Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
18
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SO 230/09 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 2/13 R
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zum Prüfungsmaßstab bei einer Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung einer Schiedsstelle nach § 80 SGB XII
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruches trotz gegenteiligen Antrags eines Beteiligten an § 77 Abs 2 SGB XII orientiert.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruches trotz gegenteiligen Antrags eines Beteiligten an § 77 Abs 2 SGB XII orientiert.
I. Die Klage der Klägerin wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten ihrer Klage zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache noch um den Zeitpunkt des Inkraftsetzens eines Schiedsstellenspruchs der A. - Sozialhilfe gemäß § 77 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ursprünglich ging der Streit auch um die Höhe der Festsetzung von Vergütungen nach den §§ 75 ff SGB XII für die Werkstätten N. (Töpferei), S. und G. der Beklagten.
Die Klägerin betreibt in B-Stadt drei Werkstätten mit insgesamt sieben Standorten, in denen Menschen mit geistiger Behinderung betreut werden. Dabei umfasst der G. 70 Plätze, die Werkstatt N. 156 Plätze und die Werkstatt S. 304 Plätze.
Die Beteiligten schlossen zuletzt für diese drei Werkstätten seit dem 01.01.2004 geltende Vergütungsvereinbarungen. Im Juli 2007 nahmen die Beteiligten Verhandlungen über neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen auf und schlossen mit Wirkung vom 01.01.2009 neue Leistungsvereinbarungen. Die Vergütungsverhandlungen scheiterten daran, dass die Kalkulationen von Klägerin und Beklagtem teilweise differierten.
Mit Schriftsätzen vom 30.07.2009 bzw. 05.08.2009 beantragten die Beteiligten die Festsetzung der Vergütung durch die A. - Sozialhilfe gemäß ihrer jeweiligen Berechnungen, die Klägerin für die Zeit ab dem 01.02.2009, der Beklagte für die Zeit ab dem 01.08.2009.
Während des Schiedsstellenverfahrens erzielten die Beteiligten eine Einigung hinsichtlich der beim Sachaufwand zu berücksichtigenden Kosten.
Die Schiedsstelle setzte mit Beschluss vom 01.12.2009 ab 01.08.2009 bis 31.01.2010 die Vergütungen kalendertäglich und pro Platz wie folgt fest:
G.:
MP HBG 1 20,11 EUR
MP HBG 2 37,25 EUR
Grundpauschale 9,18 EUR
N.:
MP HBG 1 19,82 EUR
MP HBG 2 38,62 EUR
Grundpauschale 8,88 EUR
S.:
MP HBG 1 19,87 EUR
MP HBG 2 37,52 EUR
Grundpauschale 8,14 EUR
Zur Begründung führte die Schiedsstelle unter anderem aus, die Schiedsstelle habe die Festsetzung nur für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 getroffen, weil nach § 77 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB XII eine Festsetzung der Vergütung vor dem Tag, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen sei, nicht zulässig sei. Die Schiedsstelle führe in ständiger Praxis zunächst einen sogenannten internen Vergleich durch. Dabei überprüfe sie die Posten in der vom Beklagten vorzulegenden prospektiven Kalkulation, die zwischen den Beteiligten strittig seien, an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit sowie daran, ob und inwieweit der in den einzelnen strittigen Kalkulationsposten eingestellte Aufwand notwendig sei, damit der Einrichtungsträger die vereinbarte Leistung erbringen kann.
