Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 664/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 72/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unfallverletzung der Schulter - Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund des Unfalles vom 03.11.1999 ab dem 01.01.2005 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H. gemäß § 56 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit § 48 Abs.1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz
(SGB X) zu gewähren ist.
Der 1938 geborene Kläger ist bei der Firma L. S. in A-Stadt als Metallarbeiter beschäftigt gewesen, als er am 03.11.1999 im Lager der Firma beim Einpacken in einer Gitterbox über einen Hubwagen gestolpert und auf den rechten Ellenbogen gefallen ist; hierbei ist die rechte Schulter nach oben gerissen worden. Er hat sich auch den rechten Unterschenkel angeschlagen.
Dr.H., der den Kläger am 04.11.1999 untersucht hat, hat mit H-Arzt-Bericht vom 08.11.1999 folgende Diagnose gestellt: Distorsion rechte Schulter mit Verdacht auf Teilruptur des M. Supraspinatus, Schürfung rechter Unterschenkel. Im Rahmen der Untersuchung ist eine aktive Abduktion nur bis 40 Grad möglich gewesen, passiv bis 70 Grad. Eine Rotationsbewegung in dieser Position ist überhaupt nicht toleriert worden.
Unter dem 16.11.1999 hat Dr.H. berichtet, dass sich die Schmerzen an der rechten Schulter bereits merklich gebessert hätten. Wie bei der Erstuntersuchung sei von einer oberflächlichen Teilruptur am M. Supraspinatus auszugehen. Mit Zwischenbericht vom 26.11.1999 hat Dr.H. trotz merklicher Besserung der Beschwerden auf das noch immer bestehende Impingement-Zeichen aufmerksam gemacht.
Der Kläger hat sich vom 31.07.2000 bis 04.08.2000 im Behandlungszentrum V. befunden. Dort ist eine Rotatorenmanschettenruptur sowie eine LHB-Partialruptur der rechten Schulter operiert worden. Dr.L. (Chefarzt des Behandlungszentrums V.) hat dies entsprechend dem OP-Bericht vom 01.08.2000 auf den Unfall vom 03.11.1999 zurückgeführt, weil der Kläger nach seinen Angaben auf den adduzierten rechten Arm und Ellenbogen gestürzt ist.
Die Beklagte hat die Unterlagen des Behandlungszentrums V. sowie des Dr.H. mit den zugehörigen Röntgenaufnahmen beigezogen und ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr.S. eingeholt. Dieser ist am 01.12.2001 zu dem Ergebnis gekommen, dass hier von einer "Gelegenheitsursache" auszugehen sei, auch wenn nur mäßig degenerative Veränderungen an beiden Schultereckgelenken bestanden hätten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2001 als Folgen des Arbeitsunfalles vom 03.11.1999 nur eine "folgenlos ausgeheilte Stauchung und Zerrung der rechten Schulter" anerkannt und im Übrigen weitergehende Leistungen abgelehnt, vor allem die Bewilligung einer Verletztenrente.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 zurückgewiesen worden. Auch Dr.S. habe mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 05.03.2001 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nur bis zum 06.02.2000 feststellen können. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette des rechten Schultergelenks habe zu keinem Zeitpunkt objektiviert werden können. Weder bei der Ultraschalluntersuchung am 16.11.1999, noch bei der kernspintomographischen Untersuchung des rechten Schultergelenks am 01.12.1999 sei eine komplette Ruptur der Rotatorenmanschette im Bereich der Supraspinatussehne nachweisbar gewesen. Neben degenerativen Veränderungen am rechten Schultereckgelenk und der Supraspinatussehne konnte lediglich eine oberflächliche Gefügedurchtrennung am Supraspinatusmuskel festgestellt werden. Wenn nun im OP-Bericht vom 01.08.2000 von einem komplett degenerativ veränderten Rissrand gesprochen werde, dann müsse die beschriebene Veränderung der Rotatorenmanschette als verschleißbedingt und unfallunabhängig bewertet werden.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht München Dr.K. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dr.K. hat mit orthopädisch-chirurgischem Gutachten vom 20.10.2002 ausgeführt, dass der Unfall vom 03.11.1999 lediglich zu einer Schulterzerrung des degenerativ vorgeschädigten Gelenkes geführt habe. Es habe keine messbare MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus bestanden.
Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.S. (Chefarzt am Krankenhaus M.) ist mit Gutachten vom 24.06.2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter (komplette Supraspinatusruptur, Teilruptur M. Subscapularis, Teilruptur lange Bizepssehne) eingetreten sei. Es bestehe ein Zustand nach Tenotomie der langen Bizepssehne. Aufgrund der aktiven Bewegungseinschränkung für Abduktion unter 120 Grad mit deutlicher Bewegungsschmerzhaftigkeit, geringer Minderung der Schultergürtelmuskulatur und erheblicher Kraftminderung sei eine MdE von 20 v.H. angemessen. Sollte aufgrund eines Fortschreitens der Defektarthropathie der rechten Schulter eine Zunahme des Funktionsverlustes an der rechten Schulter eintreten, sei eine neuerliche Bewertung erforderlich.
Dr.K. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 17.08.2003 erwidert, unter besonderer Berücksichtigung des Unfallmechanismus und der vorbestehenden Degenerationszeichen habe der Unfall vom 03.11.1999 lediglich zu einer Zerrung des vorgeschädigten degenerativ veränderten Schultergelenkes geführt. Auf Hinweis des Sozialgerichts München in der öffentlichen Sitzung vom 21.04.2008 ist die Klage in dem Verfahren S 9 U 301/02 zurückgenommen worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben sich mit Schriftsatz vom 02.03.2005 an die Beklagte gewandt und beantragt, den Bescheid vom 19.04.2001 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Nachdem sich die Beschwerden an der rechten Schulter in letzter Zeit erneut verschlechtert hätten, habe sich der Kläger in ärztliche Behandlung zu Dr.D. begeben müssen. Dieser verwies mit Befundbericht vom 27.12.2004 auf die gutachterlichen Ausführungen des Dr.S. und betonte, dass die an der rechten Schulter bestehenden Defekte allein auf das Unfallgeschehen vom 03.11.1999 zurückzuführen seien.
Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 29.04.2005 abgelehnt, den Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Zur Begründung ist sinngemäß auf das Verfahren vor dem Sozialgericht München S 9 U 301/02 Bezug genommen worden.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2005 zurückgewiesen worden. Die Ausführungen des Dr.D. mit Attest vom 27.12.2004 seien nicht geeignet, das Ergebnis des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens sowie des nachfolgenden Sozialgerichtsverfahrens zu revidieren.
In dem sich anschließenden Klageverfahren S 41 U 664/05 hat das Sozialgericht München die Unfallakten der Beklagten, die bisherigen Streitakten sowie die Unterlagen des nunmehr behandelnden Orthopäden Dr.D. beigezogen. Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG beauftragte Sachverständige Dr.G. ist mit fachorthopädischem Gutachten vom 17.05.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei dem Kläger vorliegende Rotatorenmanschettenschädigung unfallbedingt sei und eine MdE von 20 v.H. bedinge. Der Kläger habe gegenüber den Vorgutachtern und auch ihm gegenüber übereinstimmend einen geeigneten Unfallmechanismus geschildert: Bei dem Sturz über den Hubwagen bzw. die Gabel des Hubwagens sei der Kläger auf die rechte Körperseite und den angelegten rechten Ellenbogen gefallen; hierbei sei der rechte Ellenbogen mit dem rechten Oberarm nach innen gerissen bzw. kraftvoll vor den Körper geführt worden, wobei es zu einer Auswärtsdrehung im Schultergelenk gekommen sei. Außerdem habe Dr.K. mit ärztlicher Unfallmeldung vom 04.11.1999 ein Trop-Arm-Syndrom mit frischer Supraspinatusteilruptur und Erguss diagnostiziert. Nachdem auch die Voranamnese leer sei und sich im Übrigen keine degenerativen Veränderungen an den übrigen Rotatorenmanschetten-anteilen gefunden hätten, spräche auch die vier Wochen nach dem Ereignis durchgeführte Kernspintomographie dafür, dass die gefundenen Veränderungen als traumatisch zu interpretieren seien (Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter mit komplettem Riss der Supraspinatussehne, Teilruptur des Muskulus subscapularis und Teilruptur der langen Bizepssehne; Zustand nach Arthroskopie der rechten Schulter vom 01.08.2000 mit Debridement der Rupturen und Tenotomie der langen Bizepssehne bei nicht rekonstruierbarem Rotatorenmanschettendefekt; Schwäche und Behinderung bei Überkopftätigkeit, deutlichem Kraftverlust im Bereich der Rotatorenmanschette und ungenügender Kompensation durch die schulterumgreifende Muskulatur; aktive deutliche Bewegungseinschränkung).
Dr.K. hat mit beratungsärztlicher Stellungnahme ausgeführt, dass auch nach seiner Erfahrung das Ereignis vom 03.11.1999 eine frische traumatische Schädigung der rechten Rotatorenmanschette verursacht habe. Insoweit sei den gutachterlichen Ausführungen des Dr.G. zu folgen. Allerdings werde eine rentenberechtigende MdE nicht erreicht.
Dementsprechend hat die Beklagte unter dem 26.10.2006 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, als Unfallfolgen anzuerkennen: "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk nach Rotatorenmanschettenverletzung mit komplettem Riss der Obergrätensehne, Teilriss des Unterschulterblattmuskels sowie Teilriss der langen Oberarmmuskelsehne."
Dr.G. hat mit Stellungnahme vom 07.03.2007 erwidert, dass eine MdE von 20 v.H. neben den üblichen Bewegungseinschränkungen (aktive Beweglichkeit von bis 120 Grad Flexion bzw. Elevation) vor allem an folgenden morphologischen und funktionellen Diagnosen festgemacht werde: Rotatorenmanschettenschädigung ohne Cuff-Tear, Rotatorenmanschettenrekonstruktion mit ungünstigem Verlauf bei Muskelminderung des Schultergürtels sowie begleitender Kraftminderung; noch ohne periphere Atrophie/Dystrophie.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.04.2007 entgegnet, dass die von Dr.G. im Rahmen seiner Untersuchung gemessenen Befunde deutlich besser seien. Auch die Prüfung der groben Kraft an den oberen Extremitäten habe lediglich eine leichte Linksbetonung ergeben. Ebenso hätten sich keine Instabilitätszeichen an der rechten Schulter gefunden. Eine MdE von 20 v.H. werde somit nicht erreicht.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2008 hat die Beklagte folgendes Teilanerkenntnis abgegeben: Die Beklagte erklärt sich bereit, den Bescheid vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte Folgen des Unfalles vom 03.11.1999 entsprechend Ziffer 1 des Vergleichsangebots vom 26.10.2006 anerkennt. Die Beklagte ändert insoweit den Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002. Die Beklagte wertet den Antrag vom 02.03.2005 zugleich als Verschlimmerungsantrag. Die Beteiligten sind sich einig, dass im anhängigen Verfahren auch über eine Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 03.11.1999 zu entscheiden ist; insbesondere gehen die Beteiligten davon aus, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 auch einen Verschlimmerungsantrag ablehnend verbeschieden hat.
