L 15 SF 136/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 136/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Maßstab bei der Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist im Wesentlichen der Umfang der Ausführungen des berichtenden Arztes. Damit wird ein Einklang mit der Rechtsprechung zur Honorierung von Sachverständigen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E) hergestellt.
2. Als außergewöhnlich umfangreich sieht der Senat einen Befundbericht grundsätzlich erst dann an, wenn er den Umfang von sechs vollen Seiten erreicht.
3. Ist der Umfang von sechs vollen Seiten nicht erreicht, ist nur dann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, wenn es ohne weiteres und offenkundig auf der Hand liegt, dass der zeitliche Aufwand für die Erstellung außergewöhnlich groß gewesen ist. An die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind dabei nur vergleichweise geringe Anforderungen zu stellen.
4. Bei der Ermittlung der Seitenzahl geht der Senat – wie auch bei Gutachten (vgl. z.B. Beschluss vom 24.06.2009, Az.: L 15 SF 119/09) – von einer Standardseite mit 30 Zeilen je 60 Anschlägen pro Seite (= 1.800 Anschläge pro Seite) aus.
5. Eine Erstattung von Schreibauslagen ist bei der Entschädigung von Befundberichten nicht möglich.
Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 14.02.2011 wird auf 21,90 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Entschädigung für die Abgabe eines Befundberichts nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In einem am Bayer. Landessozialgericht (Bayer. LSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit in einer krankenversicherungsrechtlichen Streitigkeit erstellte der Antragsteller, der ärztlicher Direktor einer Klinik für Tumorbiologie ist, am 14.02.2011 auf Anfrage des Gerichts einen Befundbericht. Der Befundbericht umfasst etwas mehr als zwei Seiten, das Schriftbild ist eher klein.

Für den Befundbericht stellte der Antragsteller am 24.03.2012 einen Betrag in Höhe von 77,40 EUR (Sachverständigen-Zeugenaussage mit gutachterlicher Äußerung: 75,- EUR; 3 Seiten Schreibgebühr: 1,50 EUR; Porto: 0,90 EUR) in Rechnung.

Mit Schreiben vom 06.04.2011 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG 26,05 EUR, die sich wie folgt aufschlüsseln:

Entschädigung für Auskunft nach Nr. 200 der Anlage 2 zu
§ 10 Abs.1 JVEG 21,00 EUR
Schreibgebühren für Original für angefangene 1.000 Anschläge
0,75 EUR = 5.238 Anschläge 4,50 EUR
Porto 0,55 EUR
Insgesamt 26,05 EUR

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 14.04.2011 gewandt. Er beantrage die richterliche Festsetzung, da sich Aufwand und Entschädigung in keiner Weise decken würden. Bei seinem Bericht handle es sich um eine gutachterliche Stellungnahme, zu der er sämtliche von der Patientin mitgebrachten Unterlagen habe einbeziehen müssen.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 14.04.2011 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Abgabe des Befundberichts vom 14.02.2011 ist auf 21,90 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

Dieser Festsetzung liegen folgende Einzelpositionen zugrunde:

Entschädigung für Auskunft nach Nr. 200 der Anlage 2 zu
§ 10 Abs.1 JVEG 21,00 EUR
Schreibgebühren 0,- EUR
Porto 0,90 EUR
Insgesamt 21,90 EUR

Die Beträge begründen sich im Einzelnen wie folgt:

1. Erstellung des Befundberichts

Der Antragsteller ist als sachverständiger Zeuge im Sinne des § 414 Zivilprozessordnung tätig geworden. Er hat eigene Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen und Zuständen bekundet, für die eine besondere Sachkunde, hier die medizinisch-ärztliche, erforderlich ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26.11.1991, Az.: 9a RV 25/90).

Für den sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelung in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG aufgeführte Leistungen erbringt.

Nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG wird die Erstellung eines Berichts über einen Befund wie folgt entschädigt:

Nr. 200 Ausstellung eines Befundscheins oder Erteilung
einer schriftlichen Auskunft ohne nähere
gutachtliche Äußerung: 21,00 EUR

Nr. 201 Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art
ist außergewöhnlich umfangreich: bis zu 44,00 EUR

Nr. 202 Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von
der heranziehenden Stelle geforderter kurzer
gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten,
wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben
und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten
erfordern: 38,00 EUR

Nr. 203 Die Leistung der in Nr. 202 genannten Art ist
außergewöhnlich umfangreich: bis zu 75,00 EUR

Der Entschädigung im hier zu entscheidenden Fall ist Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG zugrunde zu legen, nicht aber eine der Nrn. 201 bis 203.

