Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 284/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 344/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bestimmt eine Pflegesatzvereinbarung, dass die Krankenkassen binnen drei Wochen nach Abrechnung des Krankenhauses zur Zahlung verpflichtet sind und leistet die Kasse trotz Abrechnung nicht, ist einer Zahlungsklage der Klinik stattzugeben ohne dass Einwendungen zur Rechtmäßigkeit Abrechnung geprüft werden dürfen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17. Mai 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin
5.602,17 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 26. April 2007 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.602,17 festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt als Krankenhausträger die Vergütung einer mehrwöchigen akutstationären Behandlung einer Versicherten der Beklagten im Jahr 2007.
1.
Die Klägerin betreibt die Fachklinik H., Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für psychiatrische Rehabilitation, die in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern unter der Ziffer 67208 als Plankrankenhaus mit 60 Plätzen der Fachrichtung Psychosomatik aufgenommen ist. Nach der für den hier streitigen Zeitraum anzuwendenden Vereinbarung über den Pflegesatzzeitraum 2007, zu dessen Inhalt auf Blatt 137 bis 145 der sozialgerichtlichen Akte Bezug genommen wird, gilt u.a. gemäß des dortigen § 15: Die Rechnung des Krankenhauses ist durch Überweisung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen, andernfalls entstehen Verzugszinsen in Höhe von 4 % vom jeweiligen Basiszinssatz; Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art sind durch Zahlung nicht ausgeschlossen; stellt sich im Nachhinein eine unberechtigte Rechnungslegung heraus, storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zuviel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück - bei Rechtsstreitigkeiten ab Rechtskraft der Gerichtsentscheidung.
2.
Die 1961 geborene bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte B. L. wurde auf Einweisung des behandelnden Hausarztes vom 08.02.2007 am 21.02.2007 zur akut-stationären Behandlung in die Fachklinik der Klägerin aufgenommen.
Am 28.02.2007 sagte die Beklagte unter Vorbehalt die Kostenübernahme bis 09.03.2007 zu, erbat aber gleichzeitig Informationen zur Behandlungsbedürftigkeit der B.L. Am 01.03.2007 teilte die Klägerin zur Indikation und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mit, es bestünden die psychischen Diagnosen Herzphobie, mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom, Angstsyndrom, Essattacken, Verdacht auf ängstliche Persönlichkeitsstörung sowie die somatischen Diagnosen Adipositas, Hypercholesterinämie, PMS und Struma, so dass Krankenhausbehandlung notwendig sei. Die Klägerin erstellte am 01.03.2007 eine Zwischenrechnung über 1.108,88 EUR für die Behandlung der B.L. vom 21.02. bis 28.02.2007 und am 03.04.2007 für die Zeit 01.03. bis 31.03.2007 über 4.296,91 EUR sowie am 04.04.2007 die Abschlussrechnung für die Zeit 01.04. bis zur Entlassung 03.04.2007 über 196,38 EUR. Die Abrechnungen erfolgten im Wege des Datenaustausches, das Rechnungsdatum entspricht dem Rechnungseingang bei der Beklagten.
Die Beklagte leistete auf die Rechnungen der Klägerin nichts und bezog sich dabei auf Kurzäußerungen des MDK Baden-Württemberg sowie auf dessen Gutachten vom 16.08.2007. Dort führte der MDK aus, dass die Schwere der Erkrankung und damit die akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit sich nicht nachvollziehen ließen. Auf Anwaltschreiben vom 23.11.2007 bot die Beklagte an, die Behandlung der B.L. als Rehabilitations-Leistung zu vergüten. Unter Bezug auf ein weiteres MDK-Gutachten vom 07.01.2008 lehnte die Beklagte eine Zahlung mit Schreiben vom 28.01.2008 endgültig ab.
3.
Die am 06.08.2008 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage auf Begleichung der abgerechneten Leistungen zuzüglich Verzugszinsen ist für die Klägerin ohne Erfolg geblieben (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 17.05.2011).
