Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 483/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 345/11 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil, wenn der Erfolg der Berufung trotz Einholung eines Gutachtens noch ungewiss ist.
I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Dezember 2009 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem derzeit im Senat anhängigen Berufungsverfahren (Az.: L 2 U 20/10) ist streitig, ob dem Kläger und Berufungsbeklagten ab 12. Oktober 2007 eine Rente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 3. April 2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ab 12. Oktober 2006 zu bewilligen ist.
Der Kläger erlitt auf dem Weg zur Arbeit am 3. April 2006 mit einem Motorroller einen Verkehrsunfall und stürzte auf die rechte Hüfte. Nach dem H-Arzt-Bericht vom selben Tag erlitt er eine Hüftluxation rechts bei Zustand nach totalendoprothetischem Ersatz des Hüftgelenks (Hüft-TEP) mit einer Lockerung.
Der Beklagte und Berufungskläger holte u.a. ein Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 28. Februar 2007 ein, der eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30. September 2006 annahm. Ab 1. Oktober 2006 betrage die durch den Unfall bedingte MdE unter 10 v.H. Mit Bescheid vom 11. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 erkannte der Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, lehnte jedoch einen Anspruch auf eine Rente ab.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht München ein Gutachten des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. L. vom 7. Februar 2008 eingeholt, der die MdE ab 12. Oktober 2006 zunächst mit 10 v.H. einschätzte. Als Unfallfolge bestünden noch unspezifische Coxalgien des rechten Hüftgelenks. Demgegenüber ist der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Prof. Dr. V. in seinem chirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 30. Juni 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die MdE unter Einschluss einer fiktiven MdE vor dem Unfall auf 40 v.H. festzusetzen sei. Dies entspreche den allgemein gültigen Einschätzungen der MdE nach Implantation einer Revisionsendoprothese und der daraus resultierenden Gebrauchsminderung des rechten Beins mit Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks, einer Schwäche der Glutealmuskulatur rechts und einer belastungsabhängigen Schmerzsymptomatik. Dr. L. hat sich in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. August 2008 dieser Einschätzung nicht anschließen können. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 11. November 2008 aufgrund klägerischer Einwendungen und einer Stellungnahme des Prof. Dr. V. hat Dr. L. den Verschlimmerungsanteil im Bereich des rechten Hüftgelenks mit 20 v.H. eingeschätzt.
Der Beklagte hat sich auf medizinische Äußerungen des beratenden Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. gestützt, nach dem sich eine unfallbedingte MdE nicht begründen lasse.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 8. Dezember 2009 die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 12. Oktober 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. auf Dauer zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat sich zur Begründung auf das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen des Dr. L. sowie des Prof. Dr. V. gestützt.
Zur Begründung der von dem Beklagten eingelegten Berufung hat dieser sich auf Ausführungen des Dr. L., des Dr. L. sowie des Dr. K. berufen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten des Dr. V. F. vom 2. Mai 2010 eingeholt. Durch den Unfall sei es bei bestehendem Vorschaden in Form eines totalendoprothetischen Ersatzes der rechten Hüfte mit steiler Pfanne, zu kurzer Kopfprothese und knöcherner Absprengung zu einer Luxation der rechten Hüfte mit Re-Luxation gekommen. Mit der Implantation einer Modularprothese am 11. September 2007 sei kein ungünstigerer Zustand erreicht worden als er zuvor bestanden habe. Es lasse sich deshalb eine unfallbedingte MdE ohne Staffelung nach Zeiträumen nicht begründen. Auf die vom Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Äußerung des Prof. Dr. V. vorgebrachten Einwendungen hat Dr. F. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juli 2010 an seinen gutachterlichen Ausführungen festgehalten.
Der Beklagte und Antragsteller hat am 3. August 2011 die Aussetzung der Vollziehung der Urteilsrente beantragt; diese werde seit Dezember 2009 gezahlt. Zur Begründung hat er auf die Ausführungen des Dr. F. verwiesen. Spätestens ab Implantation der Modularprothese sei der Vorzustand wieder erreicht, so dass ein Rentenanspruch nicht begründbar sei.