Eine Entschädigung für den Befundbericht des Antragstellers nach Nrn. 202 bzw. 203 scheidet schon deshalb aus, weil der Antragsteller keine Fragen zu beantworten hatte, die eine gutachterliche Äußerung erfordert hätten. Vielmehr waren alle Fragen so gestaltet, dass eine Beantwortung allein mit der Wiedergabe von in den Behandlungsunterlagen des Antragsstellers enthaltenen Tatsachen möglich war. Der Antragsteller durfte daher die Anfrage des Gerichts vom 27.01.2011 nicht dahingehend verstehen, dass von ihm eine gutachterliche Äußerung erwartet werde. Eine andere Auslegung würde im Widerspruch zu dem im Auftragschreiben vom 27.01.2011 enthaltenen Ausführungen stehen. Dort ist zum einen durch Unterstreichung und Fettdruck hervorgehoben, dass ein Befundbericht - und nicht etwa ein Gutachten oder eine gutachterliche Äußerung - angefordert ist. Zum anderen wird aus dem Hinweis im Anforderungsschreiben darauf, dass eine (nochmalige) Untersuchung der Klägerin nicht Gegenstand des Auskunftsersuchens sei, auch deutlich, dass der Bericht nur Angaben enthalten soll, die aus den Unterlagen bereits ersichtlich sind, und dass eine zusätzliche Befundauswertung oder gutachterliche Einschätzung nicht erforderlich sind (zur vergleichbaren Regelung im vor dem JVEG geltenden Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen - ZuSEG -: vgl. BSG, Beschluss vom 04.07.1989,
Az.: 9 RVs 5/88. Auch wenn dieser Beschluss zum ZuSEG ergangen ist, kann er weiterhin herangezogen werden. Denn nach der Gesetzesbegründung zum JVEG stimmt die Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG inhaltlich im Wesentlichen mit der Anlage zu § 5 ZuSEG überein - vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 186). Von der gerichtlichen Anforderung wäre daher eine sachverständige Äußerung nicht abgedeckt gewesen.

Im Übrigen beinhaltet das streitgegenständlichen Schreiben des Antragstellers vom 14.02.2011 auch inhaltlich keine "kurze gutachtliche Äußerung". Ein sachverständiger Zeuge besitzt gegenüber dem "einfachen" Zeugen eine besondere Sachkunde. Die Beantwortung der vom Gericht mit Schreiben vom 27.01.2011 gestellten Fragen setzt eine solche Fachkunde voraus. Soweit der Kläger aus seinen Aufzeichnungen die Gesundheitsstörungen samt Behandlungen und Verlauf dargestellt und die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung seiner Patientin beurteilt hat, stellt dies mit der wertenden Wiedergabe ärztlicher Aufzeichnungen die typische Äußerung eines sachverständigen Zeugen, nicht aber eine gutachtliche Stellungnahme dar (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1991, Az.: 9a RV 25/90).

Eine Entschädigung nach Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG scheidet aus, da es sich bei dem Befundbericht vom 14.02.2011 nicht um einen außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht, vom Gesetzgeber auch als Befundschein bezeichnet, handelt.

Ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ergibt sich im Regelfall ausschließlich aus dem Umfang der Äußerungen des berichtenden Arztes.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats des Bayer. LSG (vgl. z.B. Beschlüsse vom 06.11.1991, Az.: L 7 B 178/91.Vs, und vom 19.09.2007, Az.: L 3 U 239/06.Ko, dort mit einer gewissen, weiter unten näher erläuterten Aufweichung) ist ein Befundbericht regelmäßig dann als außergewöhnlich umfangreich zu betrachten, wenn er einen Umfang von vollen sechs Seiten erreicht. Diese Anlehnung des Beurteilungsmaßstabs am Umfang des Befundberichts als Behelfskriterium hält der Senat für sachgerecht, auch wenn er sich bewusst ist, dass der Umfang je nach der vom berichtenden Arzt gewählten Ausdrucks- und Formulierungsweise deutlich variieren kann, ohne dass damit auch die aufgewendete Zeit wesentlich beeinflusst wäre (vgl. zur Problematik der Behelfsmaßstabs "Umfang der Ausführungen" auch die Darlegungen im Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E - dort zur Sachverständigenvergütung). Diese Vorgehensweise - Ermittlung der (erforderlichen) Zeit im Wesentlichen anhand des Umfangs der Ausführungen - ist für den Bereich der Sachverständigenvergütung bundesweit anerkannt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11 - m.w.N. zur bundesweiten Rechtsprechung).

