L 20 R 19/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 188/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 19/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 306/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die 1953 geborene Klägerin hat von August 1969 bis Juli 1972 den Beruf einer Frisörin erlernt und im Jahr 1976 mit Erfolg einen Frisörmeisterkurs absolviert. Nach ihren eigenen Angaben vom 13.08.2003 ist eine Eintragung in die Handwerksrolle am 12.04.1976 erfolgt, sie sei aber in der Zeit vom 12.04.1976 bis 31.12.1983 nicht selbstständig tätig, sondern Hausfrau und Mutter gewesen, sie habe sich der Kindererziehung gewidmet. Ab 01.01.1984 sei sie dann wieder selbstständig tätig gewesen. Hinsichtlich des Umfangs der selbstständigen Tätigkeit gibt es allerdings widersprüchliche Angaben. So hat die Klägerin am 13.08.2003 im Rahmen der Kontenklärung zum Rentenantrag angegeben, dass sie ab dem 01.01.1984 wieder in Vollzeit tätig gewesen sei. Demgegenüber hat sie am 09.03.1984 hinsichtlich der Prüfung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge mitgeteilt, dass sie lediglich nebenberuflich Frisörin sei. Ihre Hauptbeschäftigung sei Hausfrau, Einkünfte erziele nur der Ehemann. Sie habe im Geschäft keine Angestellten und möchte nur den Mindestbeitrag zahlen. Ab 1996 wurde die Klägerin von der Handwerkerpflichtversicherung befreit und war gleichzeitig berechtigt, freiwillige Beiträge zu entrichten.

Nach Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit infolge einer Arthroskopie des rechten Knies mit Meniskusentfernung am 05.11.2002 bezog die Klägerin ab Dezember 2002 Krankengeld. Im Rahmen der Prüfung eines Antrags der Klägerin auf eine vorzeitige medizinische Reha-Maßnahme nach § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) holte die Beklagte ein internistisches Gutachten von Dr.S. ein, der am 20.01.2003 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Frisörin als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Eine Erwerbsminderung könne nicht gesehen werden, auch keine Notwendigkeit einer vorzeitigen Reha-Maßnahme.

Am 22.07.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Rückenbeschwerden bei ausgeprägten osteodegenerativen Veränderungen bei ausgeprägter Spondylarthrose und Spondylose mit rezidivierenden Nervenwurzelirritationen. Unter dem Datum 12.08.2003 wurde über die Klägerin ein Gutachten des Med. Dienstes der Krankenkassen eingeholt über die Frage der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit. In diesem Gutachten ist festgehalten, dass eine Motivation der Klägerin zur beruflichen Reintegration nicht erkennbar sei, angegeben würden Bedenken bei ungünstigem Geschäftsverlauf (nach Stilllegung des Geschäftsbetriebes während der Arbeitsunfähigkeit seit Nov. 2002). Eine Leistungsfähigkeit bestehe nach aktuellem Untersuchungsbefund und der Würdigung des bisherigen Verlaufs vollschichtig für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Auszuschließen seien anhaltende Zwangshaltungen des Rumpfes sowie Tätigkeiten mit besonderer Kraftanwendung beider Hände, Knie, Kniebeugen sowie Heben und Tragen schwerer Lasten. Kontraindikationen zur Wiederaufnahme der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als selbstständige Frisörmeisterin im eigenen Geschäft bestünden nicht. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit über den 17.08.2003 hinaus sei nicht begründet.

Die Beklagte holte nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.S. ein, die am 14.10.2003 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin sowohl ihre Tätigkeit als Frisörin als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Sie leide unter Dysthymie bei chronischem Schmerzsyndrom im rechten Unterbauch/Leisten-bereich, einem Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik sowie auf internistischem Fachgebiet unter Bluthochdruck und Allergien. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2003 den Rentenantrag der Klägerin ab. Nach Widerspruch der Klägerin hiergegen holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Frau Dr.B. ein, die am 13.01.2004 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin ihre letzte Tätigkeit als Frisörin bzw. auch Frisörmeisterin nur noch im Umfang von 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten könne. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien jedoch unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich möglich. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.10.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2004 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei zwar für ihre Tätigkeit als Frisörin und Frisörmeisterin leistungsgemindert. Sie könne jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen tätig sein. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da sie auf die Berufe der Rezeptionistin im Frisörsalon, Einkäuferin für Frisör- und Kosmetikartikel sowie auf die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin zumutbar verwiesen werden könne.

Zur Begründung der hiergegen am 31.03.2004 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 29.09.2004 vorgetragen, dass aufgrund der Vielzahl der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin eine Tätigkeit auch in einem Zeitraum von 3 bis unter 6 Stunden nicht mehr möglich sei. Dies gelte sowohl für die Tätigkeit als Frisörin wie auch für die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Vorgelegt wurde hierzu eine fachärztliche Bescheinigung von Dr.R. vom 07.09.2004 sowie ein Abhilfebescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 29.07.2004, in dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt wurde. Zuvor hatte die Klägerin einen GdB von 20.

Nach Beiziehung umfangreicher ärztlicher Unterlagen hat das SG sodann ein orthopädisches Gutachten von Dr.K. eingeholt, der am 20.06.2006 zu folgenden Diagnosen kam:
1. rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom ohne strukturelles Korrelat
2. rezidivierende Knieschmerzen rechts bei initialem Gelenkverschleiß.

Im Gespräch habe die Klägerin freimütig eingeräumt, dass auch sie ihre gesundheitlichen Probleme in der Hauptsache auf psychischer Ebene sehe. Von Seiten des orthopädischen Fachgebietes ergäben sich keine Gesundheitsstörungen von wesentlicher sozialmedizinischer Relevanz. Aus fachorthopädischer Sicht seien Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6-stündig zumutbar unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.

