Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1504/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 529/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 139/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 96 SGG gilt nicht bei einem weiteren Versagungsbescheid
Ein weiterer Versagungsbescheid nach § 66 SGB I wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand einer laufenden Klage gegen den vorherigen Versagungsbescheid. Der neue Versagungsbescheid betrifft die Mitwirkung in einem neuen Verwaltungsverfahren und damit einen anderen Streitstoff.
Ein weiterer Versagungsbescheid nach § 66 SGB I wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand einer laufenden Klage gegen den vorherigen Versagungsbescheid. Der neue Versagungsbescheid betrifft die Mitwirkung in einem neuen Verwaltungsverfahren und damit einen anderen Streitstoff.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Augsburg vom 26. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind
nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Der 1957 geborene Kläger bezog zunächst bis 30.09.2008 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Ein Weitergewährungsantrag vom 22.08.2008 wurde abgelehnt (Bescheid vom 19.09.2008).
Rund ein Jahr später, laut Kläger am 10.07.2009 (Datumsangabe des Klägers auf dem Antrag), laut Eingangsstempel des Beklagten am 31.08.2009, beantragte der Kläger erneut Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Im Antrag waren nur die persönlichen Daten enthalten wie Name, Adresse und Familienstand.
In der Folge wurde der Kläger mit Schreiben vom 30.11.2009 aufgefordert, verschiedene Unterlagen zur Anspruchsprüfung einzureichen, insbesondere Antragsformulare zu Einkommen, Vermögen und den Kosten der Unterkunft. Am 07.12.2009 ging ein Teil der erbetenen Unterlagen beim Beklagten ein. Ein erheblicher Teil der Unterlagen, insbesondere die Antragsunterlagen zu den Kosten der Unterkunft, Vermögen, Mehrbedarf und Sozialversicherung, enthielten lediglich Streichungen ganzer Passagen und Vermerke "bekannt".
Mit Schreiben vom 09.12.2009 wurden erneut 12 Unterlagen angemahnt, insbesondere zu Bankkonten (Kontoauszüge ab 01.06.2009, Kontoübersicht), Vermögen und den Kosten der Unterkunft. Der Kläger übermittelte nichts und erklärte, dass alle nötigen Unterlagen, insbesondere der Mietvertrag, die Kontoverbindung (die nochmals benannt wurde) und die Angaben zur Krankenkasse in der Akte seien.
Mit weiterem Schreiben vom 29.12.2009 wurden erneut die mit Schreiben vom 09.12.2009 benannten Unterlagen bis spätestens 15.01.2010 angefordert und auf die Möglichkeit der Versagung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung hingewiesen.
Mit Bescheid vom 29.01.2010 versagte der Beklagte die Leistungen ab 31.08.2009 gemäß § 66 SGB I. Die fehlenden Unterlagen seien zwingend erforderlich. Ermessen sei ausgeübt worden. Es sei wirtschaftlich zu handeln. Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu Gunsten des Klägers hätten berücksichtigt werden können, seien weder erkennbar noch vorgetragen.
Im Rahmen eines Eilverfahrens (S 16 AS 1500/09 ER) teilte der Kläger dem Sozialgericht mit, dass bereits die Leistungsbeendigung zum 30.09.2008 rechtswidrig gewesen sei, sich seitdem keine Änderungen ergeben hätten und alle erheblichen Tatsachen bekannt seien. Es erfolgte ein Erörterungstermin, in dem der Kläger diverse Einzelangaben zum Vermögen machte. Nachfolgend wurden einzelne Kontoauszüge übermittelt. Mit Beschluss vom 22.02.2010 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Der gegen den Versagungsbescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2010 zurückgewiesen. Der Kläger habe zwar beim Sozialgericht zu einzelnen Punkten Angaben gemacht, jedoch keine Nachweise erbracht. Zudem habe er sich geweigert, lückenlose Kontoauszüge vorzulegen. Die Prüfung von Einkommen und Vermögen sei aber unverzichtbar. Darauf habe auch das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen. Deshalb sei die Leistung zu versagen.
