L 11 AS 332/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1582/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 332/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verfristeter Widerspruch; keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.02.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzgl der Regelleistung.

Der 1960 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Alg II vom Beklagten. Auf den Fortzahlungsantrag vom 30.04.2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.07.2009 Alg II für die Zeit 01.05.2009 bis 31.10.2009 in Höhe von monatlich 599,05 EUR (351 EUR Regelleistung zzgl 248,05 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) für Juli bzw im Übrigen von monatlich 607,05 EUR (359 EUR Regelleistung zzgl 248,05 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).

Mit weiterem Schreiben vom 04.05.2009 beantragte der Kläger ergänzend zum Weiterbewilligungsantrag die Erhöhung des Alg II auf monatlich 677,45 EUR zzgl der Kosten der Unterkunft. Mit weiterem Bescheid vom 02.07.2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erhöhung der Regelleistung ab.

Gegen den "Ablehnungsbescheid vom 02.07.2009 betreffend Ergänzungsantrag vom 5./6.5.2009 zur Erhöhung der Zahlungen zur Existenzsicherung" erhob der Kläger am 23.10.2009 Widerspruch und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Bescheid sei ihm am 06.07.2009 zugestellt worden. Kurz vor Ablauf der Widerspruchsfrist sei er von einem anderen Bewohner der Unterkunft bedroht und beleidigt worden. Aus Angst, sein Appartement könnte durch diesen aufgebrochen und anschließend beschädigt oder in Brand gesetzt werden, habe er das Appartement nur noch zu zwingend notwendigen Anlässen, wie zur Postabholung bei seinem Anwalt, Anwaltsbesuche, Gerichtsvollzieherterminen oder Einkäufen des täglichen Bedarfs verlassen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2009 als unzulässig verworfen. Die Widerspruchsfrist sei versäumt worden und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erkennbar.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 09.02.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Widerspruch sei verfristet gewesen und eine Wiedereinsetzung scheitere bereits daran, dass der Kläger nach der aktenkundigen Bedrohung zumindest ab dem 07.08.2009 wieder auch ohne Begründung Widerspruch hätte einlegen können. Auch in der Sache bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.02.2010 und den Bescheid vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ab 01.05.2009 Alg II in Höhe von monatlich 677,45 EUR zzgl der Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Beklagte hat den Widerspruch zutreffend als unzulässig verworfen.

Der am 23.10.2009 eingegangene Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.07.2009 ist verfristet. Der Bescheid wurde dem Kläger spätestens am 06.07.2009 bekannt gegeben. Dieses Datum trägt der Kläger für den Zugang des Bescheides selbst in seinem Widerspruchsschreiben vor. Auf dem Bescheid vom 02.07.2009 selbst findet sich kein Absendevermerk der Poststelle des Beklagten. Der Vermerk "zur Post 02. Juli 2009" befindet sich nur auf dem Begleitschreiben, so dass fraglich sein könnte, ob die Fiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Folge eingreift, dass der Bescheid bereits am 05.07.2009 als zugestellt gelten könnte.

Dies kann jedoch dahinstehen, denn selbst bei dem vom Kläger eingeräumten Zugangsdatum, dem 06.07.2009, ist die Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 SGG jedenfalls mit dem 06.08.2009 abgelaufen, der Widerspruch beim Beklagten ist aber erst am 23.10.2009 eingegangen.

Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Beklagten zu gewähren gewesen. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG bzw § 27 Abs 1 SGB X). Die dafür nötigen Voraussetzungen lagen jedoch nicht vor. Zwar trägt der Kläger vor, er sei bedroht und beleidigt worden, insofern verweist das SG auch auf die aktenkundige Bedrohung zwischen dem 04.08.2009 und dem 06.08.2009. Allerdings ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger zu anderen Zeiten an der Einlegung des Widerspruchs, die auch keiner Begründung bedurft hätte, gehindert gewesen sein soll. Im Widerspruchsschreiben trägt der Kläger selbst vor, dass er sein Appartement nur noch zu zwingend notwendigen Anlässen, wie zur Postabholung bei seinem Anwalt, Anwaltsbesuche, Gerichtsvollzieherterminen oder Einkäufen des täglichen Bedarfs verlassen habe. Dabei wäre es ohne weiteres möglich gewesen, auch ein Widerspruchsschreiben beim Beklagten einzuwerfen oder dort zur Niederschrift zu erklären. Zudem hätte sich der Kläger auch der Post zur Übermittlung seines Widerspruchs bedienen können.

In jedem Fall wäre nach § 67 Abs 2 Satz 1 SGG bzw § 27 Abs 3 SGB X der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gerechnet vom Ende der Bedrohung an, hätte der Kläger bis spätestens 06.09.2009 den Antrag stellen müssen. Auch dies ist nicht der Fall.

Auf die Frage, ob der Kläger in der Sache selbst einen Anspruch auf höheres Alg II gehabt hätte und insbesondere auch ob der Beklagte isoliert über das Begehren des Klägers, eine höhere Regelleistung zu erhalten hat entscheiden dürfen, kommt es damit nicht mehr an.

Die Berufung ist damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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