Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 273/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 235/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Anerkennung eines Nierentumors alsl Berufskrankheit im Sinne der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO), wenn der Versicherte nur metallischen Chromverbindungen, nicht jedoch Chrom-VI-Verbindungen ausgesetzt gewesen ist.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Urothelkarzinoms und chronischer Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der Kläger ist 1969 geboren. Er hat in der Zeit zwischen 1986 und 1989 eine Lehre als Stahlbauschlosser absolviert. Anschließend ist er als CNC-Maschinenführer, Teileeinleger, Schweißer und Elektroinstallateur beschäftigt gewesen. Seit Januar 2002 ist er als Metallarbeiter bei der Firma A. Hydraulik in A-Stadt tätig gewesen. Dort hat er im sogenannten Selctron-Verfahren Pleuelstangen bearbeitet. Dabei ist die Oberfläche (Chromschicht) abgeschliffen worden. Anschließend ist die betreffende Stelle galvanisch in mehreren Tauchbädern gereinigt und ausbessert worden. In der Folge ist die Pleuelstange an der betreffenden Stelle erforderlichenfalls nochmals abgeschliffen worden. Eine Absauganlage ist in der Firma A. Hydraulik A-Stadt erst im Jahr 2006 installiert worden, obwohl der Kläger dies schon Jahre zuvor bemängelt hat.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 28.11.2007 beantragt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Der Kläger führe die bei ihm aufgetretene Nierentumorerkrankung auf die Belastung mit Chrom zurück, weil bis zu 80 % der Chrombelastung über die Niere ausgeschieden werde. Außerdem hat der behandelnde Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. G. unter dem 22.11.2007 bestätigt, dass bei dem Kläger seit mindestens 1985 eine chronisch-polypöse Sinusitis bestehe, die sich nicht wesentlich gebessert habe, weil der Kläger seit dem Jahr 2001 Metallstäuben bzw. Metallspänen ausgesetzt gewesen sei.
Die Beklagte hat die medizinischen Unterlagen beigezogen, die in dem frühern Verfahren auf Anerkennung der Berufskrankheiten nach den Nrn.1301 und 1302 der Anlage 1 zur BKV bzw. auf Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs.2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) eingeholt worden sind. Dort hat der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Das Verfahren S 3 U 222/07 ist erfolglos geblieben. Den dortigen medizinischen Unterlagen ist zu entnehmen, dass dem Kläger die linke Niere aufgrund eines Urothelkarzinoms entfernt worden ist und dieser seit Jahren an einer chronischen Rhinitis leidet. Dr.M. (Chefarzt des Klinikums A-Stadt) hat mit Befundbericht vom 17.10.2005 den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der beruflichen Belastung mit diversen Schadstoffen und der Tumorerkrankung geäußert. Er hat dem Kläger deshalb empfohlen, sämtliche Risikofaktoren zu vermeiden, u.a. auch nicht mehr zu rauchen.
Der Präventionsdienst der Beklagten hat mit Stellungnahme vom 11.01.2008 darauf
hingewiesen, dass beim Schleifen verchromter Bauteile keine Chrom-Ill- oder Chrom-VI-Verbindungen entstünden. Zwar bestehe eine Exposition gegenüber Chromstaub. Grenzwerte für metallisches Chrom seien jedoch nicht festgelegt worden. Der Gewerbearzt
Dr.K. hat in seiner Stellungnahme vom 13.02.2008 der Auffassung des Technischen Aufsichtsdienstes zugestimmt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen würden.
Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 eine Entschädigung aus Anlass der Nierentumorerkrankung sowie der chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden abgelehnt.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Augsburg
die Akten der Beklagten beigezogen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Klagebegründung vom 04.11.2008 hervorgehoben, Ziel der Klage sei sowohl die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage zur BKV als auch einer Wie-BK nach § 9 Abs.2 SGB VII. Durch Dämpfe, die im Zuge des Selectron-Verfahrens aufgetreten seien, sei es des Öfteren zu Nasenbluten und Schwindelattacken gekommen. Eine Lüftungs- und Absauganlage sei erst nach der Tumorerkrankung des Klägers im Frühjahr 2006 installiert worden. Außerdem sei der Kläger über Sicherheitsvorkehrungen nur unzureichend informiert worden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16.12.2008 darauf hingewiesen, dass keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse bestünden, dass Chromstaub
eine Nierenkrebserkrankung oder eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung verursachen würde. Der Kläger sei zwar im Rahmen seiner Ausbildung beim Schweißen von
Lehrstücken in geringem Umfang mit Chrom-VI-Verbindungen in Berührung gekommen.
Aufgrund des geringen Umfangs der Einwirkungen sei jedoch nicht davon auszugehen, dass er in deutlich höherem Maße einer Schadstoffbelastung ausgesetzt gewesen sei als die übrige Bevölkerung. Es lägen damit weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 BKV vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2009 haben die Bevollmächtigten des Klägers das HNO-ärztliche Attest des Dr.G. vom 29.04.2009 vorgelegt. Dort hat der behandelnde HNO-Arzt bestätigt, dass er bei dem Kläger bei einer Routineuntersuchung am 07.11.2007 eine Nasenseptumperforation in der Regio 11 diagnostiziert habe.
