Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 27/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 352/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 11/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
kein Leitsatz
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch der Berufung.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 63.162,38 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Herstellerrabatts gemäß § 130a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für Arzneimittel, die die in den Niederlanden ansässige Klägerin im Wege des Versandhandels an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 2003 bis 2007 abgegeben hat.
1.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts aus L./ Niederlande. Neben einer Präsenzapotheke versorgt sie über das Internet im Versandwege Verbraucher in Deutschland, insbesondere nach deutschem Recht gesetzlich krankenversicherte Personen. Nach ihren Angaben erwirbt sie dazu die Arzneimittel bei deutschen Großhändlern, die die Ware an die Klägerin in die Niederlande senden. Von dort aus beliefert die Klägerin gesetzlich krankenversicherte Personen auf Bestellung auch mit Arzneimitteln, die nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen sind. Verschreibungspflichtige Arzneimittel versendet sie gegen Vorlage vertragsärztlicher Verordnungen. Sie rechnet auf der Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen mit mehreren Hunderten benannten GKV-Krankenkassen u.a. mit der AOK Berlin, der AOK Niedersachsen oder mit der Audi BKK als Leistungserbringer die Lieferungen als Sachleistungen über eine Verrechnungsstelle in Deutschland ab. Zu Einzelheiten wird insoweit auf die Anlage BK3 zum Schriftsatz vom 08.12.2006 Bezug genommen.
Die Beklagte ist ein deutsches Tochterunternehmen eines ausländischen Pharmakonzerns und ist im Handelsregister des Amtsgerichts D-Stadt unter der Nummer HRB 75665 eingetragen. Sie ist ein pharmazeutisches Unternehmen iSd
§ 130a SGB V.
Der Gesetzgeber hatte die Beitragszahler ab 01.01.2003 durch § 130a SGB V entlastet. Pharmazeutische Unternehmer - wie die Beklagte - müssen seither Rabatte auf Arzneimittel gewähren, die an GKV-Versicherte abgegeben werden. Diese Rabatte müssen die Unternehmer nicht an die Krankenkassen abführen. Vielmehr kürzen die Krankenkassen die Abrechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt und verringern somit die an die Leistungserbringer zu zahlenden Beträge. Damit die Apotheken wiederum nicht Schaden nehmen, haben sie Anspruch auf Erstattung der Kürzungen gegen die pharmazeutischen Unternehmer.
2.
Die Klägerin gab seit 2003 im Wege des Versandhandels an GKV-Versichterte Arzneimittel ab, die die Beklagte in den Markt gebracht hatte. Nach Angaben der Klägerin zahlten die vertraglich mit ihr gebundenen Krankenkassen hierfür absprachegemäß einen Preis unterhalb des Niveaus der deutschen Arzneimittelpreise und berücksichtigten dabei Abschläge in Höhe des Apothekenrabatts (§ 130 SGB V), des Herstellerrabatts (§ 130a Abs 1 SGB V), zudem des sog Großhändlerrabatts sowie auch weitere, von der Klägerin eingeräumte Rabatte. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich unter Hinweis auf Listen über die Abgabe von Arzneimitteln an GKV-Versicherte mit der jeweiligen pharmazeutischen Identifizierungsnummer, der Rezeptnummer, der bundeseinheitlichen Kassennummer und der Versicherungsnummer auf, den Herstellerrabatt zu erstatten und zwar im Laufe des Verfahrens für die Jahre 2003 bis 2007.
3.
Die Klägerin ist mit ihrem im Klagewege weiterverfolgten Zahlungsbegehren vor dem Sozialgericht München ohne Erfolg geblieben (abweisendes Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2006). Die Beklagte sei der Klägerin, die nicht Leistungserbringerin der GKV sei, nicht erstattungspflichtig. Es habe keine Berechtigung zum Arzneimittelimport bestanden. Zudem sei die Klägerin nur aufgrund von Einzelverträgen in das Leistungs- und Abrechnungssystem der jeweils betroffenen Krankenkassen einbezogen, sodass die gesetzlichen Voraussetzungen des Herstellerrabatts nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe den ihr offen stehenden Weg des Beitritts zum entsprechenden Rahmenvertrag, um GKV-Leistungserbringerin zu werden, nicht beschritten.
