Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 SF 5104/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 949/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Spielt ein Musiker nur aushilfsweise in einem Orchester mit, kann das eine selbständige und damit nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeit sein.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 3. April 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 13.207,72 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladenen zu 7) bis 11) für die Jahre 1996 und 1997.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts und betreibt das "B. Blasorchester" (im Folgenden: Blasorchester). Musiziert wird zu verschiedensten Anlässen, unter anderem auf Volksfesten, bei Firmenfeiern, auf kirchlichen und kommunalen Festen. Die Auftrittssaison dauert in der Regel von März bis Oktober. Der Betrieb dieser Blasmusikkapelle ist Gegenstand des Gesellschaftsvertrages vom 19. März 1976. In dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bestand die Stammbesetzung für die Auftritte des Blasorchesters aus 11 Gesellschaftern und jeweils zwei bis vier festangestellten Musikern. Je nach Bedarf engagierte die Klägerin für einzelne Auftritte weitere Musiker als Aushilfen. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) sind nicht Gesellschafter der Klägerin, wurden von der Klägerin auch nicht als Beschäftigte zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet, sondern waren in ihrer Freizeit als Aushilfsmusiker für die Klägerin tätig. Nach einer in der Zeit vom 7. Dezember 1999 bis zum 8. Dezember 2000 durchgeführten Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 stellte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 die Versicherungspflicht von zahlreichen, von der Klägerin engagierten Musikern fest und forderte im Rahmen eines Summenbescheides Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 47.705,90 DM nach. Auf den Widerspruch der Klägerin und nach Vorlage weiterer Unterlagen erfolgte eine personenbezogene Nachberechnung und die Beklagte reduzierte mit Bescheid vom 16. März 2004 ihre Forderung auf 13.207,72 Euro und beschränkte sich auf die konkrete Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 7) bis 11). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die als "freie Mitarbeiter" geführten Beigeladenen zu 7) bis 11) seien vollständig in den Betrieb bzw. Betriebsablauf während den jeweiligen Veranstaltungen eingegliedert gewesen. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien daher in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig geworden. Sie seien in den Jahren 1996 und 1997 auch an mehr als 50 Tagen für die Klägerin tätig gewesen und hätten daher die Grenze für versicherungsfreie kurzfristig Beschäftigte überschritten.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und vertrat die Auffassung, die betroffenen fünf Musiker seien freiberufliche Aushilfsmusiker. Zur Begründung führte die Klägerin aus, die Musiker unterlägen nicht ihren Weisungen und könnten zudem frei entscheiden, ob sie ein Engagement annähmen oder nicht. Der Dirigent der Kapelle sei ebenfalls nur ein Musiker, dessen Funktion sich auf die Spielweise der dargebotenen Musik, nicht aber auf eine "Eingliederung in eine Arbeitsorganisation" beziehe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Juli 2004 zurückgewiesen. Die Beklagte sah die betroffenen Musiker unverändert als Aushilfsmusiker in den Betrieb bzw. den Betriebsablauf der Klägerin bei den jeweiligen Veranstaltungen eingegliedert. Sie hätten keinerlei Einwirkungsmöglichkeit auf das Programm, den Spielort oder die Zeit der Leistungserbringung und arbeiteten ausschließlich auf Weisung des Orchesterleiters. Eine Sozialversicherungspflicht bestehe aufgrund der Überschreitung der Zeitgrenze für eine kurzfristige Beschäftigung an höchstens 50 Arbeitstagen im Jahr.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 3. April 2007 hat das Sozialgericht Landshut die Bescheide der Beklagten vom 22. Dezember 2000 und vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2004 aufgehoben. Das Sozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien in ihren Aushilfsauftritten bei der Klägerin nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar hätten bei den Engagements auch Elemente einer abhängigen Beschäftigung vorgelegen. Die Gesamtumstände sprächen aber für die Selbständigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11). Allein die Tatsache, dass Ort und Zeit der Tätigkeit bei den Auftritten zusammen mit der Klägerin feststanden, spreche noch nicht für eine arbeitnehmerähnliche Weisungsgebundenheit. Dasselbe gelte für die Art und die Anzahl der Musikstücke, die in einer Musikveranstaltung aufgeführt würden. Verpflichtungen dieser Art seien kein Beleg für eine arbeitnehmerähnliche Eingliederung in den Betrieb eines Orchesters. Sie seien vielmehr üblich und unerlässlich. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) hätten zudem im Gegensatz zu den als Orchester-Gesellschafter tätigen Musikern der Klägerin keinerlei Probenverpflichtungen gehabt. Auch hätten sie ihr Arbeitsgerät, die Musikinstrumente, selbst gestellt und die Fahrt-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten bei ihren Auftritten selbst getragen. Ein Ausfallhonorar sei ebenso wenig gezahlt worden wie eine Urlaubsvergütung.
