Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 23/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 40/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es ist nicht auf die individuellen Belange des Klägers als wesentliches Kriterium für die Zulassung der Maßnahme und des Trägers der Maßnahme gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. §§ 84, 85 SGB III (in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003) und § 12 der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung (AZWV) durch die Bundesagentur für Arbeit abzustellen, wenn nach § 12 AZWV kein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse vorliegt.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.11.2008 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten.
Der im Juni 1973 geborene Kläger studierte nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife und der Ableistung des Grundwehrdienstes von 1994 bis 1996 an der Universität W. für das Lehramt Sonderschule und Körperbehindertenpädagogik. Anschließend war er als freier Mitarbeiter für die Lebenshilfe W., als Schulbusfahrer, Leiter einer Jugendrollstuhlsportgruppe und pädagogischer Betreuer behinderter Kinder tätig. Von 2003 bis 2006 studierte der Kläger im Studiengang Allgemeine Pädagogik.
Mit Datum vom 13.04.2006 wurde dem Kläger ein Ausbildungsvertrag mit der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. für eine dreijährige Ausbildung zum Physiotherapeuten, beginnend ab 01.10.2006 angeboten. Als Schulgeld wurde der Betrag vom 7.920,00 EUR, zahlbar in 36 Monatsraten von 220,00 EUR vereinbart. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die Regierung (von N.) davon 66,00 EUR für 11 Schulmonate übernehme, sofern kein anderer Kostenträger in Betracht komme. Die Ausbildung an der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie in F. war nicht zur Förderung durch die Beklagte zugelassen, da der Bildungsträger dies nicht beantragt hatte.
Am 11.05.2006 erkundigte sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit P. nach den Möglichkeiten der Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten. Ihm wurde mündlich mitgeteilt, dass eine Förderung wegen § 85 des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) ausgeschlossen sei.
Mit Eingang am 29.09.2006 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit P. schriftlich die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten. Der Kläger bot der Beklagten an, wenn es nicht möglich sei, seine Ausbildung zum Physiotherapeuten ab Ausbildungsbeginn (01.10.2006) zu fördern, so würde er das erste Jahr der Ausbildung selbst finanzieren, der Zeitraum der Förderung durch die Beklagte wäre dann vom 01.10.2007 bis zum Ende der Ausbildung 2009. Das Risiko eines Ausbildungsabbruchs wäre somit aufgehoben.
Mit Schreiben vom 06.10.2006 der Agentur für Arbeit A-Stadt wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sich an den Förderungsvoraussetzungen in seiner Angelegenheit nichts geändert habe. Ein Bescheid wurde jedoch nicht erteilt.
Mit Eingang am 06.08.2007 beantragte der Kläger (erneut) die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten, beginnend im zweiten Ausbildungsjahr ab 01.10.2007. Er habe die am 01.10.2006 begonnene Ausbildung auf eigene Kosten und mit Unterstützung seiner Freundin finanziert. Außer Schulgeldersatz nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz (BaySchFG) habe er bisher keinerlei öffentliche Förderung erhalten.
Mit Schreiben vom 07.08.2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Förderung in seinem Fall weiterhin ausgeschlossen sei.
Am 02.11.2007 legte der Kläger einen Fragebogen zur Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme vor.
Mit Bescheid vom 18.12.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Förderung der beruflichen Weiterbildung ab.
Die individuellen Förderungsvoraussetzungen für die Ausgabe eines Bildungsgutscheines seien nicht erfüllt. Zusätzlich sei die vom Kläger besuchte Maßnahme an sich nicht förderbar. Die Voraussetzungen nach § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III seien nur erfüllt, wenn die Finanzierung bei allen (potenziellen) Förderteilnehmern der Maßnahme gesichert sei. Eine individuelle Eigenfinanzierung eines einzelnen Teilnehmers wie im Fall des Klägers könne nicht zu einer Finanzierungssicherung führen.
Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.01.2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Förderung nicht verkürzbarer Ausbildungen im Rahmen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III habe die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgelegt, dass der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Bestimmung sich auf die zuzulassende bzw. angebotene Bildungsmaßnahme als Ganzes und nicht lediglich auf den einzelnen individuellen Förderfall beziehe. Die Regelung des zuständigen Ministeriums und der übergeordneten Dienststelle binde die Agenturen für Arbeit unmittelbar. Zwar treffe der wesentliche Teil der Widerspruchsbegründung (des Klägers), im Falle der individuellen Eigenfinanzierung des ersten Ausbildungsjahres sei der Gesetzeszweck des § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III erreicht, sicher zu. Es gelte dabei allerdings auch zu bedenken, dass es sich bei den Leistungen zur beruflichen Weiterbildung um Leistungen handele, die in das Ermessen der Agenturen für Arbeit gestellt sei. Die dargestellten Regelungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit würden den genannten Ermessensspielraum ausnutzen. Das Fehlen von Einzelfallgerechtigkeit sei das Risiko aller generalisierenden Regelungen und folglich auch kein Verstoß gegen Ermessenskriterien.
Hiergegen hat der Kläger mit Eingang am 30.01.2008 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Es bestehe sowohl eine Notwendigkeit der Förderung seiner beruflichen Weiterbildung gemäß § 77 SGB III als auch eine gesicherte Finanzierung im Sinne des § 85 Abs. 2 SGB III. Da er das erste Ausbildungsjahr bereits auf eigene Kosten erfolgreich abgeschlossen habe, bestehe die Gefahr einer möglichen Fehlinvestition in seinem Falle nicht.
Mit Urteil vom 27.11.2008 hat das Sozialgericht Landshut die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 06.08.2007 nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die individuellen Förderungsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III seien erfüllt. Wegen des fehlenden Berufsabschlusses des Klägers bestehe die Notwendigkeit einer Weiterbildung. Da die Beklagte dem Kläger keine Alternativen für eine andere Ausbildung vorgeschlagen habe, könne sie sich nicht mehr darauf berufen, dass möglicherweise auch andere Ausbildungsziele in Betracht gekommen wären. Zweifel an der Eignung des Klägers für den von ihm angestrebten Beruf des Physiotherapeuten bestünden nicht. Die Förderung sei auch nicht wegen der dreijährigen Dauer der Ausbildung nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausgeschlossen. Anders als in den bisher obergerichtlich entschiedenen Fällen habe der Kläger das erste Drittel der Maßnahme selbst finanziert. Durch die Verpflichtung der Beklagten, die restlichen zwei Drittel zu finanzieren, sei die Maßnahme insgesamt in der Finanzierung gesichert. Für die theoretischen Überlegungen, dass die Maßnahme insgesamt für sämtliche Teilnehmer von vorn herein bezüglich der Finanzierbarkeit gesichert sein müsse, lasse sich im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit erkennen.
