Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 P 24/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 35/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ruhen von Ansprüchen auf vollstationäre Pflege nach § 34 SGB XI bei dauerhaftem Auslandsaufenthalt
I. Der familienversicherte Ehegatte eines in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Mitglieds hat bei dauerhaftem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zwar Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 SGB XI aufgrund des Rechts der Europäischen Gemeinschaft.
II. Sein Anspruch auf vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI als Sachleistungsanspruch ruht hingegen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, ohne dass dadurch Grundrechte wie Art. 6, 14 oder 3 GG verletzt werden. Leistungen für beitragsfrei familienversicherte Mitglieder in der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI sind keine dem Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaften.
III. Dem Ruhen der Sachleistungsansspruchs stehen auch keine .europarechtlichen Vorschriften entgegen.
I. Der familienversicherte Ehegatte eines in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Mitglieds hat bei dauerhaftem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zwar Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 SGB XI aufgrund des Rechts der Europäischen Gemeinschaft.
II. Sein Anspruch auf vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI als Sachleistungsanspruch ruht hingegen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, ohne dass dadurch Grundrechte wie Art. 6, 14 oder 3 GG verletzt werden. Leistungen für beitragsfrei familienversicherte Mitglieder in der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI sind keine dem Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaften.
III. Dem Ruhen der Sachleistungsansspruchs stehen auch keine .europarechtlichen Vorschriften entgegen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren und das Verfahren vor dem C. nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Sachleistungen in Form der vollstationären Pflege für die Ehefrau des Klägers in einem Pflegeheim in Österreich für die Zeit vom 17.09.2001 bis 18.12.2003.
Der Kläger ist Alleinerbe seiner während des Berufungsverfahrens 2007 verstorbenen Ehefrau. Diese war über ihren Ehemann bei der DAK sowohl in der Kranken- als auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung familienversichert. Die Beklagte ist zum 01.01.2012 Rechtsnachfolgerin der beklagten DAK Pflegekasse (im Folgenden: Pflegekasse) geworden.
Die Ehefrau bezog zunächst von der Pflegekasse sogenannte Kombinationsleistungen (Kombination von Geldleistung und Sachleistung) nach der Pflegestufe III in der Bundesrepublik Deutschland. Diese wurden bis September 2001 gewährt.
Am 27.08.2001 stellte der Kläger für seine Ehefrau Antrag bei der Beklagten auf Leistungen der vollstationären Pflege in Österreich. Er plante eine Hauptwohnsitzverlegung nach Österreich, wo seine Frau in ein Pflegeheim kommen solle. Er gab an, weiterhin bei N. in B-Stadt beschäftigt zu sein.
Die Pflegekasse lehnte mit Bescheid vom 31.08.2001 Leistungen der vollstationären Pflege in Österreich ab, da das österreichische Recht für derartige Pflegeleistungen keine Sachleistungen vorsehe. Es bestehe deshalb lediglich ein Anspruch auf Auszahlung des deutschen Pflegegeldes nach der Pflegestufe III in Höhe von 1.300 DM (entspricht
664,68 Euro).
Zur Begründung des Widerspruchs vom 14.09.2001 führten der Kläger und seine Ehefrau aus, dass in der Ablehnung der Leistungen für das österreichische Pflegeheim eine Diskriminierung gesehen werde. Bislang sei die Pflege von dem Ehemann und einem ambulanten Pflegedienst erbracht worden. Wegen des sich verschlechternden Zustandes solle die Versicherte in einem Pflegeheim untergebracht werden. Da auch der Kläger beabsichtige, seinen Wohnsitz in das Land S. in Österreich zu verlegen, hätten sie einen Platz in einem in Österreich anerkannten Pflegeheim in der Nähe von S. gefunden.
Am 17.09.2001 wurde die Ehefrau in die Seniorenresidenz S. K. in O. bei S. (Österreich) aufgenommen. Sie hielt sich dort bis Juni 2004 auf.
Die Pflegekasse wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2002 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vollstationäre Pflege nach § 43 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) nicht "exportiert" werden könne, da es sich um eine Sachleistung handele. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Molenaar vom 05.03.1998 (Az. C-160/96) könne nur das Pflegegeld als Geldleistung trotz der in § 34 SGB XI vorgesehenen Beschränkung in Österreich gewährt werden. Zudem sei das betreffende Pflegeheim in Österreich nicht im Sinne der Bestimmungen des SGB XI zugelassen gewesen. Selbst die vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI in Deutschland dürfe nur in Einrichtungen erbracht werden, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs zugelassen seien.
Der Kläger hatte seinen Wohnsitz im streitgegenständlichen Zeitraum in B-Stadt. Er befand sich vom 01.03.1987 bis 30.06.2002 in einem festen Anstellungsverhältnis in B-Stadt, wobei er ab August 2001 aufgrund Aufhebungsvertrages von seiner Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt war. Vom 01.07.2002 bis 18.12.2003 bezog er Leistungen der Agentur für Arbeit B-Stadt. Er meldete am 19.12.2003 in Deutschland ein Gewerbe an, kaufte im April 2004 eine Betriebsstätte in A-Stadt (Deutschland), zog nach A-Stadt um und brachte seine Ehefrau in einem in der Nähe von A-Stadt gelegenem Pflegeheim unter. Nach Auskunft der DAK war der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom 17.09.2001 bis 30.06.2002 freiwillig, vom 01.07.2002 bis 18.12.2003 wegen Leistungsbezugs von der Arbeitsagentur pflichtversichert und ab 19.12.2003 als Selbstständiger freiwillig versichert; die Ehefrau war über den Kläger familienversichert.
Die Begründung der am 19.04.2002 beim Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage wurde im Wesentlichen auf Verstöße gegen europäisches Recht sowie auf Verletzung von Art. 6 Grundgesetz (GG) und Art. 14 GG gestützt.
Nach mündlicher Verhandlung am 04.02.2004 und 11.10.2005 hat das SG die Klage mit Urteil vom 11.10.2005, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 27.12.2005, abgewiesen. Es hat keinen Verstoß gegen nationales oder europäisches Recht gesehen. Insbesondere verstoße Art. 19 Abs. 1 der EWG-Verordnung 1408/71 - entgegen des klägerischen Vortrags - nicht gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 39 EGV. Weder gegen Art. 39 EGV in Verbindung mit Art. 42 EGV noch gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV werde verstoßen. Im Übrigen handele es sich bei Art. 19 Abs. 1 der Verordnung 1408/71 um eine sogenannte Kollisionsregelung, die weder unmittelbar noch mittelbar die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtige. In das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft werde weder mittelbar noch unmittelbar eingegriffen.
Mit der am 27.01.2006 eingelegten Berufung hat die Ehefrau des Klägers weiterhin die Erstattung der Kosten für die Unterbringung in der vollstationären Pflegeeinrichtung in Österreich in Höhe der Differenz zwischen dem bereits gewährten Pflegegeld und dem Höchstbetrag der vollstationären Pflege der Pflegestufe III für die Zeit vom 17.09.2001 bis 28.12.2003 begehrt.
Zur Begründung ist ausgeführt worden, es handele sich faktisch aus der Sicht der Pflegekasse sowohl bei der Geldleistung als auch bei der Sachleistung um eine Geldleistung; es bestehe deshalb kein zulässiges Differenzierungskriterium für den Ausschluss des Exports dieser Sachleistungen. Die Weigerung, Sachleistungen zu erbringen, verstoße gegen Art. 39 EGV in Verbindung mit Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68, die entsprechend anzuwenden sei. Eine im Sinne des Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68 beabsichtigte größtmögliche räumliche Nähe zwischen den Familienangehörigen sei nur dann möglich, wenn die Ehefrau in einem Pflegeheim in Österreich untergebracht werde. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 EGV vor.