Anlass, von dieser bei der Vergütung von Gutachten bewährten Vorgehensweise bei der Entschädigung von Befundberichten abzuweichen, besteht nicht. Noch mehr als bei der Abrechnung von Gutachten ist es bei der Entschädigung von Befundberichten, die in deutlich größerer Zahl als Gutachten bei Gericht eingehen, geboten, eine auch in der Praxis durchführbare Abrechnungsweise sicherzustellen. Dies erfordert aus Sicht des Senats eine typisierende und pauschalierende, im Wesentlichen am Umfang des Befundberichts anknüpfende Betrachtungsweise.

Eine vorrangige Orientierung am Ausmaß der für die Erstellung des Befundberichts erforderlichen Arbeit, ohne dass dabei dem Umfang der Ausführungen große Bedeutung zugemessen würde (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 27.02.2008, Az.: L 6 B 134/07 SF), hält der Senat nicht für vertretbar. Damit würden die Anforderungen an die Kostenbeamten und Kostenrichter überspannt. Genauso wie es bei der Beurteilung von Gutachten regelmäßig von den Kostenbeamten und Kostenrichtern nicht erwartet werden kann, dass sie sich bis ins letzte Detail gehend mit der Schwierigkeit eines Gutachtens und der Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. und 18.05.2012), kann solches bei der Abrechnung von Befundberichten nicht erwartet werden. Der Senat sieht auch keine geeigneten Kriterien, die eine zuverlässige Beurteilung des Zeitaufwands im Rahmen der verwaltungsmäßigen Abwicklung von Befundberichten in der großen Zahl, wie sie bei der in vielen Gebieten stark medizinisch geprägten Sozialgerichtsbarkeit anfallen, zulassen würden. Wenn
- das Schleswig-Holsteinische LSG (vgl. Beschluss vom 26.01.2009, Az.: L 1 SK 20/08) als Kriterien die Ausführlichkeit der Beschreibungen und die Schwierigkeit, die berichtenswerten Befunde zusammenzustellen, sieht und ausführt, dass diese Arbeiten des sachverständigen Zeugen mit einem besonders hohen Zeitaufwand verbunden sein könnten, wenn z. B. fachübergreifend eine Vielzahl eigener oder fremder Befunde zusammenzufassen seien, fremde Arztbriefe auszuwerten seien, die Berichte auf medizinischen Gebieten zu erstellen seien, in denen regelmäßig eine große Zahl technischer Befunde oder Funktionsdiagramme anfallen würden, oder ein komplexes wechselhaftes Krankheitsbild über Jahre hinweg aus schwer überschaubaren Unterlagen darzustellen sei,
- das LSG Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 28.02.2001, Az.: L 10 SB 50/00) den Arbeitsaufwand an Art und Umfang der Beschreibung sowie daran orientiert, ob neben den eigenen Unterlagen auch Unterlagen anderer Ärzte ausgewertet worden seien, und zudem darauf hinweist, dass erfahrungsgemäß Berichte, die nach einer umfangreichen internen Diagnostik erstattet worden seien oder eine differenzierte Anamnese oder die Mitteilung von mehreren an verschiedenen Tagen erhobenen eigenen und/ oder Fremdbefunden sowie mehrerer Diagnosen mit wertenden Äußerungen beinhalten würden, einen höheren Zeitaufwand erfordern würden,
- das Bayer. LSG in der Vergangenheit (vgl. Beschlüsse vom 19.09.2007, Az.: L 3 U 239/06.Ko, und vom 13.02.2009, Az.: L 15 U 376/04.Ko, L 2 U 376/04.Ko) auf die qualitative Hochwertigkeit des Befundberichts abgestellt hat,
kann der Senat in den dort dargestellten Kriterien keine Maßstäbe erkennen, die es zulassen würden, dass darauf gestützt eine die Gleichbehandlung aller Antragsteller gewährleistende sachgerechte Abrechnungspraxis sichergestellt wäre. Der Senat kann sich aufgrund seiner eigenen Erfahrung und der Erkenntnis, dass die aufgezeigten Gesichtspunkte einerseits sehr schwer objektiv zu beurteilen sind, zumal beispielsweise die ausgewerteten Unterlagen und deren Umfang bei Gericht nicht bekannt sind, andererseits auch eine gründliche und damit sachgerechte Prüfung der oben aufgezeigten Aspekte nicht nur die Kostenbeamten, sondern auch die Kostenrichter aufgrund der Vielzahl der durchzuführenden Abrechnungen schlicht überfordern würde, der aufgezeigten Rechtsprechung nicht anschließen. Vielmehr hält es der Senat für angezeigt, die Beurteilung, ob der Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, im Wesentlichen ausschließlich anhand des Umfangs des Befundberichts vorzunehmen.