Hiergegen hat die Beklagte mit Eingang am 26.02.2009 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Beklagte hat die Berufung zunächst damit begründet, dass für den Kläger die individuellen Förderungsvoraussetzungen gemäß § 77 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 SGB III nicht erfüllt seien. Ferner sei die Maßnahme, für die der Kläger eine Förderung begehre, nicht zugelassen, so dass § 77 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht erfüllt sei. Bei der Norm des § 85 SGB III handele es sich um Regelungen zur Zulassung von Maßnahmen durch eine fachkundige Stelle. Die Maßnahmezulassung sei durch den Maßnahmeträger bei der Zertifizierungsstelle zu beantragen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Da es sich vorliegend weder um ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse noch um eine besondere individuell ausgerichtete Weiterbildungsmaßnahme, sondern um eine ganz normale Fachschulausbildung handele, bestehe auch kein Anlass für die Beklagte, (ausnahmsweise) eine Zulassung nach § 12 der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) auszusprechen.
Auf ausführlichen Hinweis des Gerichts vom 15.10.2009 hat die Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2010 eingeräumt, dass die individuellen Voraussetzungen für eine Förderung der vom Kläger besuchten Maßnahme nach § 77 Abs.1 Ziffer 1 und 2 SGB III erfüllt seien. Die Beklagte halte aber an ihrer Auffassung fest, dass eine Förderung der Maßnahme nicht in Betracht komme, weil die Maßnahme nicht zugelassen gewesen sei. Eine Zulassung nach § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III sei im vorliegenden Fall nicht in Betracht gekommen, weil die Finanzierung vor Beginn der Maßnahme außerhalb der Arbeitsförderung abgesichert sein müsse. Es genüge nicht, wenn ein einzelner Teilnehmer individuell seine Finanzierung sichere. Es bedürfe nach Auffassung der Beklagten im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einer institutionellen Finanzierungssicherstellung auf der Grundlage allgemeiner Finanzierungsstrukturen.
Ergänzend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass selbst wenn man im konkreten Fall eine Zulassung der Maßnahme unterstellen würde, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erbracht werden könnten, da der Kläger mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (auch nicht gemäß § 124a SGB III) gehabt hätte.
Mit Schreiben vom 08.04.2010 hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass nur das Gesetz, nicht ein Schreiben des BMAS maßgebend sein könne. Mit weiterem Schreiben vom 29.06.2010 er weiter ausgeführt, dass die Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten nahtlos an seine bisherige Ausbildung in der Körperbehindertenpädagogik und seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter der Lebenshilfe anschließen würde. Nachdem Frau MdB I., die sich mit einer entsprechenden Anfrage an das Bundesarbeitsministerium gewandt habe, mitgeteilt habe, dass das Ministerium eine Überarbeitung der genannten Verwaltungsrichtlinie plane, habe der Kläger, finanziert durch seine heutige Ehefrau, die Ausbildung aufgenommen.
Auf Anforderung des Gerichts hat der Bevollmächtigte des Klägers am 30.09.2010 das Abschlusszeugnis der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie F. vom 30.09.2009 vorgelegt; hiernach hat der Kläger mit Abschluss des Schuljahrs 2008/2009 die Berufsfachschule mit der Durchschnittsnote 1,83 (gut) abgeschlossen.
Ferner wurde dem Gericht ein Zeugnis der Praxis für Krankengymnastik und Ergotherapie in A-Stadt vorgelegt, wonach der Kläger dort seit 01.11.2009 als Physiotherapeut arbeite und mit großem Erfolg Patienten jeden Alters behandle.
In einem Erörterungstermin am 13.01.2011 hat der Vertreter der Beklagten auf Befragen des Gerichts (erneut) festgestellt, dass die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers nach § 77 Abs.1 Nr.1 und 2 SGB III i.V.m. § 77 Abs.2 Nr.2 SGB III unstreitig seien.
Mit Schreiben vom 14.01.2011 hat der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass nach Angaben des Leiters der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie F. in der Vergangenheit die Weiterbildung zum Physiotherapeuten von der Arbeitsagentur immer problemlos gefördert worden sei. Ausschließlich wegen der restriktiven Auslegung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III sei der Antrag der Schule auf eine zusätzliche Zertifizierung nach den Vorschriften der §§ 84 ff. SGB III unterblieben.
Das Gesetz verlange ausschließlich, dass bereits zur Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer gesichert sein müsse. Diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers gegeben. Der Kläger sei bereit, vergleichsweise gegen Zahlung eines Betrages von 4.000,00 EUR durch die Beklagte auf alle weiteren Ansprüche auf Ersatz der Weiterbildungskosten zu verzichten.
Mit Schreiben vom 28.04.2011 hat die Beklagte nochmals darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Weiterbildung des Klägers gem. § 12 AZWV nicht vorgelegen habe. Eine individuelle Zulassung der Maßnahme für den Kläger sei aus Sicht der Beklagten daher nicht möglich. Die Berufsausbildung zum Physiotherapeuten sei in der Vergangenheit nur während einer Übergangszeit gemäß § 434 d Abs.1 SGB III gefördert worden. Im Übrigen sei der Antrag des Klägers vom 06.08.2007 erst nach Beginn der Maßnahme gestellt worden. Eine vergleichweise Erledigung des Rechtsstreits sei nicht möglich.
Mit Schreiben vom 10.01.2012 hat der Bevollmächtigte des Klägers u.a. darauf hingewiesen, dass die vom Kläger besuchte Physiotherapieschule in F. aufgrund der verfehlten Auslegung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III durch die Beklagte von der Zulassung nach § 84 SGB III von vornherein ausgeschlossen worden sei. Allein deswegen habe die vom Kläger besuchte Physiotherapieschule in F. keinen Antrag auf Zulassung nach § 84 SGB III gestellt. Wie bereits ausgeführt, dränge sich nach der individuellen Vorgeschichte des Klägers die Ausbildung zum Physiotherapeuten förmlich auf. Die hierzu nötige Flexibilität der Beklagten werde - auch ohne eine formelle Zulassung der vom Kläger besuchten Schule in F. - gezielt über § 12 AZWV ermöglicht.
Mit Schriftsatz vom 09.02.2012 hat die Beklagte u.a. darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob es sich bei der dreijährigen schulischen Ausbildung des Klägers zum Physiotherapeuten überhaupt um eine berufliche Weiterbildung im Sinne von § 77 SGB III gehandelt habe. Bei der Ausbildung an der Berufsfachschule habe es sich um eine schulische Ausbildung und nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme gehandelt.