Mit Schriftsatz vom 29.12.2009 hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben und die auf Aufhebung des Schiedsspruches vom 01.12.2009 und auf Festsetzung der Vergütungen entsprechend dem Antrag der Klägerin im Schiedsstellenverfahren gerichtete Klage damit begründet, dass die Entscheidung der Schiedsstelle vom 01.12.2009 im Hinblick auf den Tag der Inkraftsetzung rechtswidrig sei. Die Verschiebung vom 01.02.2009 auf den 01.08.2009 bedeute Mindereinnahmen von 250.000,00 EUR. Im Übrigen habe die Schiedsstelle materiell rechtsfehlerhaft den so genannten externen Vergleich mit anderen Einrichtungen durchgeführt und im internen Vergleich wirtschaftliche Personalaufwendungen für die Leitung nicht berücksichtigt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 29.12.2009 (Eingang beim LSG am 04.01.2010) ebenfalls Klage gegen den Beschluss der Schiedsstelle vom 01.12.2009 erhoben und beantragt, den Schiedsstellenanspruch aufzuheben, soweit dieser die Grundpauschale für die Werkstatt N. auf 8,08 EUR und die Grundpauschale für die Werkstatt S. auf 7,81 EUR festsetzt. Die Schiedsstelle habe die im externen Vergleich anzusetzenden Obergrenzen verschoben, indem sie eine Kostenanpassung durch den Beklagten mit einbezogen habe. Sie orientiere sich damit am zufälligen Ergebnis der Grundpauschale G ... Dieses sei zustande gekommen, da bestimmte Kostenpositionen von der Größe abhängig seien. Da der G. wesentlich weniger Plätze aufweise, sei es ermessensfehlerhaft, diesen Betrag auf die anderen Betriebe zu übertragen.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 haben die Beteiligten einen Teil-Vergleich abgeschlossen und die Vergütungen ab dem 01.08.2009 klaglos gestellt.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der A. -Sozialhilfe- vom 01.12.2009 aufzuheben, soweit die Vergütung erst ab dem 01.08.2009 und nicht bereits ab dem 01.02.2009 festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage der Klägerin abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des LSG sowie auf die vorgelegten Akten der Schiedsstelle - Sozialhilfe- Bayern verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nach dem Abschluss des Teilvergleichs vom 03.05.2012 ist die Entscheidung der A. vom 19.11.2009 lediglich noch hinsichtlich des Datums ihres Inkraftsetzens streitbefangen. Die insoweit von der Werkstatt für Behinderte erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung der A. vom 19.11.2009 ist nicht zu beanstanden.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (BayLSG, Urteil vom 24.11.2011,
L 8 SO 223/09 KL).
Für die Klage ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Nach § 77 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB XII, 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die Beteiligten wenden sich auch gegen eine solche Entscheidung einer Schiedsstelle, den Beschluss der A. vom 19.11.2009.
Für die vor dem LSG gegen diese Entscheidung der Schiedsstelle erhobene Klage ist das Gericht auch nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG im ersten Rechtszug zuständig.
Die Klage richtet sich - § 77 Abs. 1 S. 5 SGB XII entsprechend - gegen den jeweiligen Vertragspartner der Kläger. Nach § 77 Abs. 1 S. 6 SGB XII war auch vor Klageerhebung keine Nachprüfung der Entscheidung der Schiedsstelle in einem Vorverfahren notwendig. Die Klägerin hat die Anfechtungsklage auch form- und fristgerecht erhoben.
Der angefochtene Beschluss der A. stellt einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Nach § 31 Abs. 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Beschluss der A. vom 19.11.2009 erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsaktes, insbesondere stellen die nach §§ 80, 81 SGB XII zu bildenden Schiedsstellen Behörden im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X dar, die hoheitliche Maßnahmen treffen (BayLSG, aaO, juris-RdNr. 46 m.w.N.).
Die Entscheidungen der Schiedsstellen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar; die statthafte Klageart ist die reine Anfechtungsklage (vgl. BayLSG, aaO, juris-Rdnr. 58; aA: jurisPK-SGB XII (Jaritz/Eicher), 1. Auflage 2010, 20.03.2012, Rdnr. 68: kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage).
2. Die auf die noch streitbefangene Frage des Inkrafttretens beschränkte gerichtliche Überprüfung, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt hat, sie alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat und die Abwägung frei von Einseitigkeiten in einem fairen und willkürfreien Verfahren, inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts, vorgenommen wurde, ergibt, dass im Schiedsstellenspruch vom 01.12.2009 der Zeitpunkt des Inkrafttretens ohne Rechtsfehler auf den 01.08.2009 festgesetzt wurde.
