L 4 KR 310/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 108/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 310/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 14/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Nürnberg vom 28. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Forderung der von der Beklagten mit Bescheid vom 07.06.2010 geltend gemachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Versicherten P. B. für den Zeitraum 09.01.2006 bis 30.01.2006 in der Gesamthöhe von 244,48 EUR.

Der bei der Beklagten und der Beigeladenen versicherte P. B. bezog von der Klägerin ab 13.12.2005 Arbeitslosengeld. Diese hob mit Bescheid vom 16.02.2006 gegenüber dem Versicherten die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 09.01.2006 bis 30.01.2006 in Höhe von 763,18 EUR auf, da für diesen Zeitraum rückwirkend Übergangsgeld von der deutschen Rentenversicherung Rheinland bezahlt worden war. Von der IKK Nordrhein forderte die Klägerin mit Schreiben vom 16.02.2006 die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für diese Zeit in Höhe von 244,48 EUR zurück, da nach ihren Feststellungen der Versicherte bei der Krankenkasse nochmals versichert war. Entsprechend dem gemeinsamen Rundschreiben vom 20.11.1997 habe die Klägerin den Betrag im Datenverarbeitungsverfahren verrechnet. Dem Versicherten wurde mitgeteilt, dass nach Auskunft der deutschen Rentenversicherung Rheinland das Übergangsgeld bereits voll ausgezahlt worden sei, so dass kein Ersatzanspruch mehr geltend gemacht werden konnte. Ab 07.02.2006 wurde erneut Arbeitslosengeld geleistet. Eine Rückzahlung der Leistung durch den Versicherten kann der vorgelegten Akte der Klägerin nicht entnommen werden.

Die Beklagte machte im Rahmen der Beitragsüberwachung nach § 251 Abs. 5 SGB V durch Bescheid vom 07.06.2010 die von der Klägerin im IT-Verfahren zurückgebuchten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Versicherte u.a. P. B. geltend.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI seien Personen, die in der Zeit für die sie Leistungen nach dem SGB III beziehen, versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung. Dies gelte auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt habe, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Wenn einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Leistungsbezieher Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt werde, habe die Bundesagentur für Arbeit gegen den Rentenversicherungsträger nach § 335 Abs. 2 SGB III Ersatzanspruch auch bezüglich der Beiträge, wenn und soweit wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Rentenversicherungsträger besteht. Nach Auffassung der AOK, handle es sich bei § 335 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 SGB III um eine Regelung, die ausschließlich die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aufgrund des Leistungsbezugs nach dem SGB III bei der rückwirkenden Zubilligung von Rente oder Übergangsgeld regelt. Eine Verrechnung der Beiträge nach § 335 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 SGB III komme nicht in Frage, da die Versicherungspflicht der Bezieher einer Leistung nach dem SGB III vorrangig vor der Versicherungspflicht der Bezieher einer Rente (§ 5 Abs. 8 SGB V) bzw. dem Fortbestehen der Versicherung wegen Bezugs von Übergangsgeld (§ 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) ist. Damit fehle es an dem geforderten weiteren Krankenversicherungsverhältnis. In einer Entscheidung zur früheren Bestimmung des § 157 Abs. 4 AFG (BSG Urteil vom 31.10.1991, Az.: 7 RAr 46/90) sei das BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bundesagentur sich hinsichtlich ihres Anspruchs auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge ausschließlich an den Rentenversicherungsträger und nicht auch an den Leistungsbezieher zu halten hat. Die Bestimmung des § 157 Abs. 4 AFG unterscheide sich von § 335 Abs. 2 SGB III im Wesentlichen dadurch, dass die Leistungsbewilligung wegen der Gewährung der Rente bzw. des Übergangsgeldes rückwirkend aufgehoben worden sein musste. Nicht geteilt werde die Auffassung, dass aus der Nichtanwendbarkeit des § 335 Abs. 2 SGB III eine Erstattungspflicht der Krankenkasse nach § 335 Abs. 1 SGB III gegeben sei. Voraussetzung hierfür wäre das Bestehen eines weiteren Krankenversicherungsverhältnisses und dies fehle in den betroffenen Fällen. Die Zahlung von Beiträgen habe der Gesetzgeber dadurch ausschließen wollen, dass der Bundesagentur für Arbeit ein Erstattungsanspruch auf die Beiträge aus dem nachrangigen Versicherungsverhältnis eingeräumt wurde. Da in der Praxis diese Beiträge nur durch den Rentenversicherungsträger beziehungsweise Rehabilitationsträger beziffert werden können, sei die Abwicklung zwischen diesen und der Bundesagentur in § 335 Abs. 2 SGB III normiert. Entsprechend habe der Gesetzgeber die Renten- bzw. Rehabilitationsträger von der Verpflichtung zur Beitragsentrichtung freigestellt.

