L 2 U 407/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 196/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 407/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Versicherungsfall) die Feststellung eines zweifachen Kausalszusammenhangs erforderlich, nämlich
1. zwischen versicherter Tätitgkeit und Unfallereignis - sogenannte haftungsbegründende Kausalität
2. zwischen Unfallereignis und Körperschaden - songenannte haftungsausfüllende Kausalität.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Kläger hat 225,00 Euro Kosten an die Staatskasse zu entrichten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der 1945 geborene Kläger begehrt die Übernahme von Zahnersatzkosten.

Am 03.02.1986 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, als er beim Abmontieren eines Schutzgitters am Kinn getroffen wurde. Laut Unfallanzeige erlitt er hierbei eine starke Prellung des Unterkiefers. Des Weiteren seien die Zähne gelockert und verschoben worden.

Am 18.03.1999 ging bei der Beklagten ein Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. G. vom 03.11.1998 ein. Die Beklagte stellte daraufhin fest, dass die Akte bereits vernichtet sei. Dr. G. teilte mit, er habe die Praxis von Dr. Sch. übernommen. Er habe auch keine Unterlagen mehr. Auch die AOK Bayern teilte am 16.09.1999 mit, dass über den Unfall bzw. über die damals stattgefundene Zahnbehandlung keine Unterlagen mehr vorlägen. Der Dr. O. teilte daraufhin am 18.10.1999 der Beklagten mit, dass er keine Aussage über die Unfallfolgen treffen könne. Gleichwohl vergütete die Beklagte Dr. G. das Honorar für den unfallbedingten Zahnersatz in Höhe von 849,92 DM.

Am 26.01.2006 legte Dr. G. wiederum einen Heil- und Kostenplan vor. Insbesondere sollte nunmehr eine Implantatversorgung der Zähne 13, 11, 21 und 23 im Unterkiefer vorgenommen werden. Die voraussichtlichen Gesamtkosten beliefen sich auf 5.161,83 Euro. Dr. G. legte zahnärztliche Unterlagen seit 1986 vor. Danach wurde der Kläger am 13.02.1986 wegen Zahnstein behandelt. Am gleichen Tag wurden zwei Röntgenaufnahmen wegen horizontaler Atrophie gefertigt. Weiter übersandte Dr. G. einen Heil- und Kostenplan vom 20.09.2006 mit einem Kostenvoranschlag des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. P ... vom 20.09.2006 für "4 Implantate zahnloser atrophierter Unterkiefer-Chirurgie" in Höhe von 2.637,41 Euro. Der T. S. führte am 30.11.2006 aus, dass im Unterkiefer im Jahre 1986 eine neunzähnige Stahlplatte eingegliedert worden sei. Weitere Behandlungsmaßnahmen als Unfallfolge seien nicht aktenkundig. Eine Panoramaschichtaufnahme vom 16.06.2006 zeige einen weitestgehend zahnlosen Unterkiefer. Das Ausmaß der bei dem Unfall tatsächlich eingetretenen Zahnschädigung sei anhand der vorliegenden Unterlagen nicht mehr zu ermitteln, ebenso

wenig wie das Ausmaß der im Anschluss durchgeführten Versorgung. Es sei davon auszugehen, dass es auch ohne das Unfallereignis zu einer vergleichbaren Situation gekommen wäre.

Dem hielt Dr. G. in seinem Schreiben vom 15.01.2007 entgegen, dass die Verletzungen, welche 1986 entstanden seien, durch eine neunzähnige Stahlplatte ersetzt worden seien. Kostenträger sei damals die Beklagte gewesen.

In einer beratungszahnärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage kam der Dr. Sch. am 04.02.2007 zum Ergebnis, dass es keinerlei Beweise dafür gebe, welche Art von Verletzung seinerzeit eingetreten sei bzw. ob die Zähne wegen Unfallfolgen entfernt werden mussten. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt etwa 39 Jahre alt gewesen, womit als Ursache für den Zahnverlust eine ausgeprägte Erwachsenen-Parodontitis, insbesondere an den Unterkiefer-Schneidezähnen, nicht ausgeschlossen und aufgrund des Krankenblatteintrags sogar wahrscheinlich erscheine. Gegen den Ursachenzusammenhang spreche auch der Umstand, dass inzwischen die Eckzähne mit viel größerer Wurzeloberfläche als die Unterkiefer-Schneidezähne unfallunabhängig entfernt werden mussten.

Mit Schreiben vom 13.02.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine Kostenverantwortung für die geplante Zahnbehandlung bestehe nicht. Sie bezog sich insbesondere auf die Stellungnahmen des Dr. S. und Dr. Sch ...

Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.07.2007).

