L 2 SF 43/11 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 SF 36/11
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 43/11 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Frist für den Ablehnungsantrag endet mit dem Ablauf der First, die das Gericht den Beteiligten zru Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
14. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. besteht.
Der 1963 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf.) begehrte im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 29 SB 72/10) einen Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Mit Beweisanordnung vom 14.10.2010 hat das Sozialgericht den Orthopäden Dr. R. S. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 18.11.2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine Spondylose der LWS bei Bandscheibenläsion Z 4 und Z 5, eine somatoforme Störung und eine geringe Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes vorliege. Der GdB sei mit 30 zutreffend bewertet.
Mit Schreiben vom 22.11.2010 hat das Sozialgericht dem Bevollmächtigten des Klägers das Gutachten zur Kenntnis und Stellungnahme bis 20.12.2010 zugeleitet. Gleichzeitig hat es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt.
Am 06.12.2010 hat der Bf. den Sachverständigen Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und sich auf eine Stellungnahme der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. G. bezogen. Die Befunde für die Psyche des Klägers entbehrten jeder Sachkenntnis. Des weiteren hat er eine Stellungnahme des Dipl.-Psych. H. vorgelegt. Dr. B. hat am 15.12.2010 und 29.12.2010 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und seine Aussagen im Gutachten aufrecht erhalten.
Das Sozialgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 14.01.2011 zurückgewiesen. Fraglich sei bereits, ob das Ablehnungsgesuch fristgemäß gestellt worden sei. Der Kläger mache bereits Ablehnungsgründe aus der Untersuchungssituation bei
Dr. B. geltend. Jedenfalls sei das Ablehnungsgesuch inhaltlich unbegründet. Es stehe eine angeblich fehlende Sachkunde des Gutachters im Vordergrund. Das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen wiesen keine unsachlichen Bemerkungen oder Tendenzen auf. Eine fehlende Sachkunde oder Ungenauigkeiten im Gutachten selbst begründeten jedoch keine Befangenheit.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, der Sachverständige habe sich über Zusammenhänge geäußert, die nicht auf seinem Fachgebiet liegen. Er habe sich unsachlich und in herabwürdigender Weise über den Kläger geäußert. Der Sachverständige habe verklausuliert gemeint, bei dem Kläger handle es sich nicht um einen kranken Menschen und auch nicht um einen Menschen, der gemobbt wird, es handle sich vielmehr um eine Frage der mangelnden Intelligenz. Der Bf. habe im Internet eine Beurteilung des Sachverständigen gefunden, aus der zu schließen sei, dass auch andere Probanten sich unangemessen behandelt fühlten.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 01.02.2011 Berufung eingelegt.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach
§§ 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Zweck dieser Regelung ist die Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Da sich vorliegend die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit aus dem Gutachten vom 18.11.2010 ergibt, war das am 06.12.2010 eingegangene Ablehnungsgesuch fristgemäß. Dies gilt auch für die Gründe, die sich aus der Untersuchungssituation ergeben sollen. Denn nach dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten hat sich die Untersuchungssituation, bei der sich der Kläger belastet und unter Druck gesetzt fühlte, im Gutachten ausgewirkt.
Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas-Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9).
Der Bf. begründet die Beschwerde vor allem mit der aus seiner Sicht unzulänglichen Befragung bei der Untersuchung und der seine Sachkunde überschreitenden Gutachtenserstellung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Sachverständige die vom Gericht bestellten Beweisfragen beantworten muss. Das Gericht hat ihn jedoch ausdrücklich danach befragt, ob er einen Gesamt-GdB von 30 für angemessen erachtet. Der Sachverständige hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass aus seiner Sicht ein GdB von 20 bei "seelischer Störung" ausreichend ist. Dies schließt umgekehrt nicht aus, dass das Gericht von Amts wegen ein weiteres Gutachten einholen muss, wenn es dies für erforderlich hält. Dies hat nicht der Sachverständige zu entscheiden. Er gibt hierzu nur ein Votum ab. Daran ist das Gericht nicht gebunden.
Im Übrigen würden sachliche Mängel eines Gutachtens, wie sie vom Bf. vorgebracht werden, eine Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Eventuelle Unzulänglichkeiten treffen beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen (vgl. § 412 ZPO). Derartige Mängel eines Gutachtens können allenfalls ein Gutachten entwerten. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1
Satz 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Bf. beigebrachten Interneteintrag. Dieser gibt anonym die subjektive Meinung eines Dritten wieder. Es kommt jedoch darauf an, ob ein Grund vorliegt, der das Misstrauen des Bf. bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise rechtfertigt. Hierfür reichen anonyme Interneteinträge vermeintlich anderer Probanten nicht aus.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. B. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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