Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 514/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 613/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anordnung aufschiebende Wirkung einer Klage - Betriebsprüfung
Ein bestandskräftiger Beitragsprüfungsbescheid über einen konkreten Prüfzeitraum hindert eine weitere Nachforderung für den gleichen Zeitraum durch eine späteren Prüfbescheid. Dies setzte die vorherige Rücknahme nach § 45 SGB X voraus.
Ein bestandskräftiger Beitragsprüfungsbescheid über einen konkreten Prüfzeitraum hindert eine weitere Nachforderung für den gleichen Zeitraum durch eine späteren Prüfbescheid. Dies setzte die vorherige Rücknahme nach § 45 SGB X voraus.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. Mai 2011 abgeändert und die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid vom 18. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2011 insoweit angeordnet, als Beiträge für die Jahre 2000 bis 2004, einschließlich der daraus berechneten Säumniszuschläge nachgefordert werden.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Eilverfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 12.447,88 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 37.343,65 Euro anzuordnen.
I.
Gegenstand des Betriebs der Antragstellerin ist eine Tankstelle mit Imbiss und Verkaufsshop sowie der Handel mit Kfz-Zubehör. Nach einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. Mai 2010 eine Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe von 24.993,65 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 12.350 Euro fest. Nachgefordert wurden zum einen Sozialversicherungsbeiträge für als geringfügig Beschäftigte geführte Personen. Die Antragsgegnerin begründete die für das Jahr 2008 nachberechneten Beiträge mit einem Überschreiten der anteiligen Geringfügigkeitsgrenze. Da die betroffenen Beschäftigten nur kürzere Beschäftigungsverhältnisse als einen Monat ausgeübt hätten, dürfe das erzielte Entgelt den anteiligen Monatsbetrag (400 Euro als maximalen Monatsbetrag für geringfügige Beschäftigungen x Kalendertage des Beschäftigungsverhältnisses: 30) nicht überschreiten. Daneben forderte die Antragsgegnerin Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung für die Jahre 2000 bis 2005 nach. Der Prüfzeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 war bereits Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen, die mit Bescheid vom 9. Juni 2006 abgeschlossen worden war. Die Antragsgegnerin stützte ihre neue Forderung auf die Auswertung eines Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes H. vom 13. Januar 2006. Darin hatte das Finanzamt unter anderem beanstandet, dass für mehrere namentlich aufgeführte Arbeitnehmer als steuerfrei ausgezahlte Zuschläge dem steuerpflichtigen Arbeitslohn zuzurechnen seien. Hinzu kamen nach Feststellungen des Finanzamtes Lohnauszahlungen ohne Lohnkonto und höhere ausbezahlte Nettolöhne als in den Lohnkonten verbucht worden waren. Auf den Inhalt des Berichtes über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 13. Januar 2006 auf Bl. I 64 ff der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wird Bezug genommen. Zu den Säumniszuschlägen führte die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin habe aufgrund des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 18. Januar 2006 Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht von Sozialversicherungsbeiträgen hinsichtlich der Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und Nachtarbeit, der Lohnzahlung ohne Lohnkonto und der nicht versteuerten Lohnzahlungen gehabt. Daher seien Säumniszuschläge für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 30. April 2010 zu berechnen. Auf den früheren Bescheid vom 9. Juni 2006 über die damals abgeschlossene Betriebsprüfung nahm die Antragsgegnerin keinen Bezug.