Im Folgenden hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 20.06.2008 ausgesprochen: Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 und unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 03.11.1999 für die Zeit ab 01.01.2005 eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Hierbei hat sich das Sozialgericht München auf das Gutachten des Dr.G. vom 17.05.2006 mit seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 19.07.2006 und 07.03.2007 gestützt.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vom 26.02.2009 ging am 27.02.2009 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Zur Begründung hob die Beklagte hervor, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 sei bereits deshalb aufzuheben, weil es nicht mit Gründen versehen sei (§ 134 SGG). Der Vorsitzende der 41. Kammer des Sozialgerichts München habe das schriftliche und unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle erst am 20.01.2009 übergeben. In der Sache werde auf die Ausführungen des Dr.K. vom 11.10.2006 Bezug genommen, nach welchen eine MdE von 20 v.H. nicht gerechtfertigt sei.
Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten sowie die erstinstanzlichen Streitakten S 9 U 301/02 sowie S 41 U 664/05 beigezogen. Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG bestellte Sachverständige Dr.C. bestätigte mit orthopädisch-chirurgischem Gutachten vom 06.08.2009, dass das Unfallereignis vom 03.11.1999 unfallbedingt eine Ruptur der Rotatorenmanschette rechts zur Folge gehabt habe. Es finde sich eine Periarthropathie des rechten Schultergelenkes bei endgradiger Bewegungseinschränkung mit Nachweis eines schmerzhaften Bogens (ab 110 Grad) und glaubwürdigen subjektiven Beschwerden. Dies bedinge eine MdE von 15 v.H. zumal keine Schulterinstabilität bestehe.
Die Beklagte billigte mit Schriftsatz vom 25.08.2009 die Ausführungen des Dr.C. und ersuchte gleichzeitig um Nachfrage, von welcher konkreten zeitlichen Begrenzung der Verschlimmerung Dr.C. ausgehe. - Die Bevollmächtigten des Klägers rügten mit Schriftsatz vom 15.09.2009, dass Dr.C. das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 26.10.2006 und die dort anerkannten Unfallfolgen nicht ausreichend beachtet habe. In Berücksichtigung der auch von Dr.C. beschriebenen Einschränkung der Schulterbeweglichkeit ab 110 Grad sei eine MdE von 20 v.H. angemessen wie bereits folgerichtig von Dr.G. befürwortet.
Die Beklagte wies mit Schriftsatz vom 06.10.2009 darauf hin, dass es nicht zu einer Rottorenmanschettenkonstruktion oder zu einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion gekommen sei, sondern zu einer Rotatorenmanschettenverletzung. Nachdem jedoch die Armseitwärtsbewegung bei dem Kläger bis 120 Grad rechts ausführbar sei, sei eine MdE von 15 v.H. unter Berücksichtigung aller Unfallfolgen zuzustimmen.
Um Stellungnahme gebeten präzisierte Dr.C. unter dem 13.10.2009, dass seinerzeit eine zeitlich begrenzte Verschlimmerung von acht Wochen eines zum Unfallzeitpunkt bestehenden Vorschadens, nicht jedoch eine richtunggebende Verschlimmerung aufgeführt worden sei. In einem nachträglich geführten Telefonat am 16.10.2009 mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten sei nochmals eine rentenwirksame MdE im Hinblick auf eine zu diskutierende Verschlimmerung ab 01.01.2005 ausgeschlossen worden. - Während die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.11.2009 an ihrer Auffassung festhielt, dass eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht werde, rügten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 16.11.2009, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.C. mit einer Mitarbeiterin der Beklagten den Ausgang des Verfahrens diskutiert habe (ohne allerdings förmlich einen Befangenheitsantrag zu stellen). Mit weiterem Schriftsatz vom 30.11.2009 wiesen die Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, der Stellungnahme des Dr.C. vom 13.10.2009 sei zu entnehmen, dass dieser die ohne durch die Rotatorenmanschettenverletzung verursachten Funktionsausfälle mit einer MdE von 15 v.H. eingeschätzt habe. Dies könne nur bedeuten, dass die MdE mit Berücksichtigung dieser Verletzung mindestens 20 v.H. betrage.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2011 stellt der Bevollmächtigte der Beklagten die Anträge aus dem Schriftsatz vom 26.02.2009:
1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 31.03.2009:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wird zurückgewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Soweit die Beklagte mit Berufung vom 26.02.2009 gerügt hat, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 sei nicht mit Gründen versehen (§§ 134, 136 Abs.1 Nr.6 SGG), weil das schriftliche und unterschriebene Urteil erst am 20.01.2009 der Geschäftsstelle übergeben worden sei, ist dem vollinhaltlich beizupflichten (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Rz.3 ff. zu § 134 SGG mit weiteren Nachweisen). Dennoch hat der Senat in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens gemäß § 159 Abs.1 Nr.2 SGG davon abgesehen, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wegen dieses wesentlichen Mangels aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Denn die entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 20.06.2008 verbindlich festgestellten Unfallfolgen "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk nach Rotatorenmanschettenverletzung mit komplettem Riss der Obergrätensehne, Teilriss des Unterschenkelblattmuskels sowie Teilriss der langen Oberarmmuskelsehne" bedingen ab 01.01.2005 eine MdE von 20 v.H.
Versicherte wie der Kläger haben gemäß § 8 Abs.1 in Verbindung mit § 56 Abs.1
SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs.2 Satz 1 SGB VII). Es wird also eine abstrakte Berechnung angestellt, nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rdnr.10.1).
Zur Höhe der MdE sind hierbei die sogenannten "Erfahrungswerte" heranzuziehen. Erst aus der Anwendung solcher Erfahrungswerte über die Auswirkungen bestimmter Beeinträchtigungen auf die Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE geschätzt werden (Kranig in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, Rz.36b zu § 56 SGB VII mit Hinweis auf BSG, 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R in SozR 3-2200 § 581 Nr.8; BSG, 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R in SozR 4-2700 § 56 Nr.2).
