L 20 R 359/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 116/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 359/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 349/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu der Frage der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung eines Versicherten (hier: orthopädische und neurol.-psychiatr. Erkrankungen).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger aufgrund seines Antrags vom 24.06.2004 Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gegen die Beklagte hat.

Der 1952 geborene Kläger hat keine abgeschlossene Berufsausbildung, eine begonnene Lehre als Schmied wurde nicht abgeschlossen. Er war zuletzt bis 31.08.1995 als Baggerführer versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.02.1996 bis 31.12.1997 erhielt der Kläger eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Antrag auf Weiterbewilligung dieser Rente über den 31.12.1997 hinaus wurde von der Beklagten abgelehnt, die dagegen zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobene Klage (S 4 RJ 738/989) wurde durch Urteil vom 05.03.2001 abgewiesen. Die hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung, die unter dem Aktenzeichen L 19 RJ 234/01 geführt wurde, wurde nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. B. vom 25.03.2002 in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2003 nach Hinweis des Senats auf das bestehende vollschichtige Leistungsvermögen des Klägers zurückgenommen. Seit 07.04.2001 ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.

Im November 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer stationären medizinischen Reha-Maßnahme wegen "stärkster Schmerzen" im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Einstrahlung in beide Beine, die die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens von Dr. S. vom 16.12.2003 auch bewilligte. Aus dieser Maßnahme (18.04.2004 bis 02.03.2004 in der O. Klinik O.) wurde der Kläger als arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsbild als Baggerführer und für den allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen.

Nach einer Untersuchung der Lendenwirbelsäule zur Abklärung einer OP-Indikation im L.-Krankenhaus in B-Stadt am 25.05.2004 beantragte er bei der Beklagten am 24.06.2004 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte hat nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ein orthopädisches Gutachten von Frau Dr. B. eingeholt, die am 20.07.2004 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Baggerführer nur noch unter 3 Stunden täglich ausüben könne, jedoch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich leistungsfähig sei. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26.07.2004 die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab, da der Kläger nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei. Zwar könne er seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Baggerführer nicht mehr ausüben. Er könne jedoch zumutbar auf die Tätigkeiten eines Tankstellenkassierers sowie eines Pförtners verwiesen werden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen am 18.02.2005 zum SG Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und insbesondere die von der Beklagten in der Vergangenheit eingeholten Gutachten von Dr. S., Dr. G. und Frau Dr. B. sich einander offenkundig widersprächen. Die von der Beklagten benannten Verweisungsberufe seien dem Kläger gesundheitlich nicht zumutbar.

Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein orthopädisches Gutachten von Dr. A. eingeholt, der am 20.11.2006 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne, wenngleich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Gegenüber der Einschätzung von Frau Dr. B. im Juli 2004 habe sich keine wesentliche Änderung ergeben. Die hinzugekommenen Beeinträchtigungen im Bereich der Schulter und im linken Handgelenk bedingten allenfalls qualitative Einschränkungen. Die Einholung eines weiteren, insbesondere z. B. neurologisch-psychiatrischen Gutachtens werde nicht für erforderlich gehalten.

Das SG hat sodann die Klage gegen den Bescheid vom 26.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2005 mit Urteil vom 14.03.2007 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI, da er noch mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. A., der sich in Übereinstimmung mit der Sachverständigen Dr. B. und der O. Klinik befinde. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger zuletzt allenfalls einen Anlernberuf ausgeübt habe und deshalb sowohl objektiv als auch subjektiv auf den Beruf des einfachen Pförtners verwiesen werden könne.

Zur Begründung der hiergegen am 03.05.2007 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, dass das SG eine neurologisch/psychiatrische Begutachtung hätte durchführen müssen, was jedoch unter Hinweis auf eine frühere Begutachtung des Klägers unterblieben sei. Der behandelnde Hausarzt des Klägers Dr. C. sei der Auffassung, dass der Kläger nicht mehr erwerbstätig sein könne. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. beschreibe unter dem 22.06.2007, dass der Kläger unter einem chronifizierten Schmerzsyndrom leide und dass er wegen einer depressiven Episode medikamentös behandelt werden müsse. Von einer operativen Behandlung sei von neurochirurgischer Seite abgeraten worden. Trotz medikamentöser analgetische Einstellung sowie einer schmerzdistanzierenden Behandlung komme es immer wieder zu Schmerzexazerbationen.