Mit Schriftsatz vom 30.06.2010 legte die Klägerin beim Sozialgericht Nürnberg Klage gegen die Innungskasse Nordrhein Pflegekasse ein. Sie beantragte den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2010 aufzuheben, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und im Fall des Unterliegens der Beklagten die an die Klägerin zu erstattenden Beträge gemäß § 27 SGB IV zu verzinsen.

Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, dass gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2, 4 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe, wenn ein Anspruch auf Rente zuerkannt wird. Eine rückwirkende Zuerkennung führe zum rückwirkenden Ruhen des Arbeitslosengeldes. Das rückwirkend einsetzende Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs begründe grundsätzlich einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger nach § 103 SGB X. Bestehe ein Erstattungsanspruch seien der Bundesagentur für Arbeit die auf das Arbeitslosengeld entrichteten Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung zu ersetzen (§ 335 Abs. 2 SGB III). Der Erstattungsanspruch bestehe jedoch nur, soweit der andere Träger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Arbeitslosengeldgewährung Kenntnis erhalten hat. Habe dieser in Unkenntnis seine Leistung erbracht, bestehe kein Erstattungsanspruch, in diesem Fall komme eine Aufhebung der Bewilligung und Erstattung des Arbeitslosengeldes durch den Leistungsbezieher in Betracht.
Nach Auffassung der Klägerin entspreche die Rechtsauffassung der Beklagten, dass ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis im Sinne des § 335 Abs. 1 S. 3 SGB III in den Fällen der rückwirkenden Rentengewährung nicht bestehe, nicht der Intention des Gesetzgebers. Folge dieser Auffassung wäre nämlich, dass die Bundesagentur für Arbeit letztlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anstelle des vorrangig zur Leistung verpflichteten Trägers zu tragen hätte. Intention des Gesetzgebers sei es hingegen gewesen, grundsätzlich den Leistungsträger mit den Krankenversicherungsbeiträgen zu belasten, der für die Hauptleistung vorrangig zuständig sei; sofern ein Ausgleich zwischen dem vorab- und nachrangigen Leistungsträger nicht möglich sei, solle der Ausgleich über die doppelte Beiträge empfangende Krankenkasse erfolgen. Die frühere Regelung des § 157 Abs. 3 a AFG sei inhaltlich unverändert in § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III übernommen worden. Der Gesetzgeber habe dabei erkannt, dass dieser Zielsetzungen eventuell die Konkurrenzregelungen im SGB V entgegen stehen können, weil sie die für die Erstattung durch die Krankenkassen erforderliche Versicherung ausschließen. Er habe deshalb ausdrücklich geregelt, dass die Konkurrenzregelungen im SGB V einem Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Krankenkasse nicht entgegenstehen. Nach ihrer Auffassung bestimme die frühere Regelung des AFG, beziehungsweise des SGB V, dass eine rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung nichts an der zwischenzeitlich bestandenen Versicherungspflicht ändere. Daraus folge andererseits: Gelte diese Regelung nicht, so werde durch eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung auch die Versicherungspflicht rückwirkend beseitigt. Werde aber die Versicherungspflicht aufgrund des Arbeitslosengeldbezugs rückwirkend beseitigt, gehe auch die darauf aufbauende Konkurrenzregelung in § 5 Abs. 8 SGB V ins Leere. Es bleibe festzustellen, dass im Streitzeitraum zwei Krankenversicherungsverhältnisse bestanden haben und deshalb unter Berücksichtigung der Regelung in § 335 Abs. 1 S. 2 3. Halbsatz SGB III die Rechtsauffassung der Beklagten nicht haltbar sei. Da die Beklagte die geltend gemachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ohne Rechtsgrundlage gefordert habe, sei die Klägerin auch nicht zur Erstattung der geforderten Säumniszuschläge verpflichtet. Die Pflicht zur Verzinsung ergebe sich aus § 27 Abs. 1 SGB IV.