Bereits am 25.11.2009 erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Augsburg, weil über seinen Leistungsantrag nicht entschieden werde. Nach Erlass des Versagungsbescheides vom 29.01.2010 erklärte der Kläger noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids eine Klageänderung in eine Anfechtungs- und Leistungsklage.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2010 wurde die Klage abgewiesen. Der Versagungsbescheid sei rechtmäßig. Im Eilverfahren seien Kontoauszüge nur teilweise vorgelegt worden. Es fehle insbesondere ein Kontoauszug, der zu einem Guthaben von 844,41 Euro am 04.08.2009 geführt habe. Die derzeitigen Kosten der Unterkunft seien nicht belegt. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage sei unzulässig, weil ein Versagungsbescheid ausschließlich mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 01.06.2010 zugestellt.
Bereits am 06.05.2010 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Leistungen, der mit Versagungsbescheid vom 21.07.2010 gemäß § 66 SGB I abgelehnt wurde. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger am 12.07.2010 beim Sozialgericht Augsburg Klage (S 16 AS 849/10) erhoben.
Am 30.06.2010 hat der Kläger "Sprungrevision" eingelegt. Er habe eine Sprungrevision eingelegt, um den Rechtsbeugungen und Verfahrensverschleppungen in Bayern entgegen zu wirken. Das Bayerische Landessozialgericht teilte ihm daraufhin mit, dass eine Sprungrevision aussichtslos wäre. In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2011 erklärte er, dass er halt eine Berufung einlege, "wenn es eine Berufung sein müsse".
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2010 und den Versagungsbescheid vom 29.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 10.07.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten, die genannten Akten des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgelehnt hat. Der Versagungsbescheid ist rechtmäßig.
Streitgegenstand ist der Versagungsbescheid vom 29.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010. Ein Versagungsbescheid lehnt die Leistung wegen mangelnder Mitwirkung ab. Dies hat hier zwei prozessuale Konsequenzen:
1. Der neue Leistungsantrag vom 06.06.2010 mit dem neuen Versagungsbescheid vom 21.06.2010 schneidet den zulässigen strittigen Zeitraum ab: Strittig ist hier nur die Zeit bis 05.06.2010. § 96 SGG ist nicht anwendbar. Der neue Versagungsbescheid betrifft die Mitwirkung im neuen Verwaltungsverfahren und damit einen anderen Streitstoff und andere Tatsachen.
2. Die Leistungsklage ist als unzulässig abzulehnen, weil nur eine Anfechtungsklage möglich ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R, Rn. 11, 12 und Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rn. 38b). Ein Ausnahmefall der trotzdem nachgewiesenen Leistungsvoraussetzungen (BSG a.a.O., Rn. 14) liegt hier nicht vor - die Leistungsvoraussetzungen sind nicht geklärt. Die Berufung ist insoweit unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid zu Recht abgewiesen. Dieser ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen nach § 66 SGB I vorliegen.
Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nachkommt, hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird und die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Soweit die Leistungsvoraussetzungen teilweise nachgewiesen sind, ist nur eine teilweise Versagung für den restlichen Betrag möglich (vgl. Wortlaut "soweit"). Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Die fragliche Mitwirkungspflicht darf nicht unzumutbar sein im Sinn von § 65 SGB I.
Der Kläger hatte Arbeitslosengeld II beantragt und er war gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für diese Leistung erheblich sind. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I war er verpflichtet, auf Verlangen der Behörde Beweisurkunden vorzulegen. Für die begehrte Leistung ist erheblich, ob der Kläger gemäß § 9 SGB II hilfebedürftig ist, also über Einkommen und Vermögen verfügt. Er muss sich deshalb über sein Vermögen erklären und Kontoauszüge vorlegen (zu den Kontoauszügen Urteil des BSG vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R). Die Vorlage vereinzelter Kontoauszüge genügte nicht. Weil nur die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in den Bedarf einzustellen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II), musste der Kläger auch die tatsächlichen Unterkunftskosten belegen.