Der Senat ist sich bewusst, dass die Orientierung am Umfang der Ausführungen nicht berücksichtigt, dass ein Arzt möglicherweise mehr Zeit investiert, wenn er seinen Bericht möglichst knapp, präzise und aussagekräftig formuliert, als wenn er seine Angaben in all ihrer Ausführlichkeit und, ohne auf eine besondere Präzisierung oder Strukturierung zu achten, umfassend zu Papier bringt. Damit würde ein weit ausholender, unstrukturiert "erzählender" Arzt gegenüber einem auf äußerste Präzision und Knappheit bedachten Arzt dadurch "belohnt", dass bei ersterem wegen des größeren Umfangs der Ausführungen im Bericht auch von einem höheren Zeitumfang und damit möglicherweise einer höherer Entschädigung ausgegangen würde. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass - wie die Erfahrung zeigt - ein Befundbericht regelmäßig umfangreicher ausfallen wird, wenn der Arzt dafür aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls mehr Zeit aufgewendet hat. Zu berücksichtigten ist auch, dass der finanzielle Anreiz, durch eine "Zeilenschinderei" (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.02.2001, Az.: L 10 SB 50/00) eine höhere Entschädigung als angezeigt zu erreichen, ausgesprochen gering ist. Der Senat kann es sich nicht vorstellen, dass angesichts der geringen Differenz einer Entschädigung nach der Nr. 200 einerseits und der Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG andererseits, nämlich maximal 23,- EUR, Ärzte in einer mehr als vernachlässigbaren Zahl versuchen werden, durch gezielt weitschweifige Ausführungen den Entschädigungsanspruch missbräuchlich zu erhöhen. Insofern sieht der Senat die Missbrauchsgefahr als vernachlässigbar an. Dass bei dieser pauschalierenden und nur am Umfang orientierten Betrachtungsweise in seltenen Fällen eine zu hohe Entschädigung nicht auszuschließen ist, ist im Sinne einer zügigen Abrechnung und dem Ziel der Verhinderung einer Überlastung der Verwaltung hinzunehmen, zumal dies nicht zu Lasten des Antragstellers geht. Im Übrigen ist nach der Einschätzung des Senats eine Missbrauchsmöglichkeit statt durch besonders langatmige Ausführungen eher dadurch eröffnet, dass sich der berichtende Arzt über die Maßen kurz fasst. Dass in derartigen Fällen wegen des Festbetrags in Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG die gleiche Entschädigung zu gewähren ist wie bei einem Arzt, der ausführlich berichtet, hat der Gesetzgeber offensichtlich in Kauf genommen und damit gezeigt, dass der Missbrauchsaspekt bei der Entschädigung von Befundberichten nur von zu vernachläsigender Bedeutung ist.

Maßstab für die Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist daher grundsätzlich allein der Umfang der Ausführungen. Allenfalls dann, wenn es auf der Hand liegt und ohne weiteres erkennbar ist, dass der die für die Erstellung des Befundberichts erforderliche Zeitaufwand eine Bewertung des Befundberichts als außergewöhnlich umfangreich rechtfertigt, ohne dass dies im Umfang der Äußerungen zum Ausdruck käme, ist dies zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kotenrichter dürfen dabei keinesfalls überspannt werden.

Dass bei der vom Senat getroffenen Auslegung eine Entschädigung von Befundberichten nach Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG nur ganz selten erfolgen wird, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Vielmehr entspricht dies der gesetzgeberischen Intention. Mit der Formulierung "außergewöhnlich umfangreich" in Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass er eine Entschädigung nach Nr. 201 nur für seltene Fälle vorsieht und die Entschädigung nach Nr. 200 den Regelfall darstellt.