Die Beklagte legte hingegen nochmals ihre bereits im Bescheid niedergelegte Rechtsauffassung dar und wies vor allem darauf hin, dass die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V gemäß § 5 Abs. 8 SGB V nachrangig sei und die Versicherungspflicht als Leistungsbezieher nach dem SGB III bei der Rückforderung der Leistung nicht beseitigt werde. Daher bestehe aufgrund der Zubilligung einer Rente kein weiteres Versicherungsverhältnis im Sinne des § 335 Abs. 1 SGB III. Das BSG habe im Urteil vom 10.08.2000 (B 11 AL 119/98 R) zum Nichtbestehen einer Versicherung Stellung genommen. Eine andere Bewertung könne auch hier nicht erfolgen. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, wäre der Regelungsgehalt des § 335 Abs. 2 SGB III ad absurdum geführt und überflüssig. Die Intention des Gesetzgebers Doppelleistungen auszuschließen, sei dadurch gewährleistet, dass er eben mit dem § 335 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 SGB III eine speziell auf diesen Sachverhalt zugeschnittene Norm geschaffen habe und die Bundesagentur für Arbeit dadurch einen Erstattungsanspruch auf die von ihr zu Unrecht gezahlten Beiträge gegenüber dem Renten- bzw. Rehabilitationsträger erhalte. Die Durchsetzung dieses Anspruchs sei der Klägerin ohne weiteres möglich. Sofern sie allerdings wegen Verjährung oder aufgrund von ihr getroffener Vereinbarung mit den Rententrägern diese nicht mehr durchsetzen könne, liege dies in ihrem Verantwortungsbereich. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde allein der Träger der Rentenversicherung nach § 335 Abs. 2 S. 4 SGB III von der Verpflichtung, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten, freigestellt. Dementsprechend richte sich die Höhe der vom Rentenversicherungsträger an die Klägerin zu erstattenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach der Leistungspflicht des Trägers der Rentenversicherung und nicht nach den von der Klägerin nach § 232 a Abs. 1 SGB V gezahlten Beiträge.

Mit Urteil vom 28.03.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Berufung zugelassen. Das Sozialgericht kam bezüglich des Versicherten P. B. zum Ergebnis, dass die Beklagte zu Recht die

im angefochtenen Prüfbescheid genannte Beitragsforderung erhoben habe und die Klägerin ihre IT-Absetzung bezogen auf die streitige Beitragsforderung nicht auf § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III stützen könne.