§ 77 Abs. 2 SGB XII bestimmt, dass Festsetzungen der Schiedsstelle zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten (§ 77 Abs. 2 S.1 SGB XII), wobei eine Festsetzung auf einen Zeitpunkt vor dem Tag des Eingangs des Antrags bei der Schiedsstelle unzulässig ist (§ 77 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Der Antrag der Klägerin auf Festsetzung der Vergütung für die Werkstatt für Behinderte GmbH ist am 30.07.2009 bei der Schiedsstelle eingegangen. Es ist daher bei Anwendung der gesetzlichen Regelung und Beachtung des oben dargestellten Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden, dass die Schiedsstelle den Schiedsspruch zum 01.08.2009 in Kraft gesetzt hat.
Der Senat kann der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R) und des BVerwG (Urteil vom 04.08.2006, BVerwGE 126, 295) keinen Rechtssatz entnehmen, der es als allein rechtmäßig erscheinen ließe, den Schiedsspruch zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft zu setzen. Die zitierte Rechtsprechung von BSG und BVerwG befasst sich mit einer gänzlich anderen Fallkonstellation; dort ging es nämlich jeweils um die Frage, ob ein Einrichtungsträger gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Übernahme der Heimkosten in bestimmter Höhe nach § 93 Abs. 2 BSHG bzw. § 75 Abs. 3 SGB XII hat, obwohl zwar Verhandlungen über eine Vergütungsvereinbarungen liefen, aber eine solche Vereinbarung noch nicht in Kraft gesetzt worden war. Das BSG hat auch in jener Fallkonstellation auf den Grundsatz der Weitergeltung bisheriger Regelungen gemäß § 77 Abs. 2 S. 4 SGB XII verwiesen (Vgl. BSG, aaO, juris-RdNr. 29) und weiter - in Übereinstimmung mit der oben dargelegten gesetzlichen Regelung - ausgeführt, dass der Grundsatz der Prospektivität der Vertragsverhandlungen einer rückwirkenden Inkraftsetzung der Vereinbarung nicht entgegensteht. Den Ausführungen des BSG und auch des BVerwG in der Entscheidung, auf die das BSG Bezug nimmt, vermag der Senat allerdings keinen Hinweis darauf zu entnehmen, dass damit der Zeitpunkt des Inkraftsetzens vor Anrufen der Schiedsstelle liegen kann. Ohnehin verfolgt die Rechtssprechung von BSG und BVerwG in diesem Zusammenhang lediglich das Ziel, dem Vorrang der Sozialhilfegewährung auf der Grundlage von Vereinbarungen effektiv Geltung zu verschaffen (vgl. BVerwG, aaO, juris-RdNr. 15). Dieses Prinzip ist aber im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten wegen der Weitergeltung der Vereinbarungen von 2004 gewahrt, so dass für die Schiedsstelle weder die Möglichkeit (im Hinblick auf den Zeitraum vor dem 30.07.2009) noch die Notwendigkeit bestand, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruchs vorzuverlegen.
Das Anfechtungsbegehren der Klägerin hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man mit Stimmen in Rechtsprechung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2007, L 8 SO 136/06) und Literatur (vgl. jurisPK-SGB XII, aaO, RdNrn. 89, 90 zu § 77) der Schiedsstelle die grundsätzliche Möglichkeit einräumen würde, den von ihr festgesetzten Inhalt auf den 6 Wochen nach dem Beginn der Vertragsverhandlungen liegenden Zeitpunkt zurückzudatieren, da es im Hinblick auf die eingangs dargestellte Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass diese den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruches an der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 2 S. 3 SGB XII ausgerichtet hat. Abwägungsfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegen keine Umstände vor, die im konkreten Fall für ein früheres Inkrafttreten gesprochen hätten. Umgekehrt wird die Klägerin durch die Entscheidung der Schiedsstelle schon deshalb nicht unangemessen benachteiligt, weil sie es selbst in der Hand gehabt hätte, die Schiedsstelle sofort nach Ablauf der 6-Wochen-Frist des § 77 Abs. 1 S. 3 SGB XII anzurufen und damit die nunmehr geklagten wirtschaftlichen Nachteile abzuwenden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin mit ihrem nach Rücknahme im Teilvergleich noch verbliebenen Klageantrag.
