L 4 KR 206/11 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 KR 157/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 206/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
gen einstweiliger Anordnung
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Würzburg vom 9. Mai 2011 aufgehoben.

II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, längstens bis zum Abschluss eines
Hauptsacheverfahrens am Sozialgericht Würzburg, der Antragstellerin im
Wege der Sachleistung 20 weitere ambulante Hyperthermiebehandlungen,
zu gewähren.

III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergericht-
lichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.



Gründe:


I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Kosten für ambulant durchzuführende Hyperthermiebehandlungen bei dem Vertragsarzt Dr. med. Z ...

Bei der 1965 geborenen Antragstellerin (Ast) wurde im Januar 2010 ein weitläufig metas-tasierendes bösartiges Darmkarzinom diagnostiziert (mucinöses Appendixkarzinom mit Peritonealkarzinose). Operativ erfolgte am 25.01.2010 eine komplette Entfernung des Dickdarms mit Herstellung einer Verbindung zwischen Dünndarm und Enddarm. Gleichzeitig wurde die Gebärmutter, die Eierstöcke und das gesamte Bauchfell entfernt. Bereits intraoperativ wurde eine Hyperthermie als intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) durchgeführt. Es folgten weitere stationäre Aufenthalte im Krankenhaus L., C-Stadt, sowie in der Univ. Klinik W ... Letztere empfahl der Ast im Anschluss eine additive Therapie mit FOLFOX, d.h. eine spezielle Chemotherapie mit Oxadiplatin, Folinsäure, Fluoruracil. Wegen persistierender Diarrhoe verzichtete die Ast in der Folge auf eine additive Chemotherapie, auch eine geplante Rehabilitationsmaßnahme fand nicht statt. Die Ast entschied sich vielmehr für eine Misteltherapie in Kombination mit ambulanter Hyperthermie, die seit Januar 2011 beim Vertragsarzt Dr. Z. in H. in Form von regionaler Tiefenhyperthermie und Ganzkörperhyperthermie mit Procainbasen-Infusionen durchgeführt wird. Dr. Z. rechnet hierfür jeweils 150,- EUR nach GOÄ ab.

Am 03.01.2011 beantrage die Ast schriftlich unter Beifügung eines Attestes des Dr. Z. die Übernahme der Kosten. Die Ag befasste hierauf den MDK, der am 18.01.2011 mitteilte, dass die vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien, da eine Chemotherapie z.B. nach FOLFOX-Schema möglich wäre. Evtl. Gegenindikationen bzw. Unverträglichkeiten lägen nicht vor. Auch sei durch die Anwendung der beantragten Maßnahme nicht mit einer auf Indizien gestützten nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu rechnen. Die Ag lehnte hierauf am 24.01.2011 die Kostenübernahme für die Hyperthermiebehandlung ab. Im Widerspruchsverfahren trug der Bevollmächtigte der Ast vor, dass der ambulant behandelnde Onkologe Dr. von H. der Ast mitgeteilt habe, dass eine Chemotherapie nur noch allein aus palliativen Aspekten erfolgen könne und aus seiner Sicht allenfalls zu einer moderaten (und auch nur möglicherweise zu erreichenden) Lebensverlängerung führen könne. Im Einvernehmen mit Dr. von H. habe sie sich daher gegen die Durchführung der Chemotherapie entschieden. Nach Beginn der hyperthermischen Therapie seien bei einer CT-Untersuchung am 15.02.2011 keine erkennbaren Metastasen mehr festgestellt worden. Es bestünde daher eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)vom 06.12.2005. Darüber hinaus lägen Studien vor, mit denen der therapeutische Nutzen belegt werden könne. Dies sei auch von einer Reihe von Sozialgerichten so anerkannt worden. Hierauf gab der MDK in einer weiteren Stellungnahme nach Aktenlage und ohne Einbeziehung des Herrn Dr. von H. an, dass trotz lediglich palliativen Therapieansatzes neben supportiver Therapie in Übereinstimmung mit Onkologen eine weiterführende onkologische Behandlung zu diskutieren sei. Hierfür stünden anerkannte Behandlungsstandards, u.a. mit zugelassenen Arzneimitteln zur Verfügung. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei nicht belegt, dass diese Optionen unzumutbar oder ggf. unter stationären Bedingungen ausgeschöpft seien. Ausreichende Standards für die Hyperthermie (Studienprotokoll, Votum der Ethikkommission) seien nicht vorhanden.

