L 5 KR 122/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 114/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 122/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 3/11 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein neues Begehren ist der Urteilsergänzung nach § 140 SGG nicht zugänglich
I. Der Antrag der Klägerin auf Ergänzung des Beschlusses vom 31.01.2011 wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Urteilsergänzung zum Beschluss des Senats vom 31.01.2011
- L 5 KR 174/08.

1.
Die 1954 geborene Klägerin siedelte im April 1988 aus Ungarn nach Deutschland aus. Sie erhielt zunächst den Vertriebenenausweis B und 1992 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach einer Mitgliedschaft in der örtlichen AOK war die Klägerin pflichtversicherte Mitglied der Beklagten aufgrund einer Beschäftigung als Krankenschwester in einer Klinik in S. seit 15.05.1989. Krankengeld bezog die Klägerin von der Beklagten jeweils bis zur Erschöpfung der Höchstdauer bis 24.05.1995, 19.09.2000 sowie 13.11. 2003. In Bezug auf diese Krankengeldleistung begehrte die Klägerin erstmals im Verfahren vor dem Sozialgericht S. - S 7 KR 666/03 die Feststellung konkreter Krankheiten als Ursache der Arbeitsunfähigkeit. Damit ist die Klägerin erfolglos geblieben (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 02.08.2006 - B 1 KR 36/06 B).

2.
Im Jahr 2007 hat die Klägerin erneut gegenüber der Beklagten das Begehren geltend gemacht, jedenfalls im Wege der Zugunstenüberprüfung die Entscheidungen zu den drei Fällen des Krankengeldbezugs dahingehend abzuändern, dass dort die Arbeitsunfähigkeit verursachende Krankheit exakt bezeichnet werde. Diese Begehren sind erfolglos geblieben, ebenso wie die gegen die abschlägigen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten zum Sozialgericht Landshut erhobenen Klagen. Dort hatte die Klägerin ausdrücklich beantragt, die Beklagte zu konkreten Feststellungen im Rahmen der Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug zu verurteilen. Diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben mit dem sinngemäßen Begehren, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.05.2008 sowie des Bescheides vom 08.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2008 und des Bescheides vom 03.11.2003 zur Feststellung zu verurteilen, dass der Krankengeldbezug vom 21.02.1994 bis 21.05.1995, vom 06.06.1999 bis 19.09.2000 sowie vom 22.05.2002 bis 13.11.2003 auf die selbe Erkrankung Hepatitis C zurückzuführen ist.

Diese Berufung hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 31.01.2011 abschlägig beschieden, weil zum einen die bestehende Rechtskraft aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 02.08.2006 - B 1 KR 36/06 B entgegenstehe und zum anderen auch inhaltlich die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung nicht erfüllt seien.

3.
Mit Telefax vom 08.03.2011 hat die Klägerin beantragt, den Beschluss des Senats vom 31.01.2011 dahingehend zu ergänzen, dass die beantragte Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes der Beklagten von 1995 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei.

Diesen Antrag hat der Senat in der mündlichen Verhandlung 09.08.2011 mit der Klägerin ausführlich erörtert. Diese hat ausgeführt, ihr Begehren sei darauf gerichtet, ein Versicherungspflichtverhältnis aus dem Jahr 1988 mit der damals zuständigen AOK fortzuführen.

Nach eingehender Aufklärung beantragt die Klägerin zuletzt ausdrücklich,

den Beschluss vom 31.01.2011 dahingehend zu ergänzen, dass die Feststellung des Fortbestehens ihres Versicherungs- und Leistungsverhältnisses nach RVO bei der AOK im Status als anerkannte Vertriebene seit 1988 ununterbrochen ausgesprochen wird, sowie, dass diese Rechtslage von der Beklagten übernommen wird.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Ergänzend wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten der beiden vorausgehenden Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der statthafte Antrag auf Urteilsergänzung nach § 140 Sozialgerichtsgesetz - SGG bleibt ohne Erfolg.