4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG)
II. Die Klägerin hat die Kosten ihrer Klage zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache noch um den Zeitpunkt des Inkraftsetzens eines Schiedsstellenspruchs der A. - Sozialhilfe gemäß § 77 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ursprünglich ging der Streit auch um die Höhe der Festsetzung von Vergütungen nach den §§ 75 ff SGB XII für die Werkstätten N. (Töpferei), S. und G. der Beklagten.
Die Klägerin betreibt in B-Stadt drei Werkstätten mit insgesamt sieben Standorten, in denen Menschen mit geistiger Behinderung betreut werden. Dabei umfasst der G. 70 Plätze, die Werkstatt N. 156 Plätze und die Werkstatt S. 304 Plätze.
Die Beteiligten schlossen zuletzt für diese drei Werkstätten seit dem 01.01.2004 geltende Vergütungsvereinbarungen. Im Juli 2007 nahmen die Beteiligten Verhandlungen über neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen auf und schlossen mit Wirkung vom 01.01.2009 neue Leistungsvereinbarungen. Die Vergütungsverhandlungen scheiterten daran, dass die Kalkulationen von Klägerin und Beklagtem teilweise differierten.
Mit Schriftsätzen vom 30.07.2009 bzw. 05.08.2009 beantragten die Beteiligten die Festsetzung der Vergütung durch die A. - Sozialhilfe gemäß ihrer jeweiligen Berechnungen, die Klägerin für die Zeit ab dem 01.02.2009, der Beklagte für die Zeit ab dem 01.08.2009.
Während des Schiedsstellenverfahrens erzielten die Beteiligten eine Einigung hinsichtlich der beim Sachaufwand zu berücksichtigenden Kosten.
Die Schiedsstelle setzte mit Beschluss vom 01.12.2009 ab 01.08.2009 bis 31.01.2010 die Vergütungen kalendertäglich und pro Platz wie folgt fest:
G.:
MP HBG 1 20,11 EUR
MP HBG 2 37,25 EUR
Grundpauschale 9,18 EUR
N.:
MP HBG 1 19,82 EUR
MP HBG 2 38,62 EUR
Grundpauschale 8,88 EUR
S.:
MP HBG 1 19,87 EUR
MP HBG 2 37,52 EUR
Grundpauschale 8,14 EUR
Zur Begründung führte die Schiedsstelle unter anderem aus, die Schiedsstelle habe die Festsetzung nur für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 getroffen, weil nach § 77 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB XII eine Festsetzung der Vergütung vor dem Tag, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen sei, nicht zulässig sei. Die Schiedsstelle führe in ständiger Praxis zunächst einen sogenannten internen Vergleich durch. Dabei überprüfe sie die Posten in der vom Beklagten vorzulegenden prospektiven Kalkulation, die zwischen den Beteiligten strittig seien, an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit sowie daran, ob und inwieweit der in den einzelnen strittigen Kalkulationsposten eingestellte Aufwand notwendig sei, damit der Einrichtungsträger die vereinbarte Leistung erbringen kann.