Gemäß § 12 AZWV gelte bei einer Zulassung im Einzelfall auch der Träger für die einzelne Maßnahme als zugelassen. Der Argumentation des Klägers, dass sich die Weiterbildung zum Physiotherapeuten bei ihm angesichts seiner Vorbildung geradezu aufgedrängt habe, könne nicht gefolgt werden. Angesichts des langjährigen ohne Abschluss beendeten Studiums des Lehramts für Sonderschule und Körperbehindertenpädagogik sowie der allgemeinen Pädagogik und des Engagements des Klägers für behinderte Menschen wäre eher an eine Weiterbildung zum Förderlehrer oder Heilerziehungspfleger zu denken gewesen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der vorliegenden Akten des Bayerischen Landessozialgerichts, des Sozialgerichts Landshut und der Beklagten verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Landshut vom 27.11.2008 ist zulässig.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 77 Abs.1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I S. 2848) können Arbeitnehmer bei Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei Ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist.
2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme zugelassen sind.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III gerichtlich voll überprüfbar sind. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III vor, kann der Arbeitnehmer durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Hinsichtlich des sog. Entschließungsermessens der Beklagten, ob eine Förderung der Weiterbildungsmaßnahme erfolgt, hat die Beklagte einen Ermessensspielraum, wobei aufgrund der engen Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Gewährung von Leistungen nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe abgelehnt werden sollte (vgl. Eicher/Schlegel/B. Schmidt, SGB III, § 77, Rn. 54 bis 55). Kommt die Beklagte zu dem Schluss, dass eine Weiterbildungsmaßnahme angezeigt ist, hat sie anschließend das sog. Auswahlermessen hinsichtlich einer geeigneten Maßnahme auszuüben. Insbesondere ist zu prüfen, ob der nach § 77 Abs. 3 SGB III (a.F.) von der Beklagten auszustellende Bildungsgutschein zeitlich befristet oder auf bestimmte Bildungsziele beschränkt wird. In jedem Fall hat die Beklagte ein Entscheidungs- und Wahlrecht beim Antragsteller zu belassen. Nebenbestimmungen bei der Erteilung des Bildungsgutscheines dürfen nicht dazu führen, dass dieser praktisch wertlos wird (vgl. Eicher/Schlegel/B. Schmidt, a.a.O. Rn. 56).
Die Notwendigkeit der beruflichen Bildungsmaßnahme im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist aufgrund einer Prognose festzustellen, die von der Beklagten vorzunehmen ist. Hierbei ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme muss erwarten lassen, dass die Eingliederungschancen nach Abschluss der Maßnahme erheblich verbessert werden und die begründete Aussicht besteht, dass dem Antragsteller in Folge der Maßnahme ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden kann (vgl. Niesel/Brand-Stratmann, SGB III 5. Aufl., § 77 Rn. 8 und 9 m.w.N.).
Im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht ist hinsichtlich der maßgeblichen Anspruchsnorm § 77 Abs.1 Satz 1 SGB III nur noch die Voraussetzung der Nr. 3 (Zulassung der Maßnahme und des Trägers der Maßnahme für die Förderung) streitig. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.03.2010 und im Erörterungstermin vom 13.01.2011 rechtlich zutreffend eingeräumt, dass die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 und 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 SGB III erfüllt sind. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an.
Ferner ist festzustellen, dass der Kläger dem gesetzlichen Erfordernis einer Antragstellung vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses (§ 324 Abs.1 Satz 1 SGB III) Rechnung getragen hat. Der Kläger hat am 29.09.2006 bei der Agentur für Arbeit P. die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten beantragt. Dass dieser Antrag von der Beklagten nicht verbeschieden wurde, sondern erst auf (erneuten) Antrag des Klägers mit Eingang am 06.08.2007 bei der Geschäftsstelle A-Stadt auf dessen ausdrücklichen Wunsch der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 18.12.2007 erteilt wurde, vermag an der Tatsache der rechtzeitigen Antragstellung des Klägers - entgegen der Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.06.2010 - nichts zu ändern.
Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Beklagte ihr sowohl ihr Entschließungsermessen als auch ihr Auswahlermessen hinsichtlich der Erteilung eines Bildungsgutscheines an den Kläger pflichtgemäß ausgeübt hat (vgl. § 39 Abs. 1 des Ersten Sozialgesetzbuches - SGB I - sowie § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers durch Übernahme der Kosten für die dreijährige Ausbildung des Klägers zum Physiotherapeuten an der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. ab 01.10.2006 insoweit nicht erfüllt sind, dass der Träger der Maßnahme für die Förderung nicht zugelassen war (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III).
Die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III wird u.a. in § 84 SGB III näher konkretisiert. Danach sind für eine Förderung nach § 77 Abs. 1 SGB III nur Träger zugelassen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hat, dass
1. der Träger der Maßnahme die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt,
2. der Träger in der Lage ist, durch eigene Vermittlungsbemühungen die Eingliederung von Teilnehmern zu unterstützen,
3. Aus- und Fortbildung sowie Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erforderliche berufliche Weiterbildung erwarten lassen und
4. der Träger ein System zur Sicherung der Qualität anwendet.
Eine weitere Konkretisierung des Verfahrens über die Zulassung von Trägern erfolgt in der aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 87 SGB III erlassenen Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung - AZWV) vom 16.06.2004 (BGBl I S. 1100). Danach hat der Bildungsträger seine Zulassung für die Förderung durch die Beklagte unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen bei einer anerkannten Zertifizierungsstelle zu beantragen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AZWV).
Die vom Kläger besuchte Bildungseinrichtung hat jedoch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Eine Prüfungsentscheidung der zuständigen Zertifizierungsstelle, die zugunsten der vom Kläger besuchten Berufsfachschule für Physiotherapie in F. eine auf längstens drei Jahre befristete Zulassung hätte erteilen können (§ 10 Abs. 1 sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 AZWV) war daher nicht möglich.
Ausnahmsweise kann bei Vorliegen eines besonderen arbeitsmarktpolitischen
Interesses die innerhalb der Beklagten zuständige Stelle unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Anerkennungsbeirats im Einzelfall die Aufgaben einer fachkundigen Stelle wahrnehmen. Ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn individuell ausgerichtete Weiterbildungsmaßnahmen im Einzelfall gefördert werden sollen (§ 12 AZWV).
Hierbei folgt der Verordnungsgeber (das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit - BMWA) den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 84 SGB III durch das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 mit Wirkung ab 01.01.2003. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes (Bundestags-Drucksache 15/25 vom 15.11.2002, S. 30) wollte der Gesetzgeber im Ausnahmefall die Beklagte als fachkundige Stelle - über das im Regelfall durchzuführende Prüfungsverfahren durch unabhängige Zertifizierungsagenturen hinaus - ermächtigen, im Einzelfall eine Zulassung zu erteilen, um individuell ausgerichtete Bildungsmaßnahmen fördern zu können. Diesen Vorgaben hat der Verordnungsgeber mit der Regelung in § 12 AZWV Rechnung getragen, wobei das BMWA berücksichtigt hat, dass die Kompetenz der Beklagten, im Gegensatz zu der im Regelfall zuständigen Zertifizierungsstelle, selbst eine fachkundige Prüfung über die Zulassung einer Maßnahme (und damit auch des zuständigen Maßnahmeträgers) zu entscheiden, einen Ausnahmefall darstellt, und daher nur bei Vorliegen eines besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses geboten ist.