Der Senat hat zunächst ärztliche Befundberichte zum Verfahren beigezogen. In der Zeit vom 09.06.2008 - 30.06.2008 befand sich der Kläger in einer Anschlussheilbehandlung nach Knie-TEP-Implantation am 15.05.2008 bei Z. n. Varusgonarthrose rechts in der Klinik B. in Bad K., aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde. Der Beruf des Baggerführers sei ihm nur noch unter drei Stunden täglich möglich, jedoch bestünde ein Restleistungsvermögen von mehr als 6 Stunden täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen (Entlassungsbericht vom 30.06.2008).

Der Senat hat sodann ein neurologisch/psychiatrisches Fachgutachten von
Dr. D. eingeholt, der am 17.04.2009 zu folgenden Diagnosen gekommen ist:

- Irritation der Nervenwurzel S 1 auf der rechten Seite mit leichten sensiblen Störungen ohne funktionelle Auswirkungen im Sinne von Lähmungen
- Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.

Der Kläger könne aus neurologisch-psychiatrischer Sicht leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Zu vermeiden seien besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und an das Reaktionsvermögen sowie besondere Anforderungen an die geistige Flexibilität. Arbeiten unter Zeitdruck sollten ebenfalls nicht abverlangt werden. Der Kläger könne unter Beachtung dieser Einschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Die Tätigkeit als Baggerführer könne der Kläger nicht mehr verrichten, ihm seien jedoch noch Arbeiten in einer Material-/Werkzeugausgabe, Lagerarbeiten, einfache Hilfsarbeiten in einer Poststelle sowie einfache Tätigkeiten im Rahmen einer Nebenpforte möglich. Die Wurzelreizsymptomatik bestehe seit 2000, die psychiatrische Erkrankung mit Dysthymie, Somatisierungsstörung bestehe seit Anfang 2004.

Der Senat hat des Weiteren ein orthopädisches Fachgutachten von Dr. E. eingeholt, der am 22.04.2009 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

- Mäßiggradige Einschränkungen der Brust- und Lendenwirbelsäulenentfaltbarkeit bei leichter Fehlstatik, Residuen eines Morbus Scheuermann im thorakolumbalen Übergang, Assimilationsstörung der LWS (6-gliedriger Aufbau der LWS), Bandscheibenschäden der unteren LWS mit wiederkehrenden Lumboischialgien ohne motorische Defizite.
- Belastungsminderung und leichte Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit wiederkehrenden Reizzuständen nach Knie-TEP-Implantation rechts vom 15.05.2008 bei bildgebend unauffälligen Verhältnissen.
- Engesyndrom der rechten Schulter mit einer mäßiggradigen Abspreizhemmung bei beginnendem Verschleiß der Schulter und beginnendem bis mäßigem Verschleiß des Schultereckgelenkes ohne klinischen Anhalt für eine Läsion/Ruptur der Rotatorenmanschette.
- Belastungsminderung und mäßige Funktionseinschränkung des linken Handgelenkes bei Falschgelenkbildung des Os scaphoideum, Verschleiß und scapholunärer Dissoziation.

Aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen ergäben sich qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegend sitzendem Anteil verrichten. Zu vermeiden seien länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, insbesondere mit stark nach vorne gebeugtem Oberkörper, häufiges Treppensteigen, häufige Überkopfarbeiten rechts, besondere Kraftanstrengungen für das linke Handgelenk und die linke Hand, längere Arbeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellung sowie Kälte, Nässe, Zugluft ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Gang- und Standsicherheit müsse gegeben sein, das Besteigen von Leitern und Gerüsten sei nicht zulässig. In quantitativer Hinsicht ergäben sich jedoch keine Einschränkungen, der Kläger könne trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich tätig sein. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich, die Wegefähigkeit sei gegeben.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2009 wurden vom damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers weitere ärztliche Befunde vorgelegt, aus denen sich insbesondere ein Verdacht auf eine Lockerung der Knie-TEP ergab. Nach Wechsel des Prozessbevollmächtigten wurden mit Schriftsatz vom 15.03.2010 weitere Befundberichte übersandt sowie ein nervenärztliches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. F. beantragt.