Bezüglich des Versicherten P. B., dem die Klägerin in der streitigen Zeit Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III gezahlt habe, habe aufgrund der Bewilligung von Übergangsgeld für den gleichen Zeitraum aufgrund der Ruhensregelung in § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III keine Pflicht der Klägerin zur Leistung von Arbeitslosengeld mehr bestanden. Dies habe grundsätzlich zwischen der Klägerin und dem zuständigen Rentenversicherungsträger nach § 103 SGB X zu einem Ausgleichsanspruch geführt. Allerdings habe der Ausgleich der für Versicherte gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht aufgrund von § 103 SGB X bestanden, sondern als Ersatzanspruch nach § 335 Abs. 2 SGB III. Bei ihrer Absetzung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im IT-Verfahren habe sich die Klägerin auf § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III berufen. Nach dieser Bestimmung solle nicht der Arbeitslose, sondern die Krankenkasse Erstatterin sein, wenn bei ihr neben der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden hat. Anwendbar sei die Regelung nur, wenn aus jedem der zur Versicherung führenden Tatbestände die Pflicht zur Zahlung der Beitrag erwachse und bei rückwirkender Aufhebung der Leistungsbewilligung durch die Klägerin ein Ausgleich durch Rückzahlung der Beiträge durch die begünstigte Krankenkasse erfolgen solle. Im vorliegenden Fall der Bewilligung von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger auch für den Zeitraum, in dem Leistungen des Arbeitslosengeldes gewährt werden, habe der Gesetzgeber jedoch eine Beitragszahlung durch den Rentenversicherungsträger überhaupt nicht vorgesehen. Nach § 335 Abs. 2 S. 4 SGB III seien die Träger der Rentenversicherung gerade nicht verpflichtet, Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Dies habe zur Folge, dass bei einer Zahlung von Beiträgen durch den Rentenversicherungsträger, dieser die zu Unrecht geleisteten Beiträge von der Krankenkasse zurückverlangen könne. Die fehlende Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Zahlung von Beiträgen an die Krankenkasse führe dazu, dass es bei der Leistung der Beiträge der Klägerin an die Krankenkasse verbleibe und falls die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ein Erstattungsanspruch nach § 335 Abs. 2 S. 1 SGB III gegeben ist, der jedoch gemäß § 335 Abs. 2 S. 3 SGB III der Höhe nach beschränkt sei. Die Regelung in § 335 Abs. 2 S. 3 SGB III führe wiederum dazu, dass der Rentenversicherungsträger eine Bezifferung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (geschuldet aus dem Unterhaltsgeld- bzw. Rentenanspruch) vornimmt, wenn ein Ersatzanspruch besteht. Diese Auslegung stehe der Rechtsauffassung und der Verwaltungspraxis der Klägerin entgegen. Es sei nicht möglich, dass die Klägerin anstelle des Ersatzanspruches nach § 335 Abs. 2 S. 1 SGB III auf den Ersatzanspruch nach § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III zurückgreife. Dies sei nicht möglich, weil der in § 335 Abs. 2 SGB III vorgesehene Ausgleich der Annahme eines weiteren Krankenversicherungsverhältnisses im Sinne von § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III entgegenstehe. Es bestehe kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis im Sinne von § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III, da die Versicherungspflicht aufgrund des Rentenbezugs (nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) wegen der gesetzlich in § 5 Abs. 8 SGB V normierten Subsidiarität nicht möglich sei. Dies gelte erst recht bei Bezug von Übergangsgeld für das eine eigenständig geregelte Versicherungspflicht im Rahmen des § 5 V SGB V nicht existiere, weil § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V lediglich das Fortbestehen der Mitgliedschaft regle und über § 251 Abs. 1 SGB V der zuständige Rehabilitationsträger die aufgrund des Bezugs von Übergangsgeld zu zahlenden Beiträge trage. Ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis im Sinne von § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III bestehe daher beim Bezug von Übergangsgeld nicht.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2011 hat die Klägerin die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Im Schriftsatz vom 25.05.2011 wurde die Klage bezüglich der vor dem Sozialgericht Nürnberg noch geforderten Rückzahlung von Beiträgen für die Versicherten W. S. und M. S. zurückgenommen und der Rechtsstreit auf die Beiträge für den Versicherten P. B. begrenzt.

Zur Begründung der Berufung haben die Beteiligten den Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt.
Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Nürnberg, die sich mit der Sichtweise der Krankenkassen decke, nicht der Intention des Gesetzgebers entspreche. Deshalb könne das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.03.2011 keinen Bestand haben.