Die Beklagte hat gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Die Beklagte ist der Auffassung, die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien an der Klägerin als einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts nicht beteiligt und könnten daher an deren unternehmerischen Erfolg nicht teilhaben. Als Aushilfsmusiker hätten sie auch keinerlei Einwirkungsmöglichkeit auf Programmablauf, Programminhalt, Spielort oder Zeit der Leistungserbringung gehabt. Sie unterstünden vielmehr vollständig den Weisungen des Geschäftsführers. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, begründe nicht die Annahme eines Unternehmerrisikos. Es liege unzweifelhaft eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin vor. Die fehlende Probenverpflichtung ändere daran nichts. Das musikalische Programm eines Blasorchesters sei vielmehr größtenteils Standard, weshalb in der Praxis auf allgemeine Proben verzichtet werde.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 3. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das Sozialgericht sei zu Recht von einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11) ausgegangen. Die fehlende Einwirkungsmöglichkeit auf das Programm, den Spielort oder die Zeit der Leistung liege in der Natur der Sache des gemeinsamen Musizierens. Eine über die Verwirklichung des gemeinsamen Programms hinausgehende Eingliederung habe nicht bestanden.
Am 22. Juni 2010 hat am Bayerischen Landessozialgericht ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin und die Beigeladenen zu 8), 10) und 11) haben den Ablauf der jeweiligen Engagements geschildert. Auf den Inhalt der Niederschrift vom 22. Juni 2010 (Bl. 184 ff der Berufungsakte) wird Bezug genommen. Die im Erörterungstermin anwesenden Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu Protokoll erklärt. Auf Nachfrage des Gerichts erklärten auch die Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5), 6), 7) und 9) schriftlich ihr Einverständnis. Ein weiteres Schreiben der Beklagten vom 21. September 2010, in dem sie nochmals ihre Rechtsauffassung ausführlich begründete, wurde den übrigen Beteiligten zu Kenntnis gegeben und eine Frist zur Stellungnahme bis zum 18. Oktober 2010 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 wurde das von der Beklagten im Erörterungstermin zunächst zu Protokoll erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren widerrufen.
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt aller Akten, einschließlich der Akten des Sozialgerichts und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11) angenommen.
In den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz - jeweils in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung). Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV (seit 1.1.1999: § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats 2. Kammer vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96). Seit dem 1. Januar 1999 sind im Gesetz als Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung aufgeführt, eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1999, BGBl I 2000, 2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2010, 5 AZR 99/09, Rz. 13). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, Rz. 17 - zitiert nach juris).
Schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 7) bis 11) liegen nicht vor. Die tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der rechtlich relevanten Umstände lassen sich daher nur anhand von Rechnungen über die für einzelne Auftritte gezahlten Gagen und die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben der Beteiligten bestimmen. Danach überwiegen vorliegend die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit.