Zusammenfassend ist der Senat daher folgender Ansicht:
- Maßstab bei der Beurteilung, ob ein Befundbericht außergewöhnlich umfangreich ist, ist im Wesentlichen der Umfang der Ausführungen des berichtenden Arztes. Damit wird ein Einklang mit der Rechtsprechung zur Honorierung von Sachverständigen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E) hergestellt.
- Als außergewöhnlich umfangreich sieht der Senat in Fortführung der früheren Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 26.11.1991, Az.: L 7 B 178/91.Vs, und vom 19.09.2007, Az.: L 3 U 239/06.Ko) einen Befundbericht grundsätzlich erst dann an, wenn er den Umfang von sechs vollen Seiten erreicht.
- Ist der Umfang von sechs vollen Seiten nicht erreicht, ist nur dann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, wenn es ohne weiteres und offenkundig auf der Hand liegt, dass der zeitliche Aufwand für die Erstellung außergewöhnlich groß gewesen ist. An die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind dabei nur vergleichweise geringe Anforderungen zu stellen.
- Bei der Ermittlung der Seitenzahl geht der Senat - wie auch bei Gutachten (vgl. z.B. Beschluss vom 24.06.2009, Az.: L 15 SF 119/09) - von einer Standardseite mit 30 Zeilen je 60 Anschlägen pro Seite (= 1.800 Anschläge pro Seite) aus.

Im vorliegenden Fall ist der Befundbericht aufgrund des Umfangs der schriftlichen Ausführungen nicht als außergewöhnlich umfangreich zu bezeichnen. Er ist auf etwas mehr als zwei klein beschriebenen Seiten abgefasst. Anhand von repräsentativen Zeilen errechnet ergibt sich dafür insgesamt ein Umfang von knapp 5.400 Anschlägen. Damit ist der Bericht weit entfernt vom Umfang von sechs Standardseiten, die 10.800 Anschläge erfordern würden. Irgendwelche Gesichtspunkte, warum für die Erstellung des Befundberichts außergewöhnlich viel Zeit erforderlich gewesen sein sollte, sind nicht offenkundig ersichtlich. Der Bericht weicht in seinem Inhalt und der Art der Darstellung nicht auffällig von vielen anderen Befundberichten ab. Dass der Aufwand für die Erstellung daher auffällig höher als im Regelfall sein sollte, liegt nicht auf der Hand. Nicht nachvollziehbar ist, warum der Aufwand deswegen ungleich höher hätte sein sollen, weil der Antragsteller von der Patientin mitgebrachte Unterlagen hätte einbeziehen müssen. Dass bei der Beantwortung der Frage nach Untersuchungen in Kliniken Unterlagen anderer Krankenhäuser beachtet werden müssen, kann noch keinen besonderen Mehraufwand begründen. Anderenfalls müssten Befundberichte von Hausärzten regelmäßig als außergewöhnlich umfangreich angesehen werden, da diese Ärzte typischerweise auch Kenntnis von den fachärztlichen Behandlungen ihrer Patienten haben und darüber berichten. Damit würde aber der vom Gesetzgeber als Ausnahmefall gedachte Entschädigungstatbestand der Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung zum Regelfall. Dies wäre angesichts der Systematik des Gesetzes und der Intention des Gesetzgebers nicht vertretbar. Im Übrigen ist auch nicht aus den vom Antragsteller gemachten Angaben zu den Untersuchungen und Behandlungen in anderen Kliniken ofenkundig ersichtlich, dass für den Bericht darüber ein besonders großer Zeitaufwand angefallen wäre.

Dass die Vergütung von Befundberichten von Ärzten oft als nicht angemessen, da nicht kostendeckend und nicht dem Aufwand entsprechend, empfunden wird, ist dem Senat bekannt. Eine den Vorstellungen der Ärzte entsprechende Aufbesserung der Entschädigung kann jedoch nicht die Rechtsprechung - z.B. durch eine extensive und nicht mehr vom Wortlaut gedeckte Auslegung der Nrn. 200 bis 203 der Anlage 2 zu § 10 JVEG - vornehmen, sondern einzig und allein der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenzen. Solange dieser keine entsprechende Initiative unternimmt, muss es bei den bisherigen Entschädigungssätzen verbleiben. Dass es bei der für Juli 2013 angestrebten Überarbeitung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz) zu einer Erhöhung der Entschädigung kommen wird, ist aufgrund des derzeit vorliegenden Referentenentwurfs nicht zu erwarten.

2. Schreibauslagen

Im Rahmen der Erstellung eines Befundberichts können Schreibgebühren nicht erstattet werden.

