L 17 U 109/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 5044/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 109/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 160/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als BK nach der Nr 5101 der Anlage zur BKV bei einem Landwirt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als Berufskrankheit (BK) nach der Nr 5101 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Am 14.02.1998 ging der Arztbericht des Hautarztes Dr.K. bei der Beklagten ein, wonach beim Kläger seit Mai 1997 eine Hauterkrankung am ganzen Körper, an den Beinen und am Rücken bestehe. Der Kläger habe beruflich Kontakt mit Rindern. Im Zeitraum vom 15.11.1999 bis 30.11.1999 hielt sich der Kläger stationär zur Behandlung in der P.-Klinik, Interdisziplinäres Therapiezentrum GmbH, Fachklinik für Dermatologie und Allergologie, auf. Trotz umfangreicher Labortests konnte laborchemisch keine Ursache für die urtikariellen Hautreaktionen gefunden werden. Aufgrund hausärztlicher Berichte vom 10.02.1998 und 16.12.1999 sowie eigener Besichtigung des Arbeitsplatzes und Untersuchung des Klägers am 01.03.2000 stellte der Gewerbearzt Dr.S. in seiner Stellungnahme vom 06.03.2000 fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hautkrankheit und der beruflichen Tätigkeit bisher nicht wahrscheinlich zu machen sei. In der P.-Klinik sei eine Sensibilisierung gegen Rinderepithelien nicht gesichert worden. Telefonisch teilte die Ehefrau des Klägers mit, dass im letzten Jahr im Skiurlaub in der Schweiz von Seiten der Haut bei ihrem Ehemann erstmals keine Beschwerden aufgetreten seien. Bei der Behandlung im Klinikum der Universität R., Klinik für Dermatologie, sei eine Allergie auf Milben festgestellt worden, insbesondere auf solche, die im Heu und in anderen Berufsstoffen der Landwirtschaft vorkämen.

Gestützt auf die Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr.G. vom 15.09.2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2001 die Anerkennung einer BK der Haut ab. Weder in der P.-Klinik noch in der Dermatologischen Universitätsklinik R. seien berufsspezifische Sensibilisierungen nachgewiesen worden, so dass eine beruflich bedingte Hauterkrankung im Sinne des Berufskrankheitenrechts nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Erstattung eines dermatologischen Gutachtens durch die Hautärztin Dr.S. vom 10.05.2003 - gestützt auch auf die Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr.G. vom 21.07.2002 - mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2002 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.09.2002 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen hat im Auftrag des SG Prof. Dr.D. nach ambulanter Untersuchung des Klägers gemäß § 106 SGG am 19.03.2003 ein Gutachten erstattet und darin die Auffassung vertreten, dass die Urtikaria als Folge einer Typ I-Sensi-bilisierung gegen Vorratsmilben nicht eindeutig gesichert werden könne. Anschließend hat auf Antrag des Klägers Prof. Dr.L. gemäß § 109 SGG am 30.10.2003 ein Gutachten erstattet und ist darin zur Beurteilung gelangt, dass die vom Kläger nach Art, Ausmaß und Dauer ausgeübte Tätigkeit eines Landwirts mit überwiegender Milchwirtschaft und Rinderzucht geeignet gewesen sei, eine allergische Rhinitis sowie zumindest eine Verschlimmerung der chronisch-rezidivierenden Urtikaria aufgrund einer beruflich erworbenen Typ I-Sensibilisierung auszulösen. Nachdem Dr.G. ein Gutachten nach Aktenlage vom 21.01.2004 erstattet und Prof.Dr.L. am 21.06.2004 und 15.02.2005, Dr.G. am 16.08.2004 und Prof.Dr.D. am 27.12.2004 ergänzend Stellung genommen hatten, hat im Auftrag des SG Prof. Dr.D. am 17.07.2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein Gutachten erstattet und darin die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit des Klägers als Landwirt mit vorwiegender Milchwirtschaft und Rinderzucht nicht geeignet sei, eine schwere Hauterkrankung nach der Nr 5101 BKV im Sinne einer rechtlich wesentlichen Kausalität zu verursachen. Zu dem vom Kläger übersandten Bericht der Dermatologischen Universitätsklinik R. vom 21.09.2005 sowie zum Schriftsatz des Klägers vom 15.11.2005 hat Prof. Dr.D. am 04.10.2005 und 01.12.2005 Stellung genommen.