Die Vorlage der angeforderten Unterlagen war auch nach § 65 Abs. 1 SGB I zumutbar. Sie standen in einem angemessenen Verhältnis zu der begehrten Leistung, es ist kein entgegenstehender wichtiger Grund geltend gemacht worden oder sonst erkennbar und der Leistungsträger konnte sich die erforderlichen Kenntnisse nicht mit geringem Aufwand selbst beschaffen.
Die Aufklärung des Sachverhalts wurde durch die fehlende Mitwirkung nicht nur erheblich erschwert, sondern teilweise unmöglich gemacht. Der Beklagte konnte die Kontoauszüge nicht selbst beschaffen. Der Vermieter ist keine der Personen, die nach § 60 SGB II als Dritte auskunftspflichtig sind.
Der Kläger war mit Schreiben vom 29.12.2009 auf die Rechtsfolge der Versagung hingewiesen worden, in dem auch eine angemessene Frist bis 15.01.2010 gesetzt wurde (§ 66 Abs. 3 SGB I). Das Schreiben bezog sich auf die Liste von zwölf Unterlagen im Schreiben vom 09.12.2009 und dafür war die Frist relativ kurz. Allerdings war dem Antragsteller schon längere Zeit die Notwendigkeit der Vorlage dieser Unterlagen bekannt und es handelte sich um Unterlagen, die er leicht beschaffen konnte (Kontoauszüge, Vermögensnachweise zu vorhandenem Vermögen, Nachweis zu den Kosten der Unterkunft) bzw. um Erklärungen, die er selbst abgeben konnte (vollständig ausgefüllte Antragsunterlagen).
Die erforderliche Mitwirkung wurde nicht fristgerecht erbracht. Der Leistungsträger durfte die Leistung vollständig versagen, weil die Hilfebedürftigkeit insgesamt nicht geklärt war.
Die Versagung ist eine Ermessensentscheidung, die das Gericht nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfen darf. Damit wird der Anspruch des Betroffenen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I gesichert und zugleich der Entscheidungsspielraum der Behörde gewahrt. Ermessensfehler liegen hier nicht vor. Die Ermessensausübung ist ausreichend.
Der Bescheid vom 29.01.2010 beschränkt sich auf die Aussagen, dass die Unterlagen zwingend erforderlich seien, Ermessen ausgeübt worden sei, die Behörde wirtschaftlich handeln müsse und keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die zugunsten des Klägers hätten berücksichtigt werden können. Dies sind formelhafte Erwägungen, die in jedem Versagungsbescheid stehen könnten und keinen Bezug zum konkreten Fall zeigen. Notwendig sind einzelfallbezogene Erwägungen. Der Bescheid enthält eine Ermessensunterschreitung.
Zureichende Ermessenserwägungen können bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also noch im Widerspruchsbescheid nachgeschoben werden. Dies ist hier geschehen. Der Widerspruchsbescheid enthält ausreichendes Ermessen. Er legt dar, dass die im Eilverfahren abgegebenen Erklärungen nicht ausreichen, weil keine Nachweise dazu erbracht wurden und lückenlose Kontoauszüge fehlen. Außerdem habe das Sozialgericht den Kläger im Eilverfahren auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, dass Auskünfte zu aktuellem Einkommen und Vermögen zu geben sind. Diese Erwägungen zeigen, dass der Beklagte der Ermessensentscheidung die Umstände des konkreten Falles zu Grunde legte. Es geht nicht darum, ob das Gericht sich noch weitere Umstände des Einzelfalles vorstellen kann, die eventuell auch hätten berücksichtigt werden können. Eine solche Ermessenskontrolle würde die bei Ermessenentscheidungen in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG festgelegte Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung aushebeln.