Nach richterlichem Hinweis, dass die Wie-BK bereits Gegenstand des Klageverfahrens
S 3 U 222/07 gewesen sei, haben die Bevollmächtigten des Klägers nur noch beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2008 zu verurteilen, bei ihm ein Urothelkarzinom und chronische Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit nach der Nr.1103 der
Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 06.05.2009 abgewiesen. Bei dem Kläger seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Dies folge aus der schlüssigen Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 11.01.2008. Im Rahmen des Selectron-Verfahrens würden beim Schleifen der Pleuelstangen keine gesundheitsschädigenden Chrom-III- oder ChromVI-Verbindungen freigesetzt. Insofern sei der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Metallarbeiter bei der Firma A. Hydraulik keiner besonderen gesundheitsgefährdenden Einwirkung durch Chrom oder seine Verbindungen ausgesetzt gewesen bzw. ausgesetzt. Die von dem Kläger geltend gemachte Chromstaubbelastung hingegen würde nicht genügen, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu begründen. Nach dem vom Bundesministerium für Arbeit (BMA) herausgegebenen Merkblatt zu Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV (Bekanntmachung des BMA vom 25.02.1981, BArbBl.4/1981) seien Gesundheitsschäden durch metallisches Chrom und seine Legierungen nicht bekannt. Es bestünden demnach keine Grenzwerte für die Konzentration von metallischem Chrom in der Luft, die beachtet und eingehalten werden müssten. Im Übrigen habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.12.2008 zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger während seiner Lehrzeit beim Schweißen von Lehrstücken nur einer sehr geringen Chrombelastung ausgesetzt gewesen sei, welche sich nicht deutlich von der übrigen Bevölkerung unterschieden habe.
Unabhängig davon seien nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft (u.a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 7. Auflage, S.1147, 1171 und 1302) die medizinischen Anforderungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben. Es sei nicht bekannt, dass Chrom oder seine Verbindungen Urothelkarzinome verursachten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass durch die toxische Wirkung von Chrom und seinen Verbindungen, insbesondere der sechswertigen Verbindungen nur bösartige Atemwegstumore im Bereich des Nasenraums und der Lunge entstehen könnten. Angesichts der jahrelangen Raucherbiographie des Klägers bestehe eine gravierende Konkurrenzursache für die Entstehung des Urothelkarzinoms. Denn Rauchen sei ein gewichtiger Risikofaktor bei der Entstehung dieser Krebserkrankung, worauf auch der behandelnde Arzt Dr.M. in seinem Befundbericht vom 17.10.2005 hingewiesen habe. Nachdem der Kläger bereits ab 1985 vor seiner Lehre als Stahlbauschlosser an einer chronischen polypösen Sinusitis gelitten habe, wie dies der Befundbericht des HNO-Arztes Dr.G. vom 22.11.2007 belege, sei unabhängig vom fehlenden Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erkennbar, dass die berufliche Exposition wesentliche Bedingung für die Nasennebenhöhlenbeschwerden gewesen sei, die sich trotz mehrfacher Nasennebenhöhlenoperationen nicht wesentlich gebessert hätten.
Die nunmehrigen Bevollmächtigten des Klägers legten mit Telefax vom 12.06.2009 form- und fristgerecht Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten, die Schwerbehinderten-
Akten des ZBFS Region Schwaben sowie die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen.
Nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) ist unabhängig von der Ursache anfänglich ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen der Nierenerkrankung links (in Heilungsbewährung) festgestellt worden, später in Berücksichtigung einer seelischen Störung ein GdB von 60 und zuletzt nach Eintritt der Heilungsbewährung ein GdB von 30.
Hinsichtlich der chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden enthalten die Schwerbehindertenakten des ZBFS Region Schwaben keine Unterlagen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Berufungsbegründung vom 23.11.2009
hervorgehoben, dass der Kläger ab Anfang 2000 bei der Firma A. Hydraulik in Vollzeit beschäftigt gewesen ist. Nach seiner Einstellung als Dreher habe er für einen erkrankten Kollegen die Reparatur von Pleuelstangen im sogenannten Selectron-Verfahren übernommen. Im Jahr 2000 habe der Kläger ca. drei Stunden pro Tag mit diesem Verfahren gearbeitet; ab dem Jahr 2001 habe sich diese Tätigkeit erheblich gesteigert; zuletzt habe der Kläger im Minimum täglich vier bis fünf Stunden mit dem Selectron-Verfahren gearbeitet. Für diese Arbeiten seien keine Sicherheitsbestimmungen benannt bzw. eingehalten und auch keine gesundheitlichen Untersuchungen durchgeführt worden. Bereits ca. zweieinhalb Jahre vor Auftreten seiner Tumorerkrankung habe der Kläger die Geschäftsleitung auf diese mangelnden Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen. Erst nach Bekanntwerden der Erkrankung des Klägers seien durch den Arbeitgeber die entsprechenden Schutzmaßnahmen ergriffen worden. Pro Tag habe der Kläger mit dem Selectron-Verfahren
ca. zehn Stangen mit Chrom behandelt, also etwa 40 bis 50 Löcher pro Tag bearbeitet. Hierbei habe der Kläger den gesamten Staub der Tätigkeit einatmen müssen. Auch wenn der Kläger bereits seit Jahren an einer chronischen Rhinits leide, habe sich diese jedoch im Laufe der Tätigkeit mit dem Selectron-Verfahren massiv verschlimmert. Wenn sich die Beklagte auf das Merkblatt von 1981 stütze, entspräche dies nicht mehr aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu krankhaften Veränderungen nach Exposition gegenüber Chrom und chromhaltigen Verbindungen häufig im Bereich der Nasennebenhöhlen wie auch z.B. Nasenseptumperforationen. Hiervon seien vor allem Galvanikarbeiter, Metallarbeiter und Metalloberflächenbearbeiter betroffen. Für die Arbeitsbedingungen des Klägers an seinem Arbeitsplatz könne Herr D. S. als Zeuge benannt werden.