Mit Urteil vom 25.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine BK nach der Nr 5101 liege nicht vor. Weder eine Typ I-Sensibilisierung gegen Vorratsmilben, noch gegen Rinderepithelien, noch gegen andere vom Kläger zu den Untersuchungen mitgebrachte Stoffe hätten gesichert werden können. Zum einen habe eine diagnostische Sicherung der Typ I-Sensibilisierung serologisch nicht erfolgen können. Die Typ I-Sensibilisierung gegen Vorratsmilben habe sich nur auf durchgeführte Prick-Testungen gestützt, die bei einer bestehenden Urtikaria factitia keinen diagnostischen Vollbeweis lieferten. Auch fehle es an den Begleitsymptomen, die zu erwarten gewesen wären, wenn eine Typ I-Sensibilisierung vorläge. Die vom Kläger geschilderten Augenbeschwerden wie Druckgefühl, Lichtempfindlichkeit und Brennen seien nicht klassisch für eine Typ I-Allergie. Andererseits fehle es an den typischen klinischen Symptomen einer Typ I-Allergie, nämlich: Rhinitis, Konjunktivitis und evtl. asthmatische Beschwerden. Schließlich hätte man auch erwarten müssen, dass nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Betätigung sofort eine Besserung eintreten würde. Tatsächlich sei es jedoch nur zu einer teilweisen Besserung gekommen. Beschwerdefreiheit bestehe erst seit September 2004, die Aufgabe der Landwirtschaft sei bereits im Dezember 2001 erfolgt. Auch die Tatsache, dass der Kläger bei längerer Abwesenheit von der landwirtschaftlichen Betriebsstätte teilweise beschwerdefrei gewesen sei (z.B. während des Urlaubs in der Schweiz), teilweise jedoch nicht beschwerdefrei gewesen sei (z.B. während des Aufenthalts in verschiedenen Kliniken), spreche gegen den geforderten Kausalzusammenhang. Dem gemäß § 109 SGG erstatteten medizinischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr.L. folge das SG nicht. Die Schlussfolgerung auf Bl. 37 des Gutachtens (bei einer Untersuchung von deutschen Landwirten hätten 36 % eine Sensibilisierung gegen Vorratsmilben aufgewiesen, somit sei vom Erwerb der Typ I-Sensibilisierung im Rahmen der landwirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen) sei unzulässig.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 16.03.2007 eingegangene Berufung des Klägers. Bereits im Mai 1997 habe der behandelnde Hautarzt, Dr.K., eine Hauterkrankung am ganzen Körper festgestellt, u.a. das allergenspezifische IgE gegen Rinderepithelien RAST-Klasse 2, der Befund sei allerdings in weiteren serologischen Untersuchungen nicht mehr bestätigt worden. Im Übrigen habe Dr.K. bei einer Intrakutan-Testung eine 1 - 2-fache positive Reaktion auf die Vorratsmilbe Lepidoglyphus destructor sowie eine chronisches Ekzem bei atrophischer Disposition und Urtikaria festgestellt. Im Folgenden seien verschieden Typ I- Sensibilisierungen verschiedener Art festgestellt worden. Das SG ziehe aus der Aussage des Dr.L. auf Bl. 36 des Gutachtens, wonach ein negatives Testergebnis eine Typ I-Sensibilisierung nicht ausschließe, eine falsche Schlussfolgerung. Entgegen der Auffassung des SG sei sehr wohl ein Vollbeweis hinsichtlich einer Typ I-Sensibilisierung geliefert. Die positiven Prick-Tests seien im Gutachten von Dr.S. bestätigt worden. Positiv von Frau Dr.S. sei auch der Schrotstaub von Gerste und Hafer, ein von ihm mitgebrachtes Testmaterial, gestestet worden. Die Untersuchung bei Dr.D. vom 19.07.2005 habe beim Prick-Test ebenfalls positive Reaktionen ausgelöst hinsichtlich der Hausstaubmilben Dermatophagoides farinae und Dermatophagoides pteronyssinus. Diesem Gutachten sei anzulasten, dass ein Test auf die eigentlich von Anfang an streitgegenständlichen Vorratsmilben nicht stattgefunden habe. Prof. Dr.L. weise bei seinem Ergänzungsgutachten vom 30.08.2006 sowie in seinen Stellungnahmen vom 15.07.2004 und 15.02.2005 ausdrücklich darauf hin, dass ein positiver Prick-Test trotz eines negativen spezifischen IgE, also Serumtests, wissenschaftlich denkbar und möglich sei und im Gutachten Dr.D. kein Prick-Test durchgeführt worden sei. Auch Frau Dr.S. habe den Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlichen Tätigkeit und der Urtikaria nicht vollständig ausgeschlossen, ebenso wie selbst Dr.G. am 23.02.2002 die Auffassung vertreten habe, dass sich die Hinweise darauf verdichteten, dass eine Hauterkrankung nach der Nr 5101 BKV und/oder eine allergische Rhinokonjunktivitis nach der Nr 4301 BKV vorliegen könnte. Entscheidend sei, dass eine Divergenz zwischen dem Prick-Test und dem IgE-Test immer wieder beobachtet werde (vgl. das Beispiel hinsichtlich des Penicillin, das Prof. Dr.L. auch aufführe) und deshalb das SG unzulässigerweise vom Nichtvorhandensein eines Vollbeweises ausgegangen sei. Weiter verwundere es, dass weder Prof. Dr.D. noch Prof. Dr.D. das positive Test-Ergebnis mit dem Nativmaterial (Schrotstaub) würdigten. Auch erscheine es unverständlich, dass seitens des SG der Verweis auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, nämlich dass 36 % der deutschen Landwirte eine Sensibilisierung gegenüber Vorratsmilben aufwiesen, unzulässig sein solle. Die Beklagte selbst weise in einem Artikel ihrer Mitgliederzeitschrift LSV aktuell darauf hin, dass mehr als 40 % aller gemeldeten BKen dem Bereich Atemwegserkrankungen oder Allergien angehörten. Natürlich könne durch Verweis auf wissenschaftliche Ergebnisse kein Vollbeweis geführt werden, allerdings unterstütze die wissenschaftliche Erkenntnis im Zusammenhang mit den anderen genannten Hinweisen positive Prick-Testung, Abweichung der Prick-Testung von der Serologie und Vorliegen entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse den im Berufskrankheitenrecht erforderlichen Beweisgrad, so dass von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, die ausreichend für das Vorliegen einer BK sei, ausgegangen werden müsse.