Die Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 15.12. 2011,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.03.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2010 aufzuheben und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die der Klägerin zu erstattenden Beiträge gemäß § 27 SGB IV zu verzinsen und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Klägerin, der Beklagten, des Sozialgerichts Nürnberg und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG) gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.03.2011 und den zu Grunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 07.06.2010 erweist sich als unbegründet.

Zutreffend sind die Beteiligten davon ausgegangen, dass es sich um eine nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG ohne Vorverfahren zulässige Anfechtungsklage handelt (§ 54 Abs. 1 SGG), die mit Schriftsatz vom 24. 06.2009 beim Sozialgericht Nürnberg fristgerecht erhoben wurde (§ 87 Abs. 1 SGG).
Die Beklagte hat die von der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Versicherten P. B. in Höhe von 244,48 EUR nicht zu erstatten, denn der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2010 erweist sich als rechtmäßig.

Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die von der Klägerin geleisteten Zahlungen von Arbeitslosengeld an den Versicherten P. B. für die Zeit vom 09.01.2006 bis 30.01.2006 zu einer Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XI geführt haben und diese Beitragspflicht rückwirkend auch durch die Rückforderung der Leistungen (Arbeitslosengeld) aufgrund des rückwirkend bewilligten Übergangsgeldes nicht entfallen ist.

Einen Anspruch auf den Ausgleich der für den Versicherten gezahlten Krankenversicherungsbeiträge könnte die Klägerin nicht auf § 103 SGB X stützen, dieser wäre vielmehr nach § 335 Abs. 2 SGB III geltend zu machen (vgl. Kater in Kasseler-Kommentar § 103 SGB X Anmerkung 81).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann sie ihren Anspruch auf Rückerstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht auf § 335 Abs. 1 SGB III stützen, denn die Bestimmung des § 335 Abs. 1 SGB III regelt die Abwicklung der Beitragszahlung zur Krankenversicherung im Verhältnis der Bundesagentur zum Leistungsbezieher im Falle einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung der Leistung und deren Rückforderung. Dabei besteht grundsätzlich eine Rückzahlungspflicht des Leistungsempfängers gegen die Bundesagentur (§ 335 Abs. 1 S. 1 SGB III). Nur für den Fall, dass für den Zeitraum, für den die Leistung zurückgefordert worden ist, ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden hat, ist diejenige Stelle zur Erstattung der Beiträge verpflichtet, an die die Beiträge aufgrund der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gezahlt wurden (§ 335 Abs. 1 S. 2 SGB III) insoweit wird also der Leistungsempfänger von der Ersatzpflicht befreit (§ 335 Abs. 1 S. 3 SGB III).
Für die Fälle, in denen Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, also Personen , die Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach SGB III beziehen, nachträglich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Übergangsgeld von einem nach § 251 Abs. 1 SGB V beitragspflichtigen Reha-Träger gewährt wird, hat der Gesetzgeber in § 335 Abs. 2 SGB III eine eigene Regelung getroffen. Aufgrund dieser Bestimmung erhält die Bundesagentur vom Träger der Rentenversicherung oder vom Reha-Träger die Beiträge, soweit ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Träger der Rentenversicherung oder dem Reha-Träger besteht (§ 335 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB III). Der Unterschied besteht darin, dass vom Rentenversicherungsträger die Beitragsanteile zu ersetzen sind, die dieser für dieselbe Zeit aus der Rente zu entrichten gehabt hätte (§ 335 Abs. 2 S. 3 Ziff,1 SGB III), der Rehabilitationsträger hat den Beitrag zu ersetzen, den er als Krankenversicherungsbeitrag hätte leisten müssen, wenn der Versicherte nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versichert gewesen wäre (§ 335 Abs. 2 S. 3Ziff. 2 SGB III). Gleiches gilt jeweils für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nach § 335 Abs. 5 SGB III, der auf die Absätze 1 bis 3 verweist.

Aus dieser Systematik des Gesetzes folgt für den Senat, dass § 335 Abs. 2 SGG III also eine lex specialis darstellt.