Die Beklagte erwiderte mit Stellungnahme vom 07.01.2010, es träfe zu, dass das Merkblatt zur BK-Nr.1103 aus dem Jahre 1981 stamme. Es würden aber keine neueren Erkenntnisse vorliegen.In diesem Merkblatt heiße es: "In seinen Verbindungen tritt Chrom hauptsächlich III- und VI-wertig auf. Weniger stabile Verbindungen des II-, IV- und
V-wertigen Chroms sind bekannt. Gesundheitsschäden durch metallisches Chrom und seine Legierungen (z.B. Ferrochrom) sind nicht bekannt. Chrom-III-Verbindungen wie z.B. Cr2O3 und Chromsulphate sind wenig gesundheitsschädlich und verursachen im Allgemeinen keine akuten oder chronischen Vergiftungen. Für eine krebserzeugende Wirkung liegen keine Anhaltspunkte vor. Erfahrungsberichte über schädigende Wirkungen von II-, IV- und V-wertigen Chromverbindungen beim Menschen liegen nicht vor. Sowohl technisch als arbeitsmedizinischtoxikologisch kommt den Chrom-VI-Verbindungen die größte Bedeutung zu." - Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten habe der Kläger von Januar 2000 bis August 2005 keinen Kontakt zu Chrom-Ill- und/oder Chrom-VI-Verbindungen gehabt. Somit sei das Sozialgericht Augsburg zu Recht davon ausgegangen, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen scheitere. - Die Möglichkeit, dass auch eine Exposition gegenüber Chromstaub zu Gesundheitsschäden führe und möglicherweise es zu entsprechenden Ablagerungen von Chrom in der Niere komme, genüge nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweismaßstäben nicht. Im Prinzip gelte dies auch für die Nasennebenhöhlenerkrankung des Klägers. Hierbei sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Kläger bereits vor seiner Lehrzeit als Stahlbauschlosser an einer chronisch-polypösen Sinusitis gelitten habe (vgl. Befundbericht des Dr.G. vom 22.11.2007) und in der Folge sechs Nasenoperationen wegen der Polyposis durchgeführt worden seien.
Auf Anfrage der Beklagten hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
als Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand mitgeteilt, dass neue gesicherte medizinisch-wissen-schaftliche Erkenntnisse nicht bekannt seien, dass die Personengruppe, die berufsbedingt der Exposition gegenüber Chrom ausgesetzt sei, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einem Urothelkarzinom leide. Der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe sich nach Kenntnis der DGUV bisher nicht mit dieser Thematik befasst; entsprechende Beratungen seien ihres Wissens auch derzeit nicht geplant.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unter dem 20.04.2010 bestätigt, dass die Fragestellung der Verursachung der genannten Erkrankungen durch die berufliche Einwirkung von Chromstaub bisher nicht geprüft worden sei und eine Prüfung auch nicht beabsichtigt sei. Insoweit würden dem BMA keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VI vorliegen. Darüber, ob in der gesamten nationalen oder internationalen Wissenschaft derartige Erkenntnisse vorliegen würden, sei eine Aussage nicht möglich.
Nach Erörterung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 28.04.2010 hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 11.06.2010 nochmals zur Exposition des Klägers mit Chrom-III- und Chrom-VI-Verbindungen Stellung genommen. Darin sind die Messergebnisse der Messung vom 22.11.2006 bestätigt worden. Für Chrom-III-Verbindungen existiere kein Messverfahren, da Grenzwerte für diese Chrom-Verbindungen nicht festgelegt worden seien. Die Messwerte für Chrom-VI-Verbindungen würden sowohl mit betriebener Absaugung als auch ohne Betrieb der Absaugung unterhalb der Bestimmungsgrenze des Messverfahrens in Höhe von 0,002 mg/m³ liegen. Somit sei zu Chrom-lII-Verbindungen messtechnisch keine Aussage möglich; anhand der beiden jeweils personenbezogen durchgeführten Messungen würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beim Galvanisieren der abgeschliffenen Stangen mit dem Selectron-Verfahren eine Exposition des Klägers gegenüber Chrom-VI-Verbindungen während seiner Beschäftigungsdauer an diesem Arbeitsplatz vorgelegen habe.
Die Bevollmächtigten des Klägers wiesen mit Schriftsatz vom 16.08.2010 nochmals darauf hin, dass es an dem Arbeitsplatz des Klägers keine Absauganlage gegeben habe; diese sei erst nach der Erkrankung des Klägers installiert worden. Der Kläger habe bereits damals unter Schwindelanfällen und Nasenbluten am Arbeitsplatz gelitten.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr.W. mit arbeitsmedizinischer Stellungnahme vom 28.09.2010 die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben ausgewertet,
die der Beklagten bis dahin nicht vorgelegen haben. Danach ergebe sich keine Grundlage, den Nierenkrebs des Klägers als Berufskrankheit nach der Ziffer 1103 der BKV anzuerkennen, weder nach arbeitsmedizinisch-toxikologischen Erfahrungen noch nach theoretischen Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbindungen im menschlichen Körper. Im konkreten Fall des Klägers habe ohnehin nur eine frühere geringe Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbindungen vorgelegen und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Tumorerkrankung nur eine Exposition gegenüber metallischem nicht VI-wertigem Chrom. Zusätzlich sei aufzuführen, dass die Latenzzeit zwischen Anfang der Tätigkeit bei der Firma A. Hydraulik und Eintritt der Tumorerkrankung zu kurz wäre, um überhaupt eine Kanzerogenese in diesem Zeitraum wahrscheinlich zu machen.
Die Bevollmächtigten des Klägers legten mit Schriftsatz vom 14.01.2011 im Internet recherchierte Beiträge vor, nach denen Personen gefährdet seien, die in Färbereien, Gerbereien oder in der Galvanik arbeiten würden. Hierbei würden Partikel von Chromstaub in der Luft schwirren, die man im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit einatme. Chrom lagere sich nach langjähriger hoher Einnahme vor allem in Organen wie Lunge, Milz, Leber, Niere und Herz ab, komme aber auch vermehrt in Knochen, Fett und Muskeln vor. Auch durch das Einatmen von Chromstaub könne eine Chromvergiftung entstehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2011 stellt die Bevollmächtigte des Klägers
die Anträge aus dem Schriftsatz vom 23.11.2009:
Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.05.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen Nierenkrebs und chronische Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit anzuerkennen und Entschädigungsleistungen hierfür zu erbringen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom
03.07.2009,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom
06.05.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten, die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 mit Urteil vom 06.05.2009 zutreffend abgewiesen. Weder das Urothelkarzinom links noch die chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden des Klägers sind als Berufskrankheit (BK) nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter
infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr.1103 auch Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen (Bekanntmachung des BMA vom 25.02.1981, BArbBI.1981, HA S.54).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000
- B 2 U 29/99 R).