Mit Urteil vom 18.05.2010 (Az.: B 7 AL 22/09 R) hat das Bundessozialgericht unter anderem festgestellt, dass die Bundesagentur für Arbeit - jedenfalls für die Zeit der in § 15 AZWV normierten Übergangsregelung bis 31.12.2005 - die Aufgaben einer für die Zulassung von Träger und Maßnahmen fachkundigen Stelle im Sinne der §§ 84 und 85 SGB III wahrzunehmen hat. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 84 und 85 SGB III für die Zulassung eines Maßnahmeträgers und einer Maßnahme sei von der Beklagten auch die arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit zu prüfen, hierbei habe die Beklagte einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Eine arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit sei nicht bereits dann zu bejahen, wenn bei insgesamt schlechter Prognose für den Zielberuf im konkreten Einzelfall ein Arbeitsplatz zugesagt sei. Eine solche Betrachtung würde die konkrete Situation eines einzelnen Antragstellers in den Vorgrund schieben und gerade arbeitsmarktpolitische Abwägungen vernachlässigen.
Hieraus folgt für den hier vorliegenden Fall, dass es - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - nicht darauf ankommt, ob aufgrund der individuellen Gegebenheiten beim Kläger im Einzelfall eine Förderung seiner Fortbildung zum Physiotherapeuten angezeigt ist oder nicht. Die individuellen Belange des Klägers sind - wie oben dargelegt - bereits bei der Prüfung des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III hinsichtlich der Notwendigkeit der Weiterbildung des Klägers berücksichtigt worden. Es ist daher nicht auf die individuellen Belange des Klägers als wesentliches Kriterium für die Zulassung der Maßnahme und des Trägers der Maßnahme gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. §§ 84, 85 SGB III abzustellen, da § 12 AZWV ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse voraussetzt.
Vielmehr kommt es auf die allgemeine arbeitsmarktliche Situation für den Beruf des Physiotherapeuten zu Beginn der vom Kläger besuchten Maßnahme im Jahr 2006 an. Nach den dem Senat vorliegenden statistischen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit betrug die Arbeitslosenquote, berechnet auf der Basis der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, im Bereich der Berufsgruppe 852 (Masseure, Krankengymnasten und verwandte Berufe) bundesweit bei Männern im Jahr 2005 10,9 %, im Jahr 2007 9,0 % und im Jahr 2009 7,2 %.
Aufgrund dieser Daten ist zwar ein Rückgang der Arbeitslosenquote in der genannten Berufsgruppe zu konstatieren, insgesamt kann jedoch - auf der Basis einer bei Beginn der Ausbildung des Klägers anzustellenden Prognose über die weitere arbeitsmarktliche Entwicklung - angesichts einer Arbeitslosenquote von 9,0 % im Jahr 2007 ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten nicht festgestellt werden.
Da bereits aufgrund fehlender Antragstellung der vom Kläger besuchten Berufsfachschule und eines fehlenden besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses an der Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten eine Förderung der von ihm besuchten Maßnahme gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 84 SGB III ausgeschlossen ist, ist es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob die dreijährige Weiterbildung an der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. zum Beruf des Physiotherapeuten grundsätzlich als Maßnahme zulassungsfähig wäre oder nicht (vgl. § 85 SGB III).
In Literatur und Rechtsprechung ist insbesondere die Auslegung der Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III umstritten, wonach die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 einer Maßnahme nicht ausgeschlossen ist, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist und eine Verkürzung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 19.06.2008, Az.: L 3 AS 39/07), des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 04.12.2008, Az.: L 9 AS 529/08 ER), des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 03.12.2009, Az.: L 14 AL 315/09 B ER) sowie des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 01.09.2011, Az.: L 1 AL 65/10), verlangt § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III keine institutionelle Sicherung der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres, vielmehr könne die Finanzierung eines Drittels der Maßnahme auch durch eigene Mittel des Teilnehmers gesichert werden. Der oben genannten Rechtsprechung haben sich u.a. Eicher/Schlegel/Urmersbach (SGB III, § 85, Rdnr.74 m.w.N.) und Niesel/Brand/Stratmann (SGB III, 5. Auflage, § 85 Rdnr. 13 m.w.N.) angeschlossen.
In dem vom Hessischen Landessozialgericht mit Urteil vom 01.09.2011 entschiedenen Fall hatte die Beklagte die Förderung der von der dortigen Klägerin begonnenen Ausbildung zur Physiotherapeutin als Maßnahme der Förderung behinderter Menschen am Arbeitsleben (§ 97 SGB III) allein mit der Begründung abgelehnt, es bedürfe einer institutionellen Finanzierungssicherstellung auf der Grundlage allgemeiner Finanzierungsstrukturen, damit die gewünschte Ausbildungsmaßnahme förderbar sei, eine individuelle Eigenfinanzierung durch die Teilnehmerin genüge den Anforderungen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III nicht. Das Gericht hat es jedoch als ausreichend erachtet, dass die Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft ihrer Schwester zur Tragung aller Ausbildungskosten im dritten Ausbildungsjahr vorgelegt hatte. Das Gericht hat insbesondere unter Bezugnahme auf die Bundestagsdrucksache 14/6944, S. 35, dargelegt, dass die Finanzierung durch Leistungen Dritter, aber auch durch eigene Mittel des Teilnehmers erfolgen kann.
Der hier vorliegende Fall weist - im Gegensatz zu den von den oben genannten Landessozialgerichten entschiedenen Fällen - die Besonderheit auf, dass der Kläger selbst (über seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau) das erste Drittel der Ausbildungsmaßnahme selbst finanziert hat und von der Beklagten somit die Finanzierung der restlichen zwei Drittel der Ausbildung begehrt. Es spricht vieles dafür, dass damit dem Gesetzeszweck des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III im vorliegenden Fall Rechnung getragen worden ist, da zur Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert war.
Aus den oben dargelegten Gründen bedurfte es jedoch keiner näheren Prüfung der an die konkrete Weiterbildungsmaßnahme gemäß § 85 SGB III zu stellenden Anforderungen.
Im Ergebnis hat es der Kläger versäumt, sich vor Abschluss des Ausbildungsvertrages mit der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. vom 13.04.2006 bei der Beklagten zu erkundigen, ob der Träger der Maßnahme gemäß § 84 SGB III für eine Förderung durch die Beklagte zugelassen war. Der Kläger hat daher das wirtschaftliche Risiko dafür zu tragen, dass er die Ausbildung am 01.10.2006 bei einem nicht für eine Förderung durch die Beklagte zugelassenen Bildungsträger begonnen hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Landshut vom 27.11.2008 ist somit begründet. Aufgrund der schriftlich vorliegenden Einverständniserklärungen der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten.
