L 3 U 132/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 314/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 132/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Stürzt ein Gastwirt bei dem Verlassen einer Gesellschaft, weil er auf einer Treppe zu seinen Privaträumen nochmals von einem Gast aufgehalten und angesprochen wird, handelt es sich hierbei um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.01.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Unfallereignis vom 11.12.2005 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der 1944 geborene Kläger betreibt zusammen mit seiner Ehegattin den Gasthof S. in A-Stadt. Die Liegenschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Gebäudeteile durch einen Übergang verbunden sind, der den ausschließlich betrieblich genutzten Gebäudeteil (Gaststätte, Fremdenzimmer, Büro) mit dem überwiegend privat genutzten Gebäudeteil (ein bzw. zwei Fremdenzimmer, zweites Büro, Privaträume) verbindet. Der Übergang befindet sich etwas höher gelegen als der erste Stock; beidseitig finden sich Treppen; etwa in der Mitte des Überganges ist eine Tür installiert, die den ausschließlich betrieblich genutzten Gebäudeteil von dem überwiegend privat genutzten Gebäudeteil abgrenzt.

Ausweislich der Unfallanzeige vom 15.03.2006 ist der Kläger am 11.12.2005 gegen
2.15 Uhr auf der Treppe zur Wohnung gestolpert; er hat den Handlauf nicht mehr ergreifen können; dann ist er rückwärts die Treppe ca. zwölf Stufen hinabgestürzt. Das Krankenhaus B. in R. hat mit Arztbrief vom 13.12.2005 u.a. folgende Diagnosen mitgeteilt: Schädel-Hirn-Trauma bei Zustand nach Sturz mit Kontusionsblutungen rechtstemporobasal, SAB rechts, SDH rechts, temporale Kalottenfraktur links, distale und Unterarmfraktur links (Radius und Ulna). Nach dortiger stationärer Behandlung vom 12.12.2005 bis 16.12.2005 ist der Kläger in der Klinik S.R. (Klinik für neurologische und geriatrische Rehabilitation) vom 28.12.2005 bis 18.01.2006 weiter behandelt worden. Dr.O. hat mit Durchgangsarztbericht vom 06.04.2006 im weiteren Verlauf eine Wesensveränderung und Eintrübung beschrieben. Bei dem Unfallereignis sei der Kläger alkoholisiert gewesen (0,72 Promille bei der Blutentnahme am 11.12.2005 um 12.21 Uhr).

Der Kläger hat unter dem 06.07.2006 hinsichtlich des Unfallherganges ausgeführt, dass er aus der Gaststätte S. kommend, wo er Theken- und Büroarbeiten verrichtet habe, auf dem Weg zur Wohnung gewesen sei, um dort zu schlafen. Das Haus, in dem sich die Gaststätte befinde, habe zwei Stockwerke (Erdgeschoss und erster Stock). Die Privatwohnung läge im gegenüberliegenden Haus im ersten Stock und sei mit der Gaststätte im ersten Stock durch den Übergang verbunden. Die Treppe, auf der sich der Unfall ereignet habe, befände sich im ersten Stock der Gaststätte und stelle eine Verbindung zum Übergang in die Privatwohnung dar. Die Treppe würde ausschließlich als Zugang zur Wohnung genutzt.

Die Beklagte hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2006 abgelehnt, das Ereignis vom 11.12.2005 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs.2 Nr.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) anzuerkennen. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalles die betriebliche Tätigkeit bereits beendet gehabt und den Betriebsbereich verlassen. Der Unfall habe sich weder im öffentlichen Verkehrsraum noch in einem wesentlich betrieblich benutzten Bereich ereignet, da die Treppe, auf der sich der Unfall ereignet habe, ausschließlich dazu genutzt werde, um den Übergang zum privaten Wohnhaus zu erreichen. Hierbei sei unerheblich, dass sich die Türe zum Übergang oberhalb dieser Treppe befinde.

In dem sich anschließenden Klageverfahren haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Klagebegründung vom 24.05.2007 hervorgehoben, dass sich der Kläger auf dem kürzesten und verkehrstechnisch sichersten Weg vom Gasthof S. in die durch eine Überführung auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Privatwohnung befunden habe. Der Kläger habe die Wohnungseingangstüre in dem Übergang über die R. Straße überhaupt noch nicht erreicht. Er sei vielmehr im Aufstieg der Treppenanlage zum Übergang gestolpert, habe den Handlauf nicht mehr erwischt und sei dann rückwärts die Treppen zurückgestürzt und in der Gastwirtschaft, d.h. dem Vorraum zum großen Festsaal, zum Liegen gekommen.