In einem Erörterungstermin vom 10.01.2007 ist dargelegt worden, dass in Österreich keine Sachleistung gewährt, sondern pauschal Pflegegeld gezahlt werde, wobei die Pflegeversicherung der Rentenversicherung zugeordnet sei Die Ehefrau des Klägers sei in die höchste der sieben österreichischen Pflegestufen gefallen.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 15.03.2007 ausgesetzt und eine
Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (i.d.F. des Vertrags von Nizza vom 26.02.2001, BGBl. II 2001, 1667) eingeholt und folgende Fragen vorgelegt:
"1. Ist Art. 19 Abs. 1 Buchst. a, ggf. in Verbindung mit Absatz 2, der EWG-Verordnung 1408/71 im Hinblick auf Art. 18 EGV und Art. 39, 49 EGV in Verbindung mit Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68 dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer oder Selbstständige bzw. der Familienangehörige keine Geld- oder Erstattungsleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des Wohnorts erhält, wenn nach den für letzteren Träger geltenden Rechtsvorschriften keine Sachleistungen, sondern nur Geldleistungen für die bei diesem Versicherten vorgesehen sind?
2. Falls kein derartiger Anspruch besteht, besteht im Hinblick auf Art. 18 EGV bzw. 39, 49 EGV ein Anspruch auf Kostenübernahme - nach vorheriger Genehmigung - für einen stationären Pflegeheimaufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat gegen den zuständigen Träger in der Höhe der im zuständigen Mitgliedsstaat zu gewährenden Leistungen?"
Der Kläger hat das Verfahren nach dem Tod seiner Ehefrau 2007 mit Schriftsatz vom 26.07.2007 aufgenommen.
Nach eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH hat er im Hinblick auf eine von ihm geplante Übernahme eines Unternehmens bei S. (Österreich) seine Ehefrau in einem in der Nähe dieser Stadt gelegenen Pflegeheim unterbringen wollen. Im August 2001 hat er Verhandlungen mit einem österreichischen Pharmaunternehmen aufgenommen. Es sei geplant gewesen, dass er, wenn die Firmengründung klappt, seinen Wohnsitz in Österreich nehme. Er habe im Hinblick auf die Übernahme des Unternehmens die meiste Zeit in S. verbracht, seinen Wohnsitz in B-Stadt jedoch beibehalten. Die Verhandlungen über die Übernahme des Unternehmens seien aber im Februar 2002 gescheitert, so dass er zu diesem Zeitpunkt eine Anstellung in Österreich habe suchen müssen. Er habe sich anschließend bis Dezember 2003 um eine Anstellung in Österreich bemüht, um sich in der Nähe seiner Ehefrau aufhalten zu können.
Der EuGH (Dritte Kammer) hat mit Urteil vom 16.07.2009 () die vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:
"1. Wenn das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem eine pflegebedürftige Person wohnt, die als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder Selbständigen im Sinne der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG)
Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 geänderten Fassung versichert ist, - im Gegensatz zum System der sozialen Sicherheit des zuständigen Staates - in Fällen der Pflegebedürftigkeit wie dem dieser Person keine Sachleistungen vorsieht, verlangen die Art. 19 oder 22 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung an sich nicht, dass derartige Leistungen von dem zuständigen Träger oder zu dessen Lasten außerhalb des zuständigen Staates erbracht werden.
2. Wenn das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem eine pflegebedürftige Person wohnt, die als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder Selbständigen im Sinne der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 1386/2001 geänderten Fassung versichert ist, - im Gegensatz zum System der sozialen Sicherheit des zuständigen Staates - bei Pflegebedürftigkeit in bestimmten Fällen keine Sachleistungen vorsieht, steht Art. 18 EG unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer Regelung wie der des § 34 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs nicht entgegen, auf deren Grundlage ein zuständiger Träger es ablehnt, Kosten für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim im Wohnmitgliedstaat unabhängig von den Regelungen des Art. 19 oder gegebenenfalls Art. 22 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für eine unbestimmte Dauer bis zu einer Höhe zu übernehmen, die den Leistungen entspricht, auf die die betreffende Person Anspruch gehabt hätte, wenn ihr dieselbe Pflege in einer zugelassenen Einrichtung im zuständigen Staat erbracht worden wäre."
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 hat der Kläger insbesondere einen Verstoß gegen Art. 3 und 14 GG geltend gemacht. Die Beteiligten haben die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf Grundlage der Berechnung des Senats mit 19.209,19 Euro beziffert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 zu verurteilen, ihm 19.209,19 Euro für die Zeit vom 17.09.2001 bis 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Beklagtenakte sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts München sowie der Bescheid der Pflegekasse vom 31.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 erweisen sich als rechtmäßig.
Der Kläger hat den Rechtsstreit als Alleinerbe gemäß § 1922 BGB und damit als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau zulässig gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 250 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgenommen. Der zum Todeszeitpunkt geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung war auch kein höchstpersönliches Recht.
Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG.
1. Es kann dahinstehen, ob Pflegebedürftige analog § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen können, wenn die Pflegekasse zu Unrecht eine Übernahme der Aufwendungen für Pflege in vollstationären Einrichtungen abgelehnt hat (vgl. so wohl BSG vom 10.04.2008 - Az. B 3 P 4/07 R - SozR 4-3300 § 43 Nr. 2 - Juris RdNr. 12), unter Anrechnung der bereits gezahlten Pflegegeldleistungen. Denn die Ablehnung von Leistungen nach § 43 SGB XI erweist sich als rechtmäßig. Zwar war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bei der DAK Pflegekasse in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert, gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI bzw. als freiwilliges Mitglied der GKV gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI, und seine Ehefrau gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI bei der DAK-Pflegekasse familienversichert, da insoweit ihr Wohnsitz in einem EG-Staat dem Wohnsitz im Inland gleichstand (vgl. Udsching, Kommentar zum SGB XI, 3. Auflage, zu § 25 RdNr. 6).
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in der vom 25.06.1996 bis 30.06.2008 geltenden Fassung ruhte der Anspruch auf Leistungen aber solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Ausnahmen bestanden nach § 34 SGB XI in der damaligen Fassung nur bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt, z.B. von bis zu sechs Wochen Dauer im Kalenderjahr, die hier jedoch nicht eingreifen.
2. Zwar hatte die Ehefrau des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern). Danach erhalten Arbeitnehmer oder Selbständige sowie deren Familienangehörige, die im Gebiet eines anderen als des zuständigen (Mitglied-)Staates wohnen, Geldleistungen vom zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, sofern sie nicht aufgrund der Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet sie wohnen, Anspruch auf diese Leistungen haben. Dieser seit dem EuGH-Urteil Molenaar vom 05.03.1998 (C-160/96) anerkannte Anspruch ist seit 29.06.2011 durch Einfügen des Absatzes 1 a in § 34 SGB XI klargestellt worden (vgl. Gesetz vom 22.06.2011 - BGBl. I 1202; BT-Drucks. 17/4978 S. 23 f. zu Art. 7). Die Pflegekasse hat diesen Anspruch mit Bescheid vom 31.08.2001 auch anerkannt.