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung
ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für eine Berufskrankheit anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhang ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalitätszusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist daran festzuhalten, dass bei dem Kläger
bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr.1103 nicht gegeben sind. Denn der Präventionsdienst der Beklagten hat unter dem 11.06.2010 schlüssig und überzeugend die Messergebnisse der Messung vom 22.11.2006 bestätigt. Danach besteht für Chrom-lII-Verbindungen kein Messverfahren,
weil Grenzwerte für diese Chrom-Verbindungen nicht festgelegt sind. Hinsichtlich der Messwerte für Chrom-VI-Verbindungen liegen die Messwerte sowohl mit betriebener Absaugung als auch ohne Betrieb der Absaugung unterhalb der Bestimmungsgrenze des Messverfahrens in Höhe von 0,002 mg/m³. Somit liegen anhand der beiden jeweils personenbezogenen durchgeführten Messungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass beim Galvanisieren der abgeschliffenen Pleuelstangen mit dem Selectron-Verfahren eine Exposition des Klägers gegenüber Chrom-VI-Verbindungen während seiner Beschäftigungsdauer an diesem Arbeitsplatz vorgelegen hat. Das Urothelkarzinom links des Klägers kann somit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dieser im Rahmen seiner Lehrzeit beim Schweißen in geringem Umfang einer Chrombelastung ausgesetzt gewesen ist, nicht als BK nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV anerkannt werden.
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht erforderlich gewesen, den angebotenen Zeugen D. S. einzuvernehmen, weil die Situation am Arbeitsplatz des Klägers von dem Präventionsdienst der Beklagten mit und ohne Betrieb der Absauganlage geprüft worden ist.
Soweit die Bevollmächtigten des Klägers im Internet recherchierte Aufsätze vorgelegt haben, die auf die grundsätzlich bestehenden Gefahren einer Chromexposition hinweisen,
ist dies nicht anspruchsbegründend. Denn die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist nicht ausreichend, um im konkreten Fall des Klägers Leistungen nach dem
SGB VII zusprechen zu können.
Im Übrigen haben sowohl die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand mit Nachricht vom 08.04.2010 als auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 20.04.2010 bestätigt, dass insoweit keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII vorliegen Die Fragestellung der Verursachung der genannten Erkrankungen durch die berufliche Einwirkung von Chromstaub ist bisher nicht geprüft worden, und eine Prüfung ist auch nicht beabsichtigt.
Unabhängig von den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen hat Dr.W. mit arbeitsmedizinischer Stellungnahme vom 28.09.2010 nach Auswertung der Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass sich keine Grundlage dafür ergibt, den Nierenkrebs des Klägers als Berufskrankheit nach der Ziffer 1103 der BKV anzuerkennen. Weder die arbeitsmedizinisch-toxikologische Erfahrung noch theoretische Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbin-dungen im menschlichen Körper können einen Zusammenhang zwischen chronischer Chrombelastung und Nierenkrebs auch nur annähernd möglich erscheinen lassen. Im konkreten Fall des Klägers hat ohnehin nur eine frühere geringe Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbindungen vorgelegen und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Tumorerkrankung nur eine Exposition gegenüber metallischem nicht VI-wertigem Chrom. Zusätzlich ist aufzuführen, dass die Latenzzeit zwischen Anfang der Tätigkeit bei der Firma A. Hydraulik und Eintritt der Tumorerkrankung zu kurz wäre, um überhaupt eine Kanzerogenese in diesem Zeitraum wahrscheinlich zu machen.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Dr.W. vollinhaltlich an und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger auch anderen Noxen ausgesetzt gewesen ist. Dr.M. hat in seinem Befundbericht vom 17.10.2005 darauf hingewiesen, dass Rauchen als ein gewichtiger Risikofaktor bei der Entstehung dieser Krebserkrankung in Betracht zu ziehen ist. Die behandelnde Allgemeinärztin Dr.B. hat mit Befundbericht vom 31.07.2006 bestätigt, dass der Kläger ca. eine Schachtel Zigaretten pro Tag raucht. Unabhängig von den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen besteht somit aus arbeitsmedizinischer Sicht auch eine mögliche gravierende Konkurrenzursache für die Entstehung des Urothelkarzinoms des Klägers.
Auch die bei dem Kläger vorliegenden chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden
können einer Exposition durch Chrom oder seinen Verbindungen nicht angelastet werden. Denn der Kläger, der aktenkundig seine Lehre zum Stahlbauschlosser in den Jahren 1986 bis 1989 bei der Firma K. A. in A-Stadt absolviert hat, hat ausweislich des Attestes des Dr.G. vom 22.11.2007 bereits mindestens seit 1985 (also vor Antritt seiner Lehrzeit) an einer chronisch-polyposen Sinusitis gelitten, die zwischenzeitlich eine sechsmalige Nasennebenhöhlenoperation erforderlich gemacht hat. Diese Erkrankung ist somit schicksalshaft entstanden und kann der Exposition mit Chromstäuben bei der Firma A. Hydraulik ab Januar 2000 nicht ursächlich angelastet werden, insbesondere nicht dem dort durchgeführten Selectron-Verfahren.