Das Sozialgericht hat den Vergütungsanspruch der Klägerin verneint, weil nach Würdigung der medizinischen Dokumentation tatsächlich die B.L keine akut-stationäre Krankenhausbehandlung erhalten habe, sondern eine rehabilitationsähnliche Behandlung mit Schwerpunkt Gruppentherapie. B.L. sei nicht krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen, insbesondere sei nicht erkennbar, dass sich der unbehandelte Dauerzustand der B.L. vor der stationären Aufnahme zugespitzt habe.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2011 zu verurteilen, der Klägerin 5.602,17 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass wegen der Stellungnahmen des MDK die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nicht bestanden habe, so dass sie zu keiner Zahlung verpflichtet gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten erklärt, dass die hier gültigen Zahlungsbestimmungen der Pflegesatzvereinbarung 2007 u.a. nach Kündigung des Vertrages gem. § 112 SGB V für den Freistaat Bayern vor gut zehn Jahren üblicherweise in den Pflegesatzvereinbarungen in Bayern aufgenommen worden seien, wie es auch im Parallelverfahren der Beteiligten L 5 KR 333/11 der Fall sei. In anderen Bundesländern sei die Rechtslage insoweit nicht immer identisch.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten der Berufung L 5 KR 333/11. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der Krankenhausleistung für B.L. im Zeitraum 21.02. bis 03.04.2007 gemäß der Abrechnungen vom 01.03., 03.04. und 04.04. 2007.
1.
Gesetzlich krankenversicherte Personen wie B.L. haben gemäß § 2, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr.5, § 39 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn das Behandlungsziel nicht anderweitig erreicht werden kann und wenn Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung notwendig sind. Diesen Leistungsanspruch des Versicherten konkretisiert eine nach § 108
SGB V als Leistungserbringer zugelassene Klinik, sobald sie stationäre Leistungen erbringt. Gleichzeitig mit der Leistung entsteht spiegelbildlich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, der auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) beruht. Der Zahlungsanspruch bestimmt sich sodann näher nach den Pflegesatzvereinbarungen, also der Vereinbarung für den Vereinbarungs-/Pflege- satzzeitraum, den die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) abgeschlossen haben (vgl. BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/088 KR R).
2.
In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Klägerin als Plankrankenhaus gem. § 108 Nr. 2 SGB V für die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte B.L. Krankenhausbehandlungsleistungen in der Zeit vom 21.02. bis 03.04.2007 erbracht hat. Sie hat durch die bei ihr tätigen Ärzte am Aufnahmetag die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit geprüft und wie das ärztliche Schreiben vom 01.03.2007 beweist in Anwendung der medizinischen Regeln mit konkret benannten gesundheitsbedingten Gründen bejaht. Hierfür hat sie der Beklagten je nach Zeitfortschritt der Behandlung im Datenaustauschwege 1.108,88 EUR unter dem 01.03.2007, 4.296,91 EUR unter dem 03.04.2007 und 196,38 EUR abschließend unter dem 04.04.2007 in Rechnung gestellt. Damit war der Vergütungsanspruch der Klägerin für die erbrachten Krankenhausleistungen entstanden, der ärztlichen Überprüfungspflicht zur Behandlungsbedürftigkeit trotz Krankenhauseinweisung war die Klägerin nachgekommen.
Der so entstandene Vergütungsanspruch ist jeweils drei Wochen nach Zahlungseingang fällig geworden. Denn nach § 15 der wirksam zustande gekommenen und genehmigten Pflegesatzvereinbarung 2007, war die Beklagte als Gesetzliche Krankenkasse der behandelten B.L. verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang die Zahlung leisten.