Am 15.04.2011 beantragte die Ast durch ihren Bevollmächtigten den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Würzburg (SG), die entsprechend den Ausführungen im Widerspruchsverfahren und unter Beifügung weiterer ärztlicher Stellungnahmen und Befunde begründet wurde. Hiergegen trug die Ag vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GemBA) die Hyperthermie sogar ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen habe. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht, da nach Prüfung des MDK eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende vertragliche Behandlung zur Verfügung stehe. Die Behandlung von palliativen Krebspatienten mit Behandlungskonzepten wie der Hyperthermie habe in der Vergangenheit keine höhere Überlebensrate bewirkt. Auch sei bei kombinierten Therapien der Wirksamkeitsnachweis kaum möglich. Die Ast legte anschließend eine eidesstattliche Versicherung vor, wonach sie derzeit eine monatliche Rente in Höhe von 780,- EUR beziehe und zusätzlich einen Minijob mit Verdienst von 400,- EUR ausübe. Die Ersparnisse der Familie seien durch die bisher finanzierte Behandlung der Krebserkrankung aufgebraucht worden. Durch laufende Verpflichtungen sei sie nicht in der Lage, das Hyperthermieverfahren weiter aus privaten Mitteln vorzufinanzieren.

Mit Beschluss vom 09.05.2011 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden, da die Ast keinen Sachleistungsanspruch auf die Hyperthermiebehandlung habe. Dies ergebe sich aus dem Charakter der Therapie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im ambulanten Bereich. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG scheide eine Kostenübernahme aus, da nach den allesamt übereinstimmenden Arztberichten und dem schlüssigen Gutachten des MDK vom Vorliegen einer alternativen Behandlungsmethode auszugehen ist. Es sei nicht vorgetragen worden, weshalb die Chemotherapie unzumutbar sei. Auf eine Folgenabwägung käme es vorliegend auch nicht an, da keine Erfolgs-aussichten bestünden. Anhaltspunkte für ein Systemversagen des GemBA bestünden nicht.

Hiergegen wendet sich die Ast mit ihrer Beschwerde vom 19.05.2011 zum Bayer. Landessozialgericht (LSG). Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei eine Folgenabwägung durchzuführen, die hier für das Begehren der Ast spreche. Die Durchführung der Chemotherapie sei für die Ast unzumutbar. Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts hat der Senat Befunde der behandelnden Ärzte beigezogen. Herr Dr. von H. teilte am 07.06.2011 nach letzter Vorstellung der Ast am 06.06.2011 mit, dass wegen persistierender erheblicher Diarrhoe seit der HIPEC-Therapie bis heute bewusst keine additive Chemotherapie stattfände. Eine solche (Folfox, Irinotecan, Capecitabin) sei wegen der Diarrhoe höchst riskant und kaum zumutbar. Überraschenderweise sei noch keine wesentliche Progression der histologisch gesicherten Peritonealkarzinose eingetreten. Frau Dr. W., die behandelnde Internistin, gab am 14.06.2011 an, dass sie der Ast zur Hyperthermie geraten habe, da diese allein geeignet sei, die Krebszellen abzutöten. Der Ast sei nur eine Lebenserwartung von wenigen Monaten attestiert worden, gegenwärtig gelte sie aber als frei von Metastasen. Der Allgemeinarzt Dr. D., bei dem sich die Ast in regelmäßiger Behandlung befindet, teilte am 29.06.2011 mit, dass sich der Gesundheitszustand der Ast in letzter Zeit nicht verändert habe. Es bestehe ein telefonischer Austausch über die Therapieoptionen mit der Praxis des Dr. von H. - auch über eine FOLFOX-Therapie. Da die Ast praktisch über keinen Dickdarm mehr verfüge und sowieso unter massiven Durchfällen leide, scheide jede Form von aggressiver Chemotherapie aus, um eine zusätzliche massive Beeinträchtigung der Lebensqualität zu verhindern. Auch eine Bestrahlung sei angesichts der Ausdehnung des Operationsgebietes nicht durchführbar. Aus hausärztlicher Sicht unterstütze er die Hyperthermie, da sie zum bisherigen Behandlungserfolg mit beigetragen habe. Die Kosten für eine konventionelle Chemotherapie lägen um ein Vielfaches höher und würden keinen Vorteil versprechen, insbesondere vor dem Hintergrund der Prognose der Univ. Klinik W. im Januar 2010, dass lediglich eine Lebenserwartung von ca. drei Monaten bestehe. Das Krankenhaus L. gab am 30.06.2011 an, dass die Ast seit dem 15.05.2011 nicht mehr untersucht worden sei, in einem CT vom 28.04.2011 sei kein Tumorbefund erhoben worden.