3. Weitergehende Ansprüche lassen sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundrechte begründen. Insbesondere verletzt das Ruhen des Anspruchs auf vollstationäre Pflege gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI bei Gewährung von Pflegegeld gemäß § 37
SGB XI nicht Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 3 GG oder Art. 14 GG.
a) § 34 SGB XI, der das Ruhen von Leistungsansprüchen regelt, stellt keinen Eingriff in den Schutzbereich nach Art. 6 Abs. 1 GG dar. Dass die Ehe der Versicherten bzw. die Versicherte als verheiratete Person gegenüber Ledigen durch die gesetzliche Regelung des § 34 SGB XI benachteiligt würde, ist nicht ersichtlich. Aufwendungen der Versicherten für ihre eigene vollstationäre Pflege im Sinne von § 43 SGB XI sind keine familienbedingten finanziellen Belastungen. Außerdem ist der Gesetzgeber durch das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen. Vielmehr hat er hinsichtlich Umfang sowie Art und Weise der Familienförderung einen weiten Gestaltungsspielraum, so dass regelmäßig kein konkreter Anspruch auf staatliche Leistungen aus Art. 6 Abs. 1 GG erwächst (vgl. hierzu BVerfGE 39, 316, 326). Als wesentliches Element des Familienlastenausgleichs innerhalb der Sozialversicherung hat der Gesetzgeber z.B. die beitragsfreie Familienversicherung gemäß §§ 25, 56 SGB XI geschaffen (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/5262, S. 122 zu § 54 SGB XI-Entwurf ). Auf Art. 6 Abs. 1 GG kann daher ein Anspruch auf Leistungen nach § 43 SGB XI entgegen § 34 SGB XI nicht gestützt werden.
b) § 34 SGB XI greift auch nicht in das Eigentumsrecht bzw. in ein vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasstes subjektiv-öffentliches Recht der Ehefrau des Klägers als Versicherte ein, zumal Leistungen in Form des Pflegegeldes weitergewährt wurden. Sozialrechtliche Ansprüche genießen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann grundrechtlichen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die dem Rechtsträger nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfG Beschluss vom 07.12.2010 - Az. 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 101; BVerfGE 100, 1, 32 f.). Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 128, 90, 101; BVerfGE 100, 1, 33). Nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind demgegenüber Rechtsstellungen und gesetzliche Ansprüche, soweit sie vorwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen (vgl. BVerfGE 100, 1, 33; BVerfGE 116, 96, 121 f.).
Die Ansprüche der Ehefrau des Klägers gegen die Beklagte beruhten aber schon nicht auf (nicht unerheblichen) Eigenleistungen, die von ihr selbst oder zu ihren Gunsten von ihrem Ehemann erbracht worden wären. Denn die Ehefrau war gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI i.V.m. § 56 SGB XI als Familienangehörige in der gesetzlichen Pflegeversicherung beitragsfrei versichert. Dass der Kläger selbst eigene Beiträge entrichtet hat, genügt nicht; denn insoweit fehlt der hinreichend personale Bezug zwischen der Beitragsleistung und den an seine Ehefrau zu gewährenden Leistungen (vgl. dazu BVerfG zur Hinterbliebenenversorgung vom 18.02.1998 - Az. BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271, 284 f.). Leistungen für familienversicherte Mitglieder nach dem SGB XI sind vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistungen, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Familienversicherten und ohne erhöhte Beitragsleistung des gesetzlich Versicherten gewährt werden (vgl. dazu BVerfGE 97, 271, 285). Sie bilden ein wesentliches Element des Familienlastenausgleichs innerhalb der Sozialversicherung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/5262, S. 122).
Ferner spricht gegen die privatnützige Zuordnung von Ansprüchen auf vollstationäre Pflege nach dem SGB XI, dass die Leistung nicht mit Ablauf der Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalls zum Vollrecht erstarkt, sondern von dem (Fort-) Bestehen des Versicherungsverhältnisses und bei Familienversicherung des Ehegatten gemäß § 25 SGB XI insbesondere von der fortbestehenden Ehe abhängt (vgl. hierzu ebenfalls BVerfGE 97, 271, 284).
Die Ehefrau des Klägers hatte vor ihrem Umzug nach Österreich auch keinen konkreten Anspruch auf Sachleistungen bei vollstationärer Pflege, geschweige denn einen Anspruch auf solche Sachleistungen bei stationärer Pflege im Ausland, und damit keine ihr ausschließlich zugeordnete, gesicherte Rechtsposition, in die eingegriffen worden wäre.
c) Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG Beschluss vom 01.03.2010 - Az. 1 BvR 2584/06 - Juris RdNr. 10 m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Dabei erfolgt eine strengere Prüfung, wenn die Differenzierung personenbezogen und nicht nur verhaltensbezogen erfolgt und wenn sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheitsrechte nachteilig auswirkt (vgl. BVerfGE 99, 367, 388). Außerhalb des so beschriebenen Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Normgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte verschieden zu behandeln; die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (vgl. BVerfGE 97, 271, 291), so dass ein Verstoß erst festgestellt werden kann, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Vor diesem Hintergrund ist die Ruhensregelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für Leistungen der vollstationären Pflege für den Zeitraum des Auslandsaufenthaltes, die nicht an ein bestimmtes, einer Person unabänderlich anhaftendes Merkmal anknüpft, nur am Maßstab des Willkürverbotes zu messen. Insbesondere wird Art. 11 GG nicht tangiert, der die Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland schützt. Dass ein Anspruch auf vollstationäre Pflege i.S.v. § 43 SGB XI während eines nicht nur vorübergehenden Auslandsaufenthalts ruht und damit zwischen Pflegebedürftigen in inländischen Pflegeheimen und in ausländischen Pflegeheimen differenziert wird, ist nicht sachwidrig, sondern sachlich gerechtfertigt.
Das BVerfG hat bereits entschieden, dass es ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik ist, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln und dass Dienst- und Sachleistungen nur im Inland erbracht werden können (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.03.2008 - Az. 1 BvR 96/06 - Juris RdNr. 4 m.w.N.). Als sachlicher Grund für die Leistungsbegrenzung der vollstationären Pflege auf die Bundesrepublik Deutschland sind insbesondere die auf das Inland begrenzten Kontrollmöglichkeiten der Leistungsvoraussetzungen zu nennen, Gründe der Qualitätssicherung hinsichtlich der Einrichtungen und die ansonsten mögliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Pflegeversicherung (vgl. hierzu auch BSG im Vorlagebeschluss zum EuGH vom 22.04.2009 - Az. B 3 P 13/07 R - Juris RdNr. 36 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/5262 S. 110 f.).
4. Auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften hatte die Ehefrau des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte. Grundlage der Beurteilung sind die in diesem Zeitraum - vom 17.09.2001 bis 18.12.2003 - geltenden Vorschriften, insbesondere die Vorschriften des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) in der bis 30.11.2009 geltenden Fassung durch den Vertrag von Nizza (vom 26.02.2001 - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 80) und die EWG-VO Nr. 1408/71 (ABl. Nr. L 28 vom 30.01.1997 S. 4).
Die vom EuGH im Urteil vom 16.07.2009 aufgrund der Vorlage des Senats vorgenommene Auslegung der Gemeinschaftsnormen ist der Entscheidung des Senats zu Grunde zu legen. Denn das Bayerische Landessozialgericht (LSG) ist als gemäß Art. 234 EGV vorlegendes nationales Gericht an die Vorabentscheidung des EuGH gebunden; die Bindung folgt aus der Vorlagepflicht selbst und aus dem Sinn und Zweck der Vorabentscheidung (vgl. hierzu auch BSG vom 06.10.2010 - Az. B 12 KR 20/09 R - SozR 4-2600 § 1 Nr. 5 - Juris RdNr. 24 m.w.N.).
a) Weder Art. 19 noch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b der EWG-VO Nr. 1408/71 verlangen im Fall der Klägerin, dass Sachleistungen von der Pflegekasse oder zu ihren Lasten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
Der EuGH hat zunächst festgehalten, dass gemäß Art. 1 Buchst. a Ziff. i der EWG-VO Nr. 1408/71 als "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" jede Person gilt, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist und dass nach Art. 1 Buchst. f Ziff. i für die Anwendung dieser Verordnung als "Familienangehöriger" u. a. jede Person gilt, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt ist. Demzufolge fallen Versicherte wie der bei der Beklagten versicherte Kläger und seine Ehefrau unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung.