Der Kläger und Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Er hat auf die finanzielle Notwendigkeit des Rentenbezugs sowie darauf hingewiesen, dass die Feststellungen des Dr. F. in Widerspruch zu den Feststellungen des Dr. L. und des Prof. Dr. V. stünden. Tatsächlich habe vor dem Unfall nur eine MdE von 10 v.H. vorgelegen. Es bestünden daher insgesamt geringe Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren.
Der Senat hat im Berufungsverfahren zuletzt mit Schreiben vom 18. August 2011 weitere Ermittlungen vor allem zum Zustand der Gesundheitsbeeinträchtigung vor dem Unfallereignis eingeleitet.
II.
Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts vom 8. Dezember 2009 nicht erfüllt. Der nach § 199 Abs. 2 SGG statthafte und zulässige Antrag ist nicht begründet. Bei pflichtgemäßer Abwägung der Interessen beider Beteiligter ist ein nicht zu ersetzender Nachteil des Beklagten infolge der Zahlung der Rente als Urteilsrente nicht zu begründen.
Gemäß § 154 Abs. 2 SGG hat die von dem Beklagten als Versicherungsträger eingelegte Berufung nur insoweit aufschiebende Wirkung, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteil nachgezahlt werden sollen. Für die Zeit nach Erlass des Urteils hat ein hierzu verurteilter Versicherungsträger die Rente, sog. Urteilsrente, zu zahlen. Wird das Ersturteil auf Berufung oder Revision aufgehoben, hat der Kläger die vorläufigen Zahlungen wieder zurückzuerstatten. Nach § 199 Abs. 2 SGG kann der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats die Vollstreckung aus dem Urteil durch einstweilige Anordnung aussetzen, soweit die Berufung - gemäß § 154 Abs. 2 SGG - keine aufschiebende Wirkung hat.
Die Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG stellt eine Ermessensentscheidung (BSG vom 05.09.2001, Az.: B 3 KR 47/01 R) dar. In welcher Weise das Ermessen ausgeübt wird, wird dabei nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 06.08.1999 - Az.: B 4 RA 25/98 B) sind über § 198 Abs. 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Vollstreckung heranzuziehen. Insbesondere ist § 719 Abs. 1 in Verbindung mit § 707 ZPO zu beachten. Danach ordnet das Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und zwar ggf. auch dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers dem entgegen steht. Der Vollstreckungsschuldner, hier der Beklagte, muss darlegen und glaubhaft machen, dass ihm durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde, wenn auch ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers, hier des Klägers, der Aussetzung entgegen steht. Ein nicht zu ersetzender Nachteil liegt nur vor, wenn der durch die Vollstreckung eingetretene Schaden nachträglich nicht mehr rückgängig gemacht und nicht ausgeglichen werden kann (BSG, a.a.O.). Im Rahmen der Ermessensausübung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 199 Rdrn. 8 m.w.N.).
Auch wenn der Senat unterstellen würde, dass aus finanziellen Gründen nach gegenwärtiger Sichtweise eine Rückforderung der vorläufig geleisteten Urteilsrente bei Erfolg der Berufung schwierig für den Beklagten ist, muss davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber derartige Schwierigkeiten bekannt gewesen waren und er gleichwohl diese Rechtsfolge in Kauf nahm. Hinzu kommt, dass nach der gegenwärtigen Gutachtenslage der Erfolg der Berufung trotz des vom Senat eingeholten Gutachtens des Dr. F. zumindest ungewiss ist. Das Gutachten des Dr. F. weicht in der Einschätzung eines Verschlimmerungsanteils gegenüber dem Hüftvorschaden erheblich nicht nur von der des nach § 109 SGG vom Sozialgericht gehörten Prof. Dr. V., sondern auch von der des Dr. L. ab. Insoweit sieht sich der Senat veranlasst, den Gesundheitszustand und die Beeinträchtigungen in der Zeit vor dem Unfallereignis weiter aufzuklären zu versuchen, so dass entgegen der Einschätzung des Beklagten nicht davon ausgegangen werden kann, dass "ein Rentenanspruch nicht begründbar" ist.
Die Interessen des Klägers an der laufenden Zahlung der Rente als Urteilsrente sind daher derzeit als höherwertig als die des Beklagten einzuschätzen. Der Senat kann dabei offen lassen, ob bei Berufungen, die nach § 154 Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben, die Aussetzung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSGE 12, 138), auszusprechen ist.
