persönlichen Daten keine Änderungen ergeben hätten. Am 2.12.2010 übersandte der Bg das Kündigungsschreiben seines Arbeitsverhältnisses zum 1.12.2010, das an die Adresse B-Straße, M. gerichtet war.
Am 3.12.2010 erschien der Bg nicht zu einem Vorsprachetermin. Mit Schreiben vom 15.12.2010 wurde er um Stellungnahme gebeten, weshalb die Kündigung seines Arbeitgebers an die Adresse B-Straße, M. erfolgte. Nach Postrückläufen der Deutschen Post mit der Mitteilung, dass der Bg als Nachsendeadresse die o.g. Adresse angegeben hatte, ging der Bf davon aus, dass der Bg nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich wohne. Mit Schreiben vom 7.1.2011 wurde der Bg daher aufgefordert genaue Angaben zu seinem Wohnsitz zu machen.
Am 18.1.2011 erließ der Bf einen Versagungsbescheid nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), da der Bg seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
Bei dem Bf ging am 19.1.2011 ein Schreiben des Bg vom 17.1.2011 ein, in dem dieser mitteilte, dass sein Vater Arbeit für ihn gefunden habe und deshalb die Post zu diesem gekommen sei.
Am 18.1.2011 hat der Bg beim Sozialgericht München einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt, er sei weder umgezogen noch habe sich sonst etwas geändert. Der Bf hat darauf hingewiesen, dass die Leistungen nach dem SGB II versagt worden seien, da der Bg keine plausible Erklärung dafür angegeben hat, weshalb seine Post nach M. gesandt werde. Er hat ausgeführt, dass im Verwaltungsverfahren vom Bg mehrmals Telefaxe aus dem Vorwahlnummerbereich 07192, der Vorwahlnummer von M., versandt wurden.
Der Bg hat daraufhin angegeben, dass sein Vater unter dieser Adresse lebe. Sein Vater habe die Schriftstücke für ihn gefaxt, damit er einen Nachweis über den Zugang der Schreiben habe. Am 25.1.2011 hat er Widerspruch gegen den Versagungsbescheid eingelegt. Einen Vorsprachetermin am 27.1.2011 hat der Bg unentschuldigt nicht wahrgenommen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7.2.2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.1.2011 angeordnet und den Bf im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Bg für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 31.3.2011 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 359 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Es hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.1.2011 nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG angeordnet, da der Bg die von ihm gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I geforderte Auskunft geleistet habe und deshalb eine Versagung wegen der unzureichenden Ermittlungen des Bf nicht gerechtfertigt sei. Wegen des existenzsichernden Charakters der streitigen Leistungen sei es angezeigt, dem Bg die im Tenor genannten Leistungen vorläufig zuzusprechen.
Mit Bescheid vom 9.2.2011 hat der Bf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 18.1.2011 bis zum 31.3.2011 nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig gewährt.
Aufgrund einer Meldebestätigung der Ortsgemeinde St. G. bei S. hat der Bf erfahren, dass der Bg ab dem 10.2.2011 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist. Daraufhin hob er mit Aufhebungsbescheid vom 15.2.2011 den Bescheid vom 9.2.2011 ab dem 1.3.2011 auf, da der Bg umgezogen sei und seine neue Anschrift nicht bzw. nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Der Umzug sei in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers erfolgt. Zugleich wurde der Bg zur beabsichtigten Rückforderung der Leistungen für den Zeitraum vom 10.2.2011 bis zum 28.2.2011 angehört.
Am 14.2.2011 hat der Bf einen Hausbesuch bei der vom Bg angegebenen Adresse in H. vorgenommen. Dort hat die frühere Mitbewohnerin des Bg erklärt, dass sie diesen bereits im Oktober 2010 aus der Wohnung "rausgeschmissen" habe. Wo er sich seitdem aufhalte, wisse sie nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2011 hat der Bf den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 18.1.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde an den Bg nach Österreich versandt. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde er darauf hingewiesen, dass er gegen diese Entscheidung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht München erheben kann.
Am 23.2.2011 hat der Bf Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München eingelegt und beantragt den Beschluss aufzuheben, da der Bg seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Außerdem habe sich herausgestellt, dass er sich seit Oktober 2010 nicht mehr am gemeldeten Wohnort in H. aufhalte. Die Leistungen für den Monat März 2011 seien aufgrund des Aufhebungsbescheides vom 15.2.2011 nicht ausgezahlt worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Bf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, sowie statthafte Beschwerde (§§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet soweit der Bf die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München für den Monat März 2011 beantragt hat. Soweit die Aufhebung des Beschlusses für die Zeit vom 18.1.2011 bis 28.2.2011 beantragt wurde, ist die Beschwerde unzulässig.
Das Sozialgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.1.2011 nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG angeordnet. Der Bf hat vor Erlass des Versagungsbescheides den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Für die vorliegende Beschwerde unerheblich ist, ob der Bg gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.2.2011 Klage erhoben hat. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruch war unrichtig, da der Widerspruchsbescheid an den Bg im Ausland zugestellt wurde und die Frist nach § 84 Abs. 1 S. 2 SGG drei Monate beträgt. Somit ist für die Klageerhebung die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 S. 1 SGG maßgeblich.
Der Beschluss des Sozialgerichts München ist jedoch hinsichtlich des Erlasses einer Regelungsanordnung für den Monat März 2011 aufzuheben. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Das ist dann der Fall, wenn dem Bg ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG in BVerfGE 79,69 ff). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Bg einen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, d.h. den materiellrechtlichen Anspruch, auf den sich sein Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86 b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 929 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO). Bei der erforderlichen Überprüfung des Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach dem SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch sondern stets abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG vom 12.5.2005, NJW 2005, 2982). Ist dem Gericht im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand einer Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind stets die grundrechtlichen Belange des Bg einzubeziehen.
Für den Zeitraum vom 18.1.2011 bis zum 28.2.2011 fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde. Für diesen Zeitraum hat der Bf den Beschluss des Sozialgerichts München bereits vollzogen. Damit hat sich für diesen Zeitraum der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits erledigt. Die Klärung der Frage, ob die vom Sozialgericht getroffene einstweilige Regelung zutreffend war, bleibt dem Klageverfahren vorbehalten. Die gegebenenfalls vorzunehmende Rückabwicklung findet nach dem System des Prozessrechts im Hauptsacheverfahren statt, in dem zu klären ist, ob dem Bg diese Leistungen endgültig zustehen. Darüber hinaus hat der Bf mit Erlass des Bescheides vom 9.2.2011 eine eigenständige Entscheidung über die Leistungsgewährung getroffen, da er eine vorläufige Entscheidung nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III getroffen hat und nicht einen Ausführungsbescheid aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts München. Auch daher kann die Beschwerde hinsichtlich dieses Zeitraums keinen Erfolg haben.
Der Beschluss des Sozialgerichts München war jedoch für den Monat März 2011 aufzuheben, soweit er für diesen Monat Leistungen nach dem SGB II vorläufig bewilligt hat. Der Bg hat spätestens ab dem 10.2.2011 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die unter anderem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach den eigenen Angaben des Bg hat dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Damit besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, und der Beschluss des Sozialgerichts München ist entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dem Bf sind wegen der fehlenden Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich des Wohnsitzes des Bg keine Kosten zu erstatten.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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