Die Beigeladenen zu 7) bis 11) waren schon nicht wie Beschäftigte in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Anders als die Gesellschafter der Klägerin als feste Mitglieder des Blasorchesters und im Gegensatz zu den von der Klägerin fest angestellten Musikern wirkten die Beigeladenen zu 7) bis 11) nur an einzelnen Aufführungen der Klägerin mit. Über die Auftritte hinaus fanden keine Treffen mit der Stammbesetzung (Gesellschafter und festangestellte Musiker), insbesondere keine gemeinsamen Proben oder Besprechungen statt. Die Aushilfsmusiker waren auch nicht verpflichtet, sich während der Saison von März bis Oktober für alle Auftritte des Blasorchesters bereit zu halten (anders vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 16). Auch wurden sie nicht in die Organisation der auswärtigen Auftritte eingebunden: der Vertretungsberechtigte der Klägerin hat in dem vor dem Bayerischen Landessozialgericht stattgefundenen Erörterungstermin glaubhaft angegeben, lediglich für die Stammbesetzung Übernachtungsmöglichkeiten organisiert zu haben. Anders als die angestellten Musiker erhielten die Beigeladenen zu 7) bis 11) auch keine gesonderte Reisekostenvergütung und mussten ihre Anreise selbst gewährleisten.
Eine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin als Arbeitgeberin kann auch nicht damit begründet werden, dass die Beigeladenen zu 7) bis 11) einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen wären. Es versteht sich von selbst, dass das gemeinsame Musizieren in einem Blasorchester voraussetzt, dass sich der einzelne Musiker in das Zusammenspiel einfügt. Der Musiker ist beim Spielen in einem Orchester unzweifelhaft gebunden an Zeit, Dauer, Ort sowie Art und Weise der Aufführung. Hinzu kommt, dass jeder Musiker den Vorgaben des Dirigenten folgen muss, der die einzelnen Stücke ansagt, das Orchester leitet und die verschiedenen Stimmen koordiniert. Anders ist die Darbietung von Orchestermusik nicht möglich. Diese Art der Weisungsgebundenheit genügt jedoch nicht zur Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Das Weisungsrecht eines Orchesterleiters im künstlerischen Bereich ist eine "aus der Sachgesetzlichkeit heraus notwendige Leitungsbefugnis, die ebenso gegenüber freien Mitarbeitern oder Gesellschaftern besteht wie gegenüber Arbeitnehmern" (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 20 zitiert nach juris).
Auch über die eigentliche musikalische Aufführung hinaus bestand keinerlei Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 7) bis 11). Wie bereits ausgeführt, unterlagen sie weder der Verpflichtung zur Teilnahme an bestimmten Auftritten oder Probenterminen, noch bestanden Vorgaben hinsichtlich der Unterbringung oder der Anreise zu den Engagements der Klägerin (siehe dazu bereits die Ausführungen unter 1.). Auch genügt es für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht, dass ein Musiker die Teilnahme an bestimmten Aufführungsterminen zugesagt hat, die zeitlich bereits feststanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die wegen der insoweit bestehenden Parallelität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis (vgl. BT-Drs 7/4122 Seite 31) herangezogen werden kann, sind zeitliche Vorgaben und Verpflichtungen, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Allein das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig zustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig (vgl. BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002, 5 AZR 405/01, Rz. 24 - zitiert nach juris).
Hinzu kommt, dass die beigeladenen Musiker übereinstimmend und glaubhaft angegeben haben, dass es jedem Aushilfsmusiker freigestanden habe, ein Angebot der Klägerin anzunehmen oder nicht. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin hat im Erörterungstermin vom 22. Juni 2010 zudem überzeugend erklärt, es sei immer wieder vorgekommen, dass einzelne Aushilfen noch vor dem Auftritt ihre Teilnahme wieder abgesagt hätten. Die Gründe konnten unterschiedlichster Art sein. Neben privat oder beruflich motivierten Absagen verwies der Vertretungsberechtigte der Klägerin glaubhaft auch auf Fälle, in denen Musiker "ein besseres Angebot" bei einer anderen Kapelle erhielten. Der Beigeladene zu 8) hat ebenfalls glaubhaft bestätigt, dass er seine Mitwirkung unter anderem davon abhängig gemacht habe, ob er für ein anderes Engagement ein höheres Honorar erhalten konnte. Der Beigeladene zu 11) hat im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht sogar glaubhaft erklärt, er habe der Klägerin nach erteilter Zusage kurzfristig absagen können, wenn bei schönem Wetter sein landwirtschaftlicher Betrieb dies erforderte. Der Beigeladene zu 10) hat ebenfalls glaubhaft angegeben, einzelne Engagements auch wieder abgesagt zu haben, sei es aus familiären Gründen oder weil er keinen Urlaub bekommen habe. Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, nach Zusagen sogar kurzfristig wieder absagen zu können, bestand somit für die Beigeladenen zu 7) bis 11) ein erheblicher Raum für eigene Entscheidungen wie es für eine freie Stellung typisch ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 21).