Damit liegen die Voraussetzungen der Versagung der begehrten Leistung vor. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind. Das vom Kläger geäußerte Misstrauen gegenüber den bayerischen Gerichten ist kein Zulassungsgrund.
Augsburg vom 26. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind
nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Der 1957 geborene Kläger bezog zunächst bis 30.09.2008 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Ein Weitergewährungsantrag vom 22.08.2008 wurde abgelehnt (Bescheid vom 19.09.2008).
Rund ein Jahr später, laut Kläger am 10.07.2009 (Datumsangabe des Klägers auf dem Antrag), laut Eingangsstempel des Beklagten am 31.08.2009, beantragte der Kläger erneut Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Im Antrag waren nur die persönlichen Daten enthalten wie Name, Adresse und Familienstand.
In der Folge wurde der Kläger mit Schreiben vom 30.11.2009 aufgefordert, verschiedene Unterlagen zur Anspruchsprüfung einzureichen, insbesondere Antragsformulare zu Einkommen, Vermögen und den Kosten der Unterkunft. Am 07.12.2009 ging ein Teil der erbetenen Unterlagen beim Beklagten ein. Ein erheblicher Teil der Unterlagen, insbesondere die Antragsunterlagen zu den Kosten der Unterkunft, Vermögen, Mehrbedarf und Sozialversicherung, enthielten lediglich Streichungen ganzer Passagen und Vermerke "bekannt".
Mit Schreiben vom 09.12.2009 wurden erneut 12 Unterlagen angemahnt, insbesondere zu Bankkonten (Kontoauszüge ab 01.06.2009, Kontoübersicht), Vermögen und den Kosten der Unterkunft. Der Kläger übermittelte nichts und erklärte, dass alle nötigen Unterlagen, insbesondere der Mietvertrag, die Kontoverbindung (die nochmals benannt wurde) und die Angaben zur Krankenkasse in der Akte seien.
Mit weiterem Schreiben vom 29.12.2009 wurden erneut die mit Schreiben vom 09.12.2009 benannten Unterlagen bis spätestens 15.01.2010 angefordert und auf die Möglichkeit der Versagung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung hingewiesen.
Mit Bescheid vom 29.01.2010 versagte der Beklagte die Leistungen ab 31.08.2009 gemäß § 66 SGB I. Die fehlenden Unterlagen seien zwingend erforderlich. Ermessen sei ausgeübt worden. Es sei wirtschaftlich zu handeln. Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu Gunsten des Klägers hätten berücksichtigt werden können, seien weder erkennbar noch vorgetragen.
Im Rahmen eines Eilverfahrens (S 16 AS 1500/09 ER) teilte der Kläger dem Sozialgericht mit, dass bereits die Leistungsbeendigung zum 30.09.2008 rechtswidrig gewesen sei, sich seitdem keine Änderungen ergeben hätten und alle erheblichen Tatsachen bekannt seien. Es erfolgte ein Erörterungstermin, in dem der Kläger diverse Einzelangaben zum Vermögen machte. Nachfolgend wurden einzelne Kontoauszüge übermittelt. Mit Beschluss vom 22.02.2010 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Der gegen den Versagungsbescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2010 zurückgewiesen. Der Kläger habe zwar beim Sozialgericht zu einzelnen Punkten Angaben gemacht, jedoch keine Nachweise erbracht. Zudem habe er sich geweigert, lückenlose Kontoauszüge vorzulegen. Die Prüfung von Einkommen und Vermögen sei aber unverzichtbar. Darauf habe auch das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen. Deshalb sei die Leistung zu versagen.