Dagegen hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 8. Juni 2010 Widerspruch eingelegt und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die auf die Lohnsteuerprüfung gestützten Beitragsnachforderungen seien bereits verjährt. Das Finanzamt habe nach Klärung mit den Geschäftsführern die zunächst getroffenen Festsetzungen geändert und zum größeren Teil die Nachzahlungsbeträge aufgehoben. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 hat die Antragsgegnerin den Vollzug der Beitragsforderung in Höhe von 24.825,82 Euro für die Dauer des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2011 hat die Antragsgegnerin schließlich den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen und ihre Nachforderung in Höhe von insgesamt 37.343,65 Euro (einschließlich 12.350 Euro Säumniszuschläge) bestätigt. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, die Antragstellerin habe keine Unterlagen über die Änderung des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 18. Januar 2006 vorgelegt. Trotz entsprechender Aufforderung mit Schreiben vom 21. Juni 2010 und einer Erinnerung mit Schreiben vom 3. August 2010 habe die Antragstellerin keine entsprechenden Nachweise übersandt. Die Betriebsprüfung habe im November 2009 begonnen. Der Prüfbericht des Finanzamtes falle noch in den Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist und könne daher sozialversicherungsrechtlich ausgewertet werden.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 hat die Antragstellerin Klage erhoben und mit Schreiben vom 12. April 2001 beim Sozialgericht die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Die Vollziehung stelle für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Die geforderten Beitragszahlungen orientierten sich an Schätzungen des Finanzamtes, die nicht zuträfen. Eine Darlegung der Beitragssituation könne erst nach diesbezüglicher korrigierter Festsetzung durch das Finanzamt erfolgen. Mit Beschluss vom 20. Mai 2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Das Sozialgericht hat keinen Grund gesehen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die Interessenabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin erforderten kein Abweichen von dem gesetzlich vorgesehenen Regelfall eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18. Mai 2010. Soweit Beiträge außerhalb der für die Verjährung maßgeblichen Vierjahresfrist nachgefordert würden, spräche mehr für als gegen eine vorsätzliche Beitragsvorenthaltung. Hinsichtlich der geforderten Säumniszuschläge bestünden allenfalls "offene Erfolgsaussichten". Die Antragstellerin habe trotz zweifacher Aufforderung durch die Antragsgegnerin keine Nachweise darüber vorgelegt, dass gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid Einspruch eingelegt wurde. Nach einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2010 über ein Telefonat mit der Lohnsteuerprüfungsstelle des Finanzamtes H. sei der Bescheid vielmehr bestandskräftig geworden.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. Mai 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 18. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Trotz mehrfacher Aufforderung ist eine Beschwerdebegründung nicht eingegangen. Die Akten des Sozialgerichts sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin wurden zum Gegenstand dieses Verfahrens.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Die Beschwerde ist auch weit überwiegend begründet.
Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich darauf entfallenden Nebenkosten - wie hier - die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Davon erfasst wird auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV (a.A. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr. 13a).
Es steht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG im Ermessen des Gerichts, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage herzustellen. Dabei hat eine Interessenabwägung stattzufinden zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihrer Beitragsnachforderung ist dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung vor endgültiger Klärung des Rechtsstreits gegenüber zu stellen. Regelmäßig ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinerlei Erfolg verspricht (vgl BT Drucks 14/5943, S. 25 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, NJW 1974, 1294 [1295] ). Dagegen wird das private Aufschubinteresse überwiegen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18. Januar 2011 einen Rechtsstreit entschieden, der die Nachforderung von Beiträgen für einen vor dem Prüfzeitraum der streitgegenständlichen Betriebsprüfung liegenden Zeitraum zum Gegenstand hatte. Auch in diesem Verfahren hatte sich die Beklagte auf neue Ergebnisse einer Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes über einen bereits abgeschlossenen Prüfzeitraum gestützt (Az.: L 5 R 752/08). Nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 9. Juni 2006 über den früheren Prüfzeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2004 entschieden und einen Beitragsbescheid nach § 28p SGB IV erlassen hatte, hätte sie aufgrund der bei Auswertung der Erkenntnisse des Finanzamtes in seinem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 13. Januar 2006 entdeckten Fehler in den von der Antragstellerin abgeführten Beitragshöhen zunächst den ursprünglichen Bescheid vom 9. Juni 2006 zurücknehmen müssen nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies ist nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 18. Mai 2010 auf den früheren Bescheid nicht Bezug genommen. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Vorgaben des § 45 SGB X beachtet hat (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 18. Januar 2011, L 5 R 752/08, Rz. 37 ff - zitiert nach juris). Damit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der streitigen Entscheidung der Antragsgegnerin soweit die Beitragsjahre 2000 bis 2004 erfasst sind. Insoweit wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da nahezu die gesamte Summe der Nachforderung die Jahre 2000 bis 2004 betrifft, trägt allein die Antragsgegnerin die Kosten des Eilverfahrens. Die Streitwertfestsetzung folgt der Festsetzung durch das Sozialgericht (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 2 Seite 1 Gerichtskostengesetz).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Eilverfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 12.447,88 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 37.343,65 Euro anzuordnen.
