L 12 EG 27/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 16/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 EG 27/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 3/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. April 2008 und der Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2007 abgeändert und der Beklagte zur Bewilligung von weiteren sechs Monaten Elterngeld für das Kind E. (7. bis 12. Lebensmonat) verpflichtet.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat der Klägerin 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klage- sowie des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind noch die Bezugsdauer sowie die Höhe des der Klägerin nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zustehenden Elterngeldes für das Kind E.

Die Klägerin und ihr Ehemann sind Eltern der am 9.2.2007 geborenen Zwillinge E. und R. Beide Elternteile waren bis zur Geburt der Kinder voll erwerbstätig. Der gemeinsame Dienstherr (Freistaat Bayern) bewilligte der Klägerin ab dem Ende des Mutterschutzes (9.2. bis 22.6.07) vom 25.6.2007 bis 11.4.2008 und dem Ehemann der Klägerin vom 12.3.2007 bis 20.03.2008 Elternzeit (ohne Teilzeitbeschäftigung).
Vom 12.4.2008 bis 8.6.2008 brachte die Klägerin ihren Resturlaub aus Vollzeittätigkeit ein, ab dem 9.6.2008 bis 31.3.2009 bewilligte der Dienstherr wiederum Elternzeit mit Teilzeitbeschäftigung in Höhe von 0,5 der regelmäßigen Arbeitszeit. Der Ehemann der Klägerin arbeitete ab dem 21.03.2008 wieder in Vollzeit.

Mit Schreiben vom 12.4.2007 beantragten beide Eltern Elterngeld wie folgt: Die Klägerin begehrte für die Tochter E. Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat (unter Anrechnung der Bezüge während Mutterschutz) und für ihren Sohn R. Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat. Der Vater begehrte für die Tochter E. Elterngeld für den 13. bis 14. Lebensmonat und für seinen Sohn R. Elterngeld für den 2. bis 12. Lebensmonat. Die Anrechnung der Bezüge während Mutterschutz sei bereits bei seiner Frau für das Kind E. erfolgt.

Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, dass das Elterngeld insgesamt nicht für mehr als 14 Lebensmonate beansprucht und dass bei Mehrlingsgeburten nur einmal Elterngeld gewährt werden könne, beantragten die Klägerin und ihr Ehemann mit Schreiben vom 19.5.2007 hilfsweise die Aufteilung des Elterngeldes wie folgt: Klägerin Lebensmonat 1-6, Ehemann Lebensmonate 2-9, hielten jedoch an ihrem ursprünglichen Antrag ausdrücklich fest.

Mit Bescheid vom 21.6.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin für beide Kinder Elterngeld für den ersten bis sechsten Lebensmonat unter Anrechnung der Bezüge während des Mutterschutzes. Zur Auszahlung kamen im 5. Lebensmonat 774,48 EUR und im 6. Lebensmonat 1659,62 EUR einschließlich Erhöhungsbetrag für das Zwillingskind in Höhe von 300,- monatlich.
Mit vorläufigem Bescheid vom 21.6.2007, ergänzt durch die endgültige Entscheidung vom 14.05.2008 bewilligte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin für beide Kinder Elterngeld für den 2. bis 9. Lebensmonat (2. Lebensmonat 1.714,66 EUR, ab 3. Lebensmonat je 1.812,26 EUR einschließlich Erhöhungsbetrag von 300,- für das Zwillingskind).

In den hiergegen gerichteten Widersprüchen vom 15.7.2007 vertraten die Klägerin und ihr Ehemann weiter die Auffassung, ihnen stehe für jedes der Zwillingskinder ein eigener Anspruch auf Elterngeld zusätzlich zum Erhöhungsbetrag für Mehrlingsgeburten zu, da jeweils ein Kind betreut werde. Außerdem habe bei der Berechnung des Elterngeldes die Zahlung von Kirchensteuer nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 4.10.2007 zurück. Ein eigener Anspruch auf Elterngeld für jeden einzelnen Mehrling bestehe nicht, vielmehr werde bei Mehrlingsgeburten das Elterngeld um je 300 EUR für das zweite und jedes weitere Kind erhöht (§ 2 Abs. 6 BEEG). Da das Elterngeld als Entgeltersatzleistung konzipiert sei und regelmäßig auch nur ein Erwerbseinkommen wegfalle, könne Elterngeld anlässlich einer Geburt auch nur einmal zugesprochen werden. Durch den Mehrlingszuschlag werde der höheren finanziellen Belastung der Familie Rechnung getragen. Daher sei der Beklagte dem Hilfsantrag der Familie gefolgt.

Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann gegen die jeweils an sie adressierten Widerspruchsbescheide am 30.10.2007 Klage zum Sozialgericht in Bayreuth (SG) erhoben mit dem Ziel eines parallelen Bezugs von Elterngeld für 12 Monate für das eine und weitere zwei Monate für das andere Zwillingskind. Sie stützten dieses Begehren im Wesentlichen auf das Vorbringen, es bestehe zusätzlich zum Erhöhungsbetrag nach § 2 Abs. 6 BEEG für jeden einzelnen Mehrling Anspruch auf Elterngeld. Andernfalls würden sie im Gegensatz zu Familien, die beispielsweise zeitnah zur Geburt ein weiteres Kind adoptierten oder während des Bezuges von Elterngeld ein weiteres Kind bekämen benachteiligt. Die vom Beklagten vertretene gegenteilige Ansicht findet keine Stütze im Gesetz.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, § 2 Abs. 6 BEEG bringe eindeutig zum Ausdruck, dass bei Mehrlingsgeburten der Gesamtbetrag des Elterngeldes zu erhöhen sei, nicht jedoch für jedes einzelne Kind ein Anspruch auf Elterngeld bestehe. In der Bundestagsdrucksache 16/1889 werde zu § 2 Abs. 6 BEEG ausgeführt, dass der Mehrlingszuschlag die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern berücksichtige. Die Zahlung eines Mehrlingszuschlages in Höhe des Mindestbetrages wäre nicht erforderlich, wenn für jedes Mehrlingskind ein eigener Anspruch auf Elterngeld bestünde.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2008 abgewiesen. Die Klägerin habe ab dem 1.2.2008 wieder in Vollzeit gearbeitet, so dass sie ab diesem Zeitpunkt schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Elterngeld habe. Die Anrechnung von Kirchensteuer bei der Bemessung des tatsächlich zur Verfügung gestandenen Nettoeinkommens ergäbe sich aus dem Gesetz. Die Klägerin hätte auch keinen Anspruch auf weitere zwei Monate Elterngeld für das zweite Zwillingskind. Nach dem Wortlaut gebrauche das gesamte BEEG bei der Formulierung "eines Kindes" das Wort "ein" nicht als Zahlwort im Sinne "eines einzigen Kindes", sondern als unbestimmten Artikel. Anders wäre der Erhöhungsbetrag von 300 Euro für Mehrlingsgeburten nicht zu erklären. Ferner enthalte das BEEG keine den § 3 Abs. 1 S. 2 und § 5 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vergleichbaren Regelungen, wonach das Bundeserziehungsgeld auch bei Mehrlingen für jedes einzelne Kind einzeln zu zahlen und zu berechnen war. Das Elterngeld solle die finanzielle Situation der Eltern in den ersten 14 Monaten nach der Geburt sichern. Wenn innerhalb genau desselben Zeitraums zwei oder mehr Kinder gleichzeitig in den Genuss dieser Fürsorge kommen, werde dadurch der Einkommensverlust des versorgenden Elternteils nicht größer.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.05.2008 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen wurde vorgetragen, die Klägerin habe sich bis 11.04.2008 in Elternzeit befunden. Elterngeld werde für Lebensmonate des Kindes gezahlt und nicht für Geburten. Beide Elternteile hätten im Rahmen ihrer Elternzeit ohne Bezüge einen Einkommensverlust von je 100 % erlitten. Bei ihren Kindern käme hinzu, dass sie Frühgeburten mit gesundheitlichen Problemen seien, die aus medizinischer Sicht eine intensive Fürsorge im ersten Lebensjahr gebraucht hätten. Die Anwesenheit beider Eltern hätte diesem Anliegen Rechnung getragen. Aus dem Wortlaut der Vorschriften des BEEG könne keine gegenteilige Auffassung geschlossen werden. Insbesondere in § 2 BEEG findet sich keine Regelung, nach der Mehrlingskinder als ein Kind anzusehen wären. Die Berücksichtigung der Zahlung der Kirchensteuern im Bemessungszeitraum sei verfassungswidrig, da es sich um eine Benachteiligung der Mitglieder von Glaubensgemeinschaften handle. In anderen Bereichen gäbe es die so genannte Ethikabgabe, nicht jedoch beim Elterngeld.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 21.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2007 abzuändern und den Beklagten zur Berechnung des Elterngeldes unter Nichtberücksichtigung der Kirchensteuer im Bemessungszeitraum und zur Bewilligung von weiteren sechs Monaten Elterngeld für das Kind E. (7. - 12. Lebensmonat) und zusätzlich zur Gewährung des Mehrlingszuschlags nach § 2 Abs. 6 BEEG zu verpflichten.