Der Senat verkennt nicht, dass es entsprechend dem glaubhaften Vorbringen des Klägers dort während Ausübung dieser Tätigkeit zu Schwindelsensationen und vor allem Nasenbluten gekommen ist. Ein zeitlicher Zusammenhang ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne des sozialrechtlich-unfallrechtlich erforderlichen Kausalitätszusammenhangs.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.05.2009 ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Urothelkarzinoms und chronischer Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der Kläger ist 1969 geboren. Er hat in der Zeit zwischen 1986 und 1989 eine Lehre als Stahlbauschlosser absolviert. Anschließend ist er als CNC-Maschinenführer, Teileeinleger, Schweißer und Elektroinstallateur beschäftigt gewesen. Seit Januar 2002 ist er als Metallarbeiter bei der Firma A. Hydraulik in A-Stadt tätig gewesen. Dort hat er im sogenannten Selctron-Verfahren Pleuelstangen bearbeitet. Dabei ist die Oberfläche (Chromschicht) abgeschliffen worden. Anschließend ist die betreffende Stelle galvanisch in mehreren Tauchbädern gereinigt und ausbessert worden. In der Folge ist die Pleuelstange an der betreffenden Stelle erforderlichenfalls nochmals abgeschliffen worden. Eine Absauganlage ist in der Firma A. Hydraulik A-Stadt erst im Jahr 2006 installiert worden, obwohl der Kläger dies schon Jahre zuvor bemängelt hat.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 28.11.2007 beantragt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Der Kläger führe die bei ihm aufgetretene Nierentumorerkrankung auf die Belastung mit Chrom zurück, weil bis zu 80 % der Chrombelastung über die Niere ausgeschieden werde. Außerdem hat der behandelnde Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. G. unter dem 22.11.2007 bestätigt, dass bei dem Kläger seit mindestens 1985 eine chronisch-polypöse Sinusitis bestehe, die sich nicht wesentlich gebessert habe, weil der Kläger seit dem Jahr 2001 Metallstäuben bzw. Metallspänen ausgesetzt gewesen sei.
Die Beklagte hat die medizinischen Unterlagen beigezogen, die in dem frühern Verfahren auf Anerkennung der Berufskrankheiten nach den Nrn.1301 und 1302 der Anlage 1 zur BKV bzw. auf Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs.2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) eingeholt worden sind. Dort hat der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 07.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Das Verfahren S 3 U 222/07 ist erfolglos geblieben. Den dortigen medizinischen Unterlagen ist zu entnehmen, dass dem Kläger die linke Niere aufgrund eines Urothelkarzinoms entfernt worden ist und dieser seit Jahren an einer chronischen Rhinitis leidet. Dr.M. (Chefarzt des Klinikums A-Stadt) hat mit Befundbericht vom 17.10.2005 den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der beruflichen Belastung mit diversen Schadstoffen und der Tumorerkrankung geäußert. Er hat dem Kläger deshalb empfohlen, sämtliche Risikofaktoren zu vermeiden, u.a. auch nicht mehr zu rauchen.
Der Präventionsdienst der Beklagten hat mit Stellungnahme vom 11.01.2008 darauf
hingewiesen, dass beim Schleifen verchromter Bauteile keine Chrom-Ill- oder Chrom-VI-Verbindungen entstünden. Zwar bestehe eine Exposition gegenüber Chromstaub. Grenzwerte für metallisches Chrom seien jedoch nicht festgelegt worden. Der Gewerbearzt
Dr.K. hat in seiner Stellungnahme vom 13.02.2008 der Auffassung des Technischen Aufsichtsdienstes zugestimmt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen würden.
Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 eine Entschädigung aus Anlass der Nierentumorerkrankung sowie der chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden abgelehnt.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Augsburg
die Akten der Beklagten beigezogen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Klagebegründung vom 04.11.2008 hervorgehoben, Ziel der Klage sei sowohl die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage zur BKV als auch einer Wie-BK nach § 9 Abs.2 SGB VII. Durch Dämpfe, die im Zuge des Selectron-Verfahrens aufgetreten seien, sei es des Öfteren zu Nasenbluten und Schwindelattacken gekommen. Eine Lüftungs- und Absauganlage sei erst nach der Tumorerkrankung des Klägers im Frühjahr 2006 installiert worden. Außerdem sei der Kläger über Sicherheitsvorkehrungen nur unzureichend informiert worden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16.12.2008 darauf hingewiesen, dass keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse bestünden, dass Chromstaub
eine Nierenkrebserkrankung oder eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung verursachen würde. Der Kläger sei zwar im Rahmen seiner Ausbildung beim Schweißen von
Lehrstücken in geringem Umfang mit Chrom-VI-Verbindungen in Berührung gekommen.
Aufgrund des geringen Umfangs der Einwirkungen sei jedoch nicht davon auszugehen, dass er in deutlich höherem Maße einer Schadstoffbelastung ausgesetzt gewesen sei als die übrige Bevölkerung. Es lägen damit weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 BKV vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2009 haben die Bevollmächtigten des Klägers das HNO-ärztliche Attest des Dr.G. vom 29.04.2009 vorgelegt. Dort hat der behandelnde HNO-Arzt bestätigt, dass er bei dem Kläger bei einer Routineuntersuchung am 07.11.2007 eine Nasenseptumperforation in der Regio 11 diagnostiziert habe.
Nach richterlichem Hinweis, dass die Wie-BK bereits Gegenstand des Klageverfahrens
S 3 U 222/07 gewesen sei, haben die Bevollmächtigten des Klägers nur noch beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2008 zu verurteilen, bei ihm ein Urothelkarzinom und chronische Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit nach der Nr.1103 der
Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 06.05.2009 abgewiesen. Bei dem Kläger seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Dies folge aus der schlüssigen Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 11.01.2008. Im Rahmen des Selectron-Verfahrens würden beim Schleifen der Pleuelstangen keine gesundheitsschädigenden Chrom-III- oder ChromVI-Verbindungen freigesetzt. Insofern sei der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Metallarbeiter bei der Firma A. Hydraulik keiner besonderen gesundheitsgefährdenden Einwirkung durch Chrom oder seine Verbindungen ausgesetzt gewesen bzw. ausgesetzt. Die von dem Kläger geltend gemachte Chromstaubbelastung hingegen würde nicht genügen, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu begründen. Nach dem vom Bundesministerium für Arbeit (BMA) herausgegebenen Merkblatt zu Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV (Bekanntmachung des BMA vom 25.02.1981, BArbBl.4/1981) seien Gesundheitsschäden durch metallisches Chrom und seine Legierungen nicht bekannt. Es bestünden demnach keine Grenzwerte für die Konzentration von metallischem Chrom in der Luft, die beachtet und eingehalten werden müssten. Im Übrigen habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.12.2008 zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger während seiner Lehrzeit beim Schweißen von Lehrstücken nur einer sehr geringen Chrombelastung ausgesetzt gewesen sei, welche sich nicht deutlich von der übrigen Bevölkerung unterschieden habe.
