L 2 U 364/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 653/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 364/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beurteilung der Verschlechterung von Unfallfolgen nach Kniedistorsion.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. August 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Verschlimmerung der Unfallfolgen und die Höhe der Verletztenrente.

Der 1956 geborene Kläger erlitt am 30. April 2002 eine Distorsion des linken Knies mit hinterer Kreuzbandruptur. Der behandelnde Arzt, der Chirurg Dr. N., erklärte am 2. Dezember 2002, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus voraussichtlich 10 v.H. betragen. Im Gutachten vom 24. Februar 2004 führte der Chirurg Prof. Dr. B. aus, als Unfallfolgen bestünden eine Instabilität im Kniegelenk mit Verschieblichkeit des Tibiaplateaus, Verkalkungen am Ansatz des Innenbandes mit entsprechender Beschwerdesymptomatik und eine diskrete Muskelminderung am Oberschenkel. Die wesentlichen Beschwerden lägen im Bereich der Verknöcherungen. Eine gewisse Instabilität werde verbleiben; allerdings bemerke der Kläger keine Instabilitätsgefühle. Die MdE betrage 10 v.H.

Mit Bescheid vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2004 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 24 U 579/04) erklärte der ärztliche Sachverständige, der Chirurg Dr. L., im Gutachten vom 4. April 2005, festzustellen sei eine im Alltagsleben vollständig muskulär kompensierte Kniebandinstabilität. Eine MdE in rentenberechtigender Höhe sei nicht zu rechtfertigen. Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. R. führte im Gutachten vom 2. August 2005 aus, die Verletzung im Kniegelenk sei muskulär weitgehend gut kompensiert, so dass keinesfalls eine MdE in rentenberechtigendem Grad veranlasst sei. Mit Vergleich vom 2. Februar 2006 erklärte sich die Beklagte bereit festzustellen, dass es bei dem Unfall vom 30. April 2002 zu einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes am linken Kniegelenk, einer ausgeprägten Einblutung in die Gelenkkapselweichteile mit Innenbandteilruptur und zu einer Einblutung und Schürfung im Innenknöchelbereich des linken Unterschenkels gekommen sei. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass aufgrund dieser Unfallfolgen eine MdE von 10 v.H. vorliege.

Im Rahmen eines Klageverfahrens wegen geltend gemachter Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (S 24 U 832/05) erklärte Dr. L. als ärztlicher Sachverständiger im Gutachten vom 12. Juni 2006, der objektive Befund habe sich nicht geändert, eine Verschlechterung sei nicht festzustellen. Der Kläger nahm die Klage zurück.

Einen weiteren Antrag vom 12. Juni 2007 auf Gewährung einer Umschulung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2007 ab. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 24 U 710/07) führte der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde
Dr. F. im Gutachten vom 9. Juni 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom
11. August 2008 aus, zwischen dem Unfallereignis im April 2002 und dem zuletzt durchgeführten Kernspintomogramm vom März 2007 sei es zu nur geringen degenerativen Veränderungen gekommen. Angesichts der erhaltenen Oberschenkelmuskulatur links, der kompensierbaren Kreuzbandschwäche und der wenig ausgeprägten Knorpelschäden sei keine wesentliche MdE gegeben. Zu beachten sei eine deutliche psychogene Komponente in Form eines fast generalisierten Schmerzsyndroms. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach anzuerkennen. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an.

Den Antrag des Klägers vom 23. April 2008 auf Gewährung einer Rente wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2008 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 ab.

Im sozialgerichtlichen Verfahren führte Dr. F. im Gutachten nach Aktenlage vom 20. März 2009 sowie in den ergänzenden Stellungnahmen vom 20. Mai 2009 und 26. Juni 2009 aus, wesentliche degenerative Veränderungen im verletzten Knie seien nicht festzustellen. Die Kreuzbandschwäche sei eindeutig muskulär kompensiert. Die Höhe der MdE nach Verletzungen eines Kniegelenks werde maßgeblich von Funktionseinschränkungen, der Situation des Bandapparates und eventuellen Reizzuständen geprägt. Die Funktion des Gelenks habe wegen der massiven Gegenspannung bei der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Die fehlende Muskelminderung spreche aber gegen eine höhergradige Schonung. Ein Reizzustand sei ebenso wenig festzustellen wie eine dekompensierte Bänderschwäche. Das Kernspintomogramm vom 5. Juni 2009 zeige keinen Schaden am Gelenkknorpel zwischen Oberschenkel und Schienbein. Auch im äußeren Kompartment seien keine Verschleißerscheinungen beschrieben, lediglich ein Ulcus im Gleitlager. Eine Kniegelenksarthrose werde in der Beurteilung nicht erwähnt. Insoweit bestätige dieses Kernspintomogramm die bisherige Beurteilung. Die MdE sei nicht höher als mit 10 v.H. zu bewerten.