Diese Entscheidungsfreiheit wiegt auch so schwer, dass die fehlenden Möglichkeiten der Beigeladenen zu 7) bis 11), den Programminhalt und die künstlerische Darbietung zu bestimmen, dagegen nicht ins Gewicht fallen. Dabei findet auch der Umstand Berücksichtigung, dass das Programm einer bayerischen Blaskapelle mit volkstümlichem Inhalt aufgrund der Tradition und den Erwartungen des Publikums bereits soweit vorgeben ist, dass - anders als beispielsweise in Bereichen der klassischen Musik - für eine weiter reichende künstlerische Kreativität und Darbietungsvielfalt weniger Platz ist. Wie von dem Vertretungsberechtigten der Klägerin im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht glaubhaft ausgeführt wurde, sind vor den Auftritten keine Absprachen über das Programm erforderlich. Das übliche Programm einer bayerischen Blaskapelle steht von vornherein fest und kann von den Musikern als bekannt vorausgesetzt werden (anders dagegen zur musikalischen Gottesdienstgestaltung vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. April 2004, L 4 KR 4466/02, Rz. 23 - zitiert nach juris).
Die Beigeladenen zu 7) bis 11) wirkten am Blasorchester nur nebenberuflich in ihrer Freizeit mit. Auch waren sie nicht nur für die Klägerin, sondern zugleich für verschiedene Kapellen tätig. Zwar ist allein das Ausüben einer Nebentätigkeit als Musiker (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 16) ebenso wenig wie das Bestehen von mehreren Engagements kein aussagekräftiges Kriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit als Musiker. Die Art und Weise des Zustandekommens der einzelnen Auftritte unter Mitwirkung der Beigeladenen zu 7) bis 11) zeigt aber ein unternehmerisches Tätigwerden. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) konnten zwar nicht über die Höhe der von der Klägerin gezahlten Vergütung verhandeln. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin nannte in seinen telefonischen Anfragen bereits konkrete Gagen, deren Höhe von der an die Klägerin zu zahlenden Vergütung des Veranstalters abhing. Eine unternehmerische Chance liegt jedoch darin, dass die Beigeladenen zu 7) bis 11) es aufgrund der Möglichkeit von Absagen, sei es von vornherein oder auch kurzfristig - gegebenenfalls nach alternativen, lukrativeren Angeboten, in der Hand hatten, ob und in welcher Höhe sie Einkünfte für die Mitwirkung im Blasorchester der Klägerin erzielten.