Unabhängig davon seien nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft (u.a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 7. Auflage, S.1147, 1171 und 1302) die medizinischen Anforderungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben. Es sei nicht bekannt, dass Chrom oder seine Verbindungen Urothelkarzinome verursachten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass durch die toxische Wirkung von Chrom und seinen Verbindungen, insbesondere der sechswertigen Verbindungen nur bösartige Atemwegstumore im Bereich des Nasenraums und der Lunge entstehen könnten. Angesichts der jahrelangen Raucherbiographie des Klägers bestehe eine gravierende Konkurrenzursache für die Entstehung des Urothelkarzinoms. Denn Rauchen sei ein gewichtiger Risikofaktor bei der Entstehung dieser Krebserkrankung, worauf auch der behandelnde Arzt Dr.M. in seinem Befundbericht vom 17.10.2005 hingewiesen habe. Nachdem der Kläger bereits ab 1985 vor seiner Lehre als Stahlbauschlosser an einer chronischen polypösen Sinusitis gelitten habe, wie dies der Befundbericht des HNO-Arztes Dr.G. vom 22.11.2007 belege, sei unabhängig vom fehlenden Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erkennbar, dass die berufliche Exposition wesentliche Bedingung für die Nasennebenhöhlenbeschwerden gewesen sei, die sich trotz mehrfacher Nasennebenhöhlenoperationen nicht wesentlich gebessert hätten.
Die nunmehrigen Bevollmächtigten des Klägers legten mit Telefax vom 12.06.2009 form- und fristgerecht Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten, die Schwerbehinderten-
Akten des ZBFS Region Schwaben sowie die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen.
Nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) ist unabhängig von der Ursache anfänglich ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen der Nierenerkrankung links (in Heilungsbewährung) festgestellt worden, später in Berücksichtigung einer seelischen Störung ein GdB von 60 und zuletzt nach Eintritt der Heilungsbewährung ein GdB von 30.
Hinsichtlich der chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden enthalten die Schwerbehindertenakten des ZBFS Region Schwaben keine Unterlagen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Berufungsbegründung vom 23.11.2009
hervorgehoben, dass der Kläger ab Anfang 2000 bei der Firma A. Hydraulik in Vollzeit beschäftigt gewesen ist. Nach seiner Einstellung als Dreher habe er für einen erkrankten Kollegen die Reparatur von Pleuelstangen im sogenannten Selectron-Verfahren übernommen. Im Jahr 2000 habe der Kläger ca. drei Stunden pro Tag mit diesem Verfahren gearbeitet; ab dem Jahr 2001 habe sich diese Tätigkeit erheblich gesteigert; zuletzt habe der Kläger im Minimum täglich vier bis fünf Stunden mit dem Selectron-Verfahren gearbeitet. Für diese Arbeiten seien keine Sicherheitsbestimmungen benannt bzw. eingehalten und auch keine gesundheitlichen Untersuchungen durchgeführt worden. Bereits ca. zweieinhalb Jahre vor Auftreten seiner Tumorerkrankung habe der Kläger die Geschäftsleitung auf diese mangelnden Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen. Erst nach Bekanntwerden der Erkrankung des Klägers seien durch den Arbeitgeber die entsprechenden Schutzmaßnahmen ergriffen worden. Pro Tag habe der Kläger mit dem Selectron-Verfahren
ca. zehn Stangen mit Chrom behandelt, also etwa 40 bis 50 Löcher pro Tag bearbeitet. Hierbei habe der Kläger den gesamten Staub der Tätigkeit einatmen müssen. Auch wenn der Kläger bereits seit Jahren an einer chronischen Rhinits leide, habe sich diese jedoch im Laufe der Tätigkeit mit dem Selectron-Verfahren massiv verschlimmert. Wenn sich die Beklagte auf das Merkblatt von 1981 stütze, entspräche dies nicht mehr aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu krankhaften Veränderungen nach Exposition gegenüber Chrom und chromhaltigen Verbindungen häufig im Bereich der Nasennebenhöhlen wie auch z.B. Nasenseptumperforationen. Hiervon seien vor allem Galvanikarbeiter, Metallarbeiter und Metalloberflächenbearbeiter betroffen. Für die Arbeitsbedingungen des Klägers an seinem Arbeitsplatz könne Herr D. S. als Zeuge benannt werden.
