L 9 AL 60/10 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 248/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 60/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sozialgerichtliches Verfahren - Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe -Voraussetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO - Verhältnis zu § 120 Abs. 4 ZPO
1. Gegen einen Beschluss, mit dem das SG die Bewilligung von PKH aufgehoben hat, ist die Beschwerde nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen.
2. Erfolgt erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ein Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO, so hat wegen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht das Landessozialgericht, sondern das Sozialgericht über diesen Antrag zu entscheiden.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Zwischen den Beteiligten war in der Hauptsache streitig, ob der Kläger ab 1. März 1997 zu Recht Arbeitslosengeld beziehungsweise ab dem 22. Juli 1998 Arbeitslosenhilfe bezog. Vorliegend ist über die Aufhebung der Bewilligung von Ratenzahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu entscheiden.

Gegen den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 9. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2003 erhob der Kläger am 30. Juni 2003 Klage zum Sozialgericht Landshut (Az.: S 13 AL 248/03). Mit Beschluss vom 7. Januar 2004 wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht Landshut abgelehnt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az.: L 8 B 80/04 AL PKH) wurde der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 7. Januar 2004 aufgehoben, dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe gegen monatliche Ratenzahlung von 30 EUR bewilligt und Frau Rechtsanwältin B. beigeordnet. Mit Urteil vom 7. März 2007 hob das Sozialgericht Landshut teilweise den Bescheid vom 9. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2003 auf bzw. änderte ihn zu Gunsten des Klägers ab. Insoweit wird auf das nunmehr rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. März 2007 (Az.: S 13 AL 248/03) verwiesen. Mit Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. Oktober 2010 wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Auferlegung von Ratenzahlungen gemäß § 124 Nr. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben, da der Kläger länger als 3 Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand war.

Hiergegen hat der Kläger und Beschwerdeführer am 12. März 2010 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben und zusammenfassend ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger länger als 3 Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand war, da im Berufungsverfahren L 8 AL 182/07 Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. Januar 2010 aufzuheben und Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu gewähren.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat in nicht zu beanstandender Anwendung von § 73 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 124 Nr. 4 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger aufgehoben.

Die Beschwerde des Klägers ist insbesondere nach § 172 SGG statthaft und nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Mit der Neufassung des § 172 SGG zum 1. April 2008 wollte der Gesetzgeber zur Entlastung der Landessozialgerichte die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur noch dann zulassen, wenn eine Entscheidung über die Erfolgsaussichten in der Hauptsache durch das Sozialgericht erlassen wurde (BR-Drucksache 820/07, Teil B, zu Nr. 29). Wurde dagegen lediglich über die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen entschieden, ist eine Beschwerde nicht mehr statthaft. Eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 4 ZPO wird bereits vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (n.F.) nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung kommt nicht in Betracht, da weder eine planwidrige Lücke ersichtlich ist, noch ein gleich gelagerter Sachverhalt vorliegt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Tatbestandsvorausetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO wesentlich umfangreicher sind und zumindest nach der herrschenden Meinung ein Verschulden voraussetzen (vergleiche ebenso LSG Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2009, Az.: L 11 R 898/09 PKH B).

Nach § 124 Nr. 4 ZPO kann das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als 3 Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist. Diese Voraussetzung ist nach dem vorstehend geschilderten Geschehensablauf erfüllt. Die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen säumiger Ratenzahlung setzt weiter voraus, dass die Nichtzahlung der Raten schuldhaft erfolgte. Zwar enthält diese Vorschrift nicht den Begriff "Verzug", sondern nur das Wort "Rückstand". Es ist jedoch herrschende Meinung, dass dennoch Verzug erforderlich ist (vergleiche Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 68. Auflage, § 124, Rz.: 53 m.w.N.) und damit bereits eine leichte Fahrlässigkeit ausreichend ist. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe darf nicht aufgehoben werden, wenn die Nichtzahlung der Raten nicht auf einem Verschulden des Bedürftigen beruht. Das Verschulden ist unabhängig von den Feststellungen und Bewertungen des ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses zu prüfen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26.09.2007, Az.: L 19 B 18/07; BGH, Beschluss vom 09.01.1997 - 9 ZR 61/94 - NJW 1997, 1077 ff). Die Klägerbevollmächtigten wurden mit Schreiben vom 14. März 2008 darüber informiert, dass der Kläger vom 1. Dezember 2007 bis 1. Juli 2008 mit 8 Raten in Höhe von 30 EUR und am 1. August 2008 mit einer Rate in Höhe von 27,75 EUR in Verzug geraten ist. Eine Stellungnahme insbesondere zum Verschulden erfolgte nicht. Bis zur Entscheidung des Sozialgerichts wurde auch kein Antrag nach § 120 Abs. 4 ZPO gestellt. Auch mit Schreiben vom 20. Mai 2011 wurde nochmals durch das Bayerische Landessozialgericht um Stellungnahme zum Verschulden bezüglich der unterbliebenen Ratenzahlung gebeten. Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 erfolgten keine weiteren Ausführungen durch die Klägerbevollmächtigte; es wurde im Wesentlichen auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen. Die Nichtzahlung der mit Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 2004 (Az.: L 8 B 80/04 AL PKH) festgesetzten Raten ohne weitere Entschuldigung ist daher schuldhaft erfolgt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger mit Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. November 2009 (Az.: L8 AL 182/07) Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben; eine Änderung der nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 S. 1 ZPO maßgebenden Beträge ist allerdings nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist (§ 120 Abs. 4 S. 1 ZPO). Nachdem die Prozessbevollmächtigte - trotz Anhörung vom 14. März 2008 - keine Stellungnahme abgab, war eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO zulässig (s.o.). Ein Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO kann nach herrschender Meinung auch formlos gestellt werden. Vorliegend ist die Beschwerdeschrift vom 19. Februar 2010 (eingegangen beim Sozialgericht Landshut am selben Tag) als Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO auszulegen. Eine Entscheidung über diesen Antrag würde jedoch im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens die nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG auf das Sozialgericht beschränkte Prüfung der Zuständigkeit der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen umgehen (vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht vom 3. Mai 2010, L 3 AS 608/09). Eine Entscheidung des Senats über den Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO im Rahmen des Beschwerdeverfahrens scheidet daher aus (so auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.09.2007, Az.: L 19 B 18/07 zitiert nach juris). Nachdem dem Senat eine Entscheidung über den am 19. Februar 2010 gestellten Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO verwehrt ist, hat das Sozialgericht Landshut zur Gewährung und Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz noch über den Antrag nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO gestellten Antrag zu entscheiden. § 124 ZPO schließt dabei eine Änderung des Bewilligungsbeschlusses zu Gunsten des Klägers wegen einer nachträglichen Verschlechterung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht aus (vergleiche Peters / Sautter / Wolff, Kommentar zu Sozialgerichtsbarkeit, § 73 a, § 124 ZPO, Ziffer 2). Sie ist, solange die festgesetzten Zahlungen noch nicht erbracht wurden, auch nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits zulässig (vgl. Peters / Sautter / Wolff, a.a.O., m.w.N.).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach dem Rechtsgedanken aus § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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