Der im Juni 1973 geborene Kläger studierte nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife und der Ableistung des Grundwehrdienstes von 1994 bis 1996 an der Universität W. für das Lehramt Sonderschule und Körperbehindertenpädagogik. Anschließend war er als freier Mitarbeiter für die Lebenshilfe W., als Schulbusfahrer, Leiter einer Jugendrollstuhlsportgruppe und pädagogischer Betreuer behinderter Kinder tätig. Von 2003 bis 2006 studierte der Kläger im Studiengang Allgemeine Pädagogik.
Mit Datum vom 13.04.2006 wurde dem Kläger ein Ausbildungsvertrag mit der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. für eine dreijährige Ausbildung zum Physiotherapeuten, beginnend ab 01.10.2006 angeboten. Als Schulgeld wurde der Betrag vom 7.920,00 EUR, zahlbar in 36 Monatsraten von 220,00 EUR vereinbart. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die Regierung (von N.) davon 66,00 EUR für 11 Schulmonate übernehme, sofern kein anderer Kostenträger in Betracht komme. Die Ausbildung an der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie in F. war nicht zur Förderung durch die Beklagte zugelassen, da der Bildungsträger dies nicht beantragt hatte.
Am 11.05.2006 erkundigte sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit P. nach den Möglichkeiten der Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten. Ihm wurde mündlich mitgeteilt, dass eine Förderung wegen § 85 des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) ausgeschlossen sei.
Mit Eingang am 29.09.2006 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit P. schriftlich die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten. Der Kläger bot der Beklagten an, wenn es nicht möglich sei, seine Ausbildung zum Physiotherapeuten ab Ausbildungsbeginn (01.10.2006) zu fördern, so würde er das erste Jahr der Ausbildung selbst finanzieren, der Zeitraum der Förderung durch die Beklagte wäre dann vom 01.10.2007 bis zum Ende der Ausbildung 2009. Das Risiko eines Ausbildungsabbruchs wäre somit aufgehoben.
Mit Schreiben vom 06.10.2006 der Agentur für Arbeit A-Stadt wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sich an den Förderungsvoraussetzungen in seiner Angelegenheit nichts geändert habe. Ein Bescheid wurde jedoch nicht erteilt.
Mit Eingang am 06.08.2007 beantragte der Kläger (erneut) die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten, beginnend im zweiten Ausbildungsjahr ab 01.10.2007. Er habe die am 01.10.2006 begonnene Ausbildung auf eigene Kosten und mit Unterstützung seiner Freundin finanziert. Außer Schulgeldersatz nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz (BaySchFG) habe er bisher keinerlei öffentliche Förderung erhalten.
Mit Schreiben vom 07.08.2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Förderung in seinem Fall weiterhin ausgeschlossen sei.
Am 02.11.2007 legte der Kläger einen Fragebogen zur Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme vor.
Mit Bescheid vom 18.12.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Förderung der beruflichen Weiterbildung ab.
Die individuellen Förderungsvoraussetzungen für die Ausgabe eines Bildungsgutscheines seien nicht erfüllt. Zusätzlich sei die vom Kläger besuchte Maßnahme an sich nicht förderbar. Die Voraussetzungen nach § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III seien nur erfüllt, wenn die Finanzierung bei allen (potenziellen) Förderteilnehmern der Maßnahme gesichert sei. Eine individuelle Eigenfinanzierung eines einzelnen Teilnehmers wie im Fall des Klägers könne nicht zu einer Finanzierungssicherung führen.
Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.01.2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Förderung nicht verkürzbarer Ausbildungen im Rahmen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III habe die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgelegt, dass der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Bestimmung sich auf die zuzulassende bzw. angebotene Bildungsmaßnahme als Ganzes und nicht lediglich auf den einzelnen individuellen Förderfall beziehe. Die Regelung des zuständigen Ministeriums und der übergeordneten Dienststelle binde die Agenturen für Arbeit unmittelbar. Zwar treffe der wesentliche Teil der Widerspruchsbegründung (des Klägers), im Falle der individuellen Eigenfinanzierung des ersten Ausbildungsjahres sei der Gesetzeszweck des § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III erreicht, sicher zu. Es gelte dabei allerdings auch zu bedenken, dass es sich bei den Leistungen zur beruflichen Weiterbildung um Leistungen handele, die in das Ermessen der Agenturen für Arbeit gestellt sei. Die dargestellten Regelungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit würden den genannten Ermessensspielraum ausnutzen. Das Fehlen von Einzelfallgerechtigkeit sei das Risiko aller generalisierenden Regelungen und folglich auch kein Verstoß gegen Ermessenskriterien.
Hiergegen hat der Kläger mit Eingang am 30.01.2008 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Es bestehe sowohl eine Notwendigkeit der Förderung seiner beruflichen Weiterbildung gemäß § 77 SGB III als auch eine gesicherte Finanzierung im Sinne des § 85 Abs. 2 SGB III. Da er das erste Ausbildungsjahr bereits auf eigene Kosten erfolgreich abgeschlossen habe, bestehe die Gefahr einer möglichen Fehlinvestition in seinem Falle nicht.
Mit Urteil vom 27.11.2008 hat das Sozialgericht Landshut die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 06.08.2007 nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die individuellen Förderungsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III seien erfüllt. Wegen des fehlenden Berufsabschlusses des Klägers bestehe die Notwendigkeit einer Weiterbildung. Da die Beklagte dem Kläger keine Alternativen für eine andere Ausbildung vorgeschlagen habe, könne sie sich nicht mehr darauf berufen, dass möglicherweise auch andere Ausbildungsziele in Betracht gekommen wären. Zweifel an der Eignung des Klägers für den von ihm angestrebten Beruf des Physiotherapeuten bestünden nicht. Die Förderung sei auch nicht wegen der dreijährigen Dauer der Ausbildung nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausgeschlossen. Anders als in den bisher obergerichtlich entschiedenen Fällen habe der Kläger das erste Drittel der Maßnahme selbst finanziert. Durch die Verpflichtung der Beklagten, die restlichen zwei Drittel zu finanzieren, sei die Maßnahme insgesamt in der Finanzierung gesichert. Für die theoretischen Überlegungen, dass die Maßnahme insgesamt für sämtliche Teilnehmer von vorn herein bezüglich der Finanzierbarkeit gesichert sein müsse, lasse sich im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit erkennen.
