Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 352/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 247/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Wird ein Widerspruchsbescheid erneut bekannt gegeben, wird dadurch die Klagefrist jedenfalls dann nicht erneut in Gang gesetzt, wenn die durch die erste Bekanntgabe ausgelöste Klagefrist bereits abgelaufen ist und die Behörde bei der erneuten Bekanntgabe auf die vorangegangene Bekanntgabe hinweist (Abgrenzung zu BayLSG, Urteil vom 23.03.1988 Az. L 4 Kg 41/86).
2.Die Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG ist dann unzulässig, wenn die Klage unzulässig ist.
2.Die Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG ist dann unzulässig, wenn die Klage unzulässig ist.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A-Stadt oder in C-Stadt hat und ob dementsprechend die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 01.03.2010 beim Beklagten oder beim Beigeladenen liegt.
Der 1964 geborene Kläger erhielt für die Zeit vom 03.09.2008 bis zum 28.02.2010 vom Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte ihm der Beklagte Leistungen mit Bescheid vom 02.09.2009 für die Zeit vom 01.09.2009 bis zum 28.02.2010 in Höhe von 892,37 EUR monatlich, bestehend aus 359 EUR Regelleistung, 453,37 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung und einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 80 EUR.
Am 26.02.2010 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen. Aus den beigefügten Kontoauszügen ergab sich nach Ansicht des Beklagten, dass sich der Kläger in den Monaten zuvor überwiegend bei seinen Eltern in C-Stadt (Landkreis E.) aufgehalten habe, weil Geldabhebungen ausschließlich bei seiner Hausbank in E., einem Ortsteil der Gemeinde C-Stadt, vorgenommen worden seien und die Bezahlung von Fahrkarten der Deutschen Bahn in A-Stadt bzw. N. mittels EC-Karte belegten, dass der Kläger jeweils nur für einzelne Tage bzw. nur für wenige Stunden nach A-Stadt gefahren sei.
Am 17.03.2010 erschienen Mitarbeiter des Beklagten bei der Wohnung des Klägers in A-Stadt, um einen Hausbesuch durchzuführen. Dabei wurde festgestellt, dass der Briefkasten und das Klingelschild ordentlich beschriftet seien, jedoch wurde niemand angetroffen. Deshalb sei ein Brief hinterlassen worden mit der Aufforderung an den Kläger, er möge sich bis zum 19.03.2010 um 12:00 Uhr mit dem Jobcenter wegen der Klärung seiner Ansprüche in Verbindung setzen. Bis zum 22.03.2010 erfolgte keine Reaktion des Klägers.
Mit Schreiben vom 08.04.2010 und mehreren weiteren Schreiben gab der Kläger kund, dass er gezwungen sei, zeitweise die Gastfreundschaft seiner Eltern in Anspruch zu nehmen, weil der Beklagte für ihn die Leistungen eingestellt habe. Sein Vater A. gab am 10.05.2010 die Erklärung ab, dass der Kläger oft bei seinen Eltern zu Gast sei, um seinen unehelichen Sohn, der in E. bei seiner Mutter wohne, zu treffen. Lebensmittelpunkt und Wohnung habe der Kläger aber nach wie vor in A-Stadt. Später ergänzte A. seine Ausführungen dahingehend, dass der Kläger seinen Sohn, der in E. lebe und 2010 Abitur gemacht habe, jedes Wochenende in C-Stadt treffe, seitdem er in A-Stadt beschäftigt sei (Schreiben vom 29.10.2010).
Mit Bescheid vom 17.05.2010 lehnte der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.03.2010 ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde laut Absendevermerk noch am selben Tage zur Post gegeben. Nach der Stellungnahme des Beklagten gegenüber dem Sozialgericht München vom 04.03.2011 wurde der Widerspruchsbescheid sowohl an die Adresse des Klägers in A-Stadt als auch an diejenige seiner Eltern in C-Stadt versandt, letzteres mit einem in den Akten befindlichen Begleitschreiben vom 15.12.2010 an die Anschrift " A., c/o A.". Der nach C-Stadt versandte Brief sei ungeöffnet zurückgekommen, der nach A-Stadt versandte Brief nicht. Der Vater des Klägers selbst hat mit Schreiben vom 10.08.2011 bestätigt, dass er mit Schreiben vom 18.12.2010 dem Beklagten den an seinen Sohn unter der Adresse in C-Stadt gerichteten Brief ungeöffnet mit der Begründung zurückgeschickt habe, dass er nicht berechtigt sei, die Post seines Sohnes zu öffnen.