In der Folge ist dem hier strittigen prozessualen Anspruch vollumfänglich stattzugeben, ohne dass die Einwände der Beklagten zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der B.L. näher untersucht werden müssten. Denn nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007 hat die Klägerin einen fälligen Zahlungsanspruch. Nur falls sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die gestellten Rechnungen unberechtigt waren, wäre ein zuviel erhaltener Betrag zurückzuzahlen. Das bedeutet: solange ein Abrechnungsstreit ungeklärt ist, darf die Klägerin die Zahlung ihrer Abrechnungen verlangen, die Beklagte ist dazu verpflichtet. Erst wenn der Abrechnungsstreit geklärt ist, muss binnen dreier Wochen eine Korrektur/ Ausgleich erfolgen. Für den hier vorliegenden Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung gilt nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007, dass eine Rückzahlungspflicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung binnen einer Frist von drei Wochen bestünde. Damit ist dem Zahlungsbegehen der Klägerin zu entsprechen.
3.
Entgegenstehende Einwendungen der Beklagten bestehen nicht, insbesondere auch nicht aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Dauerschuldverhältnis der Krankenhäuser als Leistungserbringer einerseits und den Krankenkassen andererseits Anwendung finden (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R "Berliner Fälle"; Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R).
a)
Der Anscheinsbeweis der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit infolge der ärztlichen Aufnahmeüberprüfung ist nicht entfallen.
In Würdigung der ärztlichen Dokumentation des gesamten Verfahrens lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Entscheidung des Krankenhausarztes nach den jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten nicht vertretbar gewesen wäre. Insbesondere hatte die Klägerin mit Schreiben vom 01.03.2007 psychischen Diagnosen Herzphobie (F 45.2), mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom (F 32.10), Angstsyndrom
(F 41.1), Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen (F 50.4), Verdacht auf ängstliche Persönlichkeitsstörung (F 60.6) sowie die somatischen Diagnosen Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr (E 66.0), Hypercholesterinämie (E 78.0), PMS (E 94.3) und Struma (E 04.9) aufgelistet und näher begründet, dass intensive Behandlung durch einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt, geschultes Pflegepersonal und qualifizierte Therapeuten erforderlich sei, ambulante, stationäre oder vor- oder nachstationäre Behandlung reichten nicht aus, also Krankenhausbehandlung notwendig war. Die dagegen eingeholte Stellungnahme des MDK vom 13.03.2007 führt demgegenüber nur drei Diagnosen auf, ohne näher zu begründen, warum die übrigen Diagnosen nicht zu benennen wären. Zudem ist dort keine nähere nachvollziehbare Begründung erkennbar, die sich mit dem Standpunkt der Klägerin inhaltlich auseinandersetzt. Schließlich datiert eine erste sachliche Stellungnahme des MDK erst vom 16.08.2007. Sie wurde damit mehr als vier Monate nach Entlassung der B.L. aus dem Krankenhaus sowie nach Rechnungsstellung verfasst.
b)
Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmungen in § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007 sind keine überraschenden Regelungen. Sie beruhen auf der Pflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG zur Bestimmung zeitnaher Entgeltzahlung, entsprechen den in Bayern üblicherweise verwendeten Pflegesatzbestimmungen und - wie aus dem Aufdruck der Pflegesatzvereinbarung ersichtlich - auf der üblicherweise im Krankenhausbereich verwendeten Bayerischen ARGE Mustervereinbarung (Stand 24.01.2007; vgl. auch Bayer. LSG Urteil vom 04.10.2011 - L 5 KR 14/11). Wie sich aus dem beigezogenen Parallelverfahren L 5 KR 333/11 ergibt, war die identische Vereinbarung bereits 2006 Gegenstand eines Abrechnungsstreits der Beteiligten. Zudem ist nach den glaubhaften Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die Vereinbarungen so bereits über geraume Zeit hinweg, seit der Aufkündigung des Vertrages nach § 112 SGB V, bayernweit praktiziert wurden.
c)
Durch die umgehende Zahlungspflicht ist die Beklagte nicht unzumutbar schlecht gestellt, denn sie ist mit Einwendungen nicht ausgeschlossen (§ 15 Pflegesatzvereinbarung 2007). Unzumutbare Härten entstehen durch die umgehende Zahlungspflicht nicht, denn für den Fall der Nichterweislichkeit der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit verbleibt die materielle Beweisführungslast bei der Klägerin (BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R).