Der EuGH hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass Leistungen des deutschen Pflegeversicherungssystems "Leistungen bei Krankheit" i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a EWG-VO Nr. 1408/71 sind und damit deren Art. 18 bis 36 unterfallen.
Weder Art. 19 noch Art. 22 der EWG-VO Nr. 1408/71 gebieten aber nach dem EuGH-Urteil in den Fällen, in denen der Wohnsitzstaat (hier die Republik Österreich) keine Sachleistungen für das geltend gemachte Risiko vorsieht, dass solche Sachleistungen von dem zuständigen Träger oder zu dessen Lasten außerhalb des zuständigen Staates (hier der Bundesrepublik Deutschland) erbracht werden. Der EuGH hat dargelegt, dass entgegen der klägerischen Auffassung Leistungen der Pflegeversicherung in Gestalt einer Übernahme oder Erstattung der durch die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen entstandenen Kosten eines Pflegeheims, wie sie hier beantragt wurden, unter den Begriff der Sachleistungen im Sinne des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71 fallen (vgl. EuGH-Urteil RdNr. 48 unter Verweis auf Urteil Molenaar vom 05.03.1998 - Az. C-160/96 - RdNr. 6 und 32; EuGH-Urteil vom 8.07 2004, Gaumain-Cerri und Barth, Az. C-502/01 und C-31/02, Slg. 2004, I-6483, RdNr. 26), wobei die genannten Leistungen u. a. die vollstationäre Pflege nach Art. 43 SGB XI umfassen.
b) Im Rahmen der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage hat der EuGH ausgeführt, dass Vorschriften des Primärrechts unter Umständen wie bei der Ehefrau des Klägers einer Regelung wie der des § 34 SGB XI nicht entgegenstehen.
aa) Der EuGH hat ausgeführt, dass Art. 39 EGV im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Denn weder der Kläger noch seine Ehefrau sind Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV.
Die Bedeutung des Arbeitnehmerbegriffs im Gemeinschaftsrecht ist nicht einheitlich, sondern hängt vom jeweiligen Anwendungsbereich ab. Der EuGH hat auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach der Begriff "Arbeitnehmer" in Bezug auf Art. 39 EGV nicht eng auszulegen ist und jeder als "Arbeitnehmer" anzusehen ist, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, sofern die Tätigkeiten nicht einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. EuGH Urteil vom 03.07.1986, Lawrie-Blum, Az. 66/85, Slg. 1986, 2121, RdNr. 16 f.). Außerdem fallen nach der EuGH-Rechtsprechung auch die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art. 39 EGV (vgl. u.a. Urteile des EuGH vom 26.02.1991, Antonissen, Az. C-292/89, Slg. 1991, I-745, RdNr. 12 und 13; Urteil vom 04.06.2009, Vatsouras und Koupatantze, Az. C-22/08 und C-23/08, Slg. 2009, I-0458, RdNr. 36).
Der EuGH hat dargelegt, dass der Kläger zwar vorgetragen hat, er habe sich zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide um eine Tätigkeit in Österreich bemüht. Allerdings hat der EuGH keine Anhaltspunkte gefunden, die dieses Vorbringen stützen würden. Vielmehr sprechen die Angaben des Klägers eher dafür, dass er zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide, als er sich um die Übernahme eines Unternehmens in Österreich bemühte und trotzdem weiter in Deutschland wohnte, nicht von der durch Art. 39 EG gewährleisteten Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Daher findet
Art. 39 EGV keine Anwendung.
bb) Auch Art. 49 EGV ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der EuGH hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr nicht für den Angehörigen eines Mitgliedstaats gelten, der seinen Hauptaufenthalt ständig oder jedenfalls ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nimmt, um dort auf unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (vgl. EuGH mit Verweis auf Urteile vom 5.10.1988, Steymann, Az. 196/87, Slg. 1988, 6159, RdNr. 17; in Bezug auf Pflegeheime vom 17.06.1997, Sodemare u. a., Az. C-70/95, Slg. 1997, I-3395, RdNr. 38). Die Ehefrau des Klägers hat sich aber nach Österreich begeben, um dort ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer. Der EuGH bestätigt damit die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Ergänzend sei erwähnt, dass insoweit auch von dem Ausgang der anhängigen Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Vertragsverletzung vom 30.11.2010 (Az. C-562/10 - ABl. vom 26.02.2011) keine anderweitigen Beurteilungen zu erwarten sind. Denn geltend gemacht wird eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (entspricht dem früheren Art. 49 EGV) für den Bereich der Pflegedienstleistungen bei einem temporären, nicht bei einem zeitlich unbegrenzten Aufenthalt des Pflegebedürftigen im EU-Ausland wegen fehlender Kostenerstattung bzw. Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI.
c) Auch Art. 18 EGV steht der Regelung des § 34 SGB XI nicht entgegen.
Zwar übte die Ehefrau des Klägers, als sie sich nach Österreich begab und dort ihren Aufenthalt nahm, die ihr von Art. 18 Abs. 1 EGV verliehenen Rechte aus. Gemäß Art. 18
Abs. 1 EGV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
Der EuGH hat ausgeführt, dass die Ehefrau des Klägers zwar infolge ihres Umzugs in ein Pflegeheim in Österreich, das nicht nach § 72 SGB XI zugelassen war, hinsichtlich der im SGB XI vorgesehenen Sachleistungen schlechter gestellt war, als wenn sie eine vollstationäre Pflege im Sinne von § 43 SGB XI in einem zugelassenen Pflegeheim in Deutschland beantragt hätte. Allerdings garantiert Art. 18 Abs. 1 EGV einem Versicherten nicht, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist (vgl. dazu EuGH mit Verweis auf Urteile zu Art. 39 EGV vom 19. 03.2002, Hervein u. a., Az. C-393/99 und C-394/99, Slg. 2002, I-2829, RdNr. 51; Urteil vom 09.03.2006, Piatkowski, Az. C-493/04, Slg. 2006, I-2369, RdNr. 34). Vielmehr kann ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die in diesem Bereich zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, je nach Kombination der nationalen Regelungen, die nach der Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar sind, für die betroffene Person Vorteile oder Nachteile haben.
Der EuGH hat dargelegt, dass die ungünstige Situation für die Ehefrau des Klägers infolge ihres Umzugs in ein Pflegeheim in Österreich eher aus der gemäß der VO Nr. 1408/71 vorgenommenen kombinierten Anwendung der deutschen und der österreichischen Rechtsvorschriften zum Risiko der Pflegebedürftigkeit als aus der Regelung des § 34 SGB XI resultiert. Denn falls die österreichische Regelung für Fälle der Pflegebedürftigkeit wie den der Betroffenen Sachleistungen vorgesehen hätte, hätten diese der Betroffenen entsprechend dieser Regelung vom Träger des Wohnorts (Österreich) unabhängig davon erbracht werden müssen, welchen Inhalt insoweit die deutsche Regelung hat; dem Träger des Wohnorts wären dann die Kosten nach Art. 36 dieser Verordnung vom zuständigen Träger (der Beklagten) erstattet worden.
Da die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich die Ausgestaltung ihrer Krankenversicherungssysteme frei bestimmen können, kann eines dieser Systeme aber nach dem Urteil des EuGH nicht allein wegen seiner ungünstigen Auswirkungen als Grund für eine Diskriminierung oder einen Nachteil angesehen werden, wenn es entsprechend den gemäß Art. 42 EGV geschaffenen Koordinierungsmechanismen in Kombination mit dem System des anderen Mitgliedstaats angewandt wird.