Entgegen der Auffassung des SG lägen auch die Begleitsymptome vor. Bei ihm hätten im Frühjahr 2000 die Augenbeschwerden mit Brennen, Juckreiz und Augendruck begonnen. Zu diesem Zeitpunkt seien auch der Fließschnupfen und die Atembeschwerden aufgetreten, überwiegend im Stall. Soweit auf das Gutachten von Prof. Dr.H. vom 31.05.2002 (Gutachten wurde zum Vorliegen einer BK Nr 4301 erstattet) verwiesen werde, sei hierzu auszuführen, dass die Austestung nach 30 Minuten wegen subjektiv empfundener Atemnotbeschwerden bei objektiv vorliegender Hyperventilation habe abgebrochen werden müssen. Auch Prof. Dr.L. würdige zu Recht die Rhinitis als BK. Bereits in der Meldung an die Beklagte durch die Dermatologische Klinik R. vom 06.06.2001 sei bei den Diagnosen die allergische Rhinokonjunktivitis bei Typ I- Sensibilisierung gegenüber Acarus siro, Lepidoglyphus destructor und Tyrophagus putrescentiae, Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae aufgeführt. Entgegen der Auffassung des SG lägen damit auch die Begleitsymptome vor.

Schließlich habe das SG das Vorliegen einer BK deshalb abgelehnt, weil nach Auffassung des SG und der Gutachter Dr.G., Dr.D. und Dr.D., eine sofortige Besserung nach Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebs hätte auftreten müssen. Tatsächlich sei es jedoch nur zu einer teilweisen Besserung gekommen, Beschwerdefreiheit bestehe erst seit September 2004 (vgl. Urteil des SG, S. 18c). Erwartet werden müssen hätte allerdings nach Auffassung der Gutachter eine vollständige Beschwerdefreiheit. Bereits im Erstgutachten vom 30.10.2003 weise Prof. Dr.L. auf S.42 darauf hin, dass sich die Allergene an Haaren, Kleidung und Gebrauchsgegenständen festsetzen könnten und so auch nach Verlassen des Stalles bzw. der Scheune noch eine Exposition möglich sei. Weiter weise er darauf hin, dass die Tatsache, dass sich die urtikaria nach Berufsaufgabe verbessert habe, im Umkehrschluss bedeute, dass die Exposition gegenüber den im landwirtschaftlichen Bereich vorhandenen Vorratsmilbenantigenen geeignet gewesen sei, die Urtikaria zu verschlimmern. Selbstverständlich habe er nicht mit Aufgabe der Landwirtschaft eine "Entkeimung" des Wohnhauses vorgenommen und nicht sämtliche Möbel, Sitzgelegenheiten und Bodenbeläge vernichtet und entfernt. Von daher lasse es sich selbstverständlich erklären, dass über den Dezember 2001 hinaus noch Restbeschwerden bei ihm vorgelegen hätten.