Am 20.01.2011 veranlasste der Beklagte weitere Zustellungen des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2010 mittels Postzustellungsurkunden (PZU), und zwar
- durch ein Schreiben an den Kläger unter seiner Adresse in A-Stadt, das laut PZU am 25.01.2011 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt wurde;
- durch ein Schreiben an " A., c/o A." an die Adresse in C-Stadt, das ebenfalls laut PZU am 25.01.2011 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt wurde; allerdings erhielt der Beklagte von der Deutschen Post mit Schreiben vom 18.02.2011 dieses Schreiben, das im Bereich der Deutschen Post aufgefunden worden sei, ungeöffnet zurückgeschickt mit den Vermerken "zugestellt am 25.01.2011" und "Empfänger nicht wohnhaft unter dieser Anschrift";
- durch ein Schreiben an A. unter der Adresse in C-Stadt, zugestellt laut PZU am 25.01.2011, das dieser mit Schreiben vom 25.01.2011 an den Beklagten zurückschickte mit dem Hinweis, der Kläger wohne nicht bei ihm.
Am 07.02.2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010, der ihm am 25.01.2011 zugegangen sei, beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben.
Das SG hat nach Abhaltung eines Erörterungstermins, zu dem für den Kläger niemand erschienen ist, mit Schreiben vom 02.03.2011 den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, seinen Vater, zu seiner Rechtsauffassung angehört, dass die Klagefrist versäumt worden sei, weil der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 noch am selben Tage abgesandt worden sei und deshalb als am 18.12.2010 bekannt gegeben gelte, und auf die Absicht, über den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hingewiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat darauf mit Schreiben vom 09.03.2011 dargelegt, dass seiner Auffassung nach die Klagefrist erst durch die Zustellung vom 25.01.2011 in Gang gesetzt worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2011 (Az. S 48 AS 352/11) hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil die Klagefrist von einem Monat gemäß § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versäumt worden sei. Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 sei ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Absendevermerks noch am gleichen Tage zur Post gegeben worden und gelte somit gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 18.12.2010, bekannt gegeben. Die Klagefrist habe also am 19.12.2010 begonnen und mit Ablauf des 18.01.2011, eines Dienstags, geendet. Die Klageschrift sei jedoch erst am 07.02.2011 und somit nach Ablauf der Klagefrist beim SG eingegangen. Durch die vom Beklagten vorgenommene erneute Zustellung des bereits bekannt gegebenen Widerspruchsbescheides am 25.01.2011 sei die Klagefrist nicht noch einmal in Gang gesetzt worden. Der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 habe eine korrekte Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 66 SGG). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG seien nicht ersichtlich und seien auch auf den richterlichen Hinweis vom 02.03.2011 hin nicht genannt worden.
Mit Schreiben vom 16.03.2010, der das SG erst nach Erlass des Gerichtsbescheides erreicht hat, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Aussagen des Beklagten insoweit widersprüchlich seien, als dieser einerseits behaupte, dass der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 dem Kläger noch im Dezember zugegangen sei, andererseits die Zustellung Ende Januar 2011 mit der Begründung verfügt worden sei, dass der Kläger scheinbar den Widerspruchsbescheid nicht erhalten habe.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 14.03.2011, der dem Kläger am 17.03.2011 zugestellt worden ist, hat dieser am 21.03.2011 Berufung eingelegt.
Der Vater des Klägers hat mit Schreiben vom 17.05.2011 mitgeteilt, der Lebensmittelpunkt seines Sohnes sei nach wie vor in A-Stadt. Dort sei er gemeldet, und er besitze auch eine Wohnung. Er wolle in A-Stadt, sobald er rehabilitiert sei, eine seinem Können und seinen Fähigkeiten entsprechende Arbeit suchen. Da er durch die Streichung seiner Bezüge jedoch völlig mittellos sei, könne er sich nicht mehr ständig in A-Stadt aufhalten, sondern sei darauf angewiesen, durch ständige Erhöhung seiner Schulden seinen Lebensunterhalt zu sichern und lebe zur Zeit teilweise notgedrungen in einem provisorisch eingerichteten Kinderzimmer.