d)
Dieses Ergebnis entspricht dem zeitnah zum vorliegenden Streitfall geäußerten Willen des Gesetzgebers. Nach der Begründung zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (BT-Drs 16/3100 vom 24.10.2006 Seite 171) war Ausgangspunkt ein Handlungsbedarf die in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen der Krankenhäuser geführt hatten. Dazu führt der Gesetzentwurf aus, dass es einer Krankenkasse nicht gestattet sei, bei beanstandeten Rechnungen lediglich den unbestrittenen Teil der Forderung gleichsam als Vorschusszahlung unter Zurückbehaltung des bestrittenen Anteils bis zur abschließenden Klärung zu leisten. Aus dieser Wertung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber selbst von der grundsätzlichen Zahlungspflicht der Krankenkassen nach Entstehung eines Behandlungsanspruches durch Aufnahme des Patienten nach § 109 SGB V ausgegangen ist.
e)
Schließlich ist die Klägerin als Fachklinik für Psychosomatik regelmäßig medizinisch veranlasst, Behandlungen zu erbringen, die vom sachlichen Zeitbedarf her über der durchschnittlichen Verweildauer der bayerischen Plankrankenhäusern liegen. Die Klägerin tritt damit als Leistungserbringerin regelmäßig in längerfristige Vorlage, so dass auf ihrer Seite ein erhöhtes Bedürfnis zu erkennen ist, durch die primäre Zahlungspflicht der Krankenkassen und das sekundäre Klärungsverfahren ihren Leistungsbetrieb sichern und so ihrem Versorgungsauftrag als Plankrankenhaus der Fachrichtung Psychosomatik nachzukommen.
Auf die Berufung der Klägerin ist somit das abweisende Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen unter Zuspruch der Verzinsung wie beantragt erst ab 26.04.2007 entsprechend der Bestimmung in § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007.
Der festgesetzte Streitwert entspricht demjenigen der ersten Instanz (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GKG) sowie der Höhe der streitigen Forderung.
Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.
5.602,17 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 26. April 2007 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.602,17 festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt als Krankenhausträger die Vergütung einer mehrwöchigen akutstationären Behandlung einer Versicherten der Beklagten im Jahr 2007.
1.
Die Klägerin betreibt die Fachklinik H., Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für psychiatrische Rehabilitation, die in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern unter der Ziffer 67208 als Plankrankenhaus mit 60 Plätzen der Fachrichtung Psychosomatik aufgenommen ist. Nach der für den hier streitigen Zeitraum anzuwendenden Vereinbarung über den Pflegesatzzeitraum 2007, zu dessen Inhalt auf Blatt 137 bis 145 der sozialgerichtlichen Akte Bezug genommen wird, gilt u.a. gemäß des dortigen § 15: Die Rechnung des Krankenhauses ist durch Überweisung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen, andernfalls entstehen Verzugszinsen in Höhe von 4 % vom jeweiligen Basiszinssatz; Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art sind durch Zahlung nicht ausgeschlossen; stellt sich im Nachhinein eine unberechtigte Rechnungslegung heraus, storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zuviel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück - bei Rechtsstreitigkeiten ab Rechtskraft der Gerichtsentscheidung.
2.
Die 1961 geborene bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte B. L. wurde auf Einweisung des behandelnden Hausarztes vom 08.02.2007 am 21.02.2007 zur akut-stationären Behandlung in die Fachklinik der Klägerin aufgenommen.