Nur ergänzend wird auf die von der Beklagten mit unterzeichneten Regeln gemäß Ziffer 2.2 des Abgrenzungskatalogs für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen, Anlage 1 zum gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13. April 2010 verwiesen (im Internet unter www.aok-business.de/rundschreiben/pdf/20000530-Abgrenzungskatalog.pdf). Danach sind Orchesteraushilfen "ausnahmsweise selbständig tätig, wenn sie ohne Verpflichtung für den allgemeinen Dienst (z.B. keine regelmäßige Probenverpflichtung) bestimmte musikalische Aufgaben übernehmen und sich dadurch von den fest angestellten Orchestermitgliedern erheblich unterscheiden"
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 13.207,72 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladenen zu 7) bis 11) für die Jahre 1996 und 1997.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts und betreibt das "B. Blasorchester" (im Folgenden: Blasorchester). Musiziert wird zu verschiedensten Anlässen, unter anderem auf Volksfesten, bei Firmenfeiern, auf kirchlichen und kommunalen Festen. Die Auftrittssaison dauert in der Regel von März bis Oktober. Der Betrieb dieser Blasmusikkapelle ist Gegenstand des Gesellschaftsvertrages vom 19. März 1976. In dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bestand die Stammbesetzung für die Auftritte des Blasorchesters aus 11 Gesellschaftern und jeweils zwei bis vier festangestellten Musikern. Je nach Bedarf engagierte die Klägerin für einzelne Auftritte weitere Musiker als Aushilfen. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) sind nicht Gesellschafter der Klägerin, wurden von der Klägerin auch nicht als Beschäftigte zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet, sondern waren in ihrer Freizeit als Aushilfsmusiker für die Klägerin tätig. Nach einer in der Zeit vom 7. Dezember 1999 bis zum 8. Dezember 2000 durchgeführten Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 stellte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 die Versicherungspflicht von zahlreichen, von der Klägerin engagierten Musikern fest und forderte im Rahmen eines Summenbescheides Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 47.705,90 DM nach. Auf den Widerspruch der Klägerin und nach Vorlage weiterer Unterlagen erfolgte eine personenbezogene Nachberechnung und die Beklagte reduzierte mit Bescheid vom 16. März 2004 ihre Forderung auf 13.207,72 Euro und beschränkte sich auf die konkrete Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 7) bis 11). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die als "freie Mitarbeiter" geführten Beigeladenen zu 7) bis 11) seien vollständig in den Betrieb bzw. Betriebsablauf während den jeweiligen Veranstaltungen eingegliedert gewesen. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien daher in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig geworden. Sie seien in den Jahren 1996 und 1997 auch an mehr als 50 Tagen für die Klägerin tätig gewesen und hätten daher die Grenze für versicherungsfreie kurzfristig Beschäftigte überschritten.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und vertrat die Auffassung, die betroffenen fünf Musiker seien freiberufliche Aushilfsmusiker. Zur Begründung führte die Klägerin aus, die Musiker unterlägen nicht ihren Weisungen und könnten zudem frei entscheiden, ob sie ein Engagement annähmen oder nicht. Der Dirigent der Kapelle sei ebenfalls nur ein Musiker, dessen Funktion sich auf die Spielweise der dargebotenen Musik, nicht aber auf eine "Eingliederung in eine Arbeitsorganisation" beziehe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Juli 2004 zurückgewiesen. Die Beklagte sah die betroffenen Musiker unverändert als Aushilfsmusiker in den Betrieb bzw. den Betriebsablauf der Klägerin bei den jeweiligen Veranstaltungen eingegliedert. Sie hätten keinerlei Einwirkungsmöglichkeit auf das Programm, den Spielort oder die Zeit der Leistungserbringung und arbeiteten ausschließlich auf Weisung des Orchesterleiters. Eine Sozialversicherungspflicht bestehe aufgrund der Überschreitung der Zeitgrenze für eine kurzfristige Beschäftigung an höchstens 50 Arbeitstagen im Jahr.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 3. April 2007 hat das Sozialgericht Landshut die Bescheide der Beklagten vom 22. Dezember 2000 und vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2004 aufgehoben. Das Sozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien in ihren Aushilfsauftritten bei der Klägerin nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar hätten bei den Engagements auch Elemente einer abhängigen Beschäftigung vorgelegen. Die Gesamtumstände sprächen aber für die Selbständigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11). Allein die Tatsache, dass Ort und Zeit der Tätigkeit bei den Auftritten zusammen mit der Klägerin feststanden, spreche noch nicht für eine arbeitnehmerähnliche Weisungsgebundenheit. Dasselbe gelte für die Art und die Anzahl der Musikstücke, die in einer Musikveranstaltung aufgeführt würden. Verpflichtungen dieser Art seien kein Beleg für eine arbeitnehmerähnliche Eingliederung in den Betrieb eines Orchesters. Sie seien vielmehr üblich und unerlässlich. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) hätten zudem im Gegensatz zu den als Orchester-Gesellschafter tätigen Musikern der Klägerin keinerlei Probenverpflichtungen gehabt. Auch hätten sie ihr Arbeitsgerät, die Musikinstrumente, selbst gestellt und die Fahrt-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten bei ihren Auftritten selbst getragen. Ein Ausfallhonorar sei ebenso wenig gezahlt worden wie eine Urlaubsvergütung.