Mit Schreiben vom 10.08.2011 hat der Vater des Klägers mitgeteilt, er und seine Frau hätten die Miete seines Sohnes in A-Stadt bezahlt und bis zur Rückerstattung durch die Behörde dem Kläger geliehen.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 hat der Vater des Klägers eine Aufstellung der Darlehen übermittelt, die sein Sohn seit dem 01.03.2007 aufgenommen habe. Im Wesentlichen weist diese Aufstellung die monatliche Übernahme der Wohnungsmiete in Höhe von 475 EUR und der vom Kläger an seinen Sohn zu leistenden monatlichen Unterhaltszahlung in Höhe von 140 EUR seitens der Eltern des Klägers aus. Weiter hat der Vater des Klägers in diesem Schreiben erklärt, dass der Kläger von seinem Bruder im streitgegenständlichen Zeitraum Barleistungen in Höhe von 1000 EUR erhalten habe und von seinen Eltern circa 4500 EUR an sonstiger Unterstützung, auch durch Sachleistungen. Zur "Aufenthaltsdauer" hat der Vater des Klägers in dem Schreiben mitgeteilt, seit der Einstellung der Zahlungen durch den Beklagten habe sich der Kläger auch längere Zeit im Haus seiner Eltern aufgehalten. Die Aufenthaltsdauer in A-Stadt sei recht unterschiedlich gewesen. Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums habe er sich regulär in A-Stadt aufgehalten, d. h. er sei während der Woche in A-Stadt gewesen und habe am Wochenende im Haus seiner Eltern seinen Sohn, der sich damals gerade auf sein Abitur vorbereitete, getroffen und ihn bei seinen Vorbereitungen unterstützt. Als absehbar oder zu befürchten war, dass der Beklagte die dem Kläger zustehenden Leistungen vorenthalten würde, habe der Kläger die Gastfreundschaft seiner Eltern angenommen und sich längere Zeit bei ihnen aufgehalten. Er sei dann etwa wöchentlich einmal mit dem Zug oder mit Verwandten nach A-Stadt gefahren und habe sich dort in der Regel einen Tag aufgehalten.
Mit Schreiben vom 09.09.2011 hat der Kläger um eine Auskunft des Gerichts betreffend eine benötigte Zahnbehandlung wegen akuter Schmerzen gebeten und gleichzeitig beantragt, das Gericht die Antwort ausnahmsweise an die Adresse seiner Wohnung in C-Stadt schicken, da dies im Moment die zeitlich kürzeste Verbindung sei.
Das Gericht hat den Kläger, der seinem Vater zuvor die Prozessvollmacht entzogen hatte, mit Schreiben vom 13.09.2011 aufgefordert, sich zum Schreiben seines Vaters vom 26.08.2011 selbst zu erklären und seine Kontoauszüge für die Zeit seit dem 01.03.2010 vorzulegen. Der Vater des Klägers hat die geforderten Kontoauszüge mit Schreiben vom 07.10.2011 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18.10.2011 hat der Kläger seinem Vater rückwirkend die Vollmacht, die vom Gericht angeforderten Unterlagen in seinem Namen einzureichen, erteilt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG vom 14.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II seit dem 01.03.2010 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat das Jobcenter E. als alternativ Leistungspflichtigen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger die Klagefrist nach § 87 SGG versäumt hat. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, hier des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2010, zu erheben.
Der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 wurde laut entsprechendem Aktenvermerk noch am 15.12.2010 an die Adresse des Klägers in A-Stadt versandt. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Diese Vermutung gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 3 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Bei der Frage, wann Zweifel vorliegen, ist nach der Rechtsprechung zu unterscheiden: Macht der Adressat eines angeblich nicht eingetroffenen Briefes den Nicht-Zugang des Briefes geltend, reicht insofern "einfaches" Bestreiten aus, da es ihm im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben nicht zugegangen. Macht der Empfänger eines einfachen Briefes jedoch nur dessen verspäteten Zugang geltend, ohne den Zugang als solchen zu bestreiten, erfordert das die substantiierte Darlegung von Tatsachen, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Bescheides erst nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgte, zumindest aber den Vortrag des Empfängers, wann genau und unter welchen Umständen er die Erklärung erhalten hat (BSG, SozR 4-2600 § 115 Nr. 2 Rdnrn. 20 - 22).