Unstreitig ist hier, dass dem Versicherten nachträglich Leistungen der Rentenversicherung in Form von Übergangsgeld bewilligt wurden, was zu einem nachträglichen Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gegenüber der Klägerin geführt hat. Die Leistung des Arbeitslosengeldes ohne die bezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wurden vom Versicherten auch zurückgefordert und sind, soweit aus der Akte der Klägerin ersichtlich, von diesem offenbar erstattet worden. Nicht erkennbar ist, dass sich die Klägerin mit einem Erstattungsanspruch an den Rentenversicherungsträger gewandt hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus der Gesetzessystematik des § 335 SGB III, der eine Folgebestimmung des § 157 Abs. 3a AFG darstellt, nicht abgeleitet werden, dass über die Möglichkeit der Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 335 Abs. 2 (für die Pflegeversicherung i.V.m. Abs. 5) SGB III hinaus zusätzlich noch die Möglichkeit besteht, die Krankenkasse zur Rückzahlung der Beiträge nach § 335 Abs. 1 S. 3 SGB III in Anspruch zu nehmen. Die Auslegung, die die Klägerin bezüglich dieser Bestimmung vornimmt, ist nicht mit dem Gesetzeswortlaut und den bisher dazu ergangenen Entscheidungen, insbesondere aber auch nicht mit der Intention des Gesetzgebers zu vereinbaren. Vor allem kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass als "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" im Sinne des § 335 Abs. 1 S. 2 SGB III die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gilt. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass für diese Versicherten in Abs. 2 eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, die nicht nötig gewesen wäre, würde man der Auffassung der Klägerin folgen. Die hier maßgebliche Regelung war bereits in der Vorgängerregelung des § 157 Abs. 3a AFG mit Wirkung vom 01.01.1993 eingeführt worden (durch Art. 1 Nr. 47, Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom 18.11.1992 BGBl. 1992, Seite 2044). In den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung findet sich folgende Begründung: "Nach geltendem Recht können Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vom Leistungsempfänger nicht zurückgefordert werden, wenn der Bescheid aufgehoben und die Leistung zurückgefordert wird. Die frühere Praxis der Bundesanstalt für Arbeit den Leistungsempfänger insoweit bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, ist vom Bundessozialgericht nicht gebilligt worden. Satz 1 des neuen Abs. 3a (AFG) sieht deshalb einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Bundesanstalt gegen den Leistungsempfänger hinsichtlich der von der Bundesanstalt für ihn entrichteten Krankenversicherungsbeiträge vor, soweit der Verwaltungsakt, der zum Bezug der AFG-Leistungen und zu der Beitragszahlung geführt hat, mit Rückwirkung aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Hat im maßgeblichen Zeitraum ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden, so soll nach Satz 2 des neuen Absatzes 3a die Krankenkasse, die die Krankenversicherung nach §§ 155 ff. AFG durchgeführt hat, die "doppelt" entrichteten Beiträge der Bundesanstalt erstatten. Der Leistungsempfänger soll dadurch von seiner Leistungspflicht entlastet werden. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 bleibt das Krankenversicherungsverhältnis nach § 155 ff. von der Regelung des § 155 Abs. 2 S. 3 ausgenommen." (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3211 Seite 28 zitiert nach Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB III § 335 Anm. 9,10).
Bereits damals wurde davon ausgegangen, dass die Bundesanstalt und die Spitzenverbände der Krankenkassen das Nähere über die Erstattung der Beiträge durch eine Vereinbarung regeln werden (so auch § 335 Abs. 1 S. 4 SGB III). (Hengelhaupt, a.a.O., Rn. 10).