5. Weitergehende Ansprüche ergeben sich auch nicht aus bilateralen (Sozialversicherung-) Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere nicht aus dem Abkommen vom 04.10.1995 (BGBl. 1998 II S. 313).
B) Die Kostenentscheidung, die auch die durch die Vorlagen an den EuGH entstandenen außergerichtlichen Kosten betrifft, beruht auf § 193 SGG.
C) Gründe, die Revision zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die europarechtlichen Fragestellungen sind durch das Urteil des EuGH für den Senat bindend geklärt.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren und das Verfahren vor dem C. nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Sachleistungen in Form der vollstationären Pflege für die Ehefrau des Klägers in einem Pflegeheim in Österreich für die Zeit vom 17.09.2001 bis 18.12.2003.
Der Kläger ist Alleinerbe seiner während des Berufungsverfahrens 2007 verstorbenen Ehefrau. Diese war über ihren Ehemann bei der DAK sowohl in der Kranken- als auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung familienversichert. Die Beklagte ist zum 01.01.2012 Rechtsnachfolgerin der beklagten DAK Pflegekasse (im Folgenden: Pflegekasse) geworden.
Die Ehefrau bezog zunächst von der Pflegekasse sogenannte Kombinationsleistungen (Kombination von Geldleistung und Sachleistung) nach der Pflegestufe III in der Bundesrepublik Deutschland. Diese wurden bis September 2001 gewährt.
Am 27.08.2001 stellte der Kläger für seine Ehefrau Antrag bei der Beklagten auf Leistungen der vollstationären Pflege in Österreich. Er plante eine Hauptwohnsitzverlegung nach Österreich, wo seine Frau in ein Pflegeheim kommen solle. Er gab an, weiterhin bei N. in B-Stadt beschäftigt zu sein.
Die Pflegekasse lehnte mit Bescheid vom 31.08.2001 Leistungen der vollstationären Pflege in Österreich ab, da das österreichische Recht für derartige Pflegeleistungen keine Sachleistungen vorsehe. Es bestehe deshalb lediglich ein Anspruch auf Auszahlung des deutschen Pflegegeldes nach der Pflegestufe III in Höhe von 1.300 DM (entspricht
664,68 Euro).
Zur Begründung des Widerspruchs vom 14.09.2001 führten der Kläger und seine Ehefrau aus, dass in der Ablehnung der Leistungen für das österreichische Pflegeheim eine Diskriminierung gesehen werde. Bislang sei die Pflege von dem Ehemann und einem ambulanten Pflegedienst erbracht worden. Wegen des sich verschlechternden Zustandes solle die Versicherte in einem Pflegeheim untergebracht werden. Da auch der Kläger beabsichtige, seinen Wohnsitz in das Land S. in Österreich zu verlegen, hätten sie einen Platz in einem in Österreich anerkannten Pflegeheim in der Nähe von S. gefunden.
Am 17.09.2001 wurde die Ehefrau in die Seniorenresidenz S. K. in O. bei S. (Österreich) aufgenommen. Sie hielt sich dort bis Juni 2004 auf.
Die Pflegekasse wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2002 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vollstationäre Pflege nach § 43 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) nicht "exportiert" werden könne, da es sich um eine Sachleistung handele. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Molenaar vom 05.03.1998 (Az. C-160/96) könne nur das Pflegegeld als Geldleistung trotz der in § 34 SGB XI vorgesehenen Beschränkung in Österreich gewährt werden. Zudem sei das betreffende Pflegeheim in Österreich nicht im Sinne der Bestimmungen des SGB XI zugelassen gewesen. Selbst die vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI in Deutschland dürfe nur in Einrichtungen erbracht werden, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs zugelassen seien.
Der Kläger hatte seinen Wohnsitz im streitgegenständlichen Zeitraum in B-Stadt. Er befand sich vom 01.03.1987 bis 30.06.2002 in einem festen Anstellungsverhältnis in B-Stadt, wobei er ab August 2001 aufgrund Aufhebungsvertrages von seiner Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt war. Vom 01.07.2002 bis 18.12.2003 bezog er Leistungen der Agentur für Arbeit B-Stadt. Er meldete am 19.12.2003 in Deutschland ein Gewerbe an, kaufte im April 2004 eine Betriebsstätte in A-Stadt (Deutschland), zog nach A-Stadt um und brachte seine Ehefrau in einem in der Nähe von A-Stadt gelegenem Pflegeheim unter. Nach Auskunft der DAK war der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom 17.09.2001 bis 30.06.2002 freiwillig, vom 01.07.2002 bis 18.12.2003 wegen Leistungsbezugs von der Arbeitsagentur pflichtversichert und ab 19.12.2003 als Selbstständiger freiwillig versichert; die Ehefrau war über den Kläger familienversichert.
Die Begründung der am 19.04.2002 beim Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage wurde im Wesentlichen auf Verstöße gegen europäisches Recht sowie auf Verletzung von Art. 6 Grundgesetz (GG) und Art. 14 GG gestützt.
Nach mündlicher Verhandlung am 04.02.2004 und 11.10.2005 hat das SG die Klage mit Urteil vom 11.10.2005, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 27.12.2005, abgewiesen. Es hat keinen Verstoß gegen nationales oder europäisches Recht gesehen. Insbesondere verstoße Art. 19 Abs. 1 der EWG-Verordnung 1408/71 - entgegen des klägerischen Vortrags - nicht gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 39 EGV. Weder gegen Art. 39 EGV in Verbindung mit Art. 42 EGV noch gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV werde verstoßen. Im Übrigen handele es sich bei Art. 19 Abs. 1 der Verordnung 1408/71 um eine sogenannte Kollisionsregelung, die weder unmittelbar noch mittelbar die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtige. In das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft werde weder mittelbar noch unmittelbar eingegriffen.
Mit der am 27.01.2006 eingelegten Berufung hat die Ehefrau des Klägers weiterhin die Erstattung der Kosten für die Unterbringung in der vollstationären Pflegeeinrichtung in Österreich in Höhe der Differenz zwischen dem bereits gewährten Pflegegeld und dem Höchstbetrag der vollstationären Pflege der Pflegestufe III für die Zeit vom 17.09.2001 bis 28.12.2003 begehrt.
Zur Begründung ist ausgeführt worden, es handele sich faktisch aus der Sicht der Pflegekasse sowohl bei der Geldleistung als auch bei der Sachleistung um eine Geldleistung; es bestehe deshalb kein zulässiges Differenzierungskriterium für den Ausschluss des Exports dieser Sachleistungen. Die Weigerung, Sachleistungen zu erbringen, verstoße gegen Art. 39 EGV in Verbindung mit Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68, die entsprechend anzuwenden sei. Eine im Sinne des Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68 beabsichtigte größtmögliche räumliche Nähe zwischen den Familienangehörigen sei nur dann möglich, wenn die Ehefrau in einem Pflegeheim in Österreich untergebracht werde. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 EGV vor.
In einem Erörterungstermin vom 10.01.2007 ist dargelegt worden, dass in Österreich keine Sachleistung gewährt, sondern pauschal Pflegegeld gezahlt werde, wobei die Pflegeversicherung der Rentenversicherung zugeordnet sei Die Ehefrau des Klägers sei in die höchste der sieben österreichischen Pflegestufen gefallen.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 15.03.2007 ausgesetzt und eine
Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (i.d.F. des Vertrags von Nizza vom 26.02.2001, BGBl. II 2001, 1667) eingeholt und folgende Fragen vorgelegt:
"1. Ist Art. 19 Abs. 1 Buchst. a, ggf. in Verbindung mit Absatz 2, der EWG-Verordnung 1408/71 im Hinblick auf Art. 18 EGV und Art. 39, 49 EGV in Verbindung mit Art. 10 der EWG-Verordnung Nr. 1612/68 dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer oder Selbstständige bzw. der Familienangehörige keine Geld- oder Erstattungsleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des Wohnorts erhält, wenn nach den für letzteren Träger geltenden Rechtsvorschriften keine Sachleistungen, sondern nur Geldleistungen für die bei diesem Versicherten vorgesehen sind?