Die Ag teilte hierauf mit, dass grundsätzlich jedes zugelassene Krankenhaus Hyperthermie erbringen könne, auch wenn es sich um keine Vertragsleistung handle. Der behandelnde Vertragsarzt müsse aber die Notwendigkeit einer stationären Behandlung vertraglich verordnen. Benannt wurden fünf Vertragskrankenhäuser, die stationär ganzheitliche/ naturheilkundliche oder antroposophische Medizin anbieten würden. Der Einsatz von Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie/Radiotherapie im Rahmen schulmedizinischer Behandlung werde in Bayern bei bestimmten Indikationen von bestimmten Kliniken nicht nur im Rahmen von Studien, sondern auch über die DRG und Zusatzentgelt erbracht. Zur Möglichkeit einer stationären Hyperthermie erklärte Herr Dr. von H. zuletzt, dass sich dies seiner Kenntnis entziehe. Dr. D. verneinte am 02.08.2011 die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zur Durchführung der Hyperthermie. Bei der Komplexität der Erkrankung sei die Stabilität des häuslichen Umfeldes bei der Ast außerordentlich wichtig. Aus dem gleichen Grund sei postoperativ auch eine Anschlussheilbehandlung von allen Beteiligten abgelehnt worden. Bei insgesamt begrenzter Lebenserwartung sei unter psychischen Gesichtspunkten außerordentlich schwierig, die Patientin von Familienangehörigen, die ihr Sicherheit und Halt geben, zu trennen. Bei den jeweils durchgeführten ambulanten Behandlungen sei der Ehemann mit anwesend gewesen.

Die Ast beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 09.05.2011 die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig ab sofort 20 ambulante Hyperthermiebehandlungen in Form der regionalen Tiefenhyperthermie in der Arztpraxis Dr. med. O. Z., T-Straße, H., als Sachleistung zu gewähren.

Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet. Die Ag hat die Ast im beantragten Umfang, jedoch längstens bis zu einer Entscheidung im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren mit den beantragten Hyperthermiebehandlungen zu versorgen.

Ein Anordnungsanspruch für die begehrte Regelungsanordnung ist aus Sicht des Senats ausreichend glaubhaft gemacht worden, da eine grundrechtsorientierte Prüfung ergibt, dass der Leistungsausschluss für Hyperthermie im ambulanten Bereich gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Falle der Ast nicht gerechtfertigt ist.

Zwar hat das SG zutreffend festgestellt, dass das Verfahren der Hyperthermie vom
GemBA mit Beschluss vom 18.01.2005 in die Anlage B der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, also als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode, aufgenommen wurde. Hiervon ist auch das bei der Ast angewandte Tiefenhyperthermieverfahren umfasst (vgl. Nr. 42: Hyperthermie, u.a. Ganzkörperhyperthermie, regionale Tiefenhyperthermie, Oberflächenhyperthermie, Hyperthermie in Kombination mit Radiatio und/oder Chemotherapie). In der Folge handelt es sich demnach um ein Verfahren, das vom Arzt nicht als Vertragsleistung abgerechnet werden und von der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht übernommen werden darf (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. bereits Urteil vom 16.09.1997, AZ: 1 RK 28/95, BSGE 81, 54). Im Falle akut lebensbedrohlicher Erkrankungen kann dieser Leistungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversicherung allerdings grundrechtswidrig sein. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden hat (Beschluss vom 06.12.2005, AZ: 1 BvR 347/98), ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. mit Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten unter folgenden Voraussetzungen die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweigern:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor,
2. für diese Krankheit steht keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung,
3. es besteht für die beim Versicherten ärztlich angewandte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Die Anwendung dieser Grundsätze ist nach Auffassung des Senats auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil bereits ein positiver Leistungsausschluss durch den GemBA - wie im Fall der Hyperthermie - erfolgt ist. Bereits der Entscheidung vom 06.12.2005 lag mit der streitigen Bioresonanztherapie ein Verfahren zugrunde, das vom damals zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 08.05.1995 von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden war. Auch in späteren Verfahren ist das BVerfG - soweit erkennbar - nicht grundsätzlich von dieser Sichtweise abgewichen. Mit Beschluss vom 29.11.2007 (Az.: B 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365) hat das BVerfG vielmehr entgegen der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 07.11.2006 (AZ: B 1 KR 24/06 R, SozR 4 2500 § 27 Nr. 12) entschieden, dass es im gerichtlichen Verfahren für den konkreten Fall der Versicherten eigenständig zu entscheiden sei, ob die im Beschluss vom 06.12.2005 für eine noch nicht anerkannte, aber auch noch nicht ausdrücklich ausgeschlossene neue Behandlungsmethode aufgestellten Grundsätze auch in einem Fall anzuwenden seien, in welchem eine neue Behandlungsmethode bereits ausdrücklich vom GemBA ausgeschlossen wurde. Im Beschluss vom 19.03.2009 hat das BVerfG später allerdings auch festgestellt, dass sich aus der Entscheidung vom 29.11.2007 keine grundsätzliche Anerkennung des Verfahrens der Hyperthermie durch das BVerfG ergibt (1 BvR 316/09, NZS 2009, 376).