Der Senat hat darauf hin ein Gutachten nach § 109 SGG von Dr. F. eingeholt, der am 11.05.2011 zu folgenden Diagnosen gelangte:

- Schwere somatoforme Schmerzstörung
- Schwere depressive Störung mit z. T. psychotischen Symptomen
- Chronisches Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule

Der Kläger könne selbst leichte Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich ausführen. Wegen der Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule mit Einstrahlen in beide Beine bei längerem Sitzen, Gehen und Stehen und dem hohen Verspannungsgrad der Wirbelsäulen-Muskulatur sei er in seiner alltäglichen Beweglichkeit deutlich eingeschränkt. Aufgrund der psychischen Erkrankung, insbesondere aufgrund der schweren Depression, sei der Kläger in seiner Belastbarkeit deutlich reduziert. Hier sei insbesondere das Konzentrationsvermögen, die Gedächtnisleistung sowie das Durchhaltevermögen zu nennen. Von einer Besserung seines Zustandes könne nicht mehr ausgegangen werden. Dieser Zustand sei seit mindestens 1995 (Erstberentung auf Zeit) vorhanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 24.06.2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 zurückzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente längstens bis Juli 2010 vorliegen. Eine rentenrelevante Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers liege bis zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.05.2011 wurde mitgeteilt, dass der Kläger zwischenzeitlich an Speiseröhrenkrebs erkrankt sei und er sich seit dem 05.05.2011 im L.-Krankenhaus in B-Stadt befinde.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Rentenakten, die Gerichtsakten des SG Würzburg mit dem Aktenzeichen S 4 RJ 738/98, des Bayerischen Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 19 RJ 234/01 sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG Würzburg hat zu Recht mit dem Urteil vom 14.03.2007 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt, da der Kläger zumindest bis Juli 2010 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI war. Auch ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI steht dem Kläger nicht zu.

Gemäß § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Senat ist aufgrund der eingeholten Gutachten auf neurologisch/ psychiatrischem Fachgebiet von Dr. D. sowie auf orthopädischem Fachgebiet von Dr. E. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein konnte, zumindest bis zu dem Zeitpunkt Juli 2010, bis zu dem längstens die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente beim Kläger gegeben waren. Die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen konzentrierten sich zunächst auf einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule, der konservativ behandelt wurde und immer wieder zu Lumbalgien und wiederkehrenden Schmerzzuständen führte und daraus resultierend auf eine somatoforme Schmerzstörung mit rezidivierenden depressiven Episoden. Offenbar im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten hat sich eine Erkrankung des Magen-Darm-Traktes mit Reflux entwickelt, die wohl evtl. im Mai 2011 zu einer Speiseröhrenkrebserkrankung geführt hat. Diese liegt jedoch außerhalb der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den letztmöglichen Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles, so dass hierauf keine Rentengewährung gestützt werden kann.

Aus dem orthopädischen Fachgutachten von Dr. E. ergeben sich zwar eine Vielzahl von Erkrankungen und Abnutzungserscheinungen, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule und im rechten Kniegelenk. Die meisten Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Gebiet ziehen jedoch lediglich geringe Funktionseinschränkungen nach sich, denen im Rahmen der qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dr. E. sieht deshalb den Kläger nur noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegend sitzendem Anteil zu verrichten. Zwangshaltungen der Wirbelsäule sind ebenso zu vermeiden wie häufiges Treppensteigen, häufige Überkopfarbeiten, besondere Kraftanstrengungen für das linke Handgelenk und die linke Hand, längere Arbeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellung sowie Kälte, Nässe, Zugluft ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Gang- und Standsicherheit müsse gegeben sein, das Besteigen von Leitern und Gerüsten sei nicht zulässig. Dr. E. begründet diese qualitativen Leistungseinschränkungen anschließend im Einzelnen anhand der beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere an der Wirbelsäule und der Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenkes nach TEP-Implantation und wiederkehrenden Reizzuständen. Diese Ausführungen sind in sich schlüssig und für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar.

Dr. D. stellt in seinem neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten fest, dass der Kläger nur noch leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten ausüben könne und insbesondere wegen der festgestellten Erkrankung in Form einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und an das Reaktionsvermögen sowie besondere Anforderungen an die geistige Flexibilität zu vermeiden seien. Dr. D. konstatiert in seinem Gutachten auch, dass der Schmerz, den der Kläger empfinde, im Laufe der Jahre schlimmer geworden sei, ohne dass objektiv neue Befunde auf neurologischem oder orthopädischem Fachgebiet erhoben worden seien. Als besonders belastend empfinde der Kläger, dass er um seine Rente kämpfen müsse, er führe sogar aus, dass er sich von der Rentenversicherung "terrorisiert" fühle. Hinzu kämen psychische Probleme durch eine angespannte finanzielle Situation mit Schulden bei den Geschwistern, die er zurückzahlen solle, dies jedoch nicht könne. Darauf reagiere der Kläger immer wieder mit depressiven Episoden, die in den vorliegenden Unterlagen mehrfach dokumentiert seien. Weiterhin sei beim Kläger davon auszugehen, dass der Schmerz in bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen und anderen wichtigen Funktionsbereichen hervorgerufen habe. Er sei in seinem Schlaf gestört, habe seine berufliche Tätigkeit aufgegeben und sich auch aus seiner Tätigkeit im Gemeinderat zurückgezogen. Gleichwohl bedingten diese Erkrankungen nur qualitative Leistungseinschränkungen, nicht quantitative.