2. Falls kein derartiger Anspruch besteht, besteht im Hinblick auf Art. 18 EGV bzw. 39, 49 EGV ein Anspruch auf Kostenübernahme - nach vorheriger Genehmigung - für einen stationären Pflegeheimaufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat gegen den zuständigen Träger in der Höhe der im zuständigen Mitgliedsstaat zu gewährenden Leistungen?"
Der Kläger hat das Verfahren nach dem Tod seiner Ehefrau 2007 mit Schriftsatz vom 26.07.2007 aufgenommen.
Nach eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH hat er im Hinblick auf eine von ihm geplante Übernahme eines Unternehmens bei S. (Österreich) seine Ehefrau in einem in der Nähe dieser Stadt gelegenen Pflegeheim unterbringen wollen. Im August 2001 hat er Verhandlungen mit einem österreichischen Pharmaunternehmen aufgenommen. Es sei geplant gewesen, dass er, wenn die Firmengründung klappt, seinen Wohnsitz in Österreich nehme. Er habe im Hinblick auf die Übernahme des Unternehmens die meiste Zeit in S. verbracht, seinen Wohnsitz in B-Stadt jedoch beibehalten. Die Verhandlungen über die Übernahme des Unternehmens seien aber im Februar 2002 gescheitert, so dass er zu diesem Zeitpunkt eine Anstellung in Österreich habe suchen müssen. Er habe sich anschließend bis Dezember 2003 um eine Anstellung in Österreich bemüht, um sich in der Nähe seiner Ehefrau aufhalten zu können.
Der EuGH (Dritte Kammer) hat mit Urteil vom 16.07.2009 () die vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:
"1. Wenn das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem eine pflegebedürftige Person wohnt, die als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder Selbständigen im Sinne der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG)
Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 geänderten Fassung versichert ist, - im Gegensatz zum System der sozialen Sicherheit des zuständigen Staates - in Fällen der Pflegebedürftigkeit wie dem dieser Person keine Sachleistungen vorsieht, verlangen die Art. 19 oder 22 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung an sich nicht, dass derartige Leistungen von dem zuständigen Träger oder zu dessen Lasten außerhalb des zuständigen Staates erbracht werden.
2. Wenn das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem eine pflegebedürftige Person wohnt, die als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder Selbständigen im Sinne der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 1386/2001 geänderten Fassung versichert ist, - im Gegensatz zum System der sozialen Sicherheit des zuständigen Staates - bei Pflegebedürftigkeit in bestimmten Fällen keine Sachleistungen vorsieht, steht Art. 18 EG unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer Regelung wie der des § 34 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs nicht entgegen, auf deren Grundlage ein zuständiger Träger es ablehnt, Kosten für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim im Wohnmitgliedstaat unabhängig von den Regelungen des Art. 19 oder gegebenenfalls Art. 22 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für eine unbestimmte Dauer bis zu einer Höhe zu übernehmen, die den Leistungen entspricht, auf die die betreffende Person Anspruch gehabt hätte, wenn ihr dieselbe Pflege in einer zugelassenen Einrichtung im zuständigen Staat erbracht worden wäre."
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 hat der Kläger insbesondere einen Verstoß gegen Art. 3 und 14 GG geltend gemacht. Die Beteiligten haben die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf Grundlage der Berechnung des Senats mit 19.209,19 Euro beziffert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 zu verurteilen, ihm 19.209,19 Euro für die Zeit vom 17.09.2001 bis 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Beklagtenakte sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts München sowie der Bescheid der Pflegekasse vom 31.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 erweisen sich als rechtmäßig.
Der Kläger hat den Rechtsstreit als Alleinerbe gemäß § 1922 BGB und damit als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau zulässig gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 250 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgenommen. Der zum Todeszeitpunkt geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung war auch kein höchstpersönliches Recht.
Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG.
1. Es kann dahinstehen, ob Pflegebedürftige analog § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen können, wenn die Pflegekasse zu Unrecht eine Übernahme der Aufwendungen für Pflege in vollstationären Einrichtungen abgelehnt hat (vgl. so wohl BSG vom 10.04.2008 - Az. B 3 P 4/07 R - SozR 4-3300 § 43 Nr. 2 - Juris RdNr. 12), unter Anrechnung der bereits gezahlten Pflegegeldleistungen. Denn die Ablehnung von Leistungen nach § 43 SGB XI erweist sich als rechtmäßig. Zwar war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bei der DAK Pflegekasse in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert, gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI bzw. als freiwilliges Mitglied der GKV gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI, und seine Ehefrau gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI bei der DAK-Pflegekasse familienversichert, da insoweit ihr Wohnsitz in einem EG-Staat dem Wohnsitz im Inland gleichstand (vgl. Udsching, Kommentar zum SGB XI, 3. Auflage, zu § 25 RdNr. 6).
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in der vom 25.06.1996 bis 30.06.2008 geltenden Fassung ruhte der Anspruch auf Leistungen aber solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Ausnahmen bestanden nach § 34 SGB XI in der damaligen Fassung nur bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt, z.B. von bis zu sechs Wochen Dauer im Kalenderjahr, die hier jedoch nicht eingreifen.
2. Zwar hatte die Ehefrau des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern). Danach erhalten Arbeitnehmer oder Selbständige sowie deren Familienangehörige, die im Gebiet eines anderen als des zuständigen (Mitglied-)Staates wohnen, Geldleistungen vom zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, sofern sie nicht aufgrund der Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet sie wohnen, Anspruch auf diese Leistungen haben. Dieser seit dem EuGH-Urteil Molenaar vom 05.03.1998 (C-160/96) anerkannte Anspruch ist seit 29.06.2011 durch Einfügen des Absatzes 1 a in § 34 SGB XI klargestellt worden (vgl. Gesetz vom 22.06.2011 - BGBl. I 1202; BT-Drucks. 17/4978 S. 23 f. zu Art. 7). Die Pflegekasse hat diesen Anspruch mit Bescheid vom 31.08.2001 auch anerkannt.
3. Weitergehende Ansprüche lassen sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundrechte begründen. Insbesondere verletzt das Ruhen des Anspruchs auf vollstationäre Pflege gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI bei Gewährung von Pflegegeld gemäß § 37
SGB XI nicht Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 3 GG oder Art. 14 GG.
a) § 34 SGB XI, der das Ruhen von Leistungsansprüchen regelt, stellt keinen Eingriff in den Schutzbereich nach Art. 6 Abs. 1 GG dar. Dass die Ehe der Versicherten bzw. die Versicherte als verheiratete Person gegenüber Ledigen durch die gesetzliche Regelung des § 34 SGB XI benachteiligt würde, ist nicht ersichtlich. Aufwendungen der Versicherten für ihre eigene vollstationäre Pflege im Sinne von § 43 SGB XI sind keine familienbedingten finanziellen Belastungen. Außerdem ist der Gesetzgeber durch das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen. Vielmehr hat er hinsichtlich Umfang sowie Art und Weise der Familienförderung einen weiten Gestaltungsspielraum, so dass regelmäßig kein konkreter Anspruch auf staatliche Leistungen aus Art. 6 Abs. 1 GG erwächst (vgl. hierzu BVerfGE 39, 316, 326). Als wesentliches Element des Familienlastenausgleichs innerhalb der Sozialversicherung hat der Gesetzgeber z.B. die beitragsfreie Familienversicherung gemäß §§ 25, 56 SGB XI geschaffen (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/5262, S. 122 zu § 54 SGB XI-Entwurf ). Auf Art. 6 Abs. 1 GG kann daher ein Anspruch auf Leistungen nach § 43 SGB XI entgegen § 34 SGB XI nicht gestützt werden.