Der Senat schließt hieraus, dass in besonders gelagerten Einzelfällen trotz eines bereits ergangenen negativen Beschlusses des GemBA ein Leistungsanspruch grundsätzlich bestehen kann, da der Prüfungsmaßstab des GemBA bei der Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit umfasst, wohingegen nach der Rechtsprechung des BVerfG eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreichend ist (vgl. auch Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.02.2007, Az.: L 5 B 8/07 KR ER, Beschluss des LSG Schleswig-Holstein vom 28.03.2011, Az.: L 5 KR 20/11 B ER, zitiert nach juris).

Bei der Ast sieht der Senat ausreichend Anhaltspunkte für eine solche Sachlage. In Fällen, in denen es um eine existenziell bedeutende Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung geht, ist den Gerichten zwar grundsätzlich eine nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Orientieren sie ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache, so sind sie nach Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls gehalten, die Versagung auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen (Beschluss des BVerfG vom 19.03.2004, 1 BvR 131/04, zitiert nach juris). Ist eine vollständige Aufklärung des Sachverhaltes im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (BVerfG vom 29.11.2007, a.a.O.) Entgegen der Auffassung der Ag geht der Senat auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen und beigezogenen Befunde auf Grundlage der aktuell vorliegenden Unterlagen davon aus, dass der Ast keine allgemein anerkannte medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht. Die vom MDK bislang befürwortete FOLFOX-Therapie bzw. eine andere Art der Chemotherapie, wie sie von der Univ. Klinik W. im Jahr 2010 vorgeschlagen worden waren, kann nach den aktuellen fachärztlichen Stellungnahmen bei der Ast zumindest gegenwärtig nicht durchgeführt werden, weil dies wegen der massiven Durchfälle höchst riskant und kaum zumutbar wäre. Auch geht der Senat davon aus, dass mit der bisher durchgeführten Hyperthermiebehandlung im konkreten Fall der Ast zumindest eine im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 ausreichend spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf erreicht werden kann. Eine solche Prognose lässt sich aus dem bislang durchgeführten Therapieschema ableiten, bei dem die Klägerin ausschließlich mit Hyperthermie (i.V.m. naturheilkundlichen Verfahren) behandelt wurde und eine Chemotherapie nicht zur Anwendung kam. Gleichzeitig werden verschiedene Hyperthermieverfahren auch im stationären Bereich durchgeführt, ohne dass ein Ausschluss durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgt ist (§ 137c SGB V).

Die Ast kann wohl auch nicht auf eine stationär durchzuführende Hyperthermiebehandlung verwiesen werden. Zwar hat die Ag mitgeteilt, dass Hyperthermie auch in einer Reihe zugelassener Krankenhäuser, insbesondere in Kombination mit Chemotherapie/Radiotherapie durchgeführt wird und entsprechend abgerechnet werden kann. Nach der Stellungnahme des behandelnden Hausarztes ist eine stationäre Therapie bei der Ast derzeit allerdings nicht angezeigt, da es aufgrund der psychischen Situation der Ast kaum möglich ist, sie für längere Zeit von ihren Familienangehörigen zu trennen. Auch wird keine Notwendigkeit umfassender stationärer Behandlung gesehen.

Vor dem Hintergrund dieses summarisch aufgeklärten Sachverhaltes hat eine Folgenabwägung stattzufinden, die hier zugunsten der Ast ausfällt. Für die Ag besteht lediglich ein begrenzt finanzielles Risiko, da eine Leistungspflicht lediglich bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens vorliegt, bei dem eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts erfolgen könnte. Dieses Interesse hat jedoch gegenüber der bestehenden Lebensbedrohung auf Seiten der Ast zurückstehen.

Ein Anordnungsgrund wird durch den Senat bejaht, da die Ast ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie die beantragte Behandlung aus finanziellen Gründen nicht mehr selbst finanzieren kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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