Am 28.02.2007 sagte die Beklagte unter Vorbehalt die Kostenübernahme bis 09.03.2007 zu, erbat aber gleichzeitig Informationen zur Behandlungsbedürftigkeit der B.L. Am 01.03.2007 teilte die Klägerin zur Indikation und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mit, es bestünden die psychischen Diagnosen Herzphobie, mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom, Angstsyndrom, Essattacken, Verdacht auf ängstliche Persönlichkeitsstörung sowie die somatischen Diagnosen Adipositas, Hypercholesterinämie, PMS und Struma, so dass Krankenhausbehandlung notwendig sei. Die Klägerin erstellte am 01.03.2007 eine Zwischenrechnung über 1.108,88 EUR für die Behandlung der B.L. vom 21.02. bis 28.02.2007 und am 03.04.2007 für die Zeit 01.03. bis 31.03.2007 über 4.296,91 EUR sowie am 04.04.2007 die Abschlussrechnung für die Zeit 01.04. bis zur Entlassung 03.04.2007 über 196,38 EUR. Die Abrechnungen erfolgten im Wege des Datenaustausches, das Rechnungsdatum entspricht dem Rechnungseingang bei der Beklagten.
Die Beklagte leistete auf die Rechnungen der Klägerin nichts und bezog sich dabei auf Kurzäußerungen des MDK Baden-Württemberg sowie auf dessen Gutachten vom 16.08.2007. Dort führte der MDK aus, dass die Schwere der Erkrankung und damit die akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit sich nicht nachvollziehen ließen. Auf Anwaltschreiben vom 23.11.2007 bot die Beklagte an, die Behandlung der B.L. als Rehabilitations-Leistung zu vergüten. Unter Bezug auf ein weiteres MDK-Gutachten vom 07.01.2008 lehnte die Beklagte eine Zahlung mit Schreiben vom 28.01.2008 endgültig ab.
3.
Die am 06.08.2008 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage auf Begleichung der abgerechneten Leistungen zuzüglich Verzugszinsen ist für die Klägerin ohne Erfolg geblieben (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 17.05.2011).
Das Sozialgericht hat den Vergütungsanspruch der Klägerin verneint, weil nach Würdigung der medizinischen Dokumentation tatsächlich die B.L keine akut-stationäre Krankenhausbehandlung erhalten habe, sondern eine rehabilitationsähnliche Behandlung mit Schwerpunkt Gruppentherapie. B.L. sei nicht krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen, insbesondere sei nicht erkennbar, dass sich der unbehandelte Dauerzustand der B.L. vor der stationären Aufnahme zugespitzt habe.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2011 zu verurteilen, der Klägerin 5.602,17 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass wegen der Stellungnahmen des MDK die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nicht bestanden habe, so dass sie zu keiner Zahlung verpflichtet gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten erklärt, dass die hier gültigen Zahlungsbestimmungen der Pflegesatzvereinbarung 2007 u.a. nach Kündigung des Vertrages gem. § 112 SGB V für den Freistaat Bayern vor gut zehn Jahren üblicherweise in den Pflegesatzvereinbarungen in Bayern aufgenommen worden seien, wie es auch im Parallelverfahren der Beteiligten L 5 KR 333/11 der Fall sei. In anderen Bundesländern sei die Rechtslage insoweit nicht immer identisch.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten der Berufung L 5 KR 333/11. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der Krankenhausleistung für B.L. im Zeitraum 21.02. bis 03.04.2007 gemäß der Abrechnungen vom 01.03., 03.04. und 04.04. 2007.
1.
Gesetzlich krankenversicherte Personen wie B.L. haben gemäß § 2, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr.5, § 39 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn das Behandlungsziel nicht anderweitig erreicht werden kann und wenn Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung notwendig sind. Diesen Leistungsanspruch des Versicherten konkretisiert eine nach § 108
SGB V als Leistungserbringer zugelassene Klinik, sobald sie stationäre Leistungen erbringt. Gleichzeitig mit der Leistung entsteht spiegelbildlich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, der auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) beruht. Der Zahlungsanspruch bestimmt sich sodann näher nach den Pflegesatzvereinbarungen, also der Vereinbarung für den Vereinbarungs-/Pflege- satzzeitraum, den die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) abgeschlossen haben (vgl. BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/088 KR R).
2.