Bereits am 25.11.2009 erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Augsburg, weil über seinen Leistungsantrag nicht entschieden werde. Nach Erlass des Versagungsbescheides vom 29.01.2010 erklärte der Kläger noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids eine Klageänderung in eine Anfechtungs- und Leistungsklage.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2010 wurde die Klage abgewiesen. Der Versagungsbescheid sei rechtmäßig. Im Eilverfahren seien Kontoauszüge nur teilweise vorgelegt worden. Es fehle insbesondere ein Kontoauszug, der zu einem Guthaben von 844,41 Euro am 04.08.2009 geführt habe. Die derzeitigen Kosten der Unterkunft seien nicht belegt. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage sei unzulässig, weil ein Versagungsbescheid ausschließlich mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 01.06.2010 zugestellt.
Bereits am 06.05.2010 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Leistungen, der mit Versagungsbescheid vom 21.07.2010 gemäß § 66 SGB I abgelehnt wurde. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger am 12.07.2010 beim Sozialgericht Augsburg Klage (S 16 AS 849/10) erhoben.
Am 30.06.2010 hat der Kläger "Sprungrevision" eingelegt. Er habe eine Sprungrevision eingelegt, um den Rechtsbeugungen und Verfahrensverschleppungen in Bayern entgegen zu wirken. Das Bayerische Landessozialgericht teilte ihm daraufhin mit, dass eine Sprungrevision aussichtslos wäre. In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2011 erklärte er, dass er halt eine Berufung einlege, "wenn es eine Berufung sein müsse".
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2010 und den Versagungsbescheid vom 29.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 10.07.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten, die genannten Akten des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgelehnt hat. Der Versagungsbescheid ist rechtmäßig.
Streitgegenstand ist der Versagungsbescheid vom 29.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010. Ein Versagungsbescheid lehnt die Leistung wegen mangelnder Mitwirkung ab. Dies hat hier zwei prozessuale Konsequenzen:
1. Der neue Leistungsantrag vom 06.06.2010 mit dem neuen Versagungsbescheid vom 21.06.2010 schneidet den zulässigen strittigen Zeitraum ab: Strittig ist hier nur die Zeit bis 05.06.2010. § 96 SGG ist nicht anwendbar. Der neue Versagungsbescheid betrifft die Mitwirkung im neuen Verwaltungsverfahren und damit einen anderen Streitstoff und andere Tatsachen.
2. Die Leistungsklage ist als unzulässig abzulehnen, weil nur eine Anfechtungsklage möglich ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R, Rn. 11, 12 und Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rn. 38b). Ein Ausnahmefall der trotzdem nachgewiesenen Leistungsvoraussetzungen (BSG a.a.O., Rn. 14) liegt hier nicht vor - die Leistungsvoraussetzungen sind nicht geklärt. Die Berufung ist insoweit unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid zu Recht abgewiesen. Dieser ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen nach § 66 SGB I vorliegen.
Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nachkommt, hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird und die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Soweit die Leistungsvoraussetzungen teilweise nachgewiesen sind, ist nur eine teilweise Versagung für den restlichen Betrag möglich (vgl. Wortlaut "soweit"). Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Die fragliche Mitwirkungspflicht darf nicht unzumutbar sein im Sinn von § 65 SGB I.
Der Kläger hatte Arbeitslosengeld II beantragt und er war gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für diese Leistung erheblich sind. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I war er verpflichtet, auf Verlangen der Behörde Beweisurkunden vorzulegen. Für die begehrte Leistung ist erheblich, ob der Kläger gemäß § 9 SGB II hilfebedürftig ist, also über Einkommen und Vermögen verfügt. Er muss sich deshalb über sein Vermögen erklären und Kontoauszüge vorlegen (zu den Kontoauszügen Urteil des BSG vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R). Die Vorlage vereinzelter Kontoauszüge genügte nicht. Weil nur die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in den Bedarf einzustellen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II), musste der Kläger auch die tatsächlichen Unterkunftskosten belegen.