Die Vertreterin des Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG) nur noch insoweit weiter, als sie auf Gewährung höheren Elterngeldes ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer im Bemessungszeitraum sowie für weitere 6 Monate für ihre Tochter E. gerichtet ist. Den Antrag auf Gewährung von zwei weiteren Monaten Elterngeld für ihren Sohn R. hat die Klägerin ausweislich des zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 23.11.2011 gestellten Antrages nicht mehr aufrecht erhalten.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf weitere sechs Monate Elterngeld für ihre Tochter E., denn diese Monate wurden nicht durch ihren Ehemann verbraucht.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für E. richtet sich nach den am 1.1.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 5.12.2006 (BGBl I 2748). § 1 Abs. 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Hauhalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr. 4). Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Deutschland, wohnt mit ihren Kindern E. und R. in einem Haushalt und betreut und erzieht diese Kinder selbst. Dass der Vater der Kinder gleichzeitig im Haushalt die Kinder betreut und erzieht, ist unschädlich. Denn "selbst" heißt nicht ständig oder vollkommen allein. Auch andere Angehörige, Tagesmütter oder Kinderkrippen können bei der täglichen Sorge für das Kind mitwirken. Die berechtigte Person muss sich jedoch an dieser familiären Verpflichtung beteiligen (Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, BEEG § 1, Rn 7). Außerdem lässt § 4 Abs. 2 Satz 3 BEEG den gleichzeitigen Bezug von Elterngeld zu, wenn sich beide Elternteile gleichzeitig der Erziehung des Kindes widmen.
Die Klägerin übte auch in der hier streitigen Zeit (09.02.2007 bis 08.04.2008) keine Erwerbstätigkeit aus. Entgegen den Ausführungen im Gerichtsbescheid hat der Arbeitgeber der Klägerin, Freistaat Bayern, Finanzamt C., dieser ausweislich des Schreibens vom 21.12.2007 bis 11.4.2008 Elternzeit ohne Teilzeitbeschäftigung bewilligt.
Regelungen zum Bezugszeitraum von Elterngeld enthält § 4 BEEG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate gezahlt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BEEG haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 BEEG; dazu BT-Drucks 16/1889 S. 23 zu § 4 Abs. 2). Waren beide Elternteile - wie hier - vor der Geburt erwerbstätig und unterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit (oder schränkt sie in relevantem Umfang ein), haben die Eltern demnach insgesamt für die Dauer von vierzehn Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf Elterngeld. Diesen Gesamtanspruch können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen Regelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG können die Eltern dabei die (zwölf oder vierzehn) Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie nach § 5 Abs. 1 BEEG grundsätzlich, wer von ihnen welche Monatsbeträge in Anspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BEEG).
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG die Lebensmonate des Kindes, in denen u.a. nach § 3 Abs. 1 BEEG anzurechnende Leistungen - wie Mutterschaftsgeld - zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen, wie das nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BEEG anzurechnende Mutterschaftsgeld, kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist beim Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Mutter. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin als Beamtin des Freistaates Bayern während des Beschäftigungsverbotes nach der Geburt der Zwillinge kein Mutterschaftsgeld, sondern Dienstbezüge erhielt. Denn nach § 3 Abs. 1 Satz 3 BEEG gelten die Anrechnungsregelungen der Sätze 1 und 2 u.a. auch für Dienstbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften für die Zeit der Beschäftigungsverbote. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BEEG) erfasst die Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn - wie hier - der Mutter nicht für den ganzen Monat Mutterschaftsgeld bzw. Dienstbezüge zustehen. Demnach sind im vorliegenden Fall wegen des Bezuges von Leistungen während des Mutterschutzes vom 09.02. bis 22.06.2007 zwingend 5 Monate der Klägerin zuzuordnen
Darüber hinaus stehen der Klägerin, wie beantragt, für E. zusätzlich zu den bereits bewilligten 6 Monaten weitere 6 Monate Elterngeld bis zu einer Gesamtbezugsdauer von 12 Monaten zu. Dem steht nicht entgegen, dass dem Ehemann der Klägerin für die Zwillinge bereits acht Monate Elterngeld bewilligt wurden. Diese bereits bewilligten acht Monate Elterngeld hat der Ehemann der Klägerin für seinen Sohn R. und nicht für die Tochter E. bezogen (vgl Urteil des Senats vom 23. November 2011, L 12 EG 26/08). Denn Elterngeld steht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 1 BEEG den Eltern für den Fall, dass beide Partner auf Erwerbstätigkeit verzichten, für jeden der beiden Zwillinge zu. Unabhängig davon, ob das Wort "ein" in § 1 Abs. 1 BEEG als Zahlwort oder als unbestimmter Artikel gebraucht wird, lässt sich dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 BEEG nicht entnehmen, dass bei zwei oder mehr Kindern der Anspruch auf Elterngeld nur einmal besteht. Vielmehr bezieht sich der Anspruch des Berechtigten auf Elterngeld bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 auf ein bestimmtes (namentlich zu benennendes) Kind. Dies ist bei der Klägerin sowohl nach ihrem ursprünglichen Antrag vom 12.4.2007 als auch nach ihrem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag ihre Tochter E ... Die gesundheitlichen Probleme der Zwillinge mögen zwar für die Entscheidung der Klägerin und ihres Ehemannes, beide im ersten Lebensjahr der Zwillinge weitgehend auf Erwerbstätigkeit zu verzichten, ein wichtiger Gesichtspunkt gewesen sein, sind aber für das grundsätzliche Bestehen des Anspruchs auf Elterngeld unerheblich.
Dass das BEEG keine § 3 Abs. 1 Satz 2 BErzGG entsprechende Regelung beinhaltet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BErzGG wurde für jedes Kind Erziehungsgeld gezahlt, wenn in einem Haushalt mehrere Kinder betreut und erzogen wurden. Hierzu hat das BSG mit Urteil vom 30.3.2006 (B 10 EG 5/05 R) entschieden, dass der Anspruch auf Bundeserziehungsgeld auch bei Mehrlingen für jedes Kind einzeln zu zahlen und zu berechnen ist. Demnach konnte nach § 3 Abs. 1 S. 2 BErzGG eine berechtigte Person gleichzeitig Anspruch auf Bundeserziehungsgeld für mehrere Kinder haben. Eine entsprechende Regelung wurde nicht in das BEEG übernommen. Hieraus leitet der Senat aber nur ab, dass nach dem BEEG einer einzelnen betreuenden Person nicht für jeden Mehrling jeweils ein Anspruch auf Elterngeld zusteht. Dies ist aber nicht die hier streitige Frage. Im vorliegenden Rechtsstreit ist vielmehr streitig, ob beiden Elternteilen für jeweils ein (bestimmtes) Kind Elterngeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren ist, wenn beide Elternteile jeweils für sich die Voraussetzungen des § 1 BEEG erfüllen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung, Elterngeld stünde nicht für jeden einzelnen Zwilling, sondern für den zweiten Zwilling nur in Höhe des Erhöhungsbetrages nach § 2 Abs. 6 BEEG zu, eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Betreuenden und Erziehenden von Kindern unterschiedlichen Alters, für die als Geschwisterkinder Elterngeld gezahlt werde und denen von Mehrlingen nach sich ziehe.