4.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, in der die Klägerin das Begehren auf die Abrechnungsjahre 2003 bis 2007 erweitert hat, hat sie die Verletzung von § 130a SGB V, § 43 AMG a.F. und Art. 28 und 30 EG-Vertrag (EGV) gerügt. Sie hat vorgebracht, sie habe entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes schon 2003 rechtmäßig am Arzneimittelhandel iSv § 130a SGB V teilgenommen und habe deshalb bereits ab diesem Jahr Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts. Die GKV-Versicherten in Deutschland hätten bereits 2003 verschreibungspflichtige Arzneimittel als Sachleistung über die Klägerin bezogen und auch rechtmäßig beziehen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 63.162,38 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den Basiszins der Europäischen Zentralbank
- seit dem 16.12.2003 aus 967,57 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 06.07.2004 aus 5.930,30 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 12.12.2007 aus 17.589,39EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 19.12.2007 aus 3.372,11 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 28.11.2008 aus 8.553,90 EUR,
- seit Rechtshändigkeit der Klageerhöhung vom 15.12.2010 aus 26.846,98 EUR
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend gehalten und sich auf die bisher ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berufen. Danach habe eine Apotheke, deren Teilnahme an der Arzneimittelversorgung auf individuellen Vereinbarungen mit einzelnen Krankenkassen beruht und die deshalb keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Abführung des Herstellerrabatts unterliegt, keinen Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts durch pharmazeutische Unternehmer wie sie selbst. Dieser Herstellerrabatt stehe im Einklang mit dem europäischen Recht und sei ein rechtmäßiges Mittel zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen. Die Voraussetzungen der Zahlungspflicht in § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V seien abschließend geregelt, sodass für eine ergänzende Heranziehung anderweitiger auch zivilrechtlicher Normen kein Raum bestehe. Insoweit hat sie sich auch auf die Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05 - sozialgerichtsbarkeit.de) gestützt. Eine im Ausland ansässige Apotheke, welche nicht nach § 129 SGB V an der Arzneimittelversorgung teilnehme, habe keinen Erstattungsanspruch. Hierin sei keine europarechtswidrige Diskriminierung zu erkennen.
Auf die auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn dieser gilt nur für Apotheken, die als Leistungserbringer durch Beitritt zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V zugelassen sind, nicht aber für Apotheken, die
- wie die Klägerin im hier streitigen Zeitraum - nur auf Grund von Einzelverträgen mit Krankenkassen Leistungen erbringen.
Die während der ersten und der zweiten Instanz erweiterten Anträge und Klageerhöhungen auf zuletzt 63.162,38 EUR zzgl. gestaffelt nach Rechtshängigkeit zu erbringender Zinsen sind zulässige Klageänderungen nach § 153 Abs. 1, § 99 Abs. 1 SGG. Ohne Änderung des Klagegrundes wurde der Klageantrag erweitert (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
1.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch resultiert aus § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V, hier in der seit Inkrafttreten des § 130a SGB V im Wesentlichen unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom 23.12.2002, BGBl I S. 4637. § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V besagt: "Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten". Der Anspruch dient dem Ausgleich von Zahlungspflichten von Apotheken nach § 130a Abs 1 Satz 1
SGB V. Diese Vorschrift bestimmte in der hier anzuwendenden und bis zur Änderung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl. I 378) mit Wirkung vom 01.04.2007 unverändert gebliebenen Fassung des BSSichG: "Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 01.01.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Herstellerabgabepreises."
2.
Der Klägerin kommen Erstattungsansprüche nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht zu, weil Rechtsgrundlage ihrer Leistungen an die Versicherten der Krankenkassen, mit denen sie Einzelverträge zur Leistungserbringung abgeschlossen hatte, nicht § 130a SGB V war. In der Folge konnten auch Erstattungsansprüche nach dieser Vorschrift nicht entstehen (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R, RdNr. 12 - zitiert nach JURIS).