In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Klägerin als Plankrankenhaus gem. § 108 Nr. 2 SGB V für die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte B.L. Krankenhausbehandlungsleistungen in der Zeit vom 21.02. bis 03.04.2007 erbracht hat. Sie hat durch die bei ihr tätigen Ärzte am Aufnahmetag die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit geprüft und wie das ärztliche Schreiben vom 01.03.2007 beweist in Anwendung der medizinischen Regeln mit konkret benannten gesundheitsbedingten Gründen bejaht. Hierfür hat sie der Beklagten je nach Zeitfortschritt der Behandlung im Datenaustauschwege 1.108,88 EUR unter dem 01.03.2007, 4.296,91 EUR unter dem 03.04.2007 und 196,38 EUR abschließend unter dem 04.04.2007 in Rechnung gestellt. Damit war der Vergütungsanspruch der Klägerin für die erbrachten Krankenhausleistungen entstanden, der ärztlichen Überprüfungspflicht zur Behandlungsbedürftigkeit trotz Krankenhauseinweisung war die Klägerin nachgekommen.
Der so entstandene Vergütungsanspruch ist jeweils drei Wochen nach Zahlungseingang fällig geworden. Denn nach § 15 der wirksam zustande gekommenen und genehmigten Pflegesatzvereinbarung 2007, war die Beklagte als Gesetzliche Krankenkasse der behandelten B.L. verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang die Zahlung leisten.
In der Folge ist dem hier strittigen prozessualen Anspruch vollumfänglich stattzugeben, ohne dass die Einwände der Beklagten zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der B.L. näher untersucht werden müssten. Denn nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007 hat die Klägerin einen fälligen Zahlungsanspruch. Nur falls sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die gestellten Rechnungen unberechtigt waren, wäre ein zuviel erhaltener Betrag zurückzuzahlen. Das bedeutet: solange ein Abrechnungsstreit ungeklärt ist, darf die Klägerin die Zahlung ihrer Abrechnungen verlangen, die Beklagte ist dazu verpflichtet. Erst wenn der Abrechnungsstreit geklärt ist, muss binnen dreier Wochen eine Korrektur/ Ausgleich erfolgen. Für den hier vorliegenden Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung gilt nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007, dass eine Rückzahlungspflicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung binnen einer Frist von drei Wochen bestünde. Damit ist dem Zahlungsbegehen der Klägerin zu entsprechen.
3.
Entgegenstehende Einwendungen der Beklagten bestehen nicht, insbesondere auch nicht aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Dauerschuldverhältnis der Krankenhäuser als Leistungserbringer einerseits und den Krankenkassen andererseits Anwendung finden (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R "Berliner Fälle"; Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R).
a)
Der Anscheinsbeweis der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit infolge der ärztlichen Aufnahmeüberprüfung ist nicht entfallen.
In Würdigung der ärztlichen Dokumentation des gesamten Verfahrens lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Entscheidung des Krankenhausarztes nach den jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten nicht vertretbar gewesen wäre. Insbesondere hatte die Klägerin mit Schreiben vom 01.03.2007 psychischen Diagnosen Herzphobie (F 45.2), mittelgradige depressive Episode ohne somatisches Syndrom (F 32.10), Angstsyndrom
(F 41.1), Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen (F 50.4), Verdacht auf ängstliche Persönlichkeitsstörung (F 60.6) sowie die somatischen Diagnosen Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr (E 66.0), Hypercholesterinämie (E 78.0), PMS (E 94.3) und Struma (E 04.9) aufgelistet und näher begründet, dass intensive Behandlung durch einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt, geschultes Pflegepersonal und qualifizierte Therapeuten erforderlich sei, ambulante, stationäre oder vor- oder nachstationäre Behandlung reichten nicht aus, also Krankenhausbehandlung notwendig war. Die dagegen eingeholte Stellungnahme des MDK vom 13.03.2007 führt demgegenüber nur drei Diagnosen auf, ohne näher zu begründen, warum die übrigen Diagnosen nicht zu benennen wären. Zudem ist dort keine nähere nachvollziehbare Begründung erkennbar, die sich mit dem Standpunkt der Klägerin inhaltlich auseinandersetzt. Schließlich datiert eine erste sachliche Stellungnahme des MDK erst vom 16.08.2007. Sie wurde damit mehr als vier Monate nach Entlassung der B.L. aus dem Krankenhaus sowie nach Rechnungsstellung verfasst.