Denn eine Auslegung des § 1 Abs. 1 BEEG iVm § 2 Abs. 6 BEEG dergestalt, dass auch bei gleichzeitigem Verzicht auf Erwerbstätigkeit durch beide Elternteile der Anspruch auf Elterngeld für Mehrlinge den Eltern nur einmal zusteht, ist dem Wortlaut der Bestimmungen nicht zu entnehmen und würde nach Überzeugung des erkennenden Senats auch gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im Abschnitt 1 des BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl etwa BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f).
Denn für den Fall, dass ein weiteres Geschwisterkind innerhalb des Bezugszeitraumes von Elterngeld für ein Kind geboren wird, hat der andere Elternteil für das zweite Geschwisterkind Anspruch auf Elterngeld nach den gesetzlichen Bestimmungen. Gleiches gilt für den Fall, dass bereits kurz nach der Geburt des ersten Kindes ein weiteres Kind adoptiert wird. Auch hier können nach den Bestimmungen des BEEG die anspruchsberechtigten Personen für den Bezug von Elterngeld für das erste und das weitere Kind auseinanderfallen, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Mehrlingsgeburten unterscheiden sich von diesen Konstellationen nur durch einen kürzeren Zeitraum zwischen der Geburt bzw. Aufnahme des ersten und des weiteren Kindes. Dieser Unterschied rechtfertigt gemessen am Ziel des BEEG, eine Einkommensminderung durch die Betreuung eines Kindes im ersten Lebensjahr zu verhindern, eine ungleiche Behandlung beider Gruppen nicht.
Dem steht auch nicht § 2 Abs. 6 BEEG entgegen, der für Mehrlingsgeburten einen monatlichen Zuschlag von 300 EUR vorsieht. § 2 Abs. 6 BEEG berücksichtigt die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Er soll nach der Gesetzesbegründung (BT.-Drs. 16/1889, S. 21) ähnlich dem Geschwisterbonus nach § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG den zusätzlichen Betreuungsaufwand abgelten, der bei einer berechtigten Person auftritt, die gleichzeitig zwei oder mehr Kinder gleichen Alters betreut. Sofern wie im vorliegenden Fall beide Elternteile für jeweils ein Kind Elterngeld beantragen, entfällt diese mit § 2 Abs. 6 abgegoltene Mehrbelastung, so dass der Mehrlingszuschlag - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht zu gewähren ist.
Der Klägerin stehen damit weitere sechs Monate Elterngeld für ihre Tochter E. zu.
2. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Dabei ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs. 7 bis 9 BEEG zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 S. 2 BEEG).

Nach § 2 Abs. 7 BEEG ist Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Kirchensteuer ist als Teil der auf das Einkommen entfallenden Steuer zu berücksichtigen. Denn bei der Elterngeldberechnung soll nach dem Willen des Gesetzgebers das Einkommen berücksichtigt werden, das der anspruchsberechtigten Person zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stand und das nun wegen der Unterbrechung oder Einstellung der Erwerbstätigkeit nicht mehr zur Verfügung steht (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Bundestagsdrucksache 16/1889, S. 21). Einen Verstoß gegen Art. 3 oder 4 Abs. 1 GG sieht der Senat hierin nicht.

Der Gerichtsbescheid des SG ist damit wie im Tenor erfolgt abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen, da die Rechtsfrage, ob bei Mehrlingsgeburten beiden Elternteilen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Elterngeld zusteht, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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