Dem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil war daher nicht zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar; sie kann aber jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs. 2 S. 3 SGG).
II. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
I.
In dem derzeit im Senat anhängigen Berufungsverfahren (Az.: L 2 U 20/10) ist streitig, ob dem Kläger und Berufungsbeklagten ab 12. Oktober 2007 eine Rente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 3. April 2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ab 12. Oktober 2006 zu bewilligen ist.
Der Kläger erlitt auf dem Weg zur Arbeit am 3. April 2006 mit einem Motorroller einen Verkehrsunfall und stürzte auf die rechte Hüfte. Nach dem H-Arzt-Bericht vom selben Tag erlitt er eine Hüftluxation rechts bei Zustand nach totalendoprothetischem Ersatz des Hüftgelenks (Hüft-TEP) mit einer Lockerung.
Der Beklagte und Berufungskläger holte u.a. ein Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 28. Februar 2007 ein, der eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30. September 2006 annahm. Ab 1. Oktober 2006 betrage die durch den Unfall bedingte MdE unter 10 v.H. Mit Bescheid vom 11. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 erkannte der Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, lehnte jedoch einen Anspruch auf eine Rente ab.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht München ein Gutachten des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. L. vom 7. Februar 2008 eingeholt, der die MdE ab 12. Oktober 2006 zunächst mit 10 v.H. einschätzte. Als Unfallfolge bestünden noch unspezifische Coxalgien des rechten Hüftgelenks. Demgegenüber ist der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Prof. Dr. V. in seinem chirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 30. Juni 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die MdE unter Einschluss einer fiktiven MdE vor dem Unfall auf 40 v.H. festzusetzen sei. Dies entspreche den allgemein gültigen Einschätzungen der MdE nach Implantation einer Revisionsendoprothese und der daraus resultierenden Gebrauchsminderung des rechten Beins mit Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks, einer Schwäche der Glutealmuskulatur rechts und einer belastungsabhängigen Schmerzsymptomatik. Dr. L. hat sich in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. August 2008 dieser Einschätzung nicht anschließen können. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 11. November 2008 aufgrund klägerischer Einwendungen und einer Stellungnahme des Prof. Dr. V. hat Dr. L. den Verschlimmerungsanteil im Bereich des rechten Hüftgelenks mit 20 v.H. eingeschätzt.
Der Beklagte hat sich auf medizinische Äußerungen des beratenden Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. gestützt, nach dem sich eine unfallbedingte MdE nicht begründen lasse.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 8. Dezember 2009 die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 12. Oktober 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. auf Dauer zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat sich zur Begründung auf das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen des Dr. L. sowie des Prof. Dr. V. gestützt.
Zur Begründung der von dem Beklagten eingelegten Berufung hat dieser sich auf Ausführungen des Dr. L., des Dr. L. sowie des Dr. K. berufen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten des Dr. V. F. vom 2. Mai 2010 eingeholt. Durch den Unfall sei es bei bestehendem Vorschaden in Form eines totalendoprothetischen Ersatzes der rechten Hüfte mit steiler Pfanne, zu kurzer Kopfprothese und knöcherner Absprengung zu einer Luxation der rechten Hüfte mit Re-Luxation gekommen. Mit der Implantation einer Modularprothese am 11. September 2007 sei kein ungünstigerer Zustand erreicht worden als er zuvor bestanden habe. Es lasse sich deshalb eine unfallbedingte MdE ohne Staffelung nach Zeiträumen nicht begründen. Auf die vom Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Äußerung des Prof. Dr. V. vorgebrachten Einwendungen hat Dr. F. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juli 2010 an seinen gutachterlichen Ausführungen festgehalten.
Der Beklagte und Antragsteller hat am 3. August 2011 die Aussetzung der Vollziehung der Urteilsrente beantragt; diese werde seit Dezember 2009 gezahlt. Zur Begründung hat er auf die Ausführungen des Dr. F. verwiesen. Spätestens ab Implantation der Modularprothese sei der Vorzustand wieder erreicht, so dass ein Rentenanspruch nicht begründbar sei.
Der Kläger und Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Er hat auf die finanzielle Notwendigkeit des Rentenbezugs sowie darauf hingewiesen, dass die Feststellungen des Dr. F. in Widerspruch zu den Feststellungen des Dr. L. und des Prof. Dr. V. stünden. Tatsächlich habe vor dem Unfall nur eine MdE von 10 v.H. vorgelegen. Es bestünden daher insgesamt geringe Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren.