Hiergegen hat die Beklagte mit Eingang am 26.02.2009 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Beklagte hat die Berufung zunächst damit begründet, dass für den Kläger die individuellen Förderungsvoraussetzungen gemäß § 77 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 SGB III nicht erfüllt seien. Ferner sei die Maßnahme, für die der Kläger eine Förderung begehre, nicht zugelassen, so dass § 77 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht erfüllt sei. Bei der Norm des § 85 SGB III handele es sich um Regelungen zur Zulassung von Maßnahmen durch eine fachkundige Stelle. Die Maßnahmezulassung sei durch den Maßnahmeträger bei der Zertifizierungsstelle zu beantragen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Da es sich vorliegend weder um ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse noch um eine besondere individuell ausgerichtete Weiterbildungsmaßnahme, sondern um eine ganz normale Fachschulausbildung handele, bestehe auch kein Anlass für die Beklagte, (ausnahmsweise) eine Zulassung nach § 12 der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) auszusprechen.
Auf ausführlichen Hinweis des Gerichts vom 15.10.2009 hat die Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2010 eingeräumt, dass die individuellen Voraussetzungen für eine Förderung der vom Kläger besuchten Maßnahme nach § 77 Abs.1 Ziffer 1 und 2 SGB III erfüllt seien. Die Beklagte halte aber an ihrer Auffassung fest, dass eine Förderung der Maßnahme nicht in Betracht komme, weil die Maßnahme nicht zugelassen gewesen sei. Eine Zulassung nach § 85 Abs.2 Satz 3 SGB III sei im vorliegenden Fall nicht in Betracht gekommen, weil die Finanzierung vor Beginn der Maßnahme außerhalb der Arbeitsförderung abgesichert sein müsse. Es genüge nicht, wenn ein einzelner Teilnehmer individuell seine Finanzierung sichere. Es bedürfe nach Auffassung der Beklagten im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einer institutionellen Finanzierungssicherstellung auf der Grundlage allgemeiner Finanzierungsstrukturen.
Ergänzend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass selbst wenn man im konkreten Fall eine Zulassung der Maßnahme unterstellen würde, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erbracht werden könnten, da der Kläger mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (auch nicht gemäß § 124a SGB III) gehabt hätte.
Mit Schreiben vom 08.04.2010 hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass nur das Gesetz, nicht ein Schreiben des BMAS maßgebend sein könne. Mit weiterem Schreiben vom 29.06.2010 er weiter ausgeführt, dass die Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten nahtlos an seine bisherige Ausbildung in der Körperbehindertenpädagogik und seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter der Lebenshilfe anschließen würde. Nachdem Frau MdB I., die sich mit einer entsprechenden Anfrage an das Bundesarbeitsministerium gewandt habe, mitgeteilt habe, dass das Ministerium eine Überarbeitung der genannten Verwaltungsrichtlinie plane, habe der Kläger, finanziert durch seine heutige Ehefrau, die Ausbildung aufgenommen.
Auf Anforderung des Gerichts hat der Bevollmächtigte des Klägers am 30.09.2010 das Abschlusszeugnis der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie F. vom 30.09.2009 vorgelegt; hiernach hat der Kläger mit Abschluss des Schuljahrs 2008/2009 die Berufsfachschule mit der Durchschnittsnote 1,83 (gut) abgeschlossen.
Ferner wurde dem Gericht ein Zeugnis der Praxis für Krankengymnastik und Ergotherapie in A-Stadt vorgelegt, wonach der Kläger dort seit 01.11.2009 als Physiotherapeut arbeite und mit großem Erfolg Patienten jeden Alters behandle.
In einem Erörterungstermin am 13.01.2011 hat der Vertreter der Beklagten auf Befragen des Gerichts (erneut) festgestellt, dass die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers nach § 77 Abs.1 Nr.1 und 2 SGB III i.V.m. § 77 Abs.2 Nr.2 SGB III unstreitig seien.
Mit Schreiben vom 14.01.2011 hat der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass nach Angaben des Leiters der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie F. in der Vergangenheit die Weiterbildung zum Physiotherapeuten von der Arbeitsagentur immer problemlos gefördert worden sei. Ausschließlich wegen der restriktiven Auslegung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III sei der Antrag der Schule auf eine zusätzliche Zertifizierung nach den Vorschriften der §§ 84 ff. SGB III unterblieben.
Das Gesetz verlange ausschließlich, dass bereits zur Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer gesichert sein müsse. Diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers gegeben. Der Kläger sei bereit, vergleichsweise gegen Zahlung eines Betrages von 4.000,00 EUR durch die Beklagte auf alle weiteren Ansprüche auf Ersatz der Weiterbildungskosten zu verzichten.
Mit Schreiben vom 28.04.2011 hat die Beklagte nochmals darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Weiterbildung des Klägers gem. § 12 AZWV nicht vorgelegen habe. Eine individuelle Zulassung der Maßnahme für den Kläger sei aus Sicht der Beklagten daher nicht möglich. Die Berufsausbildung zum Physiotherapeuten sei in der Vergangenheit nur während einer Übergangszeit gemäß § 434 d Abs.1 SGB III gefördert worden. Im Übrigen sei der Antrag des Klägers vom 06.08.2007 erst nach Beginn der Maßnahme gestellt worden. Eine vergleichweise Erledigung des Rechtsstreits sei nicht möglich.
Mit Schreiben vom 10.01.2012 hat der Bevollmächtigte des Klägers u.a. darauf hingewiesen, dass die vom Kläger besuchte Physiotherapieschule in F. aufgrund der verfehlten Auslegung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III durch die Beklagte von der Zulassung nach § 84 SGB III von vornherein ausgeschlossen worden sei. Allein deswegen habe die vom Kläger besuchte Physiotherapieschule in F. keinen Antrag auf Zulassung nach § 84 SGB III gestellt. Wie bereits ausgeführt, dränge sich nach der individuellen Vorgeschichte des Klägers die Ausbildung zum Physiotherapeuten förmlich auf. Die hierzu nötige Flexibilität der Beklagten werde - auch ohne eine formelle Zulassung der vom Kläger besuchten Schule in F. - gezielt über § 12 AZWV ermöglicht.
Mit Schriftsatz vom 09.02.2012 hat die Beklagte u.a. darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob es sich bei der dreijährigen schulischen Ausbildung des Klägers zum Physiotherapeuten überhaupt um eine berufliche Weiterbildung im Sinne von § 77 SGB III gehandelt habe. Bei der Ausbildung an der Berufsfachschule habe es sich um eine schulische Ausbildung und nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme gehandelt.
Gemäß § 12 AZWV gelte bei einer Zulassung im Einzelfall auch der Träger für die einzelne Maßnahme als zugelassen. Der Argumentation des Klägers, dass sich die Weiterbildung zum Physiotherapeuten bei ihm angesichts seiner Vorbildung geradezu aufgedrängt habe, könne nicht gefolgt werden. Angesichts des langjährigen ohne Abschluss beendeten Studiums des Lehramts für Sonderschule und Körperbehindertenpädagogik sowie der allgemeinen Pädagogik und des Engagements des Klägers für behinderte Menschen wäre eher an eine Weiterbildung zum Förderlehrer oder Heilerziehungspfleger zu denken gewesen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der vorliegenden Akten des Bayerischen Landessozialgerichts, des Sozialgerichts Landshut und der Beklagten verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Landshut vom 27.11.2008 ist zulässig.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 77 Abs.1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I S. 2848) können Arbeitnehmer bei Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei Ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist.