Das Sozialgericht Landshut hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 die Zeugen H., E., H. M. und J. M. einvernommen. Nach weiterer mündlicher Verhandlung vom 20.01.2010 hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom selben Tag den Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2006 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 11.12.2005 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist: Zur Überzeugung der Kammer stehe aufgrund der Angaben des Klägers und den übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen H. und E. zweifelsfrei fest, dass der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit auf dem Weg zur Wohnung noch vor Erreichen der Wohnungstür auf der Treppe gestürzt sei. Beide Zeuginnen hätten bestätigt, dass der Kläger am Tag des angeschuldigten Ereignisses in der Gaststätte tätig gewesen sei und gegen Ende der Veranstaltung am Boden liegend vor dem großen Festsaal aufgefunden worden sei. Aufgrund der beschriebenen Liegeposition des Klägers und den zeitlichen Angaben gehe die Kammer von einem Sturzereignis auf der Treppe nach Beendigung der Tätigkeit auf dem Weg zur Wohnung aus. Dabei führe die Treppe, auf der sich der Sturz ereignet habe, nach den vorliegenden Lageplänen vom ersten Stock der Gaststätte aus zu einem Übergang, der die Gaststätte und die Wohnräume baulich verbinde. Die Betriebsstätte und der Wohnbereich würden sich in zwei verschiedenen Häusern befinden. In etwa der Hälfte des Übergangs sei eine Wohnungstür eingebaut. Dies gehe aus den von der Beklagten erstellten und in den Gerichtsakten befindlichen Fotographien hervor. Zur Überzeugung der Kammer stehe weiterhin zweifelsfrei fest, dass der Kläger bei dem Treppensturz unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, da er auf dem versicherten Rückweg von der betrieblichen Tätigkeit in seine Privaträume gewesen sei, um dort zu schlafen und den unversicherten Privatbereich noch nicht erreicht habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Wohnbereich durch die Wohnungstür von dem übrigen Bereich eindeutig abgetrennt werde. Die Treppe samt Übergang sei nach den Lageplänen und den gefertigten Fotographien von der Betriebsstätte aus bis zur Wohnungstür öffentlich zugänglich, was gegen die Zuordnung zum Privatbereich spräche. Nicht überzeugen könne in diesem Zusammenhang die Argumentation der Beklagten, der künstlich geschaffene Übergang zum Privathaus unterstreiche gerade deutlich den privaten Charakter der Treppe, da es ohne den Übergang zu den Privaträumen auch die Treppe nicht gäbe. Dem sei entgegen zu halten, dass nicht von Bedeutung sei, welche Gebäudeteile durch den Übergang verbunden würden oder aus welchen Gründen der Übergang gebaut worden sei; entscheidend sei vielmehr, ob er aufgrund seiner Nutzung betrieblichen Zwecken diene. Auch wenn der Treppenbereich nicht eindeutig dem Gaststättenbereich zuzuordnen sei, sei von Bedeutung, dass der Übergang samt Treppe der einzige direkte Zugang zwischen Wohnung und der Gaststätte und umgekehrt sei. Nach den zweifelsfreien Einlassungen des Klägers werde dieser Übergang nicht nur von ihm selbst, sondern auch von seiner Ehefrau und dem Sohn, die beide ebenfalls in der Gaststätte des Klägers beschäftigt seien, täglich für den Weg zur und von der versicherten Tätigkeit genutzt. Der Übergang werde auch benutzt, um Tischdecken etc. zum Waschen in die Privatwohnung bzw. die saubere Wäsche in die Gaststätte zu bringen. Darüber hinaus werde der Treppen-Übergangsbereich auch von Kunden, Übernachtungsgästen oder Vertretern benutzt, wenn weder der Kläger noch dessen Ehefrau im Gaststättenbereich anzutreffen seien und deshalb in der Privatwohnung aufgesucht würden, z.B. um einen Schlüssel abzuholen oder Reservierungen zu vereinbaren. Da der Treppen-Übergangsbereich als direkter Zugangsweg zwischen den Privaträumen und der Betriebsstätte nicht nur gelegentlich, sondern täglich mehrmals betrieblich benutzt werde und somit rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens diene, habe es sich bei dem Unfallereignis vom 11.12.2005 um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vom 19.03.2010 ging am 23.03.2010 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Unfallakten der Beklagten sowie die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen.