Die Vorlage der angeforderten Unterlagen war auch nach § 65 Abs. 1 SGB I zumutbar. Sie standen in einem angemessenen Verhältnis zu der begehrten Leistung, es ist kein entgegenstehender wichtiger Grund geltend gemacht worden oder sonst erkennbar und der Leistungsträger konnte sich die erforderlichen Kenntnisse nicht mit geringem Aufwand selbst beschaffen.
Die Aufklärung des Sachverhalts wurde durch die fehlende Mitwirkung nicht nur erheblich erschwert, sondern teilweise unmöglich gemacht. Der Beklagte konnte die Kontoauszüge nicht selbst beschaffen. Der Vermieter ist keine der Personen, die nach § 60 SGB II als Dritte auskunftspflichtig sind.
Der Kläger war mit Schreiben vom 29.12.2009 auf die Rechtsfolge der Versagung hingewiesen worden, in dem auch eine angemessene Frist bis 15.01.2010 gesetzt wurde (§ 66 Abs. 3 SGB I). Das Schreiben bezog sich auf die Liste von zwölf Unterlagen im Schreiben vom 09.12.2009 und dafür war die Frist relativ kurz. Allerdings war dem Antragsteller schon längere Zeit die Notwendigkeit der Vorlage dieser Unterlagen bekannt und es handelte sich um Unterlagen, die er leicht beschaffen konnte (Kontoauszüge, Vermögensnachweise zu vorhandenem Vermögen, Nachweis zu den Kosten der Unterkunft) bzw. um Erklärungen, die er selbst abgeben konnte (vollständig ausgefüllte Antragsunterlagen).
Die erforderliche Mitwirkung wurde nicht fristgerecht erbracht. Der Leistungsträger durfte die Leistung vollständig versagen, weil die Hilfebedürftigkeit insgesamt nicht geklärt war.
Die Versagung ist eine Ermessensentscheidung, die das Gericht nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfen darf. Damit wird der Anspruch des Betroffenen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I gesichert und zugleich der Entscheidungsspielraum der Behörde gewahrt. Ermessensfehler liegen hier nicht vor. Die Ermessensausübung ist ausreichend.
Der Bescheid vom 29.01.2010 beschränkt sich auf die Aussagen, dass die Unterlagen zwingend erforderlich seien, Ermessen ausgeübt worden sei, die Behörde wirtschaftlich handeln müsse und keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die zugunsten des Klägers hätten berücksichtigt werden können. Dies sind formelhafte Erwägungen, die in jedem Versagungsbescheid stehen könnten und keinen Bezug zum konkreten Fall zeigen. Notwendig sind einzelfallbezogene Erwägungen. Der Bescheid enthält eine Ermessensunterschreitung.
Zureichende Ermessenserwägungen können bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also noch im Widerspruchsbescheid nachgeschoben werden. Dies ist hier geschehen. Der Widerspruchsbescheid enthält ausreichendes Ermessen. Er legt dar, dass die im Eilverfahren abgegebenen Erklärungen nicht ausreichen, weil keine Nachweise dazu erbracht wurden und lückenlose Kontoauszüge fehlen. Außerdem habe das Sozialgericht den Kläger im Eilverfahren auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, dass Auskünfte zu aktuellem Einkommen und Vermögen zu geben sind. Diese Erwägungen zeigen, dass der Beklagte der Ermessensentscheidung die Umstände des konkreten Falles zu Grunde legte. Es geht nicht darum, ob das Gericht sich noch weitere Umstände des Einzelfalles vorstellen kann, die eventuell auch hätten berücksichtigt werden können. Eine solche Ermessenskontrolle würde die bei Ermessenentscheidungen in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG festgelegte Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung aushebeln.
Damit liegen die Voraussetzungen der Versagung der begehrten Leistung vor. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind. Das vom Kläger geäußerte Misstrauen gegenüber den bayerischen Gerichten ist kein Zulassungsgrund.
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