Die fehlende Berechtigung der Klägerin zum Herstellerrabatt ergibt sich dabei unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der deutschen Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz - AMG - oder aufgrund von § 129 Abs. 5a SGB V (vgl. BSG Urteil vom 28.07.2008 - B 1 KR 4/08 R, RdNr. 15 ff und BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R, RdNr. 14 ff sowie LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05, RdNr. 33 ff - jeweils zitiert nach JURIS) bereits aus den zwingenden Strukturen des Leistungserbringerrechts des SGB V.
a)
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen, u.a. auch Arzneimittel gemäß § 31 SGB V als Sachleistungen zur Verfügung. Dabei bedienen sie sich der sog. Leistungserbringer im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB V. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern regelt abschließend das vierte Kapitel des SGB V, § 69
Abs. 1 Satz 1 SGB V. Für das Leistungssystem gilt dabei, dass sie eine bedarfsgerechte gleichmäßige, ausreichende und zweckmäßige Versorgung sicherstellen müssen, die das Maß des Notwendigen nicht überschreitet, die fachlich gebotene Qualität garantiert sowie wirtschaftlich erbracht wird (§ 70 Abs. 1 SGB V).
Apotheken dürfen vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte zulasten der GKV nur abgegeben, wenn sie Leistungserbringer des SGB V sind. Leistungserbringer des SGB V werden Apotheken idR dadurch, dass sie einem Rahmenvertrag gemäß § 129 Abs. 2 SGB V beitreten gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2
SGB V. Mit diesem Beitritt sind sie berechtigt aber auch verpflichtet, verordnete Arzneimittel an Versicherte abzugeben.
Danach zugelassene Apotheken sind damit zugleich in ein hochkomplexes bundesweit zwingend geltendes Leistungserbringersystem eingebunden, das spezifische Ordnungswege und Ordnungsfunktionen zwingend vorsieht. Dies geht deutlich über die Vorgaben zur Preisbindung hinaus. Insbesondere gelten generell gemäß §§ 294, 300 SGB V die Regeln zur Arzneimittelabrechnung. Ebenso gelten die gemäß § 129 Abs. 6 SGB V iVm § 300 SGB V gesetzesunmittelbar bindenden Regelungen zur Datenerfassung und -übermittlung, wobei deren Kosten auch im Leistungserbringersystem zu erwirtschaften sind - also im Endeffekt aus der wirtschaftlichen Betätigung der Apotheken mit resultieren müssen. Es ist weiter für Dissensfälle eine eigene von den Kassen und den Apotheken zu bildende gemeinsame Schiedsstelle einschließlich der Grundlagen des Schiedstellenverfahrens gemäß § 129 Abs. 8 ff SGB V vorgesehen; auch hier sind die entstehenden Kosten aus dem Leistungserbringersystem der Apotheken mit zu erwirtschaften.
b)
In dieses besondere Leistungserbringersystem hat sich die Klägerin im hier streitigen Zeitraum bewusst nicht begeben. Die Klägerin hatte vielmehr jeweils Einzelverträge - wenn auch in einer immensen Vielzahl - mit verschiedenen Krankenkassen abgeschlossen. Nach § 140e SGB V (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2004 durch Gesetz vom 14.11.2003) durften Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des dritten Kapitels des SGB V und der dazugehörigen weiteren Normen Verträge mit Leistungserbringern abschließen.
Durch den Abschluss des jeweiligen Vertrages ist die Klägerin zwar zur Leistungserbringung zulasten ihrer Vertragspartner sowie zugunsten der dort versicherten Personen berechtigt und auch verpflichtet worden. Sie ist jedoch in das Apotheken betreffende besondere Leistungserbringersystem des SGB V nicht eingebunden worden. Denn für die Klägerin hatten insbesondere keine direkte Geltung
- die Normen zur Ersetzung wirkstoffgleicher Arzneimittel gemäß § 129
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 bis 4 SGB V,
- die Regelungsbefugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß
§ 129 Abs. 1 a SGB V,
- der Rahmenvertrag mit der Apotheken-Spitzenorganisation zur näheren Regelung der Leistungserbringung gemäß § 129 Abs. 2 SGB V,
- die rahmenvertragsbestimmten Maßnahmen der Vertragspartner auf Landesebene, soweit Apotheken gegen bestimmte Pflichten verstoßen bis hin zum Ausschluss von der Versorgung gemäß § 129 Abs. 4 SGB V und
- die Regelungen zur Arzneimittelabrechnung in § 300 SGB V.
Damit ist klargestellt, dass die Regelung in § 129 Abs. 5a SGB V zur Gültigkeit der Arzneimittelpreisverordnung sowie die darauf Bezug nehmenden Urteile des BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R und vom 28.07.2008 - B 1 KR 4/08 R nur eines der Elemente ist, die das gesetzliche Leistungserbringerrecht der Apotheken prägen. Hervorzuheben ist insoweit gerade das Vorgehens- und Dissenssystem bei Verstößen gegen das Normengefüge des Leistungserbringerrechts.