2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme zugelassen sind.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III gerichtlich voll überprüfbar sind. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III vor, kann der Arbeitnehmer durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Hinsichtlich des sog. Entschließungsermessens der Beklagten, ob eine Förderung der Weiterbildungsmaßnahme erfolgt, hat die Beklagte einen Ermessensspielraum, wobei aufgrund der engen Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Gewährung von Leistungen nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe abgelehnt werden sollte (vgl. Eicher/Schlegel/B. Schmidt, SGB III, § 77, Rn. 54 bis 55). Kommt die Beklagte zu dem Schluss, dass eine Weiterbildungsmaßnahme angezeigt ist, hat sie anschließend das sog. Auswahlermessen hinsichtlich einer geeigneten Maßnahme auszuüben. Insbesondere ist zu prüfen, ob der nach § 77 Abs. 3 SGB III (a.F.) von der Beklagten auszustellende Bildungsgutschein zeitlich befristet oder auf bestimmte Bildungsziele beschränkt wird. In jedem Fall hat die Beklagte ein Entscheidungs- und Wahlrecht beim Antragsteller zu belassen. Nebenbestimmungen bei der Erteilung des Bildungsgutscheines dürfen nicht dazu führen, dass dieser praktisch wertlos wird (vgl. Eicher/Schlegel/B. Schmidt, a.a.O. Rn. 56).
Die Notwendigkeit der beruflichen Bildungsmaßnahme im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist aufgrund einer Prognose festzustellen, die von der Beklagten vorzunehmen ist. Hierbei ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme muss erwarten lassen, dass die Eingliederungschancen nach Abschluss der Maßnahme erheblich verbessert werden und die begründete Aussicht besteht, dass dem Antragsteller in Folge der Maßnahme ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden kann (vgl. Niesel/Brand-Stratmann, SGB III 5. Aufl., § 77 Rn. 8 und 9 m.w.N.).
Im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht ist hinsichtlich der maßgeblichen Anspruchsnorm § 77 Abs.1 Satz 1 SGB III nur noch die Voraussetzung der Nr. 3 (Zulassung der Maßnahme und des Trägers der Maßnahme für die Förderung) streitig. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.03.2010 und im Erörterungstermin vom 13.01.2011 rechtlich zutreffend eingeräumt, dass die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 und 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 SGB III erfüllt sind. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an.
Ferner ist festzustellen, dass der Kläger dem gesetzlichen Erfordernis einer Antragstellung vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses (§ 324 Abs.1 Satz 1 SGB III) Rechnung getragen hat. Der Kläger hat am 29.09.2006 bei der Agentur für Arbeit P. die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zum Physiotherapeuten beantragt. Dass dieser Antrag von der Beklagten nicht verbeschieden wurde, sondern erst auf (erneuten) Antrag des Klägers mit Eingang am 06.08.2007 bei der Geschäftsstelle A-Stadt auf dessen ausdrücklichen Wunsch der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 18.12.2007 erteilt wurde, vermag an der Tatsache der rechtzeitigen Antragstellung des Klägers - entgegen der Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.06.2010 - nichts zu ändern.
Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Beklagte ihr sowohl ihr Entschließungsermessen als auch ihr Auswahlermessen hinsichtlich der Erteilung eines Bildungsgutscheines an den Kläger pflichtgemäß ausgeübt hat (vgl. § 39 Abs. 1 des Ersten Sozialgesetzbuches - SGB I - sowie § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers durch Übernahme der Kosten für die dreijährige Ausbildung des Klägers zum Physiotherapeuten an der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. ab 01.10.2006 insoweit nicht erfüllt sind, dass der Träger der Maßnahme für die Förderung nicht zugelassen war (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III).
Die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III wird u.a. in § 84 SGB III näher konkretisiert. Danach sind für eine Förderung nach § 77 Abs. 1 SGB III nur Träger zugelassen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hat, dass
1. der Träger der Maßnahme die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt,
2. der Träger in der Lage ist, durch eigene Vermittlungsbemühungen die Eingliederung von Teilnehmern zu unterstützen,
3. Aus- und Fortbildung sowie Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erforderliche berufliche Weiterbildung erwarten lassen und
4. der Träger ein System zur Sicherung der Qualität anwendet.
Eine weitere Konkretisierung des Verfahrens über die Zulassung von Trägern erfolgt in der aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 87 SGB III erlassenen Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung - AZWV) vom 16.06.2004 (BGBl I S. 1100). Danach hat der Bildungsträger seine Zulassung für die Förderung durch die Beklagte unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen bei einer anerkannten Zertifizierungsstelle zu beantragen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AZWV).
Die vom Kläger besuchte Bildungseinrichtung hat jedoch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Eine Prüfungsentscheidung der zuständigen Zertifizierungsstelle, die zugunsten der vom Kläger besuchten Berufsfachschule für Physiotherapie in F. eine auf längstens drei Jahre befristete Zulassung hätte erteilen können (§ 10 Abs. 1 sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 AZWV) war daher nicht möglich.
Ausnahmsweise kann bei Vorliegen eines besonderen arbeitsmarktpolitischen
Interesses die innerhalb der Beklagten zuständige Stelle unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Anerkennungsbeirats im Einzelfall die Aufgaben einer fachkundigen Stelle wahrnehmen. Ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn individuell ausgerichtete Weiterbildungsmaßnahmen im Einzelfall gefördert werden sollen (§ 12 AZWV).
Hierbei folgt der Verordnungsgeber (das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit - BMWA) den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 84 SGB III durch das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 mit Wirkung ab 01.01.2003. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes (Bundestags-Drucksache 15/25 vom 15.11.2002, S. 30) wollte der Gesetzgeber im Ausnahmefall die Beklagte als fachkundige Stelle - über das im Regelfall durchzuführende Prüfungsverfahren durch unabhängige Zertifizierungsagenturen hinaus - ermächtigen, im Einzelfall eine Zulassung zu erteilen, um individuell ausgerichtete Bildungsmaßnahmen fördern zu können. Diesen Vorgaben hat der Verordnungsgeber mit der Regelung in § 12 AZWV Rechnung getragen, wobei das BMWA berücksichtigt hat, dass die Kompetenz der Beklagten, im Gegensatz zu der im Regelfall zuständigen Zertifizierungsstelle, selbst eine fachkundige Prüfung über die Zulassung einer Maßnahme (und damit auch des zuständigen Maßnahmeträgers) zu entscheiden, einen Ausnahmefall darstellt, und daher nur bei Vorliegen eines besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses geboten ist.