Mit Schriftsatz vom 29.12.2009 hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben und die auf Aufhebung des Schiedsspruches vom 01.12.2009 und auf Festsetzung der Vergütungen entsprechend dem Antrag der Klägerin im Schiedsstellenverfahren gerichtete Klage damit begründet, dass die Entscheidung der Schiedsstelle vom 01.12.2009 im Hinblick auf den Tag der Inkraftsetzung rechtswidrig sei. Die Verschiebung vom 01.02.2009 auf den 01.08.2009 bedeute Mindereinnahmen von 250.000,00 EUR. Im Übrigen habe die Schiedsstelle materiell rechtsfehlerhaft den so genannten externen Vergleich mit anderen Einrichtungen durchgeführt und im internen Vergleich wirtschaftliche Personalaufwendungen für die Leitung nicht berücksichtigt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 29.12.2009 (Eingang beim LSG am 04.01.2010) ebenfalls Klage gegen den Beschluss der Schiedsstelle vom 01.12.2009 erhoben und beantragt, den Schiedsstellenanspruch aufzuheben, soweit dieser die Grundpauschale für die Werkstatt N. auf 8,08 EUR und die Grundpauschale für die Werkstatt S. auf 7,81 EUR festsetzt. Die Schiedsstelle habe die im externen Vergleich anzusetzenden Obergrenzen verschoben, indem sie eine Kostenanpassung durch den Beklagten mit einbezogen habe. Sie orientiere sich damit am zufälligen Ergebnis der Grundpauschale G ... Dieses sei zustande gekommen, da bestimmte Kostenpositionen von der Größe abhängig seien. Da der G. wesentlich weniger Plätze aufweise, sei es ermessensfehlerhaft, diesen Betrag auf die anderen Betriebe zu übertragen.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 haben die Beteiligten einen Teil-Vergleich abgeschlossen und die Vergütungen ab dem 01.08.2009 klaglos gestellt.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der A. -Sozialhilfe- vom 01.12.2009 aufzuheben, soweit die Vergütung erst ab dem 01.08.2009 und nicht bereits ab dem 01.02.2009 festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage der Klägerin abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des LSG sowie auf die vorgelegten Akten der Schiedsstelle - Sozialhilfe- Bayern verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nach dem Abschluss des Teilvergleichs vom 03.05.2012 ist die Entscheidung der A. vom 19.11.2009 lediglich noch hinsichtlich des Datums ihres Inkraftsetzens streitbefangen. Die insoweit von der Werkstatt für Behinderte erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung der A. vom 19.11.2009 ist nicht zu beanstanden.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (BayLSG, Urteil vom 24.11.2011,
L 8 SO 223/09 KL).
Für die Klage ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Nach § 77 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB XII, 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die Beteiligten wenden sich auch gegen eine solche Entscheidung einer Schiedsstelle, den Beschluss der A. vom 19.11.2009.
Für die vor dem LSG gegen diese Entscheidung der Schiedsstelle erhobene Klage ist das Gericht auch nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG im ersten Rechtszug zuständig.
Die Klage richtet sich - § 77 Abs. 1 S. 5 SGB XII entsprechend - gegen den jeweiligen Vertragspartner der Kläger. Nach § 77 Abs. 1 S. 6 SGB XII war auch vor Klageerhebung keine Nachprüfung der Entscheidung der Schiedsstelle in einem Vorverfahren notwendig. Die Klägerin hat die Anfechtungsklage auch form- und fristgerecht erhoben.
Der angefochtene Beschluss der A. stellt einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Nach § 31 Abs. 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Beschluss der A. vom 19.11.2009 erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsaktes, insbesondere stellen die nach §§ 80, 81 SGB XII zu bildenden Schiedsstellen Behörden im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X dar, die hoheitliche Maßnahmen treffen (BayLSG, aaO, juris-RdNr. 46 m.w.N.).
Die Entscheidungen der Schiedsstellen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar; die statthafte Klageart ist die reine Anfechtungsklage (vgl. BayLSG, aaO, juris-Rdnr. 58; aA: jurisPK-SGB XII (Jaritz/Eicher), 1. Auflage 2010, 20.03.2012, Rdnr. 68: kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage).
2. Die auf die noch streitbefangene Frage des Inkrafttretens beschränkte gerichtliche Überprüfung, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt hat, sie alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat und die Abwägung frei von Einseitigkeiten in einem fairen und willkürfreien Verfahren, inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts, vorgenommen wurde, ergibt, dass im Schiedsstellenspruch vom 01.12.2009 der Zeitpunkt des Inkrafttretens ohne Rechtsfehler auf den 01.08.2009 festgesetzt wurde.