b) § 34 SGB XI greift auch nicht in das Eigentumsrecht bzw. in ein vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasstes subjektiv-öffentliches Recht der Ehefrau des Klägers als Versicherte ein, zumal Leistungen in Form des Pflegegeldes weitergewährt wurden. Sozialrechtliche Ansprüche genießen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann grundrechtlichen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die dem Rechtsträger nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfG Beschluss vom 07.12.2010 - Az. 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 101; BVerfGE 100, 1, 32 f.). Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 128, 90, 101; BVerfGE 100, 1, 33). Nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind demgegenüber Rechtsstellungen und gesetzliche Ansprüche, soweit sie vorwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen (vgl. BVerfGE 100, 1, 33; BVerfGE 116, 96, 121 f.).
Die Ansprüche der Ehefrau des Klägers gegen die Beklagte beruhten aber schon nicht auf (nicht unerheblichen) Eigenleistungen, die von ihr selbst oder zu ihren Gunsten von ihrem Ehemann erbracht worden wären. Denn die Ehefrau war gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI i.V.m. § 56 SGB XI als Familienangehörige in der gesetzlichen Pflegeversicherung beitragsfrei versichert. Dass der Kläger selbst eigene Beiträge entrichtet hat, genügt nicht; denn insoweit fehlt der hinreichend personale Bezug zwischen der Beitragsleistung und den an seine Ehefrau zu gewährenden Leistungen (vgl. dazu BVerfG zur Hinterbliebenenversorgung vom 18.02.1998 - Az. BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271, 284 f.). Leistungen für familienversicherte Mitglieder nach dem SGB XI sind vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistungen, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Familienversicherten und ohne erhöhte Beitragsleistung des gesetzlich Versicherten gewährt werden (vgl. dazu BVerfGE 97, 271, 285). Sie bilden ein wesentliches Element des Familienlastenausgleichs innerhalb der Sozialversicherung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/5262, S. 122).
Ferner spricht gegen die privatnützige Zuordnung von Ansprüchen auf vollstationäre Pflege nach dem SGB XI, dass die Leistung nicht mit Ablauf der Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalls zum Vollrecht erstarkt, sondern von dem (Fort-) Bestehen des Versicherungsverhältnisses und bei Familienversicherung des Ehegatten gemäß § 25 SGB XI insbesondere von der fortbestehenden Ehe abhängt (vgl. hierzu ebenfalls BVerfGE 97, 271, 284).
Die Ehefrau des Klägers hatte vor ihrem Umzug nach Österreich auch keinen konkreten Anspruch auf Sachleistungen bei vollstationärer Pflege, geschweige denn einen Anspruch auf solche Sachleistungen bei stationärer Pflege im Ausland, und damit keine ihr ausschließlich zugeordnete, gesicherte Rechtsposition, in die eingegriffen worden wäre.
c) Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG Beschluss vom 01.03.2010 - Az. 1 BvR 2584/06 - Juris RdNr. 10 m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Dabei erfolgt eine strengere Prüfung, wenn die Differenzierung personenbezogen und nicht nur verhaltensbezogen erfolgt und wenn sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheitsrechte nachteilig auswirkt (vgl. BVerfGE 99, 367, 388). Außerhalb des so beschriebenen Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Normgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte verschieden zu behandeln; die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (vgl. BVerfGE 97, 271, 291), so dass ein Verstoß erst festgestellt werden kann, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Vor diesem Hintergrund ist die Ruhensregelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für Leistungen der vollstationären Pflege für den Zeitraum des Auslandsaufenthaltes, die nicht an ein bestimmtes, einer Person unabänderlich anhaftendes Merkmal anknüpft, nur am Maßstab des Willkürverbotes zu messen. Insbesondere wird Art. 11 GG nicht tangiert, der die Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland schützt. Dass ein Anspruch auf vollstationäre Pflege i.S.v. § 43 SGB XI während eines nicht nur vorübergehenden Auslandsaufenthalts ruht und damit zwischen Pflegebedürftigen in inländischen Pflegeheimen und in ausländischen Pflegeheimen differenziert wird, ist nicht sachwidrig, sondern sachlich gerechtfertigt.
Das BVerfG hat bereits entschieden, dass es ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik ist, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln und dass Dienst- und Sachleistungen nur im Inland erbracht werden können (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.03.2008 - Az. 1 BvR 96/06 - Juris RdNr. 4 m.w.N.). Als sachlicher Grund für die Leistungsbegrenzung der vollstationären Pflege auf die Bundesrepublik Deutschland sind insbesondere die auf das Inland begrenzten Kontrollmöglichkeiten der Leistungsvoraussetzungen zu nennen, Gründe der Qualitätssicherung hinsichtlich der Einrichtungen und die ansonsten mögliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Pflegeversicherung (vgl. hierzu auch BSG im Vorlagebeschluss zum EuGH vom 22.04.2009 - Az. B 3 P 13/07 R - Juris RdNr. 36 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/5262 S. 110 f.).
4. Auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften hatte die Ehefrau des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte. Grundlage der Beurteilung sind die in diesem Zeitraum - vom 17.09.2001 bis 18.12.2003 - geltenden Vorschriften, insbesondere die Vorschriften des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) in der bis 30.11.2009 geltenden Fassung durch den Vertrag von Nizza (vom 26.02.2001 - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 80) und die EWG-VO Nr. 1408/71 (ABl. Nr. L 28 vom 30.01.1997 S. 4).
Die vom EuGH im Urteil vom 16.07.2009 aufgrund der Vorlage des Senats vorgenommene Auslegung der Gemeinschaftsnormen ist der Entscheidung des Senats zu Grunde zu legen. Denn das Bayerische Landessozialgericht (LSG) ist als gemäß Art. 234 EGV vorlegendes nationales Gericht an die Vorabentscheidung des EuGH gebunden; die Bindung folgt aus der Vorlagepflicht selbst und aus dem Sinn und Zweck der Vorabentscheidung (vgl. hierzu auch BSG vom 06.10.2010 - Az. B 12 KR 20/09 R - SozR 4-2600 § 1 Nr. 5 - Juris RdNr. 24 m.w.N.).
a) Weder Art. 19 noch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b der EWG-VO Nr. 1408/71 verlangen im Fall der Klägerin, dass Sachleistungen von der Pflegekasse oder zu ihren Lasten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
Der EuGH hat zunächst festgehalten, dass gemäß Art. 1 Buchst. a Ziff. i der EWG-VO Nr. 1408/71 als "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" jede Person gilt, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist und dass nach Art. 1 Buchst. f Ziff. i für die Anwendung dieser Verordnung als "Familienangehöriger" u. a. jede Person gilt, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt ist. Demzufolge fallen Versicherte wie der bei der Beklagten versicherte Kläger und seine Ehefrau unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung.
Der EuGH hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass Leistungen des deutschen Pflegeversicherungssystems "Leistungen bei Krankheit" i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a EWG-VO Nr. 1408/71 sind und damit deren Art. 18 bis 36 unterfallen.