Des Weiteren holte das SG ein internistisches Gutachten von Dr.R. ein, der am 12.09.2006 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin sowohl ihre Tätigkeit als Frisörin als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mehr als 6 Stunden täglich verrichten könne. Auf internistisch-gastroenterologischem Fachgebiet lägen folgende Diagnosen vor:
1. Diffuse abdominelle Beschwerdesymptomatik
2. rektale Entleerungsstörungen bei Rektumprolaps Grad II-III - Descencus perinei
3. Adipositas Grad I
4. Hypertonie
5. Adnextumor rechts.

Zu vermeiden seien schwere Tätigkeiten sowie häufiges Heben und Tragen von Lasten wegen des rezidivierenden Rektumprolapses. Bei Erhöhung des Bauchinnendrucks könne es hier zu einer Provokation des Enddarmvorfalls kommen. Weiterhin sollte aus internistischer Sicht eine Toilette in der Nähe sein. Aus fachinternistischer Sicht sei sowohl die Ausübung des Berufs als Frisörmeisterin, Rezeptionistin in einem Frisörsalon als auch die Tätigkeit als Registratorin bzw. Poststellenmitarbeiterin zumutbar.

Des Weiteren hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.F. eingeholt, der am 14.09.2006 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin sowohl ihre Tätigkeit als Frisörin als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausüben könne. Bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:
anhaltende somatoforme Schmerzstörung
1. kombinierte Persönlichkeitsstörung
2. Karpaltunnelsyndrom rechts, Restbeschwerden nach Operation.
Außerdem bestünden fachfremd:
3. rezidivierende Kniegelenksbeschwerden rechts bei beginnendem Kniegelenksverschleiß
4. Rektumprolaps Grad II-III und Descencus perinei mit rektaler Entleerungsstörung
5. Bluthochdruck, ausreichend kompensiert
6. Übergewicht Grad I
7. Eierstocktumor rechts ohne funktionelle Beeinträchtigung.

Gegenüber den Untersuchungsergebnissen von Frau Dr.S. und Frau Dr.B. vom 14.10.2003 und 13.01.2004 sei keine relevante Änderung eingetreten. Der orthopädische Fachgutachter Dr.K. beschreibe überzeugend eine bei der Klägerin normale Wirbelsäule und leite daraus plausibel die vollschichtige Einsatzmöglichkeit in ihrem erlernten Beruf ab. Dem gegenüber habe die Gutachterin Frau Dr.B. ihre genannte quantitative Einschränkung nicht näher begründet.

Auf Antrag der Klägerin wurde ein neurologisch-psychiatrisches und schmerztherapeutisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr.K. eingeholt, der am 13.08.2007 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:
1. Dekonditionierung von Seiten des Bewegungsapparates mit belastungsabhängigen Schmerzen
2. anhaltende somatoforme Schmerzstörung
3. Z.n. OP eines Karpaltunnelsyndroms rechts
4. rezidivierende Knieschmerzen rechts bei initialem Gelenkverschleiß
5. diffuse abdominelle Beschwerdesymptomatik (übernommene Diagnose)
6. rektale Entleerungsstörung bei Rektumprolaps Grad II-III - Descencus perinei (übernommene Diagnose)
7. Adnextumor rechts (übernommene Diagnose).

Der Klägerin sei unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit zumutbar. Der Klägerin sei auch die Ausübung des Berufes als Frisörmeisterin, Rezeptionistin in einem Frisörsalon bzw. Einkäuferin für Frisör- und Kosmetikartikel sowie Registratorin oder Poststellenmitarbeiterin aus ärztlicher Sicht zumutbar. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen von Frau Dr.S. und Frau Dr.B. sei im Wesentlichen die Dekonditionierung i.S. eines Trainingsverlustes hinzugekommen. Diese Änderung habe sich allmählich im Laufe der Monate und Jahre entwickelt. Sie führe jedoch nicht zu einer nennenswerten Veränderung des Leistungsprofils. Bezüglich der Dekonditionierung sei eine Leistungssteigerung möglich. Dies setze aber voraus, dass die Klägerin zu aktivierenden Maßnahmen bereit sei. Hier wirke sich die angstvolle Vermeidungshaltung sehr hinderlich aus. Ob hierfür ein Heilverfahren nötig sei oder ob dies mit ambulanten Maßnahmen im Sinne der Heilmittelerbringung möglich sei, könne nur durch einen entsprechenden Behandlungsversuch entschieden werden.

Das SG hat sodann mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 30.10.2007 die Klage gegen den Bescheid vom 21.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG darauf hingewiesen, dass sämtliche im Verfahren eingeholten Gutachten, auch das auf Antrag der Klägerin eingeholte Gutachten von Dr.K., eine Leistungsfähigkeit von mehr als 6 Stunden für den allgemeinen Arbeitsmarkt und auch für ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Frisörmeistern feststellen würden. Selbst wenn eine Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit als Frisörmeisterin bzw. Frisörin gegeben wäre, bestünde nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten eine Verweisbarkeit der Klägerin auf die Tätigkeit als Rezeptionistin in einem Frisörsalon, Einkäuferin für Frisör- und Kosmetikartikel sowie für Registratorin bzw. Poststellenmitarbeiterin. Damit komme weder ein Anspruch nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf teilweise oder volle Erwerbsminderungsrente in Betracht und auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

Zur Begründung der hiergegen am 08.01.2008 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass sich ihre gesundheitliche Situation seit Erlass des Urteils des SG Würzburg massiv verschlechtert habe. Sie habe sich in eine stationäre psychosomatische Behandlung