b)
Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmungen in § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007 sind keine überraschenden Regelungen. Sie beruhen auf der Pflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG zur Bestimmung zeitnaher Entgeltzahlung, entsprechen den in Bayern üblicherweise verwendeten Pflegesatzbestimmungen und - wie aus dem Aufdruck der Pflegesatzvereinbarung ersichtlich - auf der üblicherweise im Krankenhausbereich verwendeten Bayerischen ARGE Mustervereinbarung (Stand 24.01.2007; vgl. auch Bayer. LSG Urteil vom 04.10.2011 - L 5 KR 14/11). Wie sich aus dem beigezogenen Parallelverfahren L 5 KR 333/11 ergibt, war die identische Vereinbarung bereits 2006 Gegenstand eines Abrechnungsstreits der Beteiligten. Zudem ist nach den glaubhaften Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die Vereinbarungen so bereits über geraume Zeit hinweg, seit der Aufkündigung des Vertrages nach § 112 SGB V, bayernweit praktiziert wurden.
c)
Durch die umgehende Zahlungspflicht ist die Beklagte nicht unzumutbar schlecht gestellt, denn sie ist mit Einwendungen nicht ausgeschlossen (§ 15 Pflegesatzvereinbarung 2007). Unzumutbare Härten entstehen durch die umgehende Zahlungspflicht nicht, denn für den Fall der Nichterweislichkeit der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit verbleibt die materielle Beweisführungslast bei der Klägerin (BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R).
d)
Dieses Ergebnis entspricht dem zeitnah zum vorliegenden Streitfall geäußerten Willen des Gesetzgebers. Nach der Begründung zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (BT-Drs 16/3100 vom 24.10.2006 Seite 171) war Ausgangspunkt ein Handlungsbedarf die in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen der Krankenhäuser geführt hatten. Dazu führt der Gesetzentwurf aus, dass es einer Krankenkasse nicht gestattet sei, bei beanstandeten Rechnungen lediglich den unbestrittenen Teil der Forderung gleichsam als Vorschusszahlung unter Zurückbehaltung des bestrittenen Anteils bis zur abschließenden Klärung zu leisten. Aus dieser Wertung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber selbst von der grundsätzlichen Zahlungspflicht der Krankenkassen nach Entstehung eines Behandlungsanspruches durch Aufnahme des Patienten nach § 109 SGB V ausgegangen ist.
e)
Schließlich ist die Klägerin als Fachklinik für Psychosomatik regelmäßig medizinisch veranlasst, Behandlungen zu erbringen, die vom sachlichen Zeitbedarf her über der durchschnittlichen Verweildauer der bayerischen Plankrankenhäusern liegen. Die Klägerin tritt damit als Leistungserbringerin regelmäßig in längerfristige Vorlage, so dass auf ihrer Seite ein erhöhtes Bedürfnis zu erkennen ist, durch die primäre Zahlungspflicht der Krankenkassen und das sekundäre Klärungsverfahren ihren Leistungsbetrieb sichern und so ihrem Versorgungsauftrag als Plankrankenhaus der Fachrichtung Psychosomatik nachzukommen.
Auf die Berufung der Klägerin ist somit das abweisende Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen unter Zuspruch der Verzinsung wie beantragt erst ab 26.04.2007 entsprechend der Bestimmung in § 15 Pflegesatzvereinbarung 2007.
Der festgesetzte Streitwert entspricht demjenigen der ersten Instanz (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GKG) sowie der Höhe der streitigen Forderung.
Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
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