I.
Gegenstand des Betriebs der Antragstellerin ist eine Tankstelle mit Imbiss und Verkaufsshop sowie der Handel mit Kfz-Zubehör. Nach einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. Mai 2010 eine Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe von 24.993,65 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 12.350 Euro fest. Nachgefordert wurden zum einen Sozialversicherungsbeiträge für als geringfügig Beschäftigte geführte Personen. Die Antragsgegnerin begründete die für das Jahr 2008 nachberechneten Beiträge mit einem Überschreiten der anteiligen Geringfügigkeitsgrenze. Da die betroffenen Beschäftigten nur kürzere Beschäftigungsverhältnisse als einen Monat ausgeübt hätten, dürfe das erzielte Entgelt den anteiligen Monatsbetrag (400 Euro als maximalen Monatsbetrag für geringfügige Beschäftigungen x Kalendertage des Beschäftigungsverhältnisses: 30) nicht überschreiten. Daneben forderte die Antragsgegnerin Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung für die Jahre 2000 bis 2005 nach. Der Prüfzeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 war bereits Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen, die mit Bescheid vom 9. Juni 2006 abgeschlossen worden war. Die Antragsgegnerin stützte ihre neue Forderung auf die Auswertung eines Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes H. vom 13. Januar 2006. Darin hatte das Finanzamt unter anderem beanstandet, dass für mehrere namentlich aufgeführte Arbeitnehmer als steuerfrei ausgezahlte Zuschläge dem steuerpflichtigen Arbeitslohn zuzurechnen seien. Hinzu kamen nach Feststellungen des Finanzamtes Lohnauszahlungen ohne Lohnkonto und höhere ausbezahlte Nettolöhne als in den Lohnkonten verbucht worden waren. Auf den Inhalt des Berichtes über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 13. Januar 2006 auf Bl. I 64 ff der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wird Bezug genommen. Zu den Säumniszuschlägen führte die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin habe aufgrund des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 18. Januar 2006 Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht von Sozialversicherungsbeiträgen hinsichtlich der Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und Nachtarbeit, der Lohnzahlung ohne Lohnkonto und der nicht versteuerten Lohnzahlungen gehabt. Daher seien Säumniszuschläge für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 30. April 2010 zu berechnen. Auf den früheren Bescheid vom 9. Juni 2006 über die damals abgeschlossene Betriebsprüfung nahm die Antragsgegnerin keinen Bezug.