Der Senat ist bei der Auslegung des Begriffs "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" ebenso wie die Literatur (vgl. Düe in Niesel/Brandt SGB III § 335 Anm. 13, 14, Hengelhaupt, a.a.O. Anm. 58; Leitherer in: Eicher/Schlegel, SGB III Rn. 52 zu § 335 SGB III) zu der Auffassung gelangt, dass darunter nur ein weiteres Versicherungsverhältnis in der GKV verstanden werden kann, das z.B. aufgrund der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses entstanden ist. Diese Situation entsteht zum Beispiel bei Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Mitteilung gegenüber der Bundesagentur mit einer sachgerechten Belastung der Trägerseite, weil sie in diesen Fällen doppelte Beiträge erhält. Satz 2 findet deshalb dann keine Anwendung, wenn der Arbeitslose ohne eigene Beitragsleistung zweitversichert war, wie z.B. beim Bezug von Krankengeld/Verletztengeld, Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach § 46 Strafvollzugsgesetz oder Heilfürsorge nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Ebenso stellt eine Familienversicherung nach § 10 SGB V kein weiteres Versicherungsverhältnis dar. Dies wurde vom BSG im Urteil vom 05.02.1998 (B 11 AL 69/97 R, SozR 3-4100 § 157 Nr. 2) bereits für die Familienversicherung entschieden. Dort wird ausgeführt: "Ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis im Sinne des § 157 Abs. 3a AFG bestand für die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht, ein solches Krankenversicherungsverhältnis wurde durch die von ihr während des Leistungsbezugs ausgeübte Beschäftigung nicht begründet (denn die Beschäftigung war geringfügig)". Der Gesetzgeber geht damit von einem Vorrang der eigenen Mitgliedschaft und von einer Subsidiarität der Familienversicherung aus, die sich daraus rechtfertigt, dass die Leistung ohne Entrichtung zusätzlicher Beiträge zum Zwecke des Familienlastenausgleichs auf Kosten der Solidargemeinschaft erbracht werde (BSG, a.a.O., Rn. 18). Das BSG hat daher die Bestimmung des § 157 Abs. 3a AFG a.F. ebenfalls als Ausnahmeregelung betrachtet." Die Gesetzesmaterialien zu § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG bestätigten die Auffassung, dass nur ein während des Leistungsbezugs aktuell bestehendes weiteres Krankenversicherungsverhältnis die Erstattungspflicht derjenigen Krankenkasse, die die Krankenversicherung nach §§ 155 bis 161 AFG durchführt, begründet und zum Ausschluss der Versicherungspflicht des Leistungsempfängers führt. (BSG, a.a.O., Rn. 19)."

Indirekt hat das BSG die vom Senat vertretene Auffassung im Urteil vom 05.05.2010 (B 11 AL 17/09 R, SozR 4-1500 § 144 Nr. 6) bereits angedeutet, ohne dass es in der dortigen Entscheidung darauf angekommen ist. Das BSG hat entschieden, dass auch die
Alhi-Bezieher in die Fassung der ab 01.04.2008 geänderten Regelung des § 335 Abs. 1 SGB III weiterhin einzubeziehen sind und ist dabei selbstverständlich davon ausgegangen, dass kein Anspruch der dort Beklagten (Bundesagentur) gegen die Kasse nach § 335 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 SGB III) besteht, da kein "weiteres Kranken- oder Pflegeversicherungsverhältnis" bestanden hat. (BSG. a.a.O., Rdnr. 19, 21).

Die von der Beklagten geforderten Säumniszuschläge sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung der Beklagten auf Zahlung der in der Höhe zwischen den Beteiligten unstreitigen Säumniszuschläge ergibt sich aus § 24 Abs. 1 SGB IV, der Anwendung findet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Da zur Regelung des § 335 SGB III bisher offensichtlich durch die Bundesagentur und die Spitzenverbände der Krankenkassen noch keine Vereinbarung nach der Ermächtigung des § 335 Abs. 1 S. 4 SGB III getroffen werden konnte und zu dieser Rechtsfrage keine Entscheidung des BSG vorliegt, war wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a. SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Verfahrensausgang.

Der Streitwert war auf 244,48 EUR festzusetzen (§ 52 Abs. 3 GKG)
Rechtskraft
Aus
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