Hiergegen wendet die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.08.2007 - gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr.G. vom 30.07.2007 - insbesondere ein, dass sich die vom Kläger vorgebrachten Argumente im Rahmen des klinisch möglichen bewegten, aber nicht geeignet seien, einen Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung wahrscheinlich zu machen.

Anschließend hat der Direktor der Klink und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Techn. Universität M., Prof. Dr.R., nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 24.01.2008 gemäß § 106 SGG ein hautfachärztliches Gutachten erstattet und ist darin zusammenfassend zur Beurteilung gelangt, dass vom Erwerb der Typ I-Sensibilisierung gegenüber den 3 Vorratsmilbenarten im Rahmen der landwirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen sei. Das Sistieren der chronisch rezidivierenden Urtikaria während eines Hochgebirgsaufenthalts (im Hochgebirge sterben Milben ab) sowie die wiederholte Rückfälligkeit nach Arbeitsbeginn und Sistieren der Symptomatik nach Arbeitsaufgabe sprächen für einen sehr wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen der Typ I-Sensibilisierung auf Vorratsmilben und der chronisch rezidivierenden Urtikaria.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2008 trägt die Beklagte - gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage des Dr.G. vom 01.04.2008 - hiergegen insbesondere vor, dass die BK nach der Nr 4301 BKV nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sei. Das Gutachten des Prof. Dr.R. vermöge nicht zu überzeugen, zumal zu wesentlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK, z.B. dem Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit, keine näheren Angaben gemacht worden seien.

Im Auftrag des Senats hat anschließend gemäß § 106 SGG Prof. Dr.D., Stellv. Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Med. Hochschule D-Stadt, nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 12.12.2010 ein Gutachten erstattet und darin die Auffassung vertreten, dass es sich im vorliegenden Fall bei der chronisch rezidivierenden Urtikaria um keine berufsbedingte Erkrankung nach der Nr 5101 handele.

Hiergegen wendet der Kläger mit Schriftsatz vom 09.02.2011 insbesondere ein, dass die BK Nr 4301 zwar nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens sei, allerdings könne diese zur Begründung des Vorliegens einer BK mit herangezogen werden. Die BK 5101 sei verwandt mit der BK 4301, die Allergene, die sowohl die BK 4301 als auch die BK 5101 auslösten, seien die gleichen. An die Beweisanforderungen, insbesondere den Kausalitätsbegriff würden im Rahmen der Berufskrankheiten nach § 9 SGB VII die gleichen Anforderungen wie im Rahmen des Arbeitsunfalls, § 8 SGB VII, gestellt. Eine Konkurrenzursache werde allerdings in keinem der genannten Gutachten aufgeführt. Außerdem sei im Rahmen des Berufskrankheitenrechts § 9 Abs 3 SGB VII zu beachten, wonach eine Beweiserleichterung bzw. eine Beweisvermutung im Gesetz verankert sei. Exposition und Erkrankung seien beim ihm voll bewiesen. Es sei unstreitig, dass er an den Krankheiten gelitten habe, ebenso unstreitig sei, dass er als Landwirt bis zur Aufgabe des Betriebs derartigen Allergenen ausgesetzt gewesen sei. Konkurrenzursachen seien nicht ausfindig zu machen, so dass ihm bereits aus diesem Grund § 9 Abs 3 SGB VII zugute kommen müsste.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine "chronisch-rezidivierende Urtikaria" als Berufskrankheit nach der Nr 5101 nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2007 zurückzuweisen.

Der Senat hat 2 Band Akten der Beklagten sowie 2 Band Akten des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung des Klägers erweist sich jedoch nicht als begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG. Der Kläger hat auf Anregung des Senats seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach der Nr 5101 auf Anerkennung einer solchen beschränkt. Ein Antrag auf Zahlung einer Entschädigung wäre nämlich unzulässig, weil er auf ein unzulässiges unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der Entschädigung vollstreckungsfähigen Inhalt gerichtet wäre (BSG; Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 17/07 R, SozR 4 - 2700 § 8 Nr 28, Rn 8 mwN; BSG, Urteil vom 18.03.2008, B 2 U 2/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 6/06 R, SGb 2007, 748 mwN; BSG, Urteil vom 24.04.2011, B 2 U 23/09 R).