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die "Erfahrungswerte" vorliegend uneinheitlich sind:
- Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, befürwortet in Rz.8.4.7 bei einer Bewegungseinschränkung der Schulter, vorwärts/seitwärts bis 90 Grad, Rotation frei eine MdE von 20 v.H. Bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 120 Grad, Rotation frei ist eine MdE von 10 v.H. vorgesehen.
- Die nämlichen Erfahrungswerte finden sich bei Kranig in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, Rz.70 - 17.1 zu § 56 SGB VII.
- Dagegen sieht Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Auflage in Rz.2.11 folgende Erfahrungswerte vor: Teilversteifung des Schultergelenkes bei freier Drehbeweglichkeit 20 v.H.
- Präziser äußert sich Mollowitz, Der Unfallmann, 11. Und 12. Auflage in Teil 4 zur Einschätzung der MdE bei Unfallfolgen: Bei einer Schulterbeweglichkeit von 0-0-120 Grad wird eine MdE von 15 v.H. befürwortet. Besteht eine Schulterbeweglichkeit von 0-0-90 Grad, ist eine MdE von 25 v.H. vorgesehen.
Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass im Fall des Klägers somit ein sogenannter "absoluter Grenzfall" vorliegt, der nicht in Abhängigkeit von der Anwendung der hier divergierenden Erfahrungswerte zu entscheiden ist, sondern von den tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalls her (BSG, 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R).
Bereits Dr.S. hat mit fachorthopädischem Gutachten vom 24.06.2003 eine MdE von 20 v.H. befürwortet, weil eine aktive Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes bis zu 110 Grad sowie eine Elevation rechts bis zu 170 Grad hat gemessen werden können. Auch sind die Umfangmaße der oberen Extremität 10 cm oberhalb des Ellenbogengelenks rechts und links mit 29,5 cm angegeben worden, also umfanggleich.
Demgegenüber hat Dr.G. mit fachorthopädischem Gutachten vom 17.05.2006 eine gewisse Leidensverschlimmerung dargelegt, wenn im Bereich des rechten Schultergelenks die Abduktion (ohne Schultergürtel) nur noch bis 90 Grad hat gemessen werden können, bei einer Abduktion (Schultergürtel) von 140 Grad sowie Elevation mit Schultergürtel von 150 Grad. Dies entspricht einer passiven Bewegungseinschränkung von unter 20 v.H., einer aktiven Beweglichkeit von bis 120 Grad Flexion bzw. Elevation. Im klinischen Befund wird dazu eine Muskelminderung des Schultergürtels, eine begleitende Kraftminderung, jedoch keine periphere Atrophie oder Dystrophie beschrieben. Somit ist von einer langsam progredienten Leidensverschlimmerung im Sinne von § 48 Abs.1 SGB X auszugehen, die es rechtfertigt, zumindest ab dem 01.01.2005 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zuzusprechen (§ 56 Abs.1 und 2 SGB VII).
Entgegen der Auffassung des Dr.K. mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 11.10.2006 und Dr.C. mit unfallchirurgischem Gutachten vom 06.08.2009 und in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Ausführungen des Dr.G. vom 17.05.2006 samt ergänzender Stellungnahmen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass eine MdE von 15 v.H. der bei dem Kläger im Bereich des rechten Schultergelenks bestehenden Funktionseinbuße nicht ausreichend gerecht wird. Eine MdE von 20 v.H. ist hier angemessen, weil die bei dem Kläger bestehende Rotatorenmanschettenschädigung (ohne Cuff-Tear-Arthropathie) sich bei der Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes insgesamt erheblich auswirkt. Denn Dr.C. hat auf S.5 unten seines Gutachtens vom 06.08.2009 entscheidungserheblich darauf hingewiesen, dass es zur Entwicklung eines schmerzhaften Bogens rechts ab 110 Grad kommt.
Wenn im Rahmen der gerichtsärztlichen Begutachtung "nach Überwindung eines Schnappphänomens verbunden mit Beschwerden an der Vorderseite des rechten Schultergelenks" ein weiteres aktives Heben des Armes hat erzielt werden können, sind diese unter klinische Bedingungen erzielten Bewegungswerte nicht maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Arbeitsleben. Aufgrund der vorstehend beschriebenen Funktionseinschränkungen und vor allem der Entwicklung eines schmerzhaften Bogens rechts ab 110 Grad ist der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit hierdurch bei üblichen Arbeitsabläufen in der Folge limitiert, dass eine MdE von
20 v.H. angemessen ist.
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter bei dem Kläger eine Instabilität des rechten Schultergelenks beschrieben hat. Würde eine solche vorliegen, käme möglicherweise grenzwertig auch eine höhere MdE als 20 v.H. in Betracht. Dies kann indes dahingestellt bleiben, weil Dr.C. sein Gutachten vom 06.08.2009 (MdE von 15 v.H. unter Berücksichtigung der Rotatorenmanschettenverletzung als Unfallfolge) mit Stellungnahme vom 13.10.2009 insoweit relativiert hat, als dort eine MdE von 15 v.H. nunmehr ohne den Rotatorenmanschettenschaden angenommen wird. Dies ergibt sich daraus, dass Dr.C. den Rotatorenmanschettenschaden nunmehr als "degenerativ" bezeichnet und nur von einer "zeitlich begrenzten Verschlimmerung eines zum Unfallzeitpunkt bestehenden Vorschadens" spricht. Die Bevollmächtigten des Klägers haben daher mit Schriftsatz vom 30.11.2009 völlig zutreffend den Rückschluss gezogen, dass die MdE mit Berücksichtigung dieser Verletzung (vgl. Teilanerkenntnis der Beklagten vom 20.06.2008) mindestens 20 v.H. beträgt.