Der Kläger übersandte einen Bericht des Radiologen Dr. Z. vom 7. August 2009, in dem u.a. ausgeführt wird, bei weitgehend unauffälligen Verhältnissen an den Femoro-Tibialgelenken ergebe sich beidseits eine Retropatellararthrose bei Patella-Fehlanlage.

Mit Urteil vom 13. August 2009 wies das Sozialgericht München die Klage ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. F ... Die ärztliche Stellungnahme des Dr. Z. vom 7. August 2009 bestätige, dass am linken Kniegelenk keine fortgeschrittene Arthrose vorliege.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger geltend gemacht, der Zustand des verletzten Knies habe sich wesentlich verschlechtert, er leide unter starken Schmerzen, dadurch habe sich auch sein psychischer Zustand verschlechtert. Er hat ein Schreiben des Prof.
Dr. B. vom 16. September 2009 mit folgendem Inhalt übersandt: in der Kernspintomographie vom Juni 2009 zeige sich das Kreuzband in der Kontinuität erhalten. Innen- und Außenmeniskus wiesen Strukturveränderungen ohne Rissbildungen auf. Es bestehe ein deutlicher retropatellarer Knorpelschaden und Knorpelschaden am medialen Femurcondylus. Die klinische Untersuchung zeige eine Muskelminderung im Bereich der linken Oberschenkelmuskulatur. Das Kniegelenk sei ergussfrei. Dem Verletzten seien dringend Streck- und Beugeübungen am Kniegelenk angeraten worden, ebenso Muskelaufbau.

Der Senat hat die Akte des Versorgungsamtes A-Stadt, die Akte des Sozialgerichts
S 14 SB 228/09, in der sich ein Gutachten des Chirurgen Dr. L. vom 7. Oktober 2009 befindet, sowie die Berufungsakte L 14 R 366/05 beigezogen. Mit Beschluss vom 10. Januar 2011 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 30. April 2002 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, die Akte des Versorgungsamtes A-Stadt sowie die Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG). Ein Antrag auf Vertagung wurde - auch im Schriftsatz vom 4. April 2011 - nicht gestellt.

Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Das Schreiben des Prof. Dr. B. vom 16. September 2009 kann eine wesentliche Leidensverschlimmerung nicht bestätigen. Prof. Dr. B. bezieht sich auf das Kernspintomogramm vom 5. Juni 2009, das schon Dr. F. bei seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juni 2009 vorlag. Im Hinblick darauf, dass Prof. Dr. B. dem Kläger dringend Streck- und Beugeübungen sowie Muskelaufbau an Kniegelenk und Oberschenkel empfohlen hat, ist von einer wesentlichen Verschlimmerung nicht auszugehen.

Dies wird bestätigt durch die Ausführungen des Chirurgen Dr. L. vom 7. Oktober 2009 im Schwerbehinderten-Klageverfahren. Zwar erwähnt Dr. L. eine Umfangsverminderung am linken Oberschenkel, weist aber darauf hin, dass eine Seitenbandinstabilität sich weder links noch rechts gefunden hat. Er verweist auf die Diskrepanz zwischen Röntgenbildern und klinischem Befund. Wie Dr. F. berichtet auch Dr. L. über massives Gegenspannen bei der Untersuchung. Die Knieaufnahmen zeigten beidseits unauffällige Gelenkspaltverhältnisse und eine allenfalls initiale Retropatellararthrose. Es ergab sich kein Hinweis für eine bedeutsame Degeneration. Der Gelenkspalt war weder rechts noch links verschmächtigt. Die Bewegungsbeeinträchtigung am linken Knie kann, so Dr. L., die Notwendigkeit einer Gehstütze nicht begründen. Insgesamt stellte er fest, dass sich der Befund der Bewegungsstörung am linken Kniegelenk nicht so "krass", wie von Dr. F. festgestellt, dargestellt hat. Eine deutliche Verschlechterung hat er ausschließen können.

Anhaltspunkte dafür, dass die Unfallfolgen am linken Knie eine psychische Erkrankung verursacht oder wesentlich verschlimmert hätten, ergeben sich aus den ärztlichen Befunden der im Schwerbehindertenstreitverfahren gehörten Sachverständigen nicht. Insofern sah der Senat keinerlei Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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