In der Folge kann § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V zugunsten der Klägerin keine Anspruchsbegründung entfalten. Die Frage der Geltung von deutschen Preisvorschriften nach dem AMG oder gemäß § 129 Abs. 5a SGB V ist damit nicht entscheidungserheblich. Eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BGH vom 09.09.2010 - I ZR 72/08 bedarf es daher nicht.
c)
Die Klägerin hat im hier streitigen Zeitraum bis 31.12.2007 nicht durch Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V die Voraussetzungen für § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V geschaffen. Sie ist auch nicht so zu behandeln, als hätte sie diesen Beitritt erklärt.
Zwar hat sich die Klägerin durch die mit einer Vielzahl von Krankenkassen geschlossenen Einzelverträge diesen gegenüber auch zur Abführung eines dem Herstellerrabatt entsprechenden Betrages verpflichtet. Auch hatten die Einzelverträge finanzielle Anreize zugunsten der Krankenkassen gewährt. Zudem konnte die Klägerin Arzneimittelleistungen mit den Einzelvertrags-Krankenkassen abrechnen, ohne dass die Versicherten - wie sonst bei Auslandsleistungen grundsätzlich erforderlich - zunächst vorleisten mussten und Kostenerstattung nur nach § 13 Abs. 4 SGB V erhalten konnten.
Gleichwohl entsteht aus der einzelvertraglichen und möglicherweise wirkungsgleichen Gewährung von Rabatten in Anlehnung an § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V zugunsten der Vertragskrankenkassen keine Zahlungspflicht zulasten der Beklagten. Denn die der Beklagten auferlegten Reglementierungen und Zahlungspflichten nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V sind hoheitliche Eingriffe in ihre Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und bedürfen deshalb einer konkreten tatbestandlich spezifizierten gesetzlichen Grundlage. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt jedoch nur die Zulassung als Leistungserbringer mit Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Entscheidend ist nicht, dass die Klägerin Rabatte entsprechend § 130a Abs. 1 SGB V einräumt, sondern aus welchem Rechtsgrund sie diese Rabatte gewährt. Beruhen die Rabatte - wie hier - ausschließlich auf einzelvertraglichen Absprachen, ist der spezifizierte Tatbestand der die Beklagte bindenden Verpflichtungsnorm § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht erfüllt (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 RdNr. 18 sowie dieser Entscheidung folgend LSG Essen Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05 RdNr. 35 - jeweils zitiert nach JURIS.).
Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass die Klägerin vertragliche Beziehungen zu den beteiligten Krankenkassen aufnehmen und dabei Rechts- und Standortvorteile nutzen konnte, die ihr als niederländische Apotheke zugute gekommen waren, während Inlands-Apotheken entsprechende Optionen nicht zur Verfügung gestanden hatten. Die Möglichkeit, besondere Abschläge auf den Abgabepreis von Arzneimitteln außerhalb der deutschen Preisvorschriften zu gewähren, verschaffte der Klägerin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischen Apotheken (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R RdNr. 16 - zitiert nach JURIS). Damit besteht ein weiterer Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung von in das Leistungserbringersystem eingebundene Apotheken nach § 129 SGB V einerseits und Vertragsapotheken nach § 140e SGB V andererseits.
Grundrechte der Klägerin sind nicht verletzt. Die Klägerin unterliegt nicht direkt der gesetzlichen Rabattpflicht nach § 130a SGB V und war eine wirkungsgleiche Regelung nur aufgrund Einzelvertrags mit den benannten Krankenkassen eingegangen.
d)
Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen das Recht der Europäischen Union (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R RdNr. 20 - zitiert nach JURIS). Die Klägerin hat sich durch Einzelverträge mit gesetzlichen Krankenkassen die Leistungserbringung für und gegen diese gesichert, ohne dass mit der Beklagten ein Bindungssystem entstanden ist. Die Klägerin hatte sich bewusst für den Abschluss von Einzelverträgen entschieden. Eine Diskriminierung ist insoweit nicht zu erkennen, zumal die Klägerin von dem mittlerweile auch detailliert gesetzlich geregelten Recht, dem Rahmenvertrag für Apotheken beizutreten, inzwischen Gebrauch gemacht hat.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwerthöhe richtet sich nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch der Berufung.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 63.162,38 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Herstellerrabatts gemäß § 130a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für Arzneimittel, die die in den Niederlanden ansässige Klägerin im Wege des Versandhandels an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 2003 bis 2007 abgegeben hat.