Der Senat hat im Berufungsverfahren zuletzt mit Schreiben vom 18. August 2011 weitere Ermittlungen vor allem zum Zustand der Gesundheitsbeeinträchtigung vor dem Unfallereignis eingeleitet.
II.
Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts vom 8. Dezember 2009 nicht erfüllt. Der nach § 199 Abs. 2 SGG statthafte und zulässige Antrag ist nicht begründet. Bei pflichtgemäßer Abwägung der Interessen beider Beteiligter ist ein nicht zu ersetzender Nachteil des Beklagten infolge der Zahlung der Rente als Urteilsrente nicht zu begründen.
Gemäß § 154 Abs. 2 SGG hat die von dem Beklagten als Versicherungsträger eingelegte Berufung nur insoweit aufschiebende Wirkung, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteil nachgezahlt werden sollen. Für die Zeit nach Erlass des Urteils hat ein hierzu verurteilter Versicherungsträger die Rente, sog. Urteilsrente, zu zahlen. Wird das Ersturteil auf Berufung oder Revision aufgehoben, hat der Kläger die vorläufigen Zahlungen wieder zurückzuerstatten. Nach § 199 Abs. 2 SGG kann der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats die Vollstreckung aus dem Urteil durch einstweilige Anordnung aussetzen, soweit die Berufung - gemäß § 154 Abs. 2 SGG - keine aufschiebende Wirkung hat.
Die Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG stellt eine Ermessensentscheidung (BSG vom 05.09.2001, Az.: B 3 KR 47/01 R) dar. In welcher Weise das Ermessen ausgeübt wird, wird dabei nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 06.08.1999 - Az.: B 4 RA 25/98 B) sind über § 198 Abs. 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Vollstreckung heranzuziehen. Insbesondere ist § 719 Abs. 1 in Verbindung mit § 707 ZPO zu beachten. Danach ordnet das Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und zwar ggf. auch dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers dem entgegen steht. Der Vollstreckungsschuldner, hier der Beklagte, muss darlegen und glaubhaft machen, dass ihm durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde, wenn auch ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers, hier des Klägers, der Aussetzung entgegen steht. Ein nicht zu ersetzender Nachteil liegt nur vor, wenn der durch die Vollstreckung eingetretene Schaden nachträglich nicht mehr rückgängig gemacht und nicht ausgeglichen werden kann (BSG, a.a.O.). Im Rahmen der Ermessensausübung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 199 Rdrn. 8 m.w.N.).
Auch wenn der Senat unterstellen würde, dass aus finanziellen Gründen nach gegenwärtiger Sichtweise eine Rückforderung der vorläufig geleisteten Urteilsrente bei Erfolg der Berufung schwierig für den Beklagten ist, muss davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber derartige Schwierigkeiten bekannt gewesen waren und er gleichwohl diese Rechtsfolge in Kauf nahm. Hinzu kommt, dass nach der gegenwärtigen Gutachtenslage der Erfolg der Berufung trotz des vom Senat eingeholten Gutachtens des Dr. F. zumindest ungewiss ist. Das Gutachten des Dr. F. weicht in der Einschätzung eines Verschlimmerungsanteils gegenüber dem Hüftvorschaden erheblich nicht nur von der des nach § 109 SGG vom Sozialgericht gehörten Prof. Dr. V., sondern auch von der des Dr. L. ab. Insoweit sieht sich der Senat veranlasst, den Gesundheitszustand und die Beeinträchtigungen in der Zeit vor dem Unfallereignis weiter aufzuklären zu versuchen, so dass entgegen der Einschätzung des Beklagten nicht davon ausgegangen werden kann, dass "ein Rentenanspruch nicht begründbar" ist.
Die Interessen des Klägers an der laufenden Zahlung der Rente als Urteilsrente sind daher derzeit als höherwertig als die des Beklagten einzuschätzen. Der Senat kann dabei offen lassen, ob bei Berufungen, die nach § 154 Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben, die Aussetzung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSGE 12, 138), auszusprechen ist.
Dem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil war daher nicht zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar; sie kann aber jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs. 2 S. 3 SGG).
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