Die Beklagte erwiderte mit Stellungnahme vom 07.01.2010, es träfe zu, dass das Merkblatt zur BK-Nr.1103 aus dem Jahre 1981 stamme. Es würden aber keine neueren Erkenntnisse vorliegen.In diesem Merkblatt heiße es: "In seinen Verbindungen tritt Chrom hauptsächlich III- und VI-wertig auf. Weniger stabile Verbindungen des II-, IV- und
V-wertigen Chroms sind bekannt. Gesundheitsschäden durch metallisches Chrom und seine Legierungen (z.B. Ferrochrom) sind nicht bekannt. Chrom-III-Verbindungen wie z.B. Cr2O3 und Chromsulphate sind wenig gesundheitsschädlich und verursachen im Allgemeinen keine akuten oder chronischen Vergiftungen. Für eine krebserzeugende Wirkung liegen keine Anhaltspunkte vor. Erfahrungsberichte über schädigende Wirkungen von II-, IV- und V-wertigen Chromverbindungen beim Menschen liegen nicht vor. Sowohl technisch als arbeitsmedizinischtoxikologisch kommt den Chrom-VI-Verbindungen die größte Bedeutung zu." - Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten habe der Kläger von Januar 2000 bis August 2005 keinen Kontakt zu Chrom-Ill- und/oder Chrom-VI-Verbindungen gehabt. Somit sei das Sozialgericht Augsburg zu Recht davon ausgegangen, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen scheitere. - Die Möglichkeit, dass auch eine Exposition gegenüber Chromstaub zu Gesundheitsschäden führe und möglicherweise es zu entsprechenden Ablagerungen von Chrom in der Niere komme, genüge nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweismaßstäben nicht. Im Prinzip gelte dies auch für die Nasennebenhöhlenerkrankung des Klägers. Hierbei sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Kläger bereits vor seiner Lehrzeit als Stahlbauschlosser an einer chronisch-polypösen Sinusitis gelitten habe (vgl. Befundbericht des Dr.G. vom 22.11.2007) und in der Folge sechs Nasenoperationen wegen der Polyposis durchgeführt worden seien.
Auf Anfrage der Beklagten hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
als Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand mitgeteilt, dass neue gesicherte medizinisch-wissen-schaftliche Erkenntnisse nicht bekannt seien, dass die Personengruppe, die berufsbedingt der Exposition gegenüber Chrom ausgesetzt sei, in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einem Urothelkarzinom leide. Der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe sich nach Kenntnis der DGUV bisher nicht mit dieser Thematik befasst; entsprechende Beratungen seien ihres Wissens auch derzeit nicht geplant.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unter dem 20.04.2010 bestätigt, dass die Fragestellung der Verursachung der genannten Erkrankungen durch die berufliche Einwirkung von Chromstaub bisher nicht geprüft worden sei und eine Prüfung auch nicht beabsichtigt sei. Insoweit würden dem BMA keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VI vorliegen. Darüber, ob in der gesamten nationalen oder internationalen Wissenschaft derartige Erkenntnisse vorliegen würden, sei eine Aussage nicht möglich.
Nach Erörterung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 28.04.2010 hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 11.06.2010 nochmals zur Exposition des Klägers mit Chrom-III- und Chrom-VI-Verbindungen Stellung genommen. Darin sind die Messergebnisse der Messung vom 22.11.2006 bestätigt worden. Für Chrom-III-Verbindungen existiere kein Messverfahren, da Grenzwerte für diese Chrom-Verbindungen nicht festgelegt worden seien. Die Messwerte für Chrom-VI-Verbindungen würden sowohl mit betriebener Absaugung als auch ohne Betrieb der Absaugung unterhalb der Bestimmungsgrenze des Messverfahrens in Höhe von 0,002 mg/m³ liegen. Somit sei zu Chrom-lII-Verbindungen messtechnisch keine Aussage möglich; anhand der beiden jeweils personenbezogen durchgeführten Messungen würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beim Galvanisieren der abgeschliffenen Stangen mit dem Selectron-Verfahren eine Exposition des Klägers gegenüber Chrom-VI-Verbindungen während seiner Beschäftigungsdauer an diesem Arbeitsplatz vorgelegen habe.
Die Bevollmächtigten des Klägers wiesen mit Schriftsatz vom 16.08.2010 nochmals darauf hin, dass es an dem Arbeitsplatz des Klägers keine Absauganlage gegeben habe; diese sei erst nach der Erkrankung des Klägers installiert worden. Der Kläger habe bereits damals unter Schwindelanfällen und Nasenbluten am Arbeitsplatz gelitten.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr.W. mit arbeitsmedizinischer Stellungnahme vom 28.09.2010 die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben ausgewertet,
die der Beklagten bis dahin nicht vorgelegen haben. Danach ergebe sich keine Grundlage, den Nierenkrebs des Klägers als Berufskrankheit nach der Ziffer 1103 der BKV anzuerkennen, weder nach arbeitsmedizinisch-toxikologischen Erfahrungen noch nach theoretischen Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbindungen im menschlichen Körper. Im konkreten Fall des Klägers habe ohnehin nur eine frühere geringe Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbindungen vorgelegen und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Tumorerkrankung nur eine Exposition gegenüber metallischem nicht VI-wertigem Chrom. Zusätzlich sei aufzuführen, dass die Latenzzeit zwischen Anfang der Tätigkeit bei der Firma A. Hydraulik und Eintritt der Tumorerkrankung zu kurz wäre, um überhaupt eine Kanzerogenese in diesem Zeitraum wahrscheinlich zu machen.
Die Bevollmächtigten des Klägers legten mit Schriftsatz vom 14.01.2011 im Internet recherchierte Beiträge vor, nach denen Personen gefährdet seien, die in Färbereien, Gerbereien oder in der Galvanik arbeiten würden. Hierbei würden Partikel von Chromstaub in der Luft schwirren, die man im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit einatme. Chrom lagere sich nach langjähriger hoher Einnahme vor allem in Organen wie Lunge, Milz, Leber, Niere und Herz ab, komme aber auch vermehrt in Knochen, Fett und Muskeln vor. Auch durch das Einatmen von Chromstaub könne eine Chromvergiftung entstehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2011 stellt die Bevollmächtigte des Klägers
die Anträge aus dem Schriftsatz vom 23.11.2009:
Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.05.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen Nierenkrebs und chronische Nasennebenhöhlenbeschwerden als Berufskrankheit anzuerkennen und Entschädigungsleistungen hierfür zu erbringen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom
03.07.2009,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom
06.05.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten, die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 mit Urteil vom 06.05.2009 zutreffend abgewiesen. Weder das Urothelkarzinom links noch die chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden des Klägers sind als Berufskrankheit (BK) nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter
infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr.1103 auch Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen (Bekanntmachung des BMA vom 25.02.1981, BArbBI.1981, HA S.54).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000
- B 2 U 29/99 R).