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 25.01.2007 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 1 SGG. Die Beklagte ist nicht nach § 9 Abs 1 SGB VII verpflichtet, eine "chronisch-rezidivierende Urtikaria" als BK nach der Nr 5101 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch finden nach § 212 SGB VII die ab 01.01.1997 geltenden Vorschriften des SGB VII Anwendung, weil die Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Dezember 2001 erfolgte und deshalb der Versicherungsfall frühestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten sein kann.

Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle neben Arbeitsunfällen auch Berufskrankheiten (BKen). BKen sind gemäß § 9 Abs 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet.

In der Nr 5101 der Anlage zur BKV hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates "schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können" als BK bezeichnet. Insoweit könnten auch natürliche Stoffe eine Gefahrenquelle sein, wie z.B. Mehle, Pflanzenbestandteile, Hölzer, Tierhaare usw.

Bei einer Listen-BK lassen sich im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o.ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität, s. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, Rn 12). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R, BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, jeweils Rn 15; BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils Rn 13 ff).

Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung mit der Bedingungstheorie als erstem und der wertenden Zurechnung als zweitem Prüfungsschritt. Kriterien für die Wesentlichkeit der nach der Bedingungstheorie als Ursache festgestellten Einwirkungen sind, wenn andere festgestellte konkurrierende Ursachen in Betracht kommen, Art und Ausmaß der Einwirkungen, die konkurrierenden Ursachen, das Krankheitsbild sowie die gesamte Krankengeschichte, so dass letztlich in der Regel eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R, SozR 4-2700 § 9 Nr 9 Rn 11 ff; vgl. zusammenfassend BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils Rn 13 ff). Entscheidungsbasis für die Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein (BSG, Urteil vom 09.05.2006 aaO Rn 25 ff; BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 5/05 R, BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, jeweils Rn 16 ff; BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R, aaO, Rn 16 f). Erforderlich ist aber jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006, aaO, Rn 20, 28 f, 39; BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R, aaO, Rn 22). Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. nur BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 5/05 R, aaO, jeweils Rn 14).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die beim Kläger vorliegende "chronisch-rezidivierende Urtikaria" nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Tätigkeit - weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung - verursacht worden ist. Dies ergibt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen medizinischen Befunde und ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere aufgrund des im Berufungsverfahren gemäß § 106 SGG eingeholten Gutachtens des ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.D., stellv. Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Med. Hochschule D-Stadt, vom 12.12.2010. Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt das vom SG gefundene Beweisergebnis. Gegen eine hinreichend wahrscheinliche berufsbedingte Verursachung der "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" im Sinne einer Entstehung oder einer richtunggebenden Verschlimmerung sprechen der niedrige Sensibilisierungsgrad der Typ I-Sensibilisierung, die fehlende respiratorische Begleitsymptomatik während der ersten drei Jahre, das Ergebnis des im Jahr 2007 durchgeführten Epikutantests und der initial intermittierende, noch stärker der protrahierte Verlauf nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit.

Zu Recht hat das SG im Urteil vom 25.01.2007 ausgeführt, dass trotz umfangreicher und wiederholter Testungen eine klinisch relevante Typ I-Sensibilisierung nicht eindeutig gesichert werden konnte. Weder eine Typ I-Sensibilisierung gegen Vorratsmilben, noch gegen Rinderepithelien, noch gegen andere vom Kläger zu den Untersuchungen mitgebrachte Stoffe konnte gesichert werden. Zum anderen konnte eine diagnostische Sicherung der Typ I-Sensibilisierung serologisch nicht erfolgen. Die Typ I-Sensibilisierung gegen Vorratsmilben hat sich nur auf durchgeführte Prick-Testungen gestützt, die bei einer bestehenden Urtikaria factitia - wie sowohl Frau Dr.S. in ihrem Gutachten vom 10.05.2005 als auch Prof. Dr.D. in seinem Gutachten vom 19.03.2003 zutreffend ausführen - keinen diagnostischen Vollbeweis begründen. Auch der vom Senat gemäß § 106 SGG gehörte ärztliche Sachverständige Prof. Dr.D. hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass während des gesamten Untersuchungszeitraums nur ein niedriger Sensibilierungsgrad bestanden hat. Wiederholt sind Haut-Prick-Testungen positiv gewesen, während der Nachweis von Allergen-spezifischen IgE-Antikörpern im Blut bei einem normalen Gesamt-IgE von etwa 70 ku/l mit einer sensitiven Messmethode (Immuno-CAP FEIA, Fa. Fadia zuletzt eingesetzt im Gutachten von Prof. R. 2007) nicht möglich war.