Nach alledem ist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund des Unfalles vom 03.11.1999 ab dem 01.01.2005 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H. gemäß § 56 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit § 48 Abs.1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz
(SGB X) zu gewähren ist.
Der 1938 geborene Kläger ist bei der Firma L. S. in A-Stadt als Metallarbeiter beschäftigt gewesen, als er am 03.11.1999 im Lager der Firma beim Einpacken in einer Gitterbox über einen Hubwagen gestolpert und auf den rechten Ellenbogen gefallen ist; hierbei ist die rechte Schulter nach oben gerissen worden. Er hat sich auch den rechten Unterschenkel angeschlagen.
Dr.H., der den Kläger am 04.11.1999 untersucht hat, hat mit H-Arzt-Bericht vom 08.11.1999 folgende Diagnose gestellt: Distorsion rechte Schulter mit Verdacht auf Teilruptur des M. Supraspinatus, Schürfung rechter Unterschenkel. Im Rahmen der Untersuchung ist eine aktive Abduktion nur bis 40 Grad möglich gewesen, passiv bis 70 Grad. Eine Rotationsbewegung in dieser Position ist überhaupt nicht toleriert worden.
Unter dem 16.11.1999 hat Dr.H. berichtet, dass sich die Schmerzen an der rechten Schulter bereits merklich gebessert hätten. Wie bei der Erstuntersuchung sei von einer oberflächlichen Teilruptur am M. Supraspinatus auszugehen. Mit Zwischenbericht vom 26.11.1999 hat Dr.H. trotz merklicher Besserung der Beschwerden auf das noch immer bestehende Impingement-Zeichen aufmerksam gemacht.
Der Kläger hat sich vom 31.07.2000 bis 04.08.2000 im Behandlungszentrum V. befunden. Dort ist eine Rotatorenmanschettenruptur sowie eine LHB-Partialruptur der rechten Schulter operiert worden. Dr.L. (Chefarzt des Behandlungszentrums V.) hat dies entsprechend dem OP-Bericht vom 01.08.2000 auf den Unfall vom 03.11.1999 zurückgeführt, weil der Kläger nach seinen Angaben auf den adduzierten rechten Arm und Ellenbogen gestürzt ist.
Die Beklagte hat die Unterlagen des Behandlungszentrums V. sowie des Dr.H. mit den zugehörigen Röntgenaufnahmen beigezogen und ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr.S. eingeholt. Dieser ist am 01.12.2001 zu dem Ergebnis gekommen, dass hier von einer "Gelegenheitsursache" auszugehen sei, auch wenn nur mäßig degenerative Veränderungen an beiden Schultereckgelenken bestanden hätten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2001 als Folgen des Arbeitsunfalles vom 03.11.1999 nur eine "folgenlos ausgeheilte Stauchung und Zerrung der rechten Schulter" anerkannt und im Übrigen weitergehende Leistungen abgelehnt, vor allem die Bewilligung einer Verletztenrente.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 zurückgewiesen worden. Auch Dr.S. habe mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 05.03.2001 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nur bis zum 06.02.2000 feststellen können. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette des rechten Schultergelenks habe zu keinem Zeitpunkt objektiviert werden können. Weder bei der Ultraschalluntersuchung am 16.11.1999, noch bei der kernspintomographischen Untersuchung des rechten Schultergelenks am 01.12.1999 sei eine komplette Ruptur der Rotatorenmanschette im Bereich der Supraspinatussehne nachweisbar gewesen. Neben degenerativen Veränderungen am rechten Schultereckgelenk und der Supraspinatussehne konnte lediglich eine oberflächliche Gefügedurchtrennung am Supraspinatusmuskel festgestellt werden. Wenn nun im OP-Bericht vom 01.08.2000 von einem komplett degenerativ veränderten Rissrand gesprochen werde, dann müsse die beschriebene Veränderung der Rotatorenmanschette als verschleißbedingt und unfallunabhängig bewertet werden.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht München Dr.K. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dr.K. hat mit orthopädisch-chirurgischem Gutachten vom 20.10.2002 ausgeführt, dass der Unfall vom 03.11.1999 lediglich zu einer Schulterzerrung des degenerativ vorgeschädigten Gelenkes geführt habe. Es habe keine messbare MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus bestanden.
Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.S. (Chefarzt am Krankenhaus M.) ist mit Gutachten vom 24.06.2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter (komplette Supraspinatusruptur, Teilruptur M. Subscapularis, Teilruptur lange Bizepssehne) eingetreten sei. Es bestehe ein Zustand nach Tenotomie der langen Bizepssehne. Aufgrund der aktiven Bewegungseinschränkung für Abduktion unter 120 Grad mit deutlicher Bewegungsschmerzhaftigkeit, geringer Minderung der Schultergürtelmuskulatur und erheblicher Kraftminderung sei eine MdE von 20 v.H. angemessen. Sollte aufgrund eines Fortschreitens der Defektarthropathie der rechten Schulter eine Zunahme des Funktionsverlustes an der rechten Schulter eintreten, sei eine neuerliche Bewertung erforderlich.
Dr.K. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 17.08.2003 erwidert, unter besonderer Berücksichtigung des Unfallmechanismus und der vorbestehenden Degenerationszeichen habe der Unfall vom 03.11.1999 lediglich zu einer Zerrung des vorgeschädigten degenerativ veränderten Schultergelenkes geführt. Auf Hinweis des Sozialgerichts München in der öffentlichen Sitzung vom 21.04.2008 ist die Klage in dem Verfahren S 9 U 301/02 zurückgenommen worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben sich mit Schriftsatz vom 02.03.2005 an die Beklagte gewandt und beantragt, den Bescheid vom 19.04.2001 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Nachdem sich die Beschwerden an der rechten Schulter in letzter Zeit erneut verschlechtert hätten, habe sich der Kläger in ärztliche Behandlung zu Dr.D. begeben müssen. Dieser verwies mit Befundbericht vom 27.12.2004 auf die gutachterlichen Ausführungen des Dr.S. und betonte, dass die an der rechten Schulter bestehenden Defekte allein auf das Unfallgeschehen vom 03.11.1999 zurückzuführen seien.
Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 29.04.2005 abgelehnt, den Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen. Zur Begründung ist sinngemäß auf das Verfahren vor dem Sozialgericht München S 9 U 301/02 Bezug genommen worden.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2005 zurückgewiesen worden. Die Ausführungen des Dr.D. mit Attest vom 27.12.2004 seien nicht geeignet, das Ergebnis des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens sowie des nachfolgenden Sozialgerichtsverfahrens zu revidieren.
In dem sich anschließenden Klageverfahren S 41 U 664/05 hat das Sozialgericht München die Unfallakten der Beklagten, die bisherigen Streitakten sowie die Unterlagen des nunmehr behandelnden Orthopäden Dr.D. beigezogen. Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG beauftragte Sachverständige Dr.G. ist mit fachorthopädischem Gutachten vom 17.05.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei dem Kläger vorliegende Rotatorenmanschettenschädigung unfallbedingt sei und eine MdE von 20 v.H. bedinge. Der Kläger habe gegenüber den Vorgutachtern und auch ihm gegenüber übereinstimmend einen geeigneten Unfallmechanismus geschildert: Bei dem Sturz über den Hubwagen bzw. die Gabel des Hubwagens sei der Kläger auf die rechte Körperseite und den angelegten rechten Ellenbogen gefallen; hierbei sei der rechte Ellenbogen mit dem rechten Oberarm nach innen gerissen bzw. kraftvoll vor den Körper geführt worden, wobei es zu einer Auswärtsdrehung im Schultergelenk gekommen sei. Außerdem habe Dr.K. mit ärztlicher Unfallmeldung vom 04.11.1999 ein Trop-Arm-Syndrom mit frischer Supraspinatusteilruptur und Erguss diagnostiziert. Nachdem auch die Voranamnese leer sei und sich im Übrigen keine degenerativen Veränderungen an den übrigen Rotatorenmanschetten-anteilen gefunden hätten, spräche auch die vier Wochen nach dem Ereignis durchgeführte Kernspintomographie dafür, dass die gefundenen Veränderungen als traumatisch zu interpretieren seien (Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter mit komplettem Riss der Supraspinatussehne, Teilruptur des Muskulus subscapularis und Teilruptur der langen Bizepssehne; Zustand nach Arthroskopie der rechten Schulter vom 01.08.2000 mit Debridement der Rupturen und Tenotomie der langen Bizepssehne bei nicht rekonstruierbarem Rotatorenmanschettendefekt; Schwäche und Behinderung bei Überkopftätigkeit, deutlichem Kraftverlust im Bereich der Rotatorenmanschette und ungenügender Kompensation durch die schulterumgreifende Muskulatur; aktive deutliche Bewegungseinschränkung).
Dr.K. hat mit beratungsärztlicher Stellungnahme ausgeführt, dass auch nach seiner Erfahrung das Ereignis vom 03.11.1999 eine frische traumatische Schädigung der rechten Rotatorenmanschette verursacht habe. Insoweit sei den gutachterlichen Ausführungen des Dr.G. zu folgen. Allerdings werde eine rentenberechtigende MdE nicht erreicht.
Dementsprechend hat die Beklagte unter dem 26.10.2006 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, als Unfallfolgen anzuerkennen: "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk nach Rotatorenmanschettenverletzung mit komplettem Riss der Obergrätensehne, Teilriss des Unterschulterblattmuskels sowie Teilriss der langen Oberarmmuskelsehne."
Dr.G. hat mit Stellungnahme vom 07.03.2007 erwidert, dass eine MdE von 20 v.H. neben den üblichen Bewegungseinschränkungen (aktive Beweglichkeit von bis 120 Grad Flexion bzw. Elevation) vor allem an folgenden morphologischen und funktionellen Diagnosen festgemacht werde: Rotatorenmanschettenschädigung ohne Cuff-Tear, Rotatorenmanschettenrekonstruktion mit ungünstigem Verlauf bei Muskelminderung des Schultergürtels sowie begleitender Kraftminderung; noch ohne periphere Atrophie/Dystrophie.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.04.2007 entgegnet, dass die von Dr.G. im Rahmen seiner Untersuchung gemessenen Befunde deutlich besser seien. Auch die Prüfung der groben Kraft an den oberen Extremitäten habe lediglich eine leichte Linksbetonung ergeben. Ebenso hätten sich keine Instabilitätszeichen an der rechten Schulter gefunden. Eine MdE von 20 v.H. werde somit nicht erreicht.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2008 hat die Beklagte folgendes Teilanerkenntnis abgegeben: Die Beklagte erklärt sich bereit, den Bescheid vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte Folgen des Unfalles vom 03.11.1999 entsprechend Ziffer 1 des Vergleichsangebots vom 26.10.2006 anerkennt. Die Beklagte ändert insoweit den Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002. Die Beklagte wertet den Antrag vom 02.03.2005 zugleich als Verschlimmerungsantrag. Die Beteiligten sind sich einig, dass im anhängigen Verfahren auch über eine Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 03.11.1999 zu entscheiden ist; insbesondere gehen die Beteiligten davon aus, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 auch einen Verschlimmerungsantrag ablehnend verbeschieden hat.