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung
ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für eine Berufskrankheit anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhang ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalitätszusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1 mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist daran festzuhalten, dass bei dem Kläger
bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr.1103 nicht gegeben sind. Denn der Präventionsdienst der Beklagten hat unter dem 11.06.2010 schlüssig und überzeugend die Messergebnisse der Messung vom 22.11.2006 bestätigt. Danach besteht für Chrom-lII-Verbindungen kein Messverfahren,
weil Grenzwerte für diese Chrom-Verbindungen nicht festgelegt sind. Hinsichtlich der Messwerte für Chrom-VI-Verbindungen liegen die Messwerte sowohl mit betriebener Absaugung als auch ohne Betrieb der Absaugung unterhalb der Bestimmungsgrenze des Messverfahrens in Höhe von 0,002 mg/m³. Somit liegen anhand der beiden jeweils personenbezogenen durchgeführten Messungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass beim Galvanisieren der abgeschliffenen Pleuelstangen mit dem Selectron-Verfahren eine Exposition des Klägers gegenüber Chrom-VI-Verbindungen während seiner Beschäftigungsdauer an diesem Arbeitsplatz vorgelegen hat. Das Urothelkarzinom links des Klägers kann somit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dieser im Rahmen seiner Lehrzeit beim Schweißen in geringem Umfang einer Chrombelastung ausgesetzt gewesen ist, nicht als BK nach der Nr.1103 der Anlage 1 zur BKV anerkannt werden.
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht erforderlich gewesen, den angebotenen Zeugen D. S. einzuvernehmen, weil die Situation am Arbeitsplatz des Klägers von dem Präventionsdienst der Beklagten mit und ohne Betrieb der Absauganlage geprüft worden ist.
Soweit die Bevollmächtigten des Klägers im Internet recherchierte Aufsätze vorgelegt haben, die auf die grundsätzlich bestehenden Gefahren einer Chromexposition hinweisen,
ist dies nicht anspruchsbegründend. Denn die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist nicht ausreichend, um im konkreten Fall des Klägers Leistungen nach dem
SGB VII zusprechen zu können.
Im Übrigen haben sowohl die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand mit Nachricht vom 08.04.2010 als auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 20.04.2010 bestätigt, dass insoweit keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII vorliegen Die Fragestellung der Verursachung der genannten Erkrankungen durch die berufliche Einwirkung von Chromstaub ist bisher nicht geprüft worden, und eine Prüfung ist auch nicht beabsichtigt.
Unabhängig von den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen hat Dr.W. mit arbeitsmedizinischer Stellungnahme vom 28.09.2010 nach Auswertung der Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Schwaben schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass sich keine Grundlage dafür ergibt, den Nierenkrebs des Klägers als Berufskrankheit nach der Ziffer 1103 der BKV anzuerkennen. Weder die arbeitsmedizinisch-toxikologische Erfahrung noch theoretische Überlegungen in Kenntnis der Kinetik von Chrom-VI-Verbin-dungen im menschlichen Körper können einen Zusammenhang zwischen chronischer Chrombelastung und Nierenkrebs auch nur annähernd möglich erscheinen lassen. Im konkreten Fall des Klägers hat ohnehin nur eine frühere geringe Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbindungen vorgelegen und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Tumorerkrankung nur eine Exposition gegenüber metallischem nicht VI-wertigem Chrom. Zusätzlich ist aufzuführen, dass die Latenzzeit zwischen Anfang der Tätigkeit bei der Firma A. Hydraulik und Eintritt der Tumorerkrankung zu kurz wäre, um überhaupt eine Kanzerogenese in diesem Zeitraum wahrscheinlich zu machen.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Dr.W. vollinhaltlich an und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger auch anderen Noxen ausgesetzt gewesen ist. Dr.M. hat in seinem Befundbericht vom 17.10.2005 darauf hingewiesen, dass Rauchen als ein gewichtiger Risikofaktor bei der Entstehung dieser Krebserkrankung in Betracht zu ziehen ist. Die behandelnde Allgemeinärztin Dr.B. hat mit Befundbericht vom 31.07.2006 bestätigt, dass der Kläger ca. eine Schachtel Zigaretten pro Tag raucht. Unabhängig von den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen besteht somit aus arbeitsmedizinischer Sicht auch eine mögliche gravierende Konkurrenzursache für die Entstehung des Urothelkarzinoms des Klägers.
Auch die bei dem Kläger vorliegenden chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden
können einer Exposition durch Chrom oder seinen Verbindungen nicht angelastet werden. Denn der Kläger, der aktenkundig seine Lehre zum Stahlbauschlosser in den Jahren 1986 bis 1989 bei der Firma K. A. in A-Stadt absolviert hat, hat ausweislich des Attestes des Dr.G. vom 22.11.2007 bereits mindestens seit 1985 (also vor Antritt seiner Lehrzeit) an einer chronisch-polyposen Sinusitis gelitten, die zwischenzeitlich eine sechsmalige Nasennebenhöhlenoperation erforderlich gemacht hat. Diese Erkrankung ist somit schicksalshaft entstanden und kann der Exposition mit Chromstäuben bei der Firma A. Hydraulik ab Januar 2000 nicht ursächlich angelastet werden, insbesondere nicht dem dort durchgeführten Selectron-Verfahren.
Der Senat verkennt nicht, dass es entsprechend dem glaubhaften Vorbringen des Klägers dort während Ausübung dieser Tätigkeit zu Schwindelsensationen und vor allem Nasenbluten gekommen ist. Ein zeitlicher Zusammenhang ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne des sozialrechtlich-unfallrechtlich erforderlichen Kausalitätszusammenhangs.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.05.2009 ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
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