1.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts aus L./ Niederlande. Neben einer Präsenzapotheke versorgt sie über das Internet im Versandwege Verbraucher in Deutschland, insbesondere nach deutschem Recht gesetzlich krankenversicherte Personen. Nach ihren Angaben erwirbt sie dazu die Arzneimittel bei deutschen Großhändlern, die die Ware an die Klägerin in die Niederlande senden. Von dort aus beliefert die Klägerin gesetzlich krankenversicherte Personen auf Bestellung auch mit Arzneimitteln, die nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen sind. Verschreibungspflichtige Arzneimittel versendet sie gegen Vorlage vertragsärztlicher Verordnungen. Sie rechnet auf der Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen mit mehreren Hunderten benannten GKV-Krankenkassen u.a. mit der AOK Berlin, der AOK Niedersachsen oder mit der Audi BKK als Leistungserbringer die Lieferungen als Sachleistungen über eine Verrechnungsstelle in Deutschland ab. Zu Einzelheiten wird insoweit auf die Anlage BK3 zum Schriftsatz vom 08.12.2006 Bezug genommen.
Die Beklagte ist ein deutsches Tochterunternehmen eines ausländischen Pharmakonzerns und ist im Handelsregister des Amtsgerichts D-Stadt unter der Nummer HRB 75665 eingetragen. Sie ist ein pharmazeutisches Unternehmen iSd
§ 130a SGB V.
Der Gesetzgeber hatte die Beitragszahler ab 01.01.2003 durch § 130a SGB V entlastet. Pharmazeutische Unternehmer - wie die Beklagte - müssen seither Rabatte auf Arzneimittel gewähren, die an GKV-Versicherte abgegeben werden. Diese Rabatte müssen die Unternehmer nicht an die Krankenkassen abführen. Vielmehr kürzen die Krankenkassen die Abrechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt und verringern somit die an die Leistungserbringer zu zahlenden Beträge. Damit die Apotheken wiederum nicht Schaden nehmen, haben sie Anspruch auf Erstattung der Kürzungen gegen die pharmazeutischen Unternehmer.
2.
Die Klägerin gab seit 2003 im Wege des Versandhandels an GKV-Versichterte Arzneimittel ab, die die Beklagte in den Markt gebracht hatte. Nach Angaben der Klägerin zahlten die vertraglich mit ihr gebundenen Krankenkassen hierfür absprachegemäß einen Preis unterhalb des Niveaus der deutschen Arzneimittelpreise und berücksichtigten dabei Abschläge in Höhe des Apothekenrabatts (§ 130 SGB V), des Herstellerrabatts (§ 130a Abs 1 SGB V), zudem des sog Großhändlerrabatts sowie auch weitere, von der Klägerin eingeräumte Rabatte. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich unter Hinweis auf Listen über die Abgabe von Arzneimitteln an GKV-Versicherte mit der jeweiligen pharmazeutischen Identifizierungsnummer, der Rezeptnummer, der bundeseinheitlichen Kassennummer und der Versicherungsnummer auf, den Herstellerrabatt zu erstatten und zwar im Laufe des Verfahrens für die Jahre 2003 bis 2007.
3.
Die Klägerin ist mit ihrem im Klagewege weiterverfolgten Zahlungsbegehren vor dem Sozialgericht München ohne Erfolg geblieben (abweisendes Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2006). Die Beklagte sei der Klägerin, die nicht Leistungserbringerin der GKV sei, nicht erstattungspflichtig. Es habe keine Berechtigung zum Arzneimittelimport bestanden. Zudem sei die Klägerin nur aufgrund von Einzelverträgen in das Leistungs- und Abrechnungssystem der jeweils betroffenen Krankenkassen einbezogen, sodass die gesetzlichen Voraussetzungen des Herstellerrabatts nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe den ihr offen stehenden Weg des Beitritts zum entsprechenden Rahmenvertrag, um GKV-Leistungserbringerin zu werden, nicht beschritten.