Aus den von Dr. C. vom Senat beigezogenen Befundunterlagen ergeben sich bis zum Juli 2010 keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers, so dass der Senat keine Veranlassung hatte, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen.

Den Einschätzungen, die der auf Antrag des Klägers tätig gewordene Gutachter Dr. F. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 11.05.2011 getroffen hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. F. kommt bei im wesentlichen gleicher Diagnosestellung wie die vor ihm tätig gewordenen nervenärztlichen Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Kläger bereits seit 1995, dem Zeitpunkt der ersten Rentenantragstellung, bis durchgehend jetzt nicht in der Lage gewesen sei, eine Arbeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Eine Auseinandersetzung mit den Vorgutachtern und deren Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers erfolgt nicht, auch keine Darlegung, weshalb er selbst zwar einerseits von einer Verschlimmerung des Zustandes des Klägers ausgeht, gleichwohl aber andererseits bereits seit spätestens 1995 eine quantitative Leistungsminderung auf unter 3 Stunden täglich sieht. Er legt nicht dar, wie sich der Tagesablauf des Klägers im Zeitpunkt des spätestmöglichen Eintritts des Leistungsfalles Juli 2010 darstellte und zeigt auch keine Veränderungen gegenüber den hierzu erfolgten Feststellungen der früheren Gutachter auf. Er legt auch nicht dar, inwieweit und seit wann sich beim Kläger angeblich psychotische Elemente entwickelt haben. Er führt lediglich aus, dass "auch über ausgeprägte Ängste geklagt" werde. Der Kläger "habe manchmal das Gefühl, überwacht und beobachtet zu werden", worin jedoch ein "paranoides Erleben" besteht, wird nicht dargelegt. Gegen ein bereits seit 1995 bestehendes, unter dreistündiges Leistungsvermögen sprechen im Übrigen bereits die Gutachten, die im vorangegangenen rechtskräftig abgeschlossenen Rentenverfahren zur Frage des Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31.12.1997 hinaus eingeholt wurden (internistisches Gutachten Dr. D. vom 18.01.2000, nervenärztliches Gutachten Dr. F. vom 01.03.2000, Gutachten nach § 109 SGG von Dr. S. vom 25.10.2000 im Verfahren S 4 RJ 738/98 des SG Würzburg und neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. B. vom 25.03.2002 im Verfahren L 19 RJ 234/01 vor dem Bayerischen Landessozialgericht). Anhaltspunkte für den Eintritt eines Leistungsfalles der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung in der Zeit zwischen der Erstellung des Gutachtens von Dr. D. bis zum Juli 2010 lassen sich mangels entsprechender Ausführungen dem Gutachten von Dr. F. nicht entnehmen und können auch in den Befundberichten von Dr. C. nicht gesehen werden. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die rentenrechtlich evtl. hätten relevant werden können, liegt erst im Jahr 2011 vor und somit außerhalb der notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI besteht ebenfalls nicht, da der Kläger keinen Berufsschutz genießt. Bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Baggerführer handelte es sich laut Arbeitgeberauskunft um eine einfache Anlerntätigkeit (4 bis 6 Wochen), so dass der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen ist. Hierfür hatte er jedoch noch ein Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Eine Benennung konkreter Verweisungstätigkeiten durch die Beklagte ist nicht erforderlich, weil eine schwere spezifische Leistungseinschränkung ebenso wenig vorliegt wie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Selbst wenn der Kläger als Baggerführer eine längere Anlernzeit zu absolvieren gehabt hätte, wären ihm die von der Beklagten benannten Hilfstätigkeiten in einer Poststelle unter Beachtung des Mehrstufenschemas des BSG (vgl. hierzu bei Niesel, in: Kass Komm., § 240 SGB VI, Rdnr. 24 ff.) sowohl sozial als auch unter Beachtung seiner Leistungseinschränkungen gesundheitlich zumutbar.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 14.03.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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