Die Beklagte hat gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Die Beklagte ist der Auffassung, die Beigeladenen zu 7) bis 11) seien an der Klägerin als einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts nicht beteiligt und könnten daher an deren unternehmerischen Erfolg nicht teilhaben. Als Aushilfsmusiker hätten sie auch keinerlei Einwirkungsmöglichkeit auf Programmablauf, Programminhalt, Spielort oder Zeit der Leistungserbringung gehabt. Sie unterstünden vielmehr vollständig den Weisungen des Geschäftsführers. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, begründe nicht die Annahme eines Unternehmerrisikos. Es liege unzweifelhaft eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin vor. Die fehlende Probenverpflichtung ändere daran nichts. Das musikalische Programm eines Blasorchesters sei vielmehr größtenteils Standard, weshalb in der Praxis auf allgemeine Proben verzichtet werde.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 3. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das Sozialgericht sei zu Recht von einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11) ausgegangen. Die fehlende Einwirkungsmöglichkeit auf das Programm, den Spielort oder die Zeit der Leistung liege in der Natur der Sache des gemeinsamen Musizierens. Eine über die Verwirklichung des gemeinsamen Programms hinausgehende Eingliederung habe nicht bestanden.
Am 22. Juni 2010 hat am Bayerischen Landessozialgericht ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin und die Beigeladenen zu 8), 10) und 11) haben den Ablauf der jeweiligen Engagements geschildert. Auf den Inhalt der Niederschrift vom 22. Juni 2010 (Bl. 184 ff der Berufungsakte) wird Bezug genommen. Die im Erörterungstermin anwesenden Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu Protokoll erklärt. Auf Nachfrage des Gerichts erklärten auch die Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5), 6), 7) und 9) schriftlich ihr Einverständnis. Ein weiteres Schreiben der Beklagten vom 21. September 2010, in dem sie nochmals ihre Rechtsauffassung ausführlich begründete, wurde den übrigen Beteiligten zu Kenntnis gegeben und eine Frist zur Stellungnahme bis zum 18. Oktober 2010 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 wurde das von der Beklagten im Erörterungstermin zunächst zu Protokoll erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren widerrufen.
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt aller Akten, einschließlich der Akten des Sozialgerichts und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 7) bis 11) angenommen.
In den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz - jeweils in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung). Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV (seit 1.1.1999: § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats 2. Kammer vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96). Seit dem 1. Januar 1999 sind im Gesetz als Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung aufgeführt, eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1999, BGBl I 2000, 2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2010, 5 AZR 99/09, Rz. 13). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, Rz. 17 - zitiert nach juris).
Schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 7) bis 11) liegen nicht vor. Die tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der rechtlich relevanten Umstände lassen sich daher nur anhand von Rechnungen über die für einzelne Auftritte gezahlten Gagen und die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben der Beteiligten bestimmen. Danach überwiegen vorliegend die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit.