Der Umfang der Entschädigung ergibt sich für die Erstellung eines Befundberichts aus § 10 Abs. 1 JVEG in Verbindung mit der Anlage zu 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG, dort Nr. 200. Eine Erstattung von Schreibauslagen ist dabei nicht vorgesehen (vgl. Meyer, Höver, Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 26.24). Der Gesetzgeber hat für die Erstellung eines Befundberichts - anders als für die Erstellung von Gutachten - eine gesonderte Erstattung von Schreibgebühren nicht vorgesehen; die Schreibauslagen sind bereits mit der Pauschale für die Erstellung des Befundberichts abgedeckt. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen einer Ungleichbehandlung von Sachverständigen und befundberichterstattenden Ärzten sieht der Senat nicht. Die bereits im ZuSEG enthaltene und mit dem JVEG fortgeschriebene teilweise unterschiedliche Behandlung von Sachverständigen und sachverständigen Zeugen ist wegen der strukturellen und inhaltlichen Unterschiede der Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 09.02.2000, Az.: B 9 SB 10/98).

Mit dieser rechtlichen Beurteilung hält der Kostensenat des Bayer. LSG seine frühere Rechtsprechung zur Erstattung von Schreibauslagen bei Befundberichten nicht mehr aufrecht. Wenn das Bayer. LSG früher (vgl. Urteil vom 11.11.1998, Az.: L 12 SB 80/97 Ko; Beschluss vom 19.09.2007, Az.: L 3 U 239/06.Ko) von einer gesonderten Erstattungsfähigkeit von Schreibauslagen bei Befundberichten ausgegangen ist, steht diese für die berichtenden Ärzte günstige Rechtsprechung im Widerspruch zur geltenden Gesetzeslage. In seinem Urteil vom 11.11.1998 hat das Bayer. LSG die Erstattung von Schreibauslagen auf eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 ZuSEG gestützt und dies mit der damals geübten Praxis der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit und Versorgungsverwaltung begründet. § 8 ZuSEG - so das Bayer. LSG damals - gelte zwar unmittelbar nur für die Entschädigung eines Sachverständigen. Eine unterschiedliche Behandlung von Sachverständigen und sachverständigen Zeugen sei aber nicht gerechtfertigt, zumal eine Abgeltung der Schreibauslagen mit der Pauschale unangemessen erscheine.

Dieser Rechtsprechung kann der Kostensenat nicht folgen. Er kann für das JVEG - und im Übrigen auch für das insofern weitgehend gleichartig ausgestaltete ZuSEG - keine planwidrige Lücke erkennen, die eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 JVEG zulassen würde. Vielmehr enthalten ZuSEG und JVEG, soweit es die Frage der Entschädigung eines sachverständigen Zeugen angeht, ein geschlossenes und in sich stimmiges Entschädigungssystem. Damit schließt sich der Senat der Ansicht des BSG an, das im Urteil vom 09.02.2000, Az.: B 9 SB 10/98, die vom Bayer. LSG in seinem Urteil vom 11.11.1998 vertretene Ansicht mit eingehender und überzeugender Begründung verworfen hat. Zudem ist zu bedenken, dass, auch wenn die Angemessenheit der Entschädigung - wie nach der (damaligen) Einschätzung des Gerichts - fraglich sein sollte, dies der Gerichtsbarkeit nicht erlaubt, eine in der Sache möglicherweise nicht abwegige Korrektur einer potentiell aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus unzureichenden gesetzlichen Regelung vorzunehmen. Eine Korrektur ist nur durch den Gesetzgeber selbst möglich, nicht aber durch das Gericht; letzteres kann nicht Ersatzgebesetzgeber sein.

3. Porto, Material

Antragsgemäß werden 0,90 EUR ersetzt

Insgesamt sind 21,90 EUR für die Erstellung des Befundberichts vom 14.02.2011 zu erstatten. Dass dieser gerichtlich festgesetzte Betrag unter dem von der Kostenbeamtin festgesetzten Betrag liegt, steht der Festsetzung nicht entgegen. Denn das Verbot der sogenannten "reformatio in peius" verbietet eine gerichtliche Feststellung auf einen Betrag unter der Festsetzung der Kostenbeamtin nicht. Dieses Verbot greift bei der gerichtlichen Festsetzung gegenüber der von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung nicht ein, da die gerichtliche Festsetzung keine Abänderung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG ist. Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer, Höver, Bach, a.a.O., Rdnr. 4.12 - m.w.N.).

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung. Die im Beschluss enthaltenen Ausführungen dazu, wann von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht im Sinne der Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG auszugehen ist, beinhalten eine Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung des Kostensenats. Zudem folgt der Senat der bisherigen Rechtsprechung zur Erstattung von Schreibauslagen bei Befundberichten nicht.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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