Den Zugang des am 15.12.2010 versandten Widerspruchsbescheides hat der Kläger als solchen nicht bestritten. Das SG hat seinen Prozessbevollmächtigten zu dem vermuteten Zugang am 18.12.2011 mit Schreiben vom 02.03.2011 ausdrücklich gehört. Der Prozessbevollmächtigte hat sich dazu in seiner Stellungnahme vom 09.03.2011 nicht geäußert, sondern sich darauf beschränkt, die Maßgeblichkeit der Zustellung vom 25.01.2011 geltend zu machen. Auch der Kläger selbst hat in seinem Schreiben vom 16.03.2011 den Zugang des am 15.12.2010 versandten Widerspruchsbescheides nicht bestritten, sondern sich darauf beschränkt, darauf hinzuweisen, dass die Aussagen des Beklagten insoweit widersprüchlich seien, als dieser einerseits behaupte, dass der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 dem Kläger noch im Dezember zugegangen sei, andererseits die Zustellung Ende Januar 2011 mit der Begründung verfügt worden sei, dass der Kläger scheinbar den Widerspruchsbescheid nicht erhalten habe. Eine eigene Erklärung zu der Frage, ob und wann er den am 15.12.2010 versandten Bescheid erhalten hat, hat der Kläger gerade nicht abgegeben. Im Gegenteil hat er diese Frage sogar ausdrücklich offengelassen, indem er auf Seite 2 des Schreibens die Frage, ob die Klage fristgerecht gestellt wurde, als irrelevant bezeichnete, weil "unabhängig davon, welcher der genannten Sachverhalte zutreffend" sei, der Beklagte widersprüchliche Angaben gegenüber den Richtern des SG gemacht habe und deshalb der Verdacht eines Betrugsversuches vorliege.
Mit dem eben genannten Schreiben vom 16.03.2011 hat der Kläger nicht einmal den Zeitpunkt des Zugangs des am 15.12.2011 versandten Schreibens bestritten, sondern ebenfalls offengelassen. Erst recht liegt kein substantiiertes Bestreiten hinsichtlich des Zeitpunkts des Zugangs vor, denn dazu hätte der Kläger wenigstens angeben müssen, an welchem Tag und unter welchen Umständen er das Schreiben des Beklagten erhalten hat.
Damit liegen keine Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, so dass die Drei-Tages-Vermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II bezüglich des Zeitpunkts des Zugangs zur Anwendung kommt und der Zugang am 18.12.2010 vermutet wird. Dass dies ein Samstag war, steht der Vermutung nicht entgegen (BSG, SozR 4-1300 § 37 Nr. 1). Die Klagefrist von einem Monat nach § 87 SGG endete daher mit Ablauf des 18.01.2011, eines Dienstags (§ 64 Abs. 2 SGG). Die Klage wurde hingegen erst am 07.02.2011 erhoben.
Die mit Ablauf des 18.01.2011 verstrichene Klagefrist wurde auch dadurch nicht neu in Gang gesetzt, dass der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 25.01.2011 förmlich zustellte. Wird ein Widerspruchsbescheid erneut bekannt gegeben, wird dadurch die Klagefrist jedenfalls dann nicht erneut in Gang gesetzt, wenn die durch die erste Bekanntgabe ausgelöste Klagefrist bereits abgelaufen ist und die Behörde bei der erneuten Bekanntgabe auf die vorangegangene Bekanntgabe hinweist (BVerwGE 58, 100,105; Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 7. A. 2010, § 37 Rdnr. 13a; Binder, in: Lüdtke, SGG, 3. A. 2008, § 87 Rdnr. 8 und § 84 Rdnr. 8, der aber die Ausgangsbehörde für befugt hält, die Widerspruchsfrist durch erneute Bekanntgabe auch nach Bestandskraft neu in Gang zu setzen). Ein solcher Hinweis ist erfolgt, denn bei der Zustellung am 25.01.2011 erhielt der Kläger den Widerspruchsbescheid mit einem Begleitschreiben vom 20.01.2011, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 15.12.2010 zum ersten Mal abgesandt worden war. Der Beklagte hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die erneute Zustellung nur sicherheitshalber erfolgte, und der Kläger hatte keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dass damit die bereits am 18.01.2011 abgelaufene Klagefrist erneut in Lauf gesetzt werden sollte. Dahinstehen kann damit im vorliegenden Fall, ob die erneute Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheides nach dessen Bestandskraft die Klagefrist dann erneut auslöst, wenn die zweite Bekanntgabe aus Sicht des Adressaten die erstmalige Bekanntgabe bedeutet (so BayLSG, Breithaupt 1988, 781 für den Fall, dass die Behörde einen zuvor nur öffentlich zugestellten Bescheid erneut zustellt, ohne auf die frühere öffentliche Zustellung hinzuweisen; Gegenmeinung: Engelmann aaO.).