§ 77 Abs. 2 SGB XII bestimmt, dass Festsetzungen der Schiedsstelle zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten (§ 77 Abs. 2 S.1 SGB XII), wobei eine Festsetzung auf einen Zeitpunkt vor dem Tag des Eingangs des Antrags bei der Schiedsstelle unzulässig ist (§ 77 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Der Antrag der Klägerin auf Festsetzung der Vergütung für die Werkstatt für Behinderte GmbH ist am 30.07.2009 bei der Schiedsstelle eingegangen. Es ist daher bei Anwendung der gesetzlichen Regelung und Beachtung des oben dargestellten Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden, dass die Schiedsstelle den Schiedsspruch zum 01.08.2009 in Kraft gesetzt hat.
Der Senat kann der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R) und des BVerwG (Urteil vom 04.08.2006, BVerwGE 126, 295) keinen Rechtssatz entnehmen, der es als allein rechtmäßig erscheinen ließe, den Schiedsspruch zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft zu setzen. Die zitierte Rechtsprechung von BSG und BVerwG befasst sich mit einer gänzlich anderen Fallkonstellation; dort ging es nämlich jeweils um die Frage, ob ein Einrichtungsträger gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Übernahme der Heimkosten in bestimmter Höhe nach § 93 Abs. 2 BSHG bzw. § 75 Abs. 3 SGB XII hat, obwohl zwar Verhandlungen über eine Vergütungsvereinbarungen liefen, aber eine solche Vereinbarung noch nicht in Kraft gesetzt worden war. Das BSG hat auch in jener Fallkonstellation auf den Grundsatz der Weitergeltung bisheriger Regelungen gemäß § 77 Abs. 2 S. 4 SGB XII verwiesen (Vgl. BSG, aaO, juris-RdNr. 29) und weiter - in Übereinstimmung mit der oben dargelegten gesetzlichen Regelung - ausgeführt, dass der Grundsatz der Prospektivität der Vertragsverhandlungen einer rückwirkenden Inkraftsetzung der Vereinbarung nicht entgegensteht. Den Ausführungen des BSG und auch des BVerwG in der Entscheidung, auf die das BSG Bezug nimmt, vermag der Senat allerdings keinen Hinweis darauf zu entnehmen, dass damit der Zeitpunkt des Inkraftsetzens vor Anrufen der Schiedsstelle liegen kann. Ohnehin verfolgt die Rechtssprechung von BSG und BVerwG in diesem Zusammenhang lediglich das Ziel, dem Vorrang der Sozialhilfegewährung auf der Grundlage von Vereinbarungen effektiv Geltung zu verschaffen (vgl. BVerwG, aaO, juris-RdNr. 15). Dieses Prinzip ist aber im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten wegen der Weitergeltung der Vereinbarungen von 2004 gewahrt, so dass für die Schiedsstelle weder die Möglichkeit (im Hinblick auf den Zeitraum vor dem 30.07.2009) noch die Notwendigkeit bestand, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruchs vorzuverlegen.
Das Anfechtungsbegehren der Klägerin hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man mit Stimmen in Rechtsprechung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2007, L 8 SO 136/06) und Literatur (vgl. jurisPK-SGB XII, aaO, RdNrn. 89, 90 zu § 77) der Schiedsstelle die grundsätzliche Möglichkeit einräumen würde, den von ihr festgesetzten Inhalt auf den 6 Wochen nach dem Beginn der Vertragsverhandlungen liegenden Zeitpunkt zurückzudatieren, da es im Hinblick auf die eingangs dargestellte Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass diese den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsspruches an der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 2 S. 3 SGB XII ausgerichtet hat. Abwägungsfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegen keine Umstände vor, die im konkreten Fall für ein früheres Inkrafttreten gesprochen hätten. Umgekehrt wird die Klägerin durch die Entscheidung der Schiedsstelle schon deshalb nicht unangemessen benachteiligt, weil sie es selbst in der Hand gehabt hätte, die Schiedsstelle sofort nach Ablauf der 6-Wochen-Frist des § 77 Abs. 1 S. 3 SGB XII anzurufen und damit die nunmehr geklagten wirtschaftlichen Nachteile abzuwenden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin mit ihrem nach Rücknahme im Teilvergleich noch verbliebenen Klageantrag.
4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG)
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