4.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, in der die Klägerin das Begehren auf die Abrechnungsjahre 2003 bis 2007 erweitert hat, hat sie die Verletzung von § 130a SGB V, § 43 AMG a.F. und Art. 28 und 30 EG-Vertrag (EGV) gerügt. Sie hat vorgebracht, sie habe entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes schon 2003 rechtmäßig am Arzneimittelhandel iSv § 130a SGB V teilgenommen und habe deshalb bereits ab diesem Jahr Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts. Die GKV-Versicherten in Deutschland hätten bereits 2003 verschreibungspflichtige Arzneimittel als Sachleistung über die Klägerin bezogen und auch rechtmäßig beziehen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 63.162,38 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den Basiszins der Europäischen Zentralbank
- seit dem 16.12.2003 aus 967,57 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 06.07.2004 aus 5.930,30 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 12.12.2007 aus 17.589,39EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 19.12.2007 aus 3.372,11 EUR,
- seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 28.11.2008 aus 8.553,90 EUR,
- seit Rechtshändigkeit der Klageerhöhung vom 15.12.2010 aus 26.846,98 EUR
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend gehalten und sich auf die bisher ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berufen. Danach habe eine Apotheke, deren Teilnahme an der Arzneimittelversorgung auf individuellen Vereinbarungen mit einzelnen Krankenkassen beruht und die deshalb keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Abführung des Herstellerrabatts unterliegt, keinen Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts durch pharmazeutische Unternehmer wie sie selbst. Dieser Herstellerrabatt stehe im Einklang mit dem europäischen Recht und sei ein rechtmäßiges Mittel zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen. Die Voraussetzungen der Zahlungspflicht in § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V seien abschließend geregelt, sodass für eine ergänzende Heranziehung anderweitiger auch zivilrechtlicher Normen kein Raum bestehe. Insoweit hat sie sich auch auf die Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05 - sozialgerichtsbarkeit.de) gestützt. Eine im Ausland ansässige Apotheke, welche nicht nach § 129 SGB V an der Arzneimittelversorgung teilnehme, habe keinen Erstattungsanspruch. Hierin sei keine europarechtswidrige Diskriminierung zu erkennen.
Auf die auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn dieser gilt nur für Apotheken, die als Leistungserbringer durch Beitritt zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V zugelassen sind, nicht aber für Apotheken, die
- wie die Klägerin im hier streitigen Zeitraum - nur auf Grund von Einzelverträgen mit Krankenkassen Leistungen erbringen.
Die während der ersten und der zweiten Instanz erweiterten Anträge und Klageerhöhungen auf zuletzt 63.162,38 EUR zzgl. gestaffelt nach Rechtshängigkeit zu erbringender Zinsen sind zulässige Klageänderungen nach § 153 Abs. 1, § 99 Abs. 1 SGG. Ohne Änderung des Klagegrundes wurde der Klageantrag erweitert (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
1.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch resultiert aus § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V, hier in der seit Inkrafttreten des § 130a SGB V im Wesentlichen unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom 23.12.2002, BGBl I S. 4637. § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V besagt: "Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten". Der Anspruch dient dem Ausgleich von Zahlungspflichten von Apotheken nach § 130a Abs 1 Satz 1
SGB V. Diese Vorschrift bestimmte in der hier anzuwendenden und bis zur Änderung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl. I 378) mit Wirkung vom 01.04.2007 unverändert gebliebenen Fassung des BSSichG: "Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 01.01.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Herstellerabgabepreises."
2.
Der Klägerin kommen Erstattungsansprüche nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht zu, weil Rechtsgrundlage ihrer Leistungen an die Versicherten der Krankenkassen, mit denen sie Einzelverträge zur Leistungserbringung abgeschlossen hatte, nicht § 130a SGB V war. In der Folge konnten auch Erstattungsansprüche nach dieser Vorschrift nicht entstehen (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R, RdNr. 12 - zitiert nach JURIS).
Die fehlende Berechtigung der Klägerin zum Herstellerrabatt ergibt sich dabei unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der deutschen Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz - AMG - oder aufgrund von § 129 Abs. 5a SGB V (vgl. BSG Urteil vom 28.07.2008 - B 1 KR 4/08 R, RdNr. 15 ff und BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R, RdNr. 14 ff sowie LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05, RdNr. 33 ff - jeweils zitiert nach JURIS) bereits aus den zwingenden Strukturen des Leistungserbringerrechts des SGB V.
a)
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen, u.a. auch Arzneimittel gemäß § 31 SGB V als Sachleistungen zur Verfügung. Dabei bedienen sie sich der sog. Leistungserbringer im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB V. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern regelt abschließend das vierte Kapitel des SGB V, § 69
Abs. 1 Satz 1 SGB V. Für das Leistungssystem gilt dabei, dass sie eine bedarfsgerechte gleichmäßige, ausreichende und zweckmäßige Versorgung sicherstellen müssen, die das Maß des Notwendigen nicht überschreitet, die fachlich gebotene Qualität garantiert sowie wirtschaftlich erbracht wird (§ 70 Abs. 1 SGB V).