Im Folgenden hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 20.06.2008 ausgesprochen: Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 und unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 03.11.1999 für die Zeit ab 01.01.2005 eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Hierbei hat sich das Sozialgericht München auf das Gutachten des Dr.G. vom 17.05.2006 mit seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 19.07.2006 und 07.03.2007 gestützt.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vom 26.02.2009 ging am 27.02.2009 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Zur Begründung hob die Beklagte hervor, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 sei bereits deshalb aufzuheben, weil es nicht mit Gründen versehen sei (§ 134 SGG). Der Vorsitzende der 41. Kammer des Sozialgerichts München habe das schriftliche und unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle erst am 20.01.2009 übergeben. In der Sache werde auf die Ausführungen des Dr.K. vom 11.10.2006 Bezug genommen, nach welchen eine MdE von 20 v.H. nicht gerechtfertigt sei.
Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten sowie die erstinstanzlichen Streitakten S 9 U 301/02 sowie S 41 U 664/05 beigezogen. Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG bestellte Sachverständige Dr.C. bestätigte mit orthopädisch-chirurgischem Gutachten vom 06.08.2009, dass das Unfallereignis vom 03.11.1999 unfallbedingt eine Ruptur der Rotatorenmanschette rechts zur Folge gehabt habe. Es finde sich eine Periarthropathie des rechten Schultergelenkes bei endgradiger Bewegungseinschränkung mit Nachweis eines schmerzhaften Bogens (ab 110 Grad) und glaubwürdigen subjektiven Beschwerden. Dies bedinge eine MdE von 15 v.H. zumal keine Schulterinstabilität bestehe.
Die Beklagte billigte mit Schriftsatz vom 25.08.2009 die Ausführungen des Dr.C. und ersuchte gleichzeitig um Nachfrage, von welcher konkreten zeitlichen Begrenzung der Verschlimmerung Dr.C. ausgehe. - Die Bevollmächtigten des Klägers rügten mit Schriftsatz vom 15.09.2009, dass Dr.C. das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 26.10.2006 und die dort anerkannten Unfallfolgen nicht ausreichend beachtet habe. In Berücksichtigung der auch von Dr.C. beschriebenen Einschränkung der Schulterbeweglichkeit ab 110 Grad sei eine MdE von 20 v.H. angemessen wie bereits folgerichtig von Dr.G. befürwortet.
Die Beklagte wies mit Schriftsatz vom 06.10.2009 darauf hin, dass es nicht zu einer Rottorenmanschettenkonstruktion oder zu einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion gekommen sei, sondern zu einer Rotatorenmanschettenverletzung. Nachdem jedoch die Armseitwärtsbewegung bei dem Kläger bis 120 Grad rechts ausführbar sei, sei eine MdE von 15 v.H. unter Berücksichtigung aller Unfallfolgen zuzustimmen.
Um Stellungnahme gebeten präzisierte Dr.C. unter dem 13.10.2009, dass seinerzeit eine zeitlich begrenzte Verschlimmerung von acht Wochen eines zum Unfallzeitpunkt bestehenden Vorschadens, nicht jedoch eine richtunggebende Verschlimmerung aufgeführt worden sei. In einem nachträglich geführten Telefonat am 16.10.2009 mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten sei nochmals eine rentenwirksame MdE im Hinblick auf eine zu diskutierende Verschlimmerung ab 01.01.2005 ausgeschlossen worden. - Während die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.11.2009 an ihrer Auffassung festhielt, dass eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht werde, rügten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 16.11.2009, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.C. mit einer Mitarbeiterin der Beklagten den Ausgang des Verfahrens diskutiert habe (ohne allerdings förmlich einen Befangenheitsantrag zu stellen). Mit weiterem Schriftsatz vom 30.11.2009 wiesen die Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, der Stellungnahme des Dr.C. vom 13.10.2009 sei zu entnehmen, dass dieser die ohne durch die Rotatorenmanschettenverletzung verursachten Funktionsausfälle mit einer MdE von 15 v.H. eingeschätzt habe. Dies könne nur bedeuten, dass die MdE mit Berücksichtigung dieser Verletzung mindestens 20 v.H. betrage.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2011 stellt der Bevollmächtigte der Beklagten die Anträge aus dem Schriftsatz vom 26.02.2009:
1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 31.03.2009:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wird zurückgewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Soweit die Beklagte mit Berufung vom 26.02.2009 gerügt hat, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 sei nicht mit Gründen versehen (§§ 134, 136 Abs.1 Nr.6 SGG), weil das schriftliche und unterschriebene Urteil erst am 20.01.2009 der Geschäftsstelle übergeben worden sei, ist dem vollinhaltlich beizupflichten (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Rz.3 ff. zu § 134 SGG mit weiteren Nachweisen). Dennoch hat der Senat in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens gemäß § 159 Abs.1 Nr.2 SGG davon abgesehen, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 wegen dieses wesentlichen Mangels aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Denn die entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 20.06.2008 verbindlich festgestellten Unfallfolgen "Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk nach Rotatorenmanschettenverletzung mit komplettem Riss der Obergrätensehne, Teilriss des Unterschenkelblattmuskels sowie Teilriss der langen Oberarmmuskelsehne" bedingen ab 01.01.2005 eine MdE von 20 v.H.
Versicherte wie der Kläger haben gemäß § 8 Abs.1 in Verbindung mit § 56 Abs.1
SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs.2 Satz 1 SGB VII). Es wird also eine abstrakte Berechnung angestellt, nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rdnr.10.1).
Zur Höhe der MdE sind hierbei die sogenannten "Erfahrungswerte" heranzuziehen. Erst aus der Anwendung solcher Erfahrungswerte über die Auswirkungen bestimmter Beeinträchtigungen auf die Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE geschätzt werden (Kranig in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, Rz.36b zu § 56 SGB VII mit Hinweis auf BSG, 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R in SozR 3-2200 § 581 Nr.8; BSG, 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R in SozR 4-2700 § 56 Nr.2).