Gegen die Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als berufsbedingter Erkrankung im Sinne der Nr 5101 der Anlage zur BKV spricht auch die Tatsache, dass - worauf Prof. Dr.D. zu Recht hinweist - der Versuch, eine Kontakturtikaria mit den genannten Allergenen im offenen Epikutantest auszulösen (s. Gutachten von Prof. Dr.R.; Testsubstanz: B. pteronyssinus, Acarus siro, Lepidoglyphus destructor, Tyrophagus putrescentiae, Kuhhaare), keine positive Reaktion während der Begutachtung durch Prof. R. im November und Dezember 2007 erbracht hat.

Dabei lässt der Senat dahingestellt bleiben, ob die Auffassung von Prof. Dr.D., es sei nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht etabliert, dass eine Urtikaria durch die Inhalation von Allergenen, die über den Respirationstrakt zunächst in die Blutbahn und dann in die Haut gelangen, ausgelöst werden könne, zutreffend ist, insbesondere dem medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand entspricht. Im Gegensatz hierzu geht Prof. Dr.R. in seinem Gutachten vom 21.01.2008 davon aus, dass es sehr wohl wissenschaftlich gesichert sei, dass eine chronisch-rezidivierende Urtikaria durch Inhalationsallergene ausgelöst und verschlimmert werden könne (S. 13 seines Gutachtens vom 21.01.2008). Auch wenn nämlich zu Gunsten des Klägers die Richtigkeit der Auffassung des Prof. Dr.R. unterstellt wird, spricht gegen eine hinreichend wahrscheinliche berufliche Verursachung auch die Tatsache, dass während der ersten 3 Jahre der Erkrankung die Urtikaria - worauf Prof. Dr.D. zu Recht hinweist - ohne zusätzliche respiratorische Symptomatik bestanden hat. Unter der Vorstellung, dass eingeatmete Allergene (Rinderepithelien oder Vorratsmilben) von klinischer Relevanz sind, hätte nach derzeitigem Kenntnisstand gleichzeitig oder der Hauterkrankung vorangehend eine allergische Rhinitis, wahrscheinlich sogar ein allergisches Asthma bestehen müssen. Insoweit berichtete der Kläger gegenüber Prof. Dr.H. anlässlich der Gutachtenserstellung vom 31.05.2002, dass er seit Anfang 2000 bei Aufenthalten im Stall unter Augendruck, Augentränen und Nasenlaufen leide. In der medizinischen Fachliteratur werden zwar - worauf Prof. Dr.D. zu Recht hinweist - wiederholt Patienten mit Urtikaria beschrieben, die gegenüber Milbenallergenen sensibilisiert gewesen sind und zum Teil - wie der Kläger im Zeitraum von 1997 bis 2000 - nicht unter respiratorischen Symptomen gelitten haben. In keinem Fall war in diesen Arbeiten jedoch die Auslösung einer Urtikaria durch inhalative Provokation gesichert, so dass es sich in den beschriebenen Fällen um das gleichzeitige Auftreten einer allergieunabhängigen Urtikaria bei klinisch irrelevanten (sog. stummen) Sensibilisierungen gehandelt haben kann (Numata 1979, Lodi 1990, Kaleskana 2004, Mahesch 2005).

In Übereinstimmung mit den ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.D., Frau Dr.S., Prof. Dr.D. und Prof. Dr.D. geht der Senat auch davon aus, dass der initial intermittierende Verlauf, noch stärker jedoch der protrahierte Verlauf nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit gegen die Triggerung der Urtikaria durch Inhalationsallergene des Arbeitsplatzes, gegenüber denen der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt kontinuierlich ausgesetzt war, sprechen. Die Arbeit im Stall ist Dezember 2001 aufgegeben worden, die Urtikaria war erst zwischen 2003 und 2004 komplett abgeheilt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unerheblich, dass er - wie er vorträgt - nicht mit Aufgabe der Landwirtschaft eine "Entkeimung" des Wohnhauses vorgenommen hat und nicht sämtliche Möbel, Sitzgelegenheiten und Bodenbeläge vernichtet und entfernt hat. Insoweit hat der Kläger einen Artikel in der Zeitschrift LSV aktuell, Heft Januar 2005, vorgelegt, wonach Allergene, die sich im Stoff, auf der Haut und in den Haaren sammelten, im Wohnbereich bis zu 15 Jahren in Polstern, Matzratzen und Teppichen überleben könnten. Der Senat folgt auch insoweit der Beurteilung des ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.D., als dieser in diesem Zusammenhang ausführt, dass eine Persistenz von Allergenen in der Wohnungsumgebung und Kleidung, die die Urtikaria in ausreichender Konzentration über einen Zeitraum von 3 Jahren hätten auslösen können, höchst unwahrscheinlich ist, dies vor allem vor dem Hintergrund des niedrigen Sensibilisierungsgrades und einer nur milden respiratorischen Symptomatik (langsames Abklingen der Rhinokonjunktivitis, kein Asthma) nach Aufgabe der Tätigkeit.