Apotheken dürfen vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte zulasten der GKV nur abgegeben, wenn sie Leistungserbringer des SGB V sind. Leistungserbringer des SGB V werden Apotheken idR dadurch, dass sie einem Rahmenvertrag gemäß § 129 Abs. 2 SGB V beitreten gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2
SGB V. Mit diesem Beitritt sind sie berechtigt aber auch verpflichtet, verordnete Arzneimittel an Versicherte abzugeben.
Danach zugelassene Apotheken sind damit zugleich in ein hochkomplexes bundesweit zwingend geltendes Leistungserbringersystem eingebunden, das spezifische Ordnungswege und Ordnungsfunktionen zwingend vorsieht. Dies geht deutlich über die Vorgaben zur Preisbindung hinaus. Insbesondere gelten generell gemäß §§ 294, 300 SGB V die Regeln zur Arzneimittelabrechnung. Ebenso gelten die gemäß § 129 Abs. 6 SGB V iVm § 300 SGB V gesetzesunmittelbar bindenden Regelungen zur Datenerfassung und -übermittlung, wobei deren Kosten auch im Leistungserbringersystem zu erwirtschaften sind - also im Endeffekt aus der wirtschaftlichen Betätigung der Apotheken mit resultieren müssen. Es ist weiter für Dissensfälle eine eigene von den Kassen und den Apotheken zu bildende gemeinsame Schiedsstelle einschließlich der Grundlagen des Schiedstellenverfahrens gemäß § 129 Abs. 8 ff SGB V vorgesehen; auch hier sind die entstehenden Kosten aus dem Leistungserbringersystem der Apotheken mit zu erwirtschaften.
b)
In dieses besondere Leistungserbringersystem hat sich die Klägerin im hier streitigen Zeitraum bewusst nicht begeben. Die Klägerin hatte vielmehr jeweils Einzelverträge - wenn auch in einer immensen Vielzahl - mit verschiedenen Krankenkassen abgeschlossen. Nach § 140e SGB V (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2004 durch Gesetz vom 14.11.2003) durften Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des dritten Kapitels des SGB V und der dazugehörigen weiteren Normen Verträge mit Leistungserbringern abschließen.
Durch den Abschluss des jeweiligen Vertrages ist die Klägerin zwar zur Leistungserbringung zulasten ihrer Vertragspartner sowie zugunsten der dort versicherten Personen berechtigt und auch verpflichtet worden. Sie ist jedoch in das Apotheken betreffende besondere Leistungserbringersystem des SGB V nicht eingebunden worden. Denn für die Klägerin hatten insbesondere keine direkte Geltung
- die Normen zur Ersetzung wirkstoffgleicher Arzneimittel gemäß § 129
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 bis 4 SGB V,
- die Regelungsbefugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß
§ 129 Abs. 1 a SGB V,
- der Rahmenvertrag mit der Apotheken-Spitzenorganisation zur näheren Regelung der Leistungserbringung gemäß § 129 Abs. 2 SGB V,
- die rahmenvertragsbestimmten Maßnahmen der Vertragspartner auf Landesebene, soweit Apotheken gegen bestimmte Pflichten verstoßen bis hin zum Ausschluss von der Versorgung gemäß § 129 Abs. 4 SGB V und
- die Regelungen zur Arzneimittelabrechnung in § 300 SGB V.
Damit ist klargestellt, dass die Regelung in § 129 Abs. 5a SGB V zur Gültigkeit der Arzneimittelpreisverordnung sowie die darauf Bezug nehmenden Urteile des BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R und vom 28.07.2008 - B 1 KR 4/08 R nur eines der Elemente ist, die das gesetzliche Leistungserbringerrecht der Apotheken prägen. Hervorzuheben ist insoweit gerade das Vorgehens- und Dissenssystem bei Verstößen gegen das Normengefüge des Leistungserbringerrechts.
