L 2 U 498/11 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 5032/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 498/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen einstweiliger Anordnung
Zur Unzulässigkeit eines lediglich wiederholenden Antrags auf Erlass einer einstweiiligen Anordnung.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 5. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), der seit 1. Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 13 Abs. 1 ALG sowie seit 1. Januar 2004 eine Regelaltersrente bezieht, begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Vorauszahlung auf die beantragte Verletztenrente sowie Schmerzensgeld.
Der Bf. erlitt am 15. März 1999 einen Arbeitsunfall. Die Beklagte und Antragsgegnerin (im Folgenden: Bg.) erkannte mit Bescheid vom 23. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2001 als Unfallfolgen einen Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers sowie des linken Sitzbeines an. Sie gewährte eine Verletztenrente ab 14. September 1999 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., ab 7. Januar 2000 um 30 v.H. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2001 setzte sie die Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 1. November 2001 fest. Die anschließenden Klageverfahren blieben ohne Erfolg.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
14. Juli 2010 lehnte die Bg. eine Aufhebung des Bescheides vom 23. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2001 nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen ab. Hiergegen ist eine Klage beim Sozialgericht Regensburg (Az.: S 7 U 5039/10) anhängig.
Bereits am 22. September 2010 beantragte der Bf. im Wege der einstweiligen Anordnung einen angemessenen Vorschuss auf die von ihm erwartete Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. sowie Schmerzensgeld. Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 11. Oktober 2010 (Az.: S 7 U 5041/10 ER) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 5. April 2011 (Az.: L 3 U 487/10 B ER) zurück. Es sei weder ein materieller Anspruch des Bf. auf diese Ansprüche glaubhaft gemacht oder ersichtlich noch sei es ihm mangels erkennbarer Notlage unzumutbar, eine Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache abzuwarten. Das Existenzminimum sei gesichert, zumal der Bf. auch Sozialleistungen beziehe.
Am 10. August 2011 ist beim Sozialgericht ein weiterer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingegangen, mit dem der Bf. erneut "die sofortige angemessene Auszahlung der seit Jahren überfälligen Unfallrente und Schmerzensgeld" begehrt. Seit Beginn der Rentenleistungen fehlten ihm 80 v.H. der ihm rechtlich zustehenden Leistung. Er benötige dringend finanzielle Mittel, um eine sehstärkere Brille, ein Hörgerät, Kosten für den Rechtsbeistand und Vorräte für Heizöl beschaffen sowie seine Geldnotvorräte wieder auffüllen zu können.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5. September 2011 abgelehnt. Es fehle ein Anordnungsgrund, da dem Vorbringen eine Gefährdung der Existenz nicht entnommen werden könne. Ferner sei aber auch das Hauptsacheverfahren nicht offensichtlich zulässig und begründet; vielmehr seien im Hinblick auf die früheren Verwaltungs- und Klageverfahren die Erfolgsaussichten zweifelhaft. Da Schmerzensgeld keine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung sei, sei die Klage insoweit aussichtslos.
Eine Anhörungsrüge hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 als unzulässig verworfen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. September 2011 hat der Bf. damit begründet, dass ihm die höhere Rente seit 12 bzw. 13 Jahren zustehe. Die Bg. zögere die Leistung hinaus. Es läge keine stabil ausgeheilte Wirbelsäulenverletzung vor, so dass die MdE von 100 v.H. berechtigt sei. Hinzu kämen kardiologische Gesundheitsbeeinträchtigungen. Das Geld benötige er dringend, da die Anschaffung einer Waschmaschine und eines Elektro-Backherdes anstünden. Mit Anruf vom 11. Oktober 2011 hat der Bf. auf eine rasche Entscheidung gedrängt und mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2011 auf die lange Verfahrensdauer, bezogen auf den Unfallzeitpunkt, hingewiesen.
Die Bg. hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, da weder ein Anordnungsgrund noch ein -anspruch gegeben sei.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 172 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat das Gericht die Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers abzuwägen. Wenn eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte, ist allerdings ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden (Bayer. Landessozialgericht, Az.: L 2 B 354/01 U ER).
Es entspricht verwaltungs- und sozialgerichtlicher Praxis, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes daran zu knüpfen, dass zugunsten des Antragstellers ein Anordnungsanspruch besteht und ein Anordnungsgrund vorliegt. Zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund besteht eine Wechselbeziehung (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NVwZ 2005, 927 ff).
Der erneute Antrag des Bf. ist jedoch als unzulässig anzusehen. Das Sozialgericht hat über einen inhaltlich entsprechenden Antrag vom 22. September 2010 bereits durch Beschluss vom 11. Oktober 2010 entschieden und den Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der 3. Senat des Bayer. Landessozialgerichts mit Beschluss vom 5. April 2011 zurückgewiesen. Nach Ablehnung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz kann ein neuer Antrag nur gestellt werden, wenn sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Ein neuer Antrag ist unzulässig, wenn er den abgelehnten Antrag ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage wiederholt (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-
rer, SGG, 9. Aufl., § 86 b Rdnr. 45 a m.w.N.). Der vorliegende Antrag ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem Antrag vom 22. September 2010. Es ist nicht von einer Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Bf. auszugehen. Geändert hat sich lediglich der konkrete finanzielle Bedarf. Der Antrag ist daher als lediglich wiederholender Antrag unzulässig (so z.B. auch LSG Berlin, NZS 2002, 670).
Sofern der Antrag vom Senat dahingehend ausgelegt wird, dass er als Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung der Maßnahme zu werten ist, ist der Antrag jedenfalls unbegründet. Dabei bestehen bereits erhebliche rechtliche Bedenken, eine derartige Auslegung vorzunehmen, da § 86 b Abs. 2 SGG anders als beim einstweiligen Rechtsschutz im Bereich der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG keine Regelung für ein Abänderungsverfahren bei einstweiligen Anordnungen enthält. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG verweist auch nicht auf § 927 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der die Aufhebung wegen veränderter Umstände betrifft (zum Streitstand: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 45 m.w.N.). Der Senat lässt dies jedoch ausdrücklich offen, da jedenfalls keine veränderten Umstände erkennbar sind. Es besteht keine Veranlassung, von dem ergangenen Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 5. April 2011 abzuweichen. Insbesondere ist eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage in der Zwischenzeit nicht eingetreten.
Soweit das Sozialgericht auf das Fehlen eines Anordnungsanspruchs abstellt, ist dies nicht zu beanstanden, da die Erfolgsaussicht der Klage im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Gewährung eines höheren Verletztengeldes nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) bzw. § 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) zumindest nicht offensichtlich begründet und die Klage im Hinblick auf ein Schmerzensgeld aussichtslos ist.
Eine Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG musste somit ausscheiden. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat eine gesonderte Kostenentscheidung zu ergehen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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