Der Senat vermag auch nicht der Argumentation des Klägers zu folgen, wonach die "chronisch-rezidivierende Urtikaria" eine berufsbedingte Erkrankung im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung sei, daher sei es nicht verwunderlich, dass auch nach Aufgabe der Tätigkeit noch eine Restsymptomatik vorhanden gewesen sei (s. auch Gutachten Prof. Dr.L. vom 15.07.2004). Voraussetzung hierfür wäre eine wesentliche Verstärkung vorberuflich schon festgestellter Hauterscheinungen (z.B. atopisches Handekzem) durch berufsbedingte toxisch-degenerative Einwirkungen (Schönberger/ Mehrtens/Valentin, aaO, S 869). Im vorliegenden Verfahren sind hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich.

Soweit der Kläger hiergegen einwendet, das Gutachten von Prof. Dr.D. sei nicht schlüssig, weil dieser in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass die Aufgabe der Tätigkeit und Umschulung in einen nicht gefährdenden Bereich medizinisch begründet gewesen sei, sind diese Einwendungen ohne rechtliche Relevanz. Denn einerseits beziehen sich die Ausführungen von Prof. Dr.D. auf die klinische Symptomatik einer Rhinokonjunktivitis, nicht aber auf die hier in Streit stehende Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria"; zum anderen lässt Prof. Dr.D. selbst offen, ob ein Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bestand. Diese Argumente sind lediglich für die Frage der Anerkennung einer Rhinokonjunktivitis als BK nach der Nr. 4301 der BKV, nicht aber für die hier streitentscheidende Frage der Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als BK nach der Nr 5101 relevant.

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung darauf verweist, dass Frau Dr.S. den Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlichen Tätigkeit und der Urtikaria nicht vollständig ausgeschlossen habe, verkennt er, dass es beim hier maßgeblichen Kausalitätsbegriff einer hinreichend wahrscheinlichen Verursachung nicht genügt, dass der Zusammenhang lediglich nicht ausgeschlossen werden kann oder möglich erscheint. Ebenso unbehelflich ist der Hinweis auf die Ausführungen des Dr.G. vom 23.02.2002, wonach dieser die Auffassung vertreten habe, dass sich die Hinweise darauf verdichteten, dass eine Hauterkrankung nach Nr 5101 BKV und/oder eine allergische Rhinokonjunktivitis nach 4301 BKV vorliegen könnten. Insoweit hat Dr.G. in seiner Stellungnahme vom 23.02.2002 ausgeführt, dass sich Hinweise auf eine Hauterkrankung und eine allergische Rhinokonjunktivitis (BK Nr 4301 BKV ?!) verdichten und deshalb lediglich weitere Ermittlungen (eine dermatologische und eine pneumologische Begutachtung) vorgeschlagen. Eine abschließende - für den vorliegenden Fall maßgebliche - Beurteilung hat Dr.G. nicht vorgenommen.

Dass eine Divergenz zwischen dem Prick-Test und dem IgE-Test immer wieder beobachtet worden ist (vgl. auch das Beispiel hinsichtlich Penicillin, das Prof. Dr.L. aufführt), begründet entgegen der Auffassung des Klägers nicht eine hinreichend wahrscheinliche berufsbedingte Verursachung der "chronisch-rezidivierenden Urtikaria", sondern hat lediglich die Konsequenz, dass von einem niedrigen Sensibilisierungsgrad auszugehen ist, was wiederum - wie bereits dargestellt - Bedeutung für die Bewertung des Beschwerdeverlaufs für die Zusammenhangsfrage hat.

Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Ausführungen von Prof. Dr.L. darauf verweist, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen 36 % der deutschen Landwirte an einer Sensibilisierung gegenüber Vorratsmilben litten, und die Beklagte selbst darauf hinweise, dass mehr als 40 % aller gemeldeten BKen den Bereich Atemwegserkrankungen oder Allergien angehörten, sind diese Fakten für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Denn einerseits sind sie nicht einzelfallbezogen, andererseits ist hier streitentscheidend die Frage einer berufsbedingten Verursachung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria".

Der Einwand des Klägers, Begleitsymptome, die einer Typ I-Sensibilisierung entsprechen, seien entgegen der Auffassung des SG vorhanden gewesen, ist unerheblich, denn der Senat geht insoweit zugunsten des Klägers von einer niedrigen Typ I-Sensibilisierung aus. Jedenfalls können mögliche Gründe für die Anerkennung einer BK Nr 4301 nicht die bereits dargestellten Gründe entkräften, die gegen eine hinreichend wahrscheinliche berufsbedingte Verursachung der "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" sprechen. Im Übrigen waren rhinitische Beschwerden im nasalen Provokationstest mit Berufsstoffen anlässlich der Gutachtenserstellung durch Prof. H. im Jahr 2002 nicht auslösbar, was gegen einen ursächlichen Zusammenhang beruflich erworbener Sensibilisierungen gegen Rinderepithelien oder Vorratsmilben für die Symptomatik an Nase und Augen spricht.

Die Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" scheidet - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nach § 9 Abs 3 SGB VII aus.

Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Abs 1 genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist, § 9 Abs 3 SGB VII (s. BT-Drucks 13/2004, S. 78).

Es handelt sich hierbei um eine Beweisregelungsvorschrift, die in Anlehnung an die Grundsätze über den Anscheinsbeweis einer Beweiserleichterung bei der Feststellung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall dienen soll. Die Vorschrift verpflichtet die Unfallversicherungsträger zu prüfen, inwieweit aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse bei definierten Einwirkungen einerseits und bestimmten Krankheitsbildern andererseits typischerweise von der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung auszugehen ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Kapitel 2.3.4.1, S 67). Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit festzustellen sind, d.h. ernsthaft möglich sind. Insoweit ist eine Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich (vgl. Jochem Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, 3.Aufl, § 9 Rn 31: Ricke in Kasseler Kommentar, § 9 Rn 29). Bloße Hinweise oder entfernte Vermutungen reichen dagegen nicht aus, um die gesetzliche Vermutung des Abs 3 zu widerlegen. Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit können die Umstände des Einzelfalls sein, z.B. ein untypischer Erkrankungsverlauf, eine ungewöhnliche Latenzzeit, Vorschäden usw. (s. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S 68).

Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall widerlegt, denn es sind hier Anhaltspunkte für eine Verursachung der chronisch-rezidivierenden Urtikaria außerhalb der versicherten Tätigkeit festzustellen.

Zwar ist der Kläger als Landwirt in die Gruppe der Berufe mit deutlich erhöhtem Erkrankungsrisiko für Kontaktekzeme im Anhang des Merkblatts zur Nr 5101 gesondert aufgenommen, so dass er durch seine Tätigkeit in höherem Maße als die übrige Bevölkerung den schädigenden Wirkungen ausgesetzt war, die generell geeignet sind, die betreffende Listenerkrankung (Nr 5101) hervorzurufen. Die weitere Voraussetzung, dass keine Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit festgestellt worden sind, ist jedoch nicht erfüllt. Denn hier sind sowohl das Erkrankungsbild als auch der Erkrankungsverlauf untypisch. Das Erkrankungsbild ist untypisch, weil - wie bereits dargestellt - gegen eine hinreichend wahrscheinliche berufliche Verursachung die Tatsache spricht, dass während der ersten 3 Jahre der Erkrankung die Urtikaria ohne zusätzliche respiratorische Symptomatik bestanden hat. Auch sprechen der initial intermittierende Verlauf, noch stärker der protrahierte Verlauf nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit gegen die Triggerung der Urtikaria durch Inhalationsallergene des Arbeitsplatzes. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der bereits dargelegten Tatsachen erscheint es dem Senat in Übereinstimmung mit den ärztlichen Sachverständigen Frau Dr.S., Prof. Dr.D., Prof. Dr.D. und Prof. Dr.D. somit ernsthaft möglich, dass es sich hier um eine idiopathische "chronisch-rezidivierende Urtikaria" handelt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aufgrund der überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.D., die im Wesentlichen mit denen des Prof. Dr.D. und Dr.D. übereinstimmen, ergibt, dass die gesetzliche Vermutung des § 9 Abs 3 SGB VII widerlegt ist.

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 25.01.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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