Mit Urteil vom 18.05.2010 (Az.: B 7 AL 22/09 R) hat das Bundessozialgericht unter anderem festgestellt, dass die Bundesagentur für Arbeit - jedenfalls für die Zeit der in § 15 AZWV normierten Übergangsregelung bis 31.12.2005 - die Aufgaben einer für die Zulassung von Träger und Maßnahmen fachkundigen Stelle im Sinne der §§ 84 und 85 SGB III wahrzunehmen hat. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 84 und 85 SGB III für die Zulassung eines Maßnahmeträgers und einer Maßnahme sei von der Beklagten auch die arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit zu prüfen, hierbei habe die Beklagte einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Eine arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit sei nicht bereits dann zu bejahen, wenn bei insgesamt schlechter Prognose für den Zielberuf im konkreten Einzelfall ein Arbeitsplatz zugesagt sei. Eine solche Betrachtung würde die konkrete Situation eines einzelnen Antragstellers in den Vorgrund schieben und gerade arbeitsmarktpolitische Abwägungen vernachlässigen.
Hieraus folgt für den hier vorliegenden Fall, dass es - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - nicht darauf ankommt, ob aufgrund der individuellen Gegebenheiten beim Kläger im Einzelfall eine Förderung seiner Fortbildung zum Physiotherapeuten angezeigt ist oder nicht. Die individuellen Belange des Klägers sind - wie oben dargelegt - bereits bei der Prüfung des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III hinsichtlich der Notwendigkeit der Weiterbildung des Klägers berücksichtigt worden. Es ist daher nicht auf die individuellen Belange des Klägers als wesentliches Kriterium für die Zulassung der Maßnahme und des Trägers der Maßnahme gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. §§ 84, 85 SGB III abzustellen, da § 12 AZWV ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse voraussetzt.
Vielmehr kommt es auf die allgemeine arbeitsmarktliche Situation für den Beruf des Physiotherapeuten zu Beginn der vom Kläger besuchten Maßnahme im Jahr 2006 an. Nach den dem Senat vorliegenden statistischen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit betrug die Arbeitslosenquote, berechnet auf der Basis der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, im Bereich der Berufsgruppe 852 (Masseure, Krankengymnasten und verwandte Berufe) bundesweit bei Männern im Jahr 2005 10,9 %, im Jahr 2007 9,0 % und im Jahr 2009 7,2 %.
Aufgrund dieser Daten ist zwar ein Rückgang der Arbeitslosenquote in der genannten Berufsgruppe zu konstatieren, insgesamt kann jedoch - auf der Basis einer bei Beginn der Ausbildung des Klägers anzustellenden Prognose über die weitere arbeitsmarktliche Entwicklung - angesichts einer Arbeitslosenquote von 9,0 % im Jahr 2007 ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten nicht festgestellt werden.
Da bereits aufgrund fehlender Antragstellung der vom Kläger besuchten Berufsfachschule und eines fehlenden besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses an der Weiterbildung des Klägers zum Physiotherapeuten eine Förderung der von ihm besuchten Maßnahme gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 84 SGB III ausgeschlossen ist, ist es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob die dreijährige Weiterbildung an der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. zum Beruf des Physiotherapeuten grundsätzlich als Maßnahme zulassungsfähig wäre oder nicht (vgl. § 85 SGB III).
In Literatur und Rechtsprechung ist insbesondere die Auslegung der Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III umstritten, wonach die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu 2/3 einer Maßnahme nicht ausgeschlossen ist, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist und eine Verkürzung um mindestens 1/3 der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 19.06.2008, Az.: L 3 AS 39/07), des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 04.12.2008, Az.: L 9 AS 529/08 ER), des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 03.12.2009, Az.: L 14 AL 315/09 B ER) sowie des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 01.09.2011, Az.: L 1 AL 65/10), verlangt § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III keine institutionelle Sicherung der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres, vielmehr könne die Finanzierung eines Drittels der Maßnahme auch durch eigene Mittel des Teilnehmers gesichert werden. Der oben genannten Rechtsprechung haben sich u.a. Eicher/Schlegel/Urmersbach (SGB III, § 85, Rdnr.74 m.w.N.) und Niesel/Brand/Stratmann (SGB III, 5. Auflage, § 85 Rdnr. 13 m.w.N.) angeschlossen.
In dem vom Hessischen Landessozialgericht mit Urteil vom 01.09.2011 entschiedenen Fall hatte die Beklagte die Förderung der von der dortigen Klägerin begonnenen Ausbildung zur Physiotherapeutin als Maßnahme der Förderung behinderter Menschen am Arbeitsleben (§ 97 SGB III) allein mit der Begründung abgelehnt, es bedürfe einer institutionellen Finanzierungssicherstellung auf der Grundlage allgemeiner Finanzierungsstrukturen, damit die gewünschte Ausbildungsmaßnahme förderbar sei, eine individuelle Eigenfinanzierung durch die Teilnehmerin genüge den Anforderungen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III nicht. Das Gericht hat es jedoch als ausreichend erachtet, dass die Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft ihrer Schwester zur Tragung aller Ausbildungskosten im dritten Ausbildungsjahr vorgelegt hatte. Das Gericht hat insbesondere unter Bezugnahme auf die Bundestagsdrucksache 14/6944, S. 35, dargelegt, dass die Finanzierung durch Leistungen Dritter, aber auch durch eigene Mittel des Teilnehmers erfolgen kann.
Der hier vorliegende Fall weist - im Gegensatz zu den von den oben genannten Landessozialgerichten entschiedenen Fällen - die Besonderheit auf, dass der Kläger selbst (über seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau) das erste Drittel der Ausbildungsmaßnahme selbst finanziert hat und von der Beklagten somit die Finanzierung der restlichen zwei Drittel der Ausbildung begehrt. Es spricht vieles dafür, dass damit dem Gesetzeszweck des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III im vorliegenden Fall Rechnung getragen worden ist, da zur Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert war.
Aus den oben dargelegten Gründen bedurfte es jedoch keiner näheren Prüfung der an die konkrete Weiterbildungsmaßnahme gemäß § 85 SGB III zu stellenden Anforderungen.
Im Ergebnis hat es der Kläger versäumt, sich vor Abschluss des Ausbildungsvertrages mit der Berufsfachschule für Physiotherapie in F. vom 13.04.2006 bei der Beklagten zu erkundigen, ob der Träger der Maßnahme gemäß § 84 SGB III für eine Förderung durch die Beklagte zugelassen war. Der Kläger hat daher das wirtschaftliche Risiko dafür zu tragen, dass er die Ausbildung am 01.10.2006 bei einem nicht für eine Förderung durch die Beklagte zugelassenen Bildungsträger begonnen hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Landshut vom 27.11.2008 ist somit begründet. Aufgrund der schriftlich vorliegenden Einverständniserklärungen der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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