Hiergegen erhob der Kläger am 23.08.2007 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG). Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. Sch., Ärztlicher Leiter des Universitäts-Zahn-Klinikums D-Stadt vom 16.04.2008. Dieser führte aus, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen keine Folgen der Gesundheitsstörungen, verursacht durch den Unfall vom 03.02.1986, festgestellt werden könnten.

Mit Urteil vom 26.06.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stützte sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Dr. S., Dr. Sch. und Prof. Dr. Sch ...

Hiergegen hat der Kläger am 17.10.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ein Attest des Dr. G. vom 12.01.2009 vorgelegt. Danach habe der Kläger sämtliche Frontzähne im Unterkiefer in Folge des Unfalls von 1986 verloren. Der frühe Verlust der Frontzähne im 41. Lebensjahr habe einen starken Rückgang des Knochenangebots nach sich gezogen, weshalb eine totale Prothese im zahnlosen Unterkiefer nicht zu einem sicheren Halt zu überführen sei. Gerade dieser starke Knochenverlust hätte erst viel später, jenseits des 80. Lebensjahres stattgefunden.

Daraufhin hat der Senat nach Beiziehung diverser Befunde auf radiologischem Fachgebiet den Dr. E. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser kam am 28.12.2009 in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass am 24. und 28.02.1986 aufgrund einer am 13.02.1986 festgestellten Diagnose - horizontale Atrophie - die Zähne 32, 31, 41 und 42 gezogen worden seien. Eine horizontale Atrophie (Knochenschwund) sei keine Unfallfolge. Es gebe keinen Zahnbefund vor und nach dem Unfall. Röntgenaufnahmen, die den Gebisszustand zum Unfallzeitpunkt belegten, gebe es ebenfalls nicht. Aufgrund des Behandlungsablaufes und der fehlenden aussagekräftigen Unterlagen könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Zahnextraktionen im Unterkiefer ursächlich auf dem Unfallereignis vom 03.02.1986 beruhten.

Am 10.02.2011 ist auf klägerischen Antrag Dr. C. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt worden. Dieser ist in seinem Gutachten vom 05.08.2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger keine allein oder hauptsächlich durch den Arbeitsunfall vom 03.02.1986 verursachten Gesundheitsschäden bestünden. Aufgrund der vermerkten Röntgendiagnose "horizontale Atrophie" sei von einer schon vorher bestehenden parodontalen Vorschädigung im Sinne eines Knochenabbaus auszugehen.

Mit Schreiben vom 04.10.2011 hat der Bevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass er das Gutachten des Dr. C. nicht für überzeugend halte.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.06.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 03.02.1986 Zahnersatz aufgrund des Heil- und Kostenplans vom 26.01.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. E. und des Dr. C. haben das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.06.2008 in vollem Umfang bestätigt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die im Berufungsverfahren ernannten Sachverständigen Dr. E. und Dr. C. sich darin einig sind, dass der Erstschaden nicht (mehr) bewiesen werden kann. Allerdings spricht die vermerkte Atrophie dafür, dass schon zum Zeitpunkt des Unfalls andere Ursachen für den Verlust der Schneidezähne im Unterkiefer rechtlich wesentliche Bedingung waren. Dr. C. führt hierzu aus, dass die Unterkiefer-Frontzähne von parodontalen Abbauvorgängen sehr stark betroffen sind, dies sehr oft mehr und in größeren Ausmaß als die anderen Zähne. Auch eine Überlastung eines oder mehrerer Zähne kann keine Parodontitis auslösen. Lediglich bei einer schon bestehenden Parodontitis führen Fehl- und Überbelastungen zu einem schnelleren und größeren Abbbau des parodontalen Halteapparates. Insgesamt gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die jetzige Gebisssitutation, das heißt Zahnlosigkeit im Unterkiefer und Oberkiefer, maßgeblich durch den Unfall verursacht ist. Schon 1986 lag eine röntgenologisch erkennbare horizontale Atrophie vor. Dies sagt nichts anderes aus, als dass der zahntragende Kieferknochen in seiner horizontalen Ausdehnung, also in der Knochenhöhe, schon reduziert war. Eine Parodontitis geht einher mit einem horizontalen Verlust des Knochens. Ein vollständiger Zahnverlust im Oberkiefer zeigt, dass hier im Unter- und Oberkiefer andere Ursachen als der Unfall hauptverantwortlich sind.

Im Ergebnis bestätigen die Sachverständigen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Das Gericht kann darüber hinaus gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass dieser den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden, wie geschehen, in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder Verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG steht dem Beteiligten sein Bevollmächtigter gleich. Aufgrund der gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen Prof. Dr. Sch., Dr. E. und Dr. C. war die Aussichtslosigkeit der Fortführung des Berufungsverfahrens offensichtlich. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei nach § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz - für das Verfahren vor dem Landessozialgericht somit in Höhe von 225,00 Euro. Der Senat setzte diesen Mindestbetrag an.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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