Die Beigeladenen zu 7) bis 11) waren schon nicht wie Beschäftigte in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Anders als die Gesellschafter der Klägerin als feste Mitglieder des Blasorchesters und im Gegensatz zu den von der Klägerin fest angestellten Musikern wirkten die Beigeladenen zu 7) bis 11) nur an einzelnen Aufführungen der Klägerin mit. Über die Auftritte hinaus fanden keine Treffen mit der Stammbesetzung (Gesellschafter und festangestellte Musiker), insbesondere keine gemeinsamen Proben oder Besprechungen statt. Die Aushilfsmusiker waren auch nicht verpflichtet, sich während der Saison von März bis Oktober für alle Auftritte des Blasorchesters bereit zu halten (anders vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 16). Auch wurden sie nicht in die Organisation der auswärtigen Auftritte eingebunden: der Vertretungsberechtigte der Klägerin hat in dem vor dem Bayerischen Landessozialgericht stattgefundenen Erörterungstermin glaubhaft angegeben, lediglich für die Stammbesetzung Übernachtungsmöglichkeiten organisiert zu haben. Anders als die angestellten Musiker erhielten die Beigeladenen zu 7) bis 11) auch keine gesonderte Reisekostenvergütung und mussten ihre Anreise selbst gewährleisten.
Eine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin als Arbeitgeberin kann auch nicht damit begründet werden, dass die Beigeladenen zu 7) bis 11) einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen wären. Es versteht sich von selbst, dass das gemeinsame Musizieren in einem Blasorchester voraussetzt, dass sich der einzelne Musiker in das Zusammenspiel einfügt. Der Musiker ist beim Spielen in einem Orchester unzweifelhaft gebunden an Zeit, Dauer, Ort sowie Art und Weise der Aufführung. Hinzu kommt, dass jeder Musiker den Vorgaben des Dirigenten folgen muss, der die einzelnen Stücke ansagt, das Orchester leitet und die verschiedenen Stimmen koordiniert. Anders ist die Darbietung von Orchestermusik nicht möglich. Diese Art der Weisungsgebundenheit genügt jedoch nicht zur Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Das Weisungsrecht eines Orchesterleiters im künstlerischen Bereich ist eine "aus der Sachgesetzlichkeit heraus notwendige Leitungsbefugnis, die ebenso gegenüber freien Mitarbeitern oder Gesellschaftern besteht wie gegenüber Arbeitnehmern" (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 20 zitiert nach juris).
Auch über die eigentliche musikalische Aufführung hinaus bestand keinerlei Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 7) bis 11). Wie bereits ausgeführt, unterlagen sie weder der Verpflichtung zur Teilnahme an bestimmten Auftritten oder Probenterminen, noch bestanden Vorgaben hinsichtlich der Unterbringung oder der Anreise zu den Engagements der Klägerin (siehe dazu bereits die Ausführungen unter 1.). Auch genügt es für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht, dass ein Musiker die Teilnahme an bestimmten Aufführungsterminen zugesagt hat, die zeitlich bereits feststanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die wegen der insoweit bestehenden Parallelität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis (vgl. BT-Drs 7/4122 Seite 31) herangezogen werden kann, sind zeitliche Vorgaben und Verpflichtungen, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Allein das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig zustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig (vgl. BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002, 5 AZR 405/01, Rz. 24 - zitiert nach juris).
Hinzu kommt, dass die beigeladenen Musiker übereinstimmend und glaubhaft angegeben haben, dass es jedem Aushilfsmusiker freigestanden habe, ein Angebot der Klägerin anzunehmen oder nicht. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin hat im Erörterungstermin vom 22. Juni 2010 zudem überzeugend erklärt, es sei immer wieder vorgekommen, dass einzelne Aushilfen noch vor dem Auftritt ihre Teilnahme wieder abgesagt hätten. Die Gründe konnten unterschiedlichster Art sein. Neben privat oder beruflich motivierten Absagen verwies der Vertretungsberechtigte der Klägerin glaubhaft auch auf Fälle, in denen Musiker "ein besseres Angebot" bei einer anderen Kapelle erhielten. Der Beigeladene zu 8) hat ebenfalls glaubhaft bestätigt, dass er seine Mitwirkung unter anderem davon abhängig gemacht habe, ob er für ein anderes Engagement ein höheres Honorar erhalten konnte. Der Beigeladene zu 11) hat im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht sogar glaubhaft erklärt, er habe der Klägerin nach erteilter Zusage kurzfristig absagen können, wenn bei schönem Wetter sein landwirtschaftlicher Betrieb dies erforderte. Der Beigeladene zu 10) hat ebenfalls glaubhaft angegeben, einzelne Engagements auch wieder abgesagt zu haben, sei es aus familiären Gründen oder weil er keinen Urlaub bekommen habe. Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, nach Zusagen sogar kurzfristig wieder absagen zu können, bestand somit für die Beigeladenen zu 7) bis 11) ein erheblicher Raum für eigene Entscheidungen wie es für eine freie Stellung typisch ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 21).