Dagegen hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 8. Juni 2010 Widerspruch eingelegt und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die auf die Lohnsteuerprüfung gestützten Beitragsnachforderungen seien bereits verjährt. Das Finanzamt habe nach Klärung mit den Geschäftsführern die zunächst getroffenen Festsetzungen geändert und zum größeren Teil die Nachzahlungsbeträge aufgehoben. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 hat die Antragsgegnerin den Vollzug der Beitragsforderung in Höhe von 24.825,82 Euro für die Dauer des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2011 hat die Antragsgegnerin schließlich den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen und ihre Nachforderung in Höhe von insgesamt 37.343,65 Euro (einschließlich 12.350 Euro Säumniszuschläge) bestätigt. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, die Antragstellerin habe keine Unterlagen über die Änderung des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 18. Januar 2006 vorgelegt. Trotz entsprechender Aufforderung mit Schreiben vom 21. Juni 2010 und einer Erinnerung mit Schreiben vom 3. August 2010 habe die Antragstellerin keine entsprechenden Nachweise übersandt. Die Betriebsprüfung habe im November 2009 begonnen. Der Prüfbericht des Finanzamtes falle noch in den Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist und könne daher sozialversicherungsrechtlich ausgewertet werden.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 hat die Antragstellerin Klage erhoben und mit Schreiben vom 12. April 2001 beim Sozialgericht die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Die Vollziehung stelle für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Die geforderten Beitragszahlungen orientierten sich an Schätzungen des Finanzamtes, die nicht zuträfen. Eine Darlegung der Beitragssituation könne erst nach diesbezüglicher korrigierter Festsetzung durch das Finanzamt erfolgen. Mit Beschluss vom 20. Mai 2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Das Sozialgericht hat keinen Grund gesehen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die Interessenabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin erforderten kein Abweichen von dem gesetzlich vorgesehenen Regelfall eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Es bestünden nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18. Mai 2010. Soweit Beiträge außerhalb der für die Verjährung maßgeblichen Vierjahresfrist nachgefordert würden, spräche mehr für als gegen eine vorsätzliche Beitragsvorenthaltung. Hinsichtlich der geforderten Säumniszuschläge bestünden allenfalls "offene Erfolgsaussichten". Die Antragstellerin habe trotz zweifacher Aufforderung durch die Antragsgegnerin keine Nachweise darüber vorgelegt, dass gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid Einspruch eingelegt wurde. Nach einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2010 über ein Telefonat mit der Lohnsteuerprüfungsstelle des Finanzamtes H. sei der Bescheid vielmehr bestandskräftig geworden.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. Mai 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 18. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Trotz mehrfacher Aufforderung ist eine Beschwerdebegründung nicht eingegangen. Die Akten des Sozialgerichts sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin wurden zum Gegenstand dieses Verfahrens.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Die Beschwerde ist auch weit überwiegend begründet.
Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich darauf entfallenden Nebenkosten - wie hier - die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Davon erfasst wird auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV (a.A. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdnr. 13a).
Es steht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG im Ermessen des Gerichts, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage herzustellen. Dabei hat eine Interessenabwägung stattzufinden zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihrer Beitragsnachforderung ist dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung vor endgültiger Klärung des Rechtsstreits gegenüber zu stellen. Regelmäßig ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinerlei Erfolg verspricht (vgl BT Drucks 14/5943, S. 25 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, NJW 1974, 1294 [1295] ). Dagegen wird das private Aufschubinteresse überwiegen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18. Januar 2011 einen Rechtsstreit entschieden, der die Nachforderung von Beiträgen für einen vor dem Prüfzeitraum der streitgegenständlichen Betriebsprüfung liegenden Zeitraum zum Gegenstand hatte. Auch in diesem Verfahren hatte sich die Beklagte auf neue Ergebnisse einer Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes über einen bereits abgeschlossenen Prüfzeitraum gestützt (Az.: L 5 R 752/08). Nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 9. Juni 2006 über den früheren Prüfzeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2004 entschieden und einen Beitragsbescheid nach § 28p SGB IV erlassen hatte, hätte sie aufgrund der bei Auswertung der Erkenntnisse des Finanzamtes in seinem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 13. Januar 2006 entdeckten Fehler in den von der Antragstellerin abgeführten Beitragshöhen zunächst den ursprünglichen Bescheid vom 9. Juni 2006 zurücknehmen müssen nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies ist nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid vom 18. Mai 2010 auf den früheren Bescheid nicht Bezug genommen. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Vorgaben des § 45 SGB X beachtet hat (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 18. Januar 2011, L 5 R 752/08, Rz. 37 ff - zitiert nach juris). Damit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der streitigen Entscheidung der Antragsgegnerin soweit die Beitragsjahre 2000 bis 2004 erfasst sind. Insoweit wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da nahezu die gesamte Summe der Nachforderung die Jahre 2000 bis 2004 betrifft, trägt allein die Antragsgegnerin die Kosten des Eilverfahrens. Die Streitwertfestsetzung folgt der Festsetzung durch das Sozialgericht (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 2 Seite 1 Gerichtskostengesetz).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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