L 11 AS 525/11 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 40/11
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 525/11 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Prozesskostenhilfe
Hinreichende Erfolgsaussicht besteht bei Erforderlichkeit der Prüfung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 SGB X
Der Klägerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.05.2011 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für einen von der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht Nürnberg zu benennenden Rechtsanwalt unter den Bedingungen eines im Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Nürnberg ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.



Gründe:


I.
Streitig ist die teilweise Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Klägerin bezog zuletzt aufgrund des Bescheides vom 10.06.2009 Alg II vom Beklagten. Am 19.11.2009 teilte sie mit, sie zahle aus verschiedenen Gründen seit September 2009 keine Miete mehr. Der Beklagte hob mit Bescheid vom 21.09.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2010 die bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.09.2009 bis 30.11.2009 auf. Durch die Einstellung der Mietzahlungen habe sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergeben; die Klägerin habe erkennen können, dass mit der Einstellung der Mietzahlungen der Anspruch auf diese Kosten gegenüber dem Beklagten weggefallen sei. Die Einstellung der Mietzahlung habe sie erst im November 2009 mitgeteilt.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Diesen Antrag hat das SG mit Beschluss vom 30.05.2011 abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe nicht. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Die Einstellung der Mietzahlungen im September stelle eine wesentliche Änderung dar. Dies habe sie erst am 19.11.2009 dem Beklagten mitgeteilt, überzahlte Leistungen seien daher zu erstatten.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und auch begründet. Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 382,74 EUR monatlich für die Zeit vom 01.09.2009 bis 30.11.2009. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben. Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht eine Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn ein günstiges Ergebnis unwahrscheinlich bzw. die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage, § 73a Rdnr 7a).

Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht ist vorliegend gegeben. Zwar ist eine wesentliche Änderung durch Nichtzahlung der Miete eingetreten. Fraglich ist jedoch, ob die Klägerin die Pflicht zur Mitteilung dieser wesentlichen Änderung (Einstellung der Mietzahlung) grob fahrlässig verletzt bzw. ob sie zumindest grob fahrlässig nicht wusste, dass ein Anspruch auf Unterkunftskosten gegenüber dem Beklagten damit nicht mehr bestehe. Dabei kann der Klägerin nicht unterstellt werden, dass sie Kenntnis von der Rechtsprechung dazu hat, dass nur tatsächlich gezahlte Unterkunftskosten vom Beklagten zu übernehmen sind. Zu prüfen ist vielmehr, ob sie aus den erteilten Belehrungen des Beklagten, aus den ausgehändigten Merkblättern etc entnehmen musste, dass die bloße Nichtzahlung der Miete - soweit diese Einstellung der Zahlung gegenüber dem Vermieter ohne Grund erfolgt, schuldet sie die Miete weiterhin - eine wesentliche Änderung darstellt und sie dies mitzuteilen hat bzw. damit keinen Anspruch mehr auf Übernahme der Kosten durch den Beklagten hat. Dann kann ggfs grobe Fahrlässigkeit vorliegen.

Nachdem dies im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens durch weitere Ermittlungen noch zu klären ist, kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht von vorneherein verneint werden.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor. Die Klägerin bezieht Alg II und hat nach ihren Angaben kein Vermögen.

Ein Rechtsanwalt konnte der Klägerin mangels Benennung (noch) nicht beigeordnet werden. Die Klägerin kann einen solchen gegenüber dem SG zu den Bedingungen eines im Zuständigkeitsbereich des SG ansässigen Rechtsanwalts noch benennen.

Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und PKH für das erstinstanzliche Verfahren ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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