Diese Entscheidungsfreiheit wiegt auch so schwer, dass die fehlenden Möglichkeiten der Beigeladenen zu 7) bis 11), den Programminhalt und die künstlerische Darbietung zu bestimmen, dagegen nicht ins Gewicht fallen. Dabei findet auch der Umstand Berücksichtigung, dass das Programm einer bayerischen Blaskapelle mit volkstümlichem Inhalt aufgrund der Tradition und den Erwartungen des Publikums bereits soweit vorgeben ist, dass - anders als beispielsweise in Bereichen der klassischen Musik - für eine weiter reichende künstlerische Kreativität und Darbietungsvielfalt weniger Platz ist. Wie von dem Vertretungsberechtigten der Klägerin im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht glaubhaft ausgeführt wurde, sind vor den Auftritten keine Absprachen über das Programm erforderlich. Das übliche Programm einer bayerischen Blaskapelle steht von vornherein fest und kann von den Musikern als bekannt vorausgesetzt werden (anders dagegen zur musikalischen Gottesdienstgestaltung vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. April 2004, L 4 KR 4466/02, Rz. 23 - zitiert nach juris).
Die Beigeladenen zu 7) bis 11) wirkten am Blasorchester nur nebenberuflich in ihrer Freizeit mit. Auch waren sie nicht nur für die Klägerin, sondern zugleich für verschiedene Kapellen tätig. Zwar ist allein das Ausüben einer Nebentätigkeit als Musiker (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979, 12 RK 37/77, Rz. 16) ebenso wenig wie das Bestehen von mehreren Engagements kein aussagekräftiges Kriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit als Musiker. Die Art und Weise des Zustandekommens der einzelnen Auftritte unter Mitwirkung der Beigeladenen zu 7) bis 11) zeigt aber ein unternehmerisches Tätigwerden. Die Beigeladenen zu 7) bis 11) konnten zwar nicht über die Höhe der von der Klägerin gezahlten Vergütung verhandeln. Der Vertretungsberechtigte der Klägerin nannte in seinen telefonischen Anfragen bereits konkrete Gagen, deren Höhe von der an die Klägerin zu zahlenden Vergütung des Veranstalters abhing. Eine unternehmerische Chance liegt jedoch darin, dass die Beigeladenen zu 7) bis 11) es aufgrund der Möglichkeit von Absagen, sei es von vornherein oder auch kurzfristig - gegebenenfalls nach alternativen, lukrativeren Angeboten, in der Hand hatten, ob und in welcher Höhe sie Einkünfte für die Mitwirkung im Blasorchester der Klägerin erzielten.
Nur ergänzend wird auf die von der Beklagten mit unterzeichneten Regeln gemäß Ziffer 2.2 des Abgrenzungskatalogs für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen, Anlage 1 zum gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13. April 2010 verwiesen (im Internet unter www.aok-business.de/rundschreiben/pdf/20000530-Abgrenzungskatalog.pdf). Danach sind Orchesteraushilfen "ausnahmsweise selbständig tätig, wenn sie ohne Verpflichtung für den allgemeinen Dienst (z.B. keine regelmäßige Probenverpflichtung) bestimmte musikalische Aufgaben übernehmen und sich dadurch von den fest angestellten Orchestermitgliedern erheblich unterscheiden"
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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