Weder Art. 19 noch Art. 22 der EWG-VO Nr. 1408/71 gebieten aber nach dem EuGH-Urteil in den Fällen, in denen der Wohnsitzstaat (hier die Republik Österreich) keine Sachleistungen für das geltend gemachte Risiko vorsieht, dass solche Sachleistungen von dem zuständigen Träger oder zu dessen Lasten außerhalb des zuständigen Staates (hier der Bundesrepublik Deutschland) erbracht werden. Der EuGH hat dargelegt, dass entgegen der klägerischen Auffassung Leistungen der Pflegeversicherung in Gestalt einer Übernahme oder Erstattung der durch die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen entstandenen Kosten eines Pflegeheims, wie sie hier beantragt wurden, unter den Begriff der Sachleistungen im Sinne des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71 fallen (vgl. EuGH-Urteil RdNr. 48 unter Verweis auf Urteil Molenaar vom 05.03.1998 - Az. C-160/96 - RdNr. 6 und 32; EuGH-Urteil vom 8.07 2004, Gaumain-Cerri und Barth, Az. C-502/01 und C-31/02, Slg. 2004, I-6483, RdNr. 26), wobei die genannten Leistungen u. a. die vollstationäre Pflege nach Art. 43 SGB XI umfassen.
b) Im Rahmen der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage hat der EuGH ausgeführt, dass Vorschriften des Primärrechts unter Umständen wie bei der Ehefrau des Klägers einer Regelung wie der des § 34 SGB XI nicht entgegenstehen.
aa) Der EuGH hat ausgeführt, dass Art. 39 EGV im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Denn weder der Kläger noch seine Ehefrau sind Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV.
Die Bedeutung des Arbeitnehmerbegriffs im Gemeinschaftsrecht ist nicht einheitlich, sondern hängt vom jeweiligen Anwendungsbereich ab. Der EuGH hat auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach der Begriff "Arbeitnehmer" in Bezug auf Art. 39 EGV nicht eng auszulegen ist und jeder als "Arbeitnehmer" anzusehen ist, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, sofern die Tätigkeiten nicht einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. EuGH Urteil vom 03.07.1986, Lawrie-Blum, Az. 66/85, Slg. 1986, 2121, RdNr. 16 f.). Außerdem fallen nach der EuGH-Rechtsprechung auch die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art. 39 EGV (vgl. u.a. Urteile des EuGH vom 26.02.1991, Antonissen, Az. C-292/89, Slg. 1991, I-745, RdNr. 12 und 13; Urteil vom 04.06.2009, Vatsouras und Koupatantze, Az. C-22/08 und C-23/08, Slg. 2009, I-0458, RdNr. 36).
Der EuGH hat dargelegt, dass der Kläger zwar vorgetragen hat, er habe sich zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide um eine Tätigkeit in Österreich bemüht. Allerdings hat der EuGH keine Anhaltspunkte gefunden, die dieses Vorbringen stützen würden. Vielmehr sprechen die Angaben des Klägers eher dafür, dass er zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide, als er sich um die Übernahme eines Unternehmens in Österreich bemühte und trotzdem weiter in Deutschland wohnte, nicht von der durch Art. 39 EG gewährleisteten Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Daher findet
Art. 39 EGV keine Anwendung.
bb) Auch Art. 49 EGV ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der EuGH hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr nicht für den Angehörigen eines Mitgliedstaats gelten, der seinen Hauptaufenthalt ständig oder jedenfalls ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nimmt, um dort auf unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (vgl. EuGH mit Verweis auf Urteile vom 5.10.1988, Steymann, Az. 196/87, Slg. 1988, 6159, RdNr. 17; in Bezug auf Pflegeheime vom 17.06.1997, Sodemare u. a., Az. C-70/95, Slg. 1997, I-3395, RdNr. 38). Die Ehefrau des Klägers hat sich aber nach Österreich begeben, um dort ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer. Der EuGH bestätigt damit die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Ergänzend sei erwähnt, dass insoweit auch von dem Ausgang der anhängigen Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Vertragsverletzung vom 30.11.2010 (Az. C-562/10 - ABl. vom 26.02.2011) keine anderweitigen Beurteilungen zu erwarten sind. Denn geltend gemacht wird eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (entspricht dem früheren Art. 49 EGV) für den Bereich der Pflegedienstleistungen bei einem temporären, nicht bei einem zeitlich unbegrenzten Aufenthalt des Pflegebedürftigen im EU-Ausland wegen fehlender Kostenerstattung bzw. Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI.
c) Auch Art. 18 EGV steht der Regelung des § 34 SGB XI nicht entgegen.
Zwar übte die Ehefrau des Klägers, als sie sich nach Österreich begab und dort ihren Aufenthalt nahm, die ihr von Art. 18 Abs. 1 EGV verliehenen Rechte aus. Gemäß Art. 18
Abs. 1 EGV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
Der EuGH hat ausgeführt, dass die Ehefrau des Klägers zwar infolge ihres Umzugs in ein Pflegeheim in Österreich, das nicht nach § 72 SGB XI zugelassen war, hinsichtlich der im SGB XI vorgesehenen Sachleistungen schlechter gestellt war, als wenn sie eine vollstationäre Pflege im Sinne von § 43 SGB XI in einem zugelassenen Pflegeheim in Deutschland beantragt hätte. Allerdings garantiert Art. 18 Abs. 1 EGV einem Versicherten nicht, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist (vgl. dazu EuGH mit Verweis auf Urteile zu Art. 39 EGV vom 19. 03.2002, Hervein u. a., Az. C-393/99 und C-394/99, Slg. 2002, I-2829, RdNr. 51; Urteil vom 09.03.2006, Piatkowski, Az. C-493/04, Slg. 2006, I-2369, RdNr. 34). Vielmehr kann ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die in diesem Bereich zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, je nach Kombination der nationalen Regelungen, die nach der Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar sind, für die betroffene Person Vorteile oder Nachteile haben.
Der EuGH hat dargelegt, dass die ungünstige Situation für die Ehefrau des Klägers infolge ihres Umzugs in ein Pflegeheim in Österreich eher aus der gemäß der VO Nr. 1408/71 vorgenommenen kombinierten Anwendung der deutschen und der österreichischen Rechtsvorschriften zum Risiko der Pflegebedürftigkeit als aus der Regelung des § 34 SGB XI resultiert. Denn falls die österreichische Regelung für Fälle der Pflegebedürftigkeit wie den der Betroffenen Sachleistungen vorgesehen hätte, hätten diese der Betroffenen entsprechend dieser Regelung vom Träger des Wohnorts (Österreich) unabhängig davon erbracht werden müssen, welchen Inhalt insoweit die deutsche Regelung hat; dem Träger des Wohnorts wären dann die Kosten nach Art. 36 dieser Verordnung vom zuständigen Träger (der Beklagten) erstattet worden.
Da die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich die Ausgestaltung ihrer Krankenversicherungssysteme frei bestimmen können, kann eines dieser Systeme aber nach dem Urteil des EuGH nicht allein wegen seiner ungünstigen Auswirkungen als Grund für eine Diskriminierung oder einen Nachteil angesehen werden, wenn es entsprechend den gemäß Art. 42 EGV geschaffenen Koordinierungsmechanismen in Kombination mit dem System des anderen Mitgliedstaats angewandt wird.
5. Weitergehende Ansprüche ergeben sich auch nicht aus bilateralen (Sozialversicherung-) Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere nicht aus dem Abkommen vom 04.10.1995 (BGBl. 1998 II S. 313).
B) Die Kostenentscheidung, die auch die durch die Vorlagen an den EuGH entstandenen außergerichtlichen Kosten betrifft, beruht auf § 193 SGG.
C) Gründe, die Revision zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die europarechtlichen Fragestellungen sind durch das Urteil des EuGH für den Senat bindend geklärt.
Rechtskraft
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