In der Folge kann § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V zugunsten der Klägerin keine Anspruchsbegründung entfalten. Die Frage der Geltung von deutschen Preisvorschriften nach dem AMG oder gemäß § 129 Abs. 5a SGB V ist damit nicht entscheidungserheblich. Eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BGH vom 09.09.2010 - I ZR 72/08 bedarf es daher nicht.
c)
Die Klägerin hat im hier streitigen Zeitraum bis 31.12.2007 nicht durch Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V die Voraussetzungen für § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V geschaffen. Sie ist auch nicht so zu behandeln, als hätte sie diesen Beitritt erklärt.
Zwar hat sich die Klägerin durch die mit einer Vielzahl von Krankenkassen geschlossenen Einzelverträge diesen gegenüber auch zur Abführung eines dem Herstellerrabatt entsprechenden Betrages verpflichtet. Auch hatten die Einzelverträge finanzielle Anreize zugunsten der Krankenkassen gewährt. Zudem konnte die Klägerin Arzneimittelleistungen mit den Einzelvertrags-Krankenkassen abrechnen, ohne dass die Versicherten - wie sonst bei Auslandsleistungen grundsätzlich erforderlich - zunächst vorleisten mussten und Kostenerstattung nur nach § 13 Abs. 4 SGB V erhalten konnten.
Gleichwohl entsteht aus der einzelvertraglichen und möglicherweise wirkungsgleichen Gewährung von Rabatten in Anlehnung an § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V zugunsten der Vertragskrankenkassen keine Zahlungspflicht zulasten der Beklagten. Denn die der Beklagten auferlegten Reglementierungen und Zahlungspflichten nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V sind hoheitliche Eingriffe in ihre Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und bedürfen deshalb einer konkreten tatbestandlich spezifizierten gesetzlichen Grundlage. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt jedoch nur die Zulassung als Leistungserbringer mit Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Entscheidend ist nicht, dass die Klägerin Rabatte entsprechend § 130a Abs. 1 SGB V einräumt, sondern aus welchem Rechtsgrund sie diese Rabatte gewährt. Beruhen die Rabatte - wie hier - ausschließlich auf einzelvertraglichen Absprachen, ist der spezifizierte Tatbestand der die Beklagte bindenden Verpflichtungsnorm § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht erfüllt (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 RdNr. 18 sowie dieser Entscheidung folgend LSG Essen Urteil vom 08.07.2010 - L 5 KR 105/05 RdNr. 35 - jeweils zitiert nach JURIS.).
Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass die Klägerin vertragliche Beziehungen zu den beteiligten Krankenkassen aufnehmen und dabei Rechts- und Standortvorteile nutzen konnte, die ihr als niederländische Apotheke zugute gekommen waren, während Inlands-Apotheken entsprechende Optionen nicht zur Verfügung gestanden hatten. Die Möglichkeit, besondere Abschläge auf den Abgabepreis von Arzneimitteln außerhalb der deutschen Preisvorschriften zu gewähren, verschaffte der Klägerin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischen Apotheken (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R RdNr. 16 - zitiert nach JURIS). Damit besteht ein weiterer Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung von in das Leistungserbringersystem eingebundene Apotheken nach § 129 SGB V einerseits und Vertragsapotheken nach § 140e SGB V andererseits.
Grundrechte der Klägerin sind nicht verletzt. Die Klägerin unterliegt nicht direkt der gesetzlichen Rabattpflicht nach § 130a SGB V und war eine wirkungsgleiche Regelung nur aufgrund Einzelvertrags mit den benannten Krankenkassen eingegangen.
d)
Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen das Recht der Europäischen Union (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 14/08 R RdNr. 20 - zitiert nach JURIS). Die Klägerin hat sich durch Einzelverträge mit gesetzlichen Krankenkassen die Leistungserbringung für und gegen diese gesichert, ohne dass mit der Beklagten ein Bindungssystem entstanden ist. Die Klägerin hatte sich bewusst für den Abschluss von Einzelverträgen entschieden. Eine Diskriminierung ist insoweit nicht zu erkennen, zumal die Klägerin von dem mittlerweile auch detailliert gesetzlich geregelten Recht, dem Rahmenvertrag für Apotheken beizutreten, inzwischen Gebrauch gemacht hat.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfang ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwerthöhe richtet sich nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
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