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die "Erfahrungswerte" vorliegend uneinheitlich sind:
- Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, befürwortet in Rz.8.4.7 bei einer Bewegungseinschränkung der Schulter, vorwärts/seitwärts bis 90 Grad, Rotation frei eine MdE von 20 v.H. Bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 120 Grad, Rotation frei ist eine MdE von 10 v.H. vorgesehen.
- Die nämlichen Erfahrungswerte finden sich bei Kranig in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, Rz.70 - 17.1 zu § 56 SGB VII.
- Dagegen sieht Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Auflage in Rz.2.11 folgende Erfahrungswerte vor: Teilversteifung des Schultergelenkes bei freier Drehbeweglichkeit 20 v.H.
- Präziser äußert sich Mollowitz, Der Unfallmann, 11. Und 12. Auflage in Teil 4 zur Einschätzung der MdE bei Unfallfolgen: Bei einer Schulterbeweglichkeit von 0-0-120 Grad wird eine MdE von 15 v.H. befürwortet. Besteht eine Schulterbeweglichkeit von 0-0-90 Grad, ist eine MdE von 25 v.H. vorgesehen.
Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass im Fall des Klägers somit ein sogenannter "absoluter Grenzfall" vorliegt, der nicht in Abhängigkeit von der Anwendung der hier divergierenden Erfahrungswerte zu entscheiden ist, sondern von den tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalls her (BSG, 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R).
Bereits Dr.S. hat mit fachorthopädischem Gutachten vom 24.06.2003 eine MdE von 20 v.H. befürwortet, weil eine aktive Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes bis zu 110 Grad sowie eine Elevation rechts bis zu 170 Grad hat gemessen werden können. Auch sind die Umfangmaße der oberen Extremität 10 cm oberhalb des Ellenbogengelenks rechts und links mit 29,5 cm angegeben worden, also umfanggleich.
Demgegenüber hat Dr.G. mit fachorthopädischem Gutachten vom 17.05.2006 eine gewisse Leidensverschlimmerung dargelegt, wenn im Bereich des rechten Schultergelenks die Abduktion (ohne Schultergürtel) nur noch bis 90 Grad hat gemessen werden können, bei einer Abduktion (Schultergürtel) von 140 Grad sowie Elevation mit Schultergürtel von 150 Grad. Dies entspricht einer passiven Bewegungseinschränkung von unter 20 v.H., einer aktiven Beweglichkeit von bis 120 Grad Flexion bzw. Elevation. Im klinischen Befund wird dazu eine Muskelminderung des Schultergürtels, eine begleitende Kraftminderung, jedoch keine periphere Atrophie oder Dystrophie beschrieben. Somit ist von einer langsam progredienten Leidensverschlimmerung im Sinne von § 48 Abs.1 SGB X auszugehen, die es rechtfertigt, zumindest ab dem 01.01.2005 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zuzusprechen (§ 56 Abs.1 und 2 SGB VII).
Entgegen der Auffassung des Dr.K. mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 11.10.2006 und Dr.C. mit unfallchirurgischem Gutachten vom 06.08.2009 und in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Ausführungen des Dr.G. vom 17.05.2006 samt ergänzender Stellungnahmen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass eine MdE von 15 v.H. der bei dem Kläger im Bereich des rechten Schultergelenks bestehenden Funktionseinbuße nicht ausreichend gerecht wird. Eine MdE von 20 v.H. ist hier angemessen, weil die bei dem Kläger bestehende Rotatorenmanschettenschädigung (ohne Cuff-Tear-Arthropathie) sich bei der Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes insgesamt erheblich auswirkt. Denn Dr.C. hat auf S.5 unten seines Gutachtens vom 06.08.2009 entscheidungserheblich darauf hingewiesen, dass es zur Entwicklung eines schmerzhaften Bogens rechts ab 110 Grad kommt.
Wenn im Rahmen der gerichtsärztlichen Begutachtung "nach Überwindung eines Schnappphänomens verbunden mit Beschwerden an der Vorderseite des rechten Schultergelenks" ein weiteres aktives Heben des Armes hat erzielt werden können, sind diese unter klinische Bedingungen erzielten Bewegungswerte nicht maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Arbeitsleben. Aufgrund der vorstehend beschriebenen Funktionseinschränkungen und vor allem der Entwicklung eines schmerzhaften Bogens rechts ab 110 Grad ist der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit hierdurch bei üblichen Arbeitsabläufen in der Folge limitiert, dass eine MdE von
20 v.H. angemessen ist.
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter bei dem Kläger eine Instabilität des rechten Schultergelenks beschrieben hat. Würde eine solche vorliegen, käme möglicherweise grenzwertig auch eine höhere MdE als 20 v.H. in Betracht. Dies kann indes dahingestellt bleiben, weil Dr.C. sein Gutachten vom 06.08.2009 (MdE von 15 v.H. unter Berücksichtigung der Rotatorenmanschettenverletzung als Unfallfolge) mit Stellungnahme vom 13.10.2009 insoweit relativiert hat, als dort eine MdE von 15 v.H. nunmehr ohne den Rotatorenmanschettenschaden angenommen wird. Dies ergibt sich daraus, dass Dr.C. den Rotatorenmanschettenschaden nunmehr als "degenerativ" bezeichnet und nur von einer "zeitlich begrenzten Verschlimmerung eines zum Unfallzeitpunkt bestehenden Vorschadens" spricht. Die Bevollmächtigten des Klägers haben daher mit Schriftsatz vom 30.11.2009 völlig zutreffend den Rückschluss gezogen, dass die MdE mit Berücksichtigung dieser Verletzung (vgl. Teilanerkenntnis der Beklagten vom 20.06.2008) mindestens 20 v.H. beträgt.
Nach alledem ist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2008 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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