Da die Klage unzulässig ist, kommt auch eine alternative Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht. Wenn es schon gegenüber dem Beklagten an den Sachurteilsvoraussetzungen fehlt, kommt eine Entscheidung des Gerichts über die Begründetheit der erhobenen Ansprüche nicht in Frage, auch nicht im Verhältnis zum Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A-Stadt oder in C-Stadt hat und ob dementsprechend die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 01.03.2010 beim Beklagten oder beim Beigeladenen liegt.
Der 1964 geborene Kläger erhielt für die Zeit vom 03.09.2008 bis zum 28.02.2010 vom Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte ihm der Beklagte Leistungen mit Bescheid vom 02.09.2009 für die Zeit vom 01.09.2009 bis zum 28.02.2010 in Höhe von 892,37 EUR monatlich, bestehend aus 359 EUR Regelleistung, 453,37 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung und einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 80 EUR.
Am 26.02.2010 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen. Aus den beigefügten Kontoauszügen ergab sich nach Ansicht des Beklagten, dass sich der Kläger in den Monaten zuvor überwiegend bei seinen Eltern in C-Stadt (Landkreis E.) aufgehalten habe, weil Geldabhebungen ausschließlich bei seiner Hausbank in E., einem Ortsteil der Gemeinde C-Stadt, vorgenommen worden seien und die Bezahlung von Fahrkarten der Deutschen Bahn in A-Stadt bzw. N. mittels EC-Karte belegten, dass der Kläger jeweils nur für einzelne Tage bzw. nur für wenige Stunden nach A-Stadt gefahren sei.
Am 17.03.2010 erschienen Mitarbeiter des Beklagten bei der Wohnung des Klägers in A-Stadt, um einen Hausbesuch durchzuführen. Dabei wurde festgestellt, dass der Briefkasten und das Klingelschild ordentlich beschriftet seien, jedoch wurde niemand angetroffen. Deshalb sei ein Brief hinterlassen worden mit der Aufforderung an den Kläger, er möge sich bis zum 19.03.2010 um 12:00 Uhr mit dem Jobcenter wegen der Klärung seiner Ansprüche in Verbindung setzen. Bis zum 22.03.2010 erfolgte keine Reaktion des Klägers.
Mit Schreiben vom 08.04.2010 und mehreren weiteren Schreiben gab der Kläger kund, dass er gezwungen sei, zeitweise die Gastfreundschaft seiner Eltern in Anspruch zu nehmen, weil der Beklagte für ihn die Leistungen eingestellt habe. Sein Vater A. gab am 10.05.2010 die Erklärung ab, dass der Kläger oft bei seinen Eltern zu Gast sei, um seinen unehelichen Sohn, der in E. bei seiner Mutter wohne, zu treffen. Lebensmittelpunkt und Wohnung habe der Kläger aber nach wie vor in A-Stadt. Später ergänzte A. seine Ausführungen dahingehend, dass der Kläger seinen Sohn, der in E. lebe und 2010 Abitur gemacht habe, jedes Wochenende in C-Stadt treffe, seitdem er in A-Stadt beschäftigt sei (Schreiben vom 29.10.2010).
Mit Bescheid vom 17.05.2010 lehnte der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.03.2010 ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde laut Absendevermerk noch am selben Tage zur Post gegeben. Nach der Stellungnahme des Beklagten gegenüber dem Sozialgericht München vom 04.03.2011 wurde der Widerspruchsbescheid sowohl an die Adresse des Klägers in A-Stadt als auch an diejenige seiner Eltern in C-Stadt versandt, letzteres mit einem in den Akten befindlichen Begleitschreiben vom 15.12.2010 an die Anschrift " A., c/o A.". Der nach C-Stadt versandte Brief sei ungeöffnet zurückgekommen, der nach A-Stadt versandte Brief nicht. Der Vater des Klägers selbst hat mit Schreiben vom 10.08.2011 bestätigt, dass er mit Schreiben vom 18.12.2010 dem Beklagten den an seinen Sohn unter der Adresse in C-Stadt gerichteten Brief ungeöffnet mit der Begründung zurückgeschickt habe, dass er nicht berechtigt sei, die Post seines Sohnes zu öffnen.
Am 20.01.2011 veranlasste der Beklagte weitere Zustellungen des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2010 mittels Postzustellungsurkunden (PZU), und zwar
- durch ein Schreiben an den Kläger unter seiner Adresse in A-Stadt, das laut PZU am 25.01.2011 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt wurde;
- durch ein Schreiben an " A., c/o A." an die Adresse in C-Stadt, das ebenfalls laut PZU am 25.01.2011 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt wurde; allerdings erhielt der Beklagte von der Deutschen Post mit Schreiben vom 18.02.2011 dieses Schreiben, das im Bereich der Deutschen Post aufgefunden worden sei, ungeöffnet zurückgeschickt mit den Vermerken "zugestellt am 25.01.2011" und "Empfänger nicht wohnhaft unter dieser Anschrift";
- durch ein Schreiben an A. unter der Adresse in C-Stadt, zugestellt laut PZU am 25.01.2011, das dieser mit Schreiben vom 25.01.2011 an den Beklagten zurückschickte mit dem Hinweis, der Kläger wohne nicht bei ihm.
Am 07.02.2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010, der ihm am 25.01.2011 zugegangen sei, beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben.
Das SG hat nach Abhaltung eines Erörterungstermins, zu dem für den Kläger niemand erschienen ist, mit Schreiben vom 02.03.2011 den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, seinen Vater, zu seiner Rechtsauffassung angehört, dass die Klagefrist versäumt worden sei, weil der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 noch am selben Tage abgesandt worden sei und deshalb als am 18.12.2010 bekannt gegeben gelte, und auf die Absicht, über den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hingewiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat darauf mit Schreiben vom 09.03.2011 dargelegt, dass seiner Auffassung nach die Klagefrist erst durch die Zustellung vom 25.01.2011 in Gang gesetzt worden sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2011 (Az. S 48 AS 352/11) hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil die Klagefrist von einem Monat gemäß § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versäumt worden sei. Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 sei ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Absendevermerks noch am gleichen Tage zur Post gegeben worden und gelte somit gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 18.12.2010, bekannt gegeben. Die Klagefrist habe also am 19.12.2010 begonnen und mit Ablauf des 18.01.2011, eines Dienstags, geendet. Die Klageschrift sei jedoch erst am 07.02.2011 und somit nach Ablauf der Klagefrist beim SG eingegangen. Durch die vom Beklagten vorgenommene erneute Zustellung des bereits bekannt gegebenen Widerspruchsbescheides am 25.01.2011 sei die Klagefrist nicht noch einmal in Gang gesetzt worden. Der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 habe eine korrekte Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 66 SGG). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG seien nicht ersichtlich und seien auch auf den richterlichen Hinweis vom 02.03.2011 hin nicht genannt worden.
Mit Schreiben vom 16.03.2010, der das SG erst nach Erlass des Gerichtsbescheides erreicht hat, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Aussagen des Beklagten insoweit widersprüchlich seien, als dieser einerseits behaupte, dass der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 dem Kläger noch im Dezember zugegangen sei, andererseits die Zustellung Ende Januar 2011 mit der Begründung verfügt worden sei, dass der Kläger scheinbar den Widerspruchsbescheid nicht erhalten habe.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 14.03.2011, der dem Kläger am 17.03.2011 zugestellt worden ist, hat dieser am 21.03.2011 Berufung eingelegt.
Der Vater des Klägers hat mit Schreiben vom 17.05.2011 mitgeteilt, der Lebensmittelpunkt seines Sohnes sei nach wie vor in A-Stadt. Dort sei er gemeldet, und er besitze auch eine Wohnung. Er wolle in A-Stadt, sobald er rehabilitiert sei, eine seinem Können und seinen Fähigkeiten entsprechende Arbeit suchen. Da er durch die Streichung seiner Bezüge jedoch völlig mittellos sei, könne er sich nicht mehr ständig in A-Stadt aufhalten, sondern sei darauf angewiesen, durch ständige Erhöhung seiner Schulden seinen Lebensunterhalt zu sichern und lebe zur Zeit teilweise notgedrungen in einem provisorisch eingerichteten Kinderzimmer.
Mit Schreiben vom 10.08.2011 hat der Vater des Klägers mitgeteilt, er und seine Frau hätten die Miete seines Sohnes in A-Stadt bezahlt und bis zur Rückerstattung durch die Behörde dem Kläger geliehen.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 hat der Vater des Klägers eine Aufstellung der Darlehen übermittelt, die sein Sohn seit dem 01.03.2007 aufgenommen habe. Im Wesentlichen weist diese Aufstellung die monatliche Übernahme der Wohnungsmiete in Höhe von 475 EUR und der vom Kläger an seinen Sohn zu leistenden monatlichen Unterhaltszahlung in Höhe von 140 EUR seitens der Eltern des Klägers aus. Weiter hat der Vater des Klägers in diesem Schreiben erklärt, dass der Kläger von seinem Bruder im streitgegenständlichen Zeitraum Barleistungen in Höhe von 1000 EUR erhalten habe und von seinen Eltern circa 4500 EUR an sonstiger Unterstützung, auch durch Sachleistungen. Zur "Aufenthaltsdauer" hat der Vater des Klägers in dem Schreiben mitgeteilt, seit der Einstellung der Zahlungen durch den Beklagten habe sich der Kläger auch längere Zeit im Haus seiner Eltern aufgehalten. Die Aufenthaltsdauer in A-Stadt sei recht unterschiedlich gewesen. Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums habe er sich regulär in A-Stadt aufgehalten, d. h. er sei während der Woche in A-Stadt gewesen und habe am Wochenende im Haus seiner Eltern seinen Sohn, der sich damals gerade auf sein Abitur vorbereitete, getroffen und ihn bei seinen Vorbereitungen unterstützt. Als absehbar oder zu befürchten war, dass der Beklagte die dem Kläger zustehenden Leistungen vorenthalten würde, habe der Kläger die Gastfreundschaft seiner Eltern angenommen und sich längere Zeit bei ihnen aufgehalten. Er sei dann etwa wöchentlich einmal mit dem Zug oder mit Verwandten nach A-Stadt gefahren und habe sich dort in der Regel einen Tag aufgehalten.
Mit Schreiben vom 09.09.2011 hat der Kläger um eine Auskunft des Gerichts betreffend eine benötigte Zahnbehandlung wegen akuter Schmerzen gebeten und gleichzeitig beantragt, das Gericht die Antwort ausnahmsweise an die Adresse seiner Wohnung in C-Stadt schicken, da dies im Moment die zeitlich kürzeste Verbindung sei.
Das Gericht hat den Kläger, der seinem Vater zuvor die Prozessvollmacht entzogen hatte, mit Schreiben vom 13.09.2011 aufgefordert, sich zum Schreiben seines Vaters vom 26.08.2011 selbst zu erklären und seine Kontoauszüge für die Zeit seit dem 01.03.2010 vorzulegen. Der Vater des Klägers hat die geforderten Kontoauszüge mit Schreiben vom 07.10.2011 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18.10.2011 hat der Kläger seinem Vater rückwirkend die Vollmacht, die vom Gericht angeforderten Unterlagen in seinem Namen einzureichen, erteilt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG vom 14.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II seit dem 01.03.2010 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat das Jobcenter E. als alternativ Leistungspflichtigen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger die Klagefrist nach § 87 SGG versäumt hat. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, hier des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2010, zu erheben.
Der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 wurde laut entsprechendem Aktenvermerk noch am 15.12.2010 an die Adresse des Klägers in A-Stadt versandt. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Diese Vermutung gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 3 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Bei der Frage, wann Zweifel vorliegen, ist nach der Rechtsprechung zu unterscheiden: Macht der Adressat eines angeblich nicht eingetroffenen Briefes den Nicht-Zugang des Briefes geltend, reicht insofern "einfaches" Bestreiten aus, da es ihm im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben nicht zugegangen. Macht der Empfänger eines einfachen Briefes jedoch nur dessen verspäteten Zugang geltend, ohne den Zugang als solchen zu bestreiten, erfordert das die substantiierte Darlegung von Tatsachen, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Bescheides erst nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgte, zumindest aber den Vortrag des Empfängers, wann genau und unter welchen Umständen er die Erklärung erhalten hat (BSG, SozR 4-2600 § 115 Nr. 2 Rdnrn. 20 - 22).
Den Zugang des am 15.12.2010 versandten Widerspruchsbescheides hat der Kläger als solchen nicht bestritten. Das SG hat seinen Prozessbevollmächtigten zu dem vermuteten Zugang am 18.12.2011 mit Schreiben vom 02.03.2011 ausdrücklich gehört. Der Prozessbevollmächtigte hat sich dazu in seiner Stellungnahme vom 09.03.2011 nicht geäußert, sondern sich darauf beschränkt, die Maßgeblichkeit der Zustellung vom 25.01.2011 geltend zu machen. Auch der Kläger selbst hat in seinem Schreiben vom 16.03.2011 den Zugang des am 15.12.2010 versandten Widerspruchsbescheides nicht bestritten, sondern sich darauf beschränkt, darauf hinzuweisen, dass die Aussagen des Beklagten insoweit widersprüchlich seien, als dieser einerseits behaupte, dass der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2010 dem Kläger noch im Dezember zugegangen sei, andererseits die Zustellung Ende Januar 2011 mit der Begründung verfügt worden sei, dass der Kläger scheinbar den Widerspruchsbescheid nicht erhalten habe. Eine eigene Erklärung zu der Frage, ob und wann er den am 15.12.2010 versandten Bescheid erhalten hat, hat der Kläger gerade nicht abgegeben. Im Gegenteil hat er diese Frage sogar ausdrücklich offengelassen, indem er auf Seite 2 des Schreibens die Frage, ob die Klage fristgerecht gestellt wurde, als irrelevant bezeichnete, weil "unabhängig davon, welcher der genannten Sachverhalte zutreffend" sei, der Beklagte widersprüchliche Angaben gegenüber den Richtern des SG gemacht habe und deshalb der Verdacht eines Betrugsversuches vorliege.
Mit dem eben genannten Schreiben vom 16.03.2011 hat der Kläger nicht einmal den Zeitpunkt des Zugangs des am 15.12.2011 versandten Schreibens bestritten, sondern ebenfalls offengelassen. Erst recht liegt kein substantiiertes Bestreiten hinsichtlich des Zeitpunkts des Zugangs vor, denn dazu hätte der Kläger wenigstens angeben müssen, an welchem Tag und unter welchen Umständen er das Schreiben des Beklagten erhalten hat.
Damit liegen keine Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, so dass die Drei-Tages-Vermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II bezüglich des Zeitpunkts des Zugangs zur Anwendung kommt und der Zugang am 18.12.2010 vermutet wird. Dass dies ein Samstag war, steht der Vermutung nicht entgegen (BSG, SozR 4-1300 § 37 Nr. 1). Die Klagefrist von einem Monat nach § 87 SGG endete daher mit Ablauf des 18.01.2011, eines Dienstags (§ 64 Abs. 2 SGG). Die Klage wurde hingegen erst am 07.02.2011 erhoben.
Die mit Ablauf des 18.01.2011 verstrichene Klagefrist wurde auch dadurch nicht neu in Gang gesetzt, dass der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 25.01.2011 förmlich zustellte. Wird ein Widerspruchsbescheid erneut bekannt gegeben, wird dadurch die Klagefrist jedenfalls dann nicht erneut in Gang gesetzt, wenn die durch die erste Bekanntgabe ausgelöste Klagefrist bereits abgelaufen ist und die Behörde bei der erneuten Bekanntgabe auf die vorangegangene Bekanntgabe hinweist (BVerwGE 58, 100,105; Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 7. A. 2010, § 37 Rdnr. 13a; Binder, in: Lüdtke, SGG, 3. A. 2008, § 87 Rdnr. 8 und § 84 Rdnr. 8, der aber die Ausgangsbehörde für befugt hält, die Widerspruchsfrist durch erneute Bekanntgabe auch nach Bestandskraft neu in Gang zu setzen). Ein solcher Hinweis ist erfolgt, denn bei der Zustellung am 25.01.2011 erhielt der Kläger den Widerspruchsbescheid mit einem Begleitschreiben vom 20.01.2011, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 15.12.2010 zum ersten Mal abgesandt worden war. Der Beklagte hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die erneute Zustellung nur sicherheitshalber erfolgte, und der Kläger hatte keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dass damit die bereits am 18.01.2011 abgelaufene Klagefrist erneut in Lauf gesetzt werden sollte. Dahinstehen kann damit im vorliegenden Fall, ob die erneute Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheides nach dessen Bestandskraft die Klagefrist dann erneut auslöst, wenn die zweite Bekanntgabe aus Sicht des Adressaten die erstmalige Bekanntgabe bedeutet (so BayLSG, Breithaupt 1988, 781 für den Fall, dass die Behörde einen zuvor nur öffentlich zugestellten Bescheid erneut zustellt, ohne auf die frühere öffentliche Zustellung hinzuweisen; Gegenmeinung: Engelmann aaO.).
Da die Klage unzulässig ist, kommt auch eine alternative Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht. Wenn es schon gegenüber dem Beklagten an den Sachurteilsvoraussetzungen fehlt, kommt eine Entscheidung des Gerichts über die Begründetheit der erhobenen Ansprüche nicht in Frage, auch nicht im Verhältnis zum Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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