1.
Gemäß § 153 Abs. 1, § 140 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann ein die Berufung zurückweisender Beschluss nach § 153 Abs. 5 SGG auf Antrag eines Beteiligten nachträglich ergänzt werden. Dies setzt voraus, dass die Entscheidung einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch ganz oder teilweise übergangen hat. Diese Urteilsergänzung ist möglich, wenn das Gericht über den Rechtsstreit in vollem Umfange entscheiden wollte, versehentlich aber nicht erschöpfend entschieden hat. Hingegen erlaubt es das Ergänzungsverfahren nicht, hinsichtlich Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder fehlender Tatsachenfeststellungen Nachbesserungen vorzunehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-
rer SGG, 9. Aufl. 2008, § 140, Rn. 2). Ebenfalls ist es nicht möglich, über den Streitgegenstand hinaus die Entscheidung selbst abzuändern. Das Urteilergänzungsverfahren ist nämlich nur dann eröffnet, wenn eine eindeutige Entscheidungslücke besteht.

2.
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Ausgangsverfahren der Klägerin, die Berufung mit dem Aktenzeichen L 5 KR 174/08, gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Landshut vom 29.05.2008 gerichtet war. Dort war Streitgegenstand das Begehren der Klägerin, konkrete Feststellungen hinsichtlich Krankengeldbezugs in der Vergangenheit zu erhalten. Wie in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung protokolliert hatte die Klägerin dort ausdrücklich beantragt, " ... die Beklagte zu verpflichten, den Aussteuerungsbescheid vom 13.11.2003 aufzuheben, weil die Krankheitsidentität trotz 28-wöchiger Krankgeldanspruchsbegrenzung seitens der DAK nicht erwiesen wurde, die Verurteilung der DAK, einen neuen Bescheid zu erlassen, weil zu Unrecht von einem nach medizinischen Maßstäben falscher Sachverhalt ausgegangen ist, dass in dem neuen Bescheid die Krankheitsidentitätsbestätigung eingeholt wird und die unrichtige Rentensatzfunktionsleistung seitens der Krankenkasse 2000/2003 abgeholfen wird, da nach Bestätigung von Frau Dr. M./B. vom 08.02.2007 wegen chronischer Hepatitis C ein einziger mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheitsversicherungsfalls bescheinigt wurde, sowie die Sachverhaltsermittlungen nach § 103 SGG durchzuführen, da die DAK für ihre Auslegung dienende Beweise als Verwaltungsakte und nicht die Krankenakte an das Sozialgericht zur Verfügung gestellt habe". Über die Berufung gegen das diesen Antrag abweisende Urteil des Sozialgerichts vom 29.05.2008 sowie über das während der Berufung erweiterte Begehren, das zuletzt auf die Aussteuerungsentscheidungen der Beklagten jeweils wegen Erschöpfung der Höchstdauer zum 24.05.1995, 19.09.2000 sowie 13.11.2003 gerichtet war, hat der Senat im Beschluss vom 31.01.2011 entschieden. Dort hat der Senat den Streitgegenstand voll ausschöpfend eine unmissverständliche Entscheidung zu den streitgegenständlichen Begehren der Klägerin getroffen.

Von den dort streitgegenständlichen Anträgen ist das Gesuch zu unterscheiden, für das die Klägerin ausdrücklich Ergänzung gemäß § 140 SGG verlangt. Nach dem in der mündlichen Verhandlung zuletzt unzweifelhaft formulierten Rechtsschutzziel der Klägerin begehrt diese, einen sozialversicherungsrechtlichen Status festzustellen, welchen sie vermeint, seit April1988 als Vertriebene erhalten zu haben. Dieses Statusbegehren hat sie mit den Worten beantragt, " ...den Beschluss vom 31.01.2011 dahingehend zu ergänzen, dass die Feststellung des Fortbestehens ihres Versicherungs- und Leistungsverhältnisses nach RVO bei der AOK im Status als anerkannte Vertriebene seit 1988 ununterbrochen ausgesprochen wird, sowie, dass diese Rechtslage von der Beklagten übernommen wird." Dieser Antrag hat mit dem Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 31.01.2011 nichts zu tun. Der Antrag der Klägerin ist somit dem Ergänzungsverfahren nach § 140 SGG nicht zugänglich. Denn Urteilsergänzung zielt darauf ab, unbeabsichtigte Entscheidungsmängel verfahrensökonomisch ohne Einschaltung einer weiteren Instanz korrigieren zu können. Es ist mit diesem Verfahren aber nicht möglich, vollkommen neue Streitgegenstände nachträglich in ein durch Urteil oder wie vorliegend durch Beschluss abgeschlossenes gerichtliches Verfahren einzubringen.

Der Ergänzungsantrag der Klägerin war deshalb in Form eines Urteils abzulehnen, § 140 Abs. 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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