Die Beklagte hob mit Berufungsbegründung vom 14.05.2010 hervor, dass sich der Unfall außerhalb des betrieblich genutzten Teiles des Gebäudekomplexes ereignet habe und eine betriebliche Notwendigkeit für den Weg nicht gegeben gewesen sei. Rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung von Wegen zur versicherten Tätigkeit bei Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Haus würden vor allem dann auftreten, wenn es sich um Unfälle handele, die sich in Räumen bzw. auf Treppen ereigneten, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden könnten. In dieser Konstellation habe das Bundessozialgericht (BSG) zur Entscheidung über den Versicherungsschutz darauf abgestellt, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignet habe, auch zu Betriebszwecken genutzt werde. Dabei habe es der Senat als maßgeblich angesehen, ob neben den immer zu berücksichtigenden gesamten Umständen des Einzelfalles der Teil des Gebäudes, in dem sich der Unfall ereignet habe, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens diene. Als Kriterium für die Wesentlichkeit werde eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke angeführt. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Das gelegentliche Nutzen der Treppe von Kunden, Vertretern und Übernachtungsgästen sowie das Transportieren von Tischwäsche oder Wechselgeld würden keine überwiegende betriebliche Nutzung der Treppe und des Übergangs darstellen. Auch die Türe im Übergang sei nicht vergleichbar einer Außenhaustüre und als Grenze ungeeignet.

Die Bevollmächtigten des Klägers erwiderten mit Schriftsätzen vom 27.07.2010 und 04.03.2011, dass sich in beiden Gebäudeteilen ein Büro befinde, das betrieblich genutzt werde. Wenn die Zimmer im Gasthaus belegt seien, würden insbesondere Stammgäste im Zimmer in der Wohnung des Klägers untergebracht. Dies komme ca. 12- bis 15-mal im Jahr vor. Bevor der Sohn des Klägers in die Wohnung der Schwiegermutter des Klägers eingezogen sei, sei auch diese (zweite) Wohnung vor allem an Dauergäste vermietet worden. Die Übernachtungsgäste würden hierbei den streitgegenständlichen Treppenaufgang vor allem am Abend nach dem Abendessen benutzen, da es nahe liege, den direkten Zugang zum Zimmer zu nutzen, um nicht ins Freie über die öffentliche Straße zum Zimmer zu gelangen. Auch der Wäschetransport erfolge ausschließlich über den Übergang. Die angestellten Reinigungskräfte würden einmal wöchentlich die Wohnung des Klägers putzen, wobei der Zugang ausschließlich über den streitgegenständlichen Treppenaufgang erfolge. Des Weiteren seien im Betrieb des Klägers zwei Reinigungskräfte zum Putzen der Gaststätte eingestellt. Hierzu gehöre auch das tägliche Reinigen der Gaststätte vom Ratskeller bis zum streitgegenständlichen Treppenaufgang bis hin zur Wohnungstüre. Die Reinigungsarbeiten würden nicht am Boden des Vorraums am Beginn des Treppenaufgangs enden, sondern erst am Ende des Treppenaufgangs an der Wohnungstüre zum Privatanwesen des Klägers.

In dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung vom 19.07.2011 wurden als Zeuginnen einvernommen: G. (Ehefrau des Klägers) sowie die Bediensteten D., E., F., G. und H ... Nach den übereinstimmenden Aussagen der Bediensteten wurde und wird der Übergang immer wieder von Mitarbeiterinnen genutzt, denen Reinigungs- und Servicetätigkeiten (z.B. Zimmerservice in der vermieteten Wohnung) obliegen. Die Zeugin G. hat dies ebenfalls berichtet und zum eigentlichen Unfallhergang neu Folgendes mitgeteilt: Am Samstag ist damals sehr viel los gewesen. Gegen 2.00 Uhr ist sie mit ihrem Ehemann nach oben gegangen. Ihr Mann ist von einem Gast aufgehalten worden. Sie hat den Sturz als solchen nicht beobachtet. Der Ehemann ist anschließend nach oben ins Schlafzimmer gekommen und hat sich schlafen gelegt. Etwaige Verletzungen hat sie hierbei noch nicht bemerkt. Erst am Morgen ist ihr Ehemann unmittelbar nach dem Aufwachen zusammengebrochen und bewusstlos gewesen. Die Tochter hat dann unverzüglich den Notarzt geholt. Sie kann den Gast nicht benennen, mit dem ihr Mann gesprochen hat. Insgesamt sind damals rund 120 Gäste auf der Feier gewesen. Zu dem Gast kann sie sich nur noch daran erinnern, dass dieser an ihren Mann gerichtet gesagt hat: "Gut war s, was gehst du schon in s Bett." Sicher weiß sie, dass es sich um einen männlichen Gast gehandelt hat.

Entsprechend dem Antrag des Bevollmächtigten der Beklagten ist der Zeugin G. ihre Aussage zum unmittelbaren Unfallhergang und das Ansprechen durch einen unbekannten Gast nochmals vorgelesen worden. Die Zeugin G. hat die Richtigkeit ihrer Aussage versichert und einen entsprechenden Eid mit religiöser Bekräftigung geleistet.

Beide Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung. Die Öffentlichkeit wurde hergestellt.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.01.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Vorsorglich beantragen beide Beteiligten die Zulassung der Revision.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen, vor allem auf die Niederschrift vom 19.07.2011 und die dort eidlich versicherte Richtigkeit der Aussage der Zeugin G. zum unmittelbaren Unfallhergang und das Ansprechen durch einen unbekannten Gast.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist es danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG mit Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten so, wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird.

Hiervon ausgehend hat die Zeugin G. erstmals den eigentlichen Unfallhergang im Detail geschildert und unter Eid versichert, dass ihr Mann von einem Gast aufgehalten worden ist. Auch wenn sie den Sturz als solchen nicht beobachtet hat, ist ihr erinnerlich, dass es sich um einen männlichen Gast gehandelt hat und dieser an ihren Mann gerichtet gesagt hat: "Gut war s, was gehst du schon in s Bett."

Dies beinhaltet einen unmittelbaren inneren Zusammenhang des Sturzes des Klägers mit seiner Tätigkeit als Gastwirt, der zum einen von einem unbekannten Gast für das Ausrichten der Großveranstaltung von 120 Personen gelobt worden ist und zum anderen aus der Sicht eben dieses unbekannten Gastes bedauerlicherweise im Begriffe war, die Veranstaltung zu verlassen. Wenn der Kläger sich in dieser Situation zu dem Gast umgedreht und zugewandt hat, entspricht dies dem typischen Verhalten eines Gastwirts im Sinne einer guten Kundenbetreuung. - Der hierbei erfolgte Sturz, weil der Handlauf nicht mehr erwischt worden ist, stellt somit einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar.

Unabhängig davon, dass die Zeugin G. die Richtigkeit ihrer Aussage zum unmittelbaren Unfallhergang und das Ansprechen durch einen unbekannten Gast eidlich bekräftigt hat, bestehen auch nicht die geringsten Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage. Denn die Zeugin hat den unmittelbaren Unfallhergang eher nebenbei geschildert und sich vielmehr auf die Nutzung des Überganges zwischen den beiden Gebäudeteilen konzentriert. Außerdem standen bei der Schilderung des Unfallherganges die Folgen desselben weit im Vordergrund (vor allem Zusammenbrechen des Klägers unmittelbar nach dem Aufwachen).

Der hier gegebene Unfallversicherungsschutz gemäß § 8 Abs.1 SGB VII entfällt auch nicht durch die aktenkundig gegebene Alkoholisierung des Klägers als Gastwirt. Denn ausweislich des Durchgangsarztberichtes des Dr.O. vom 06.04.2006 ist bei der Blutentnahme vom 11.12.2005 um 12.21 Uhr ein Blutalkoholwert von 0,72 Promille festgestellt worden. In Berücksichtigung der Zeugenaussage der G. vom 19.07.2011 ist jedoch nicht der genossene Alkohol für den Sturz ursächlich gewesen, sondern das Ansprechen des Klägers durch einen unbekannten Gast, als sie mit ihrem Mann nach oben gegangen ist.

Nachdem ein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs.1 SGB VII gegeben ist, kann der Senat offen lassen, ob die Benutzung des Überganges durch den Kläger auch eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII darstellt. Auf die diesbezüglichen umfassenden Ermittlungen der Beklagten und des Gerichts in erster und zweiter Instanz kommt es aufgrund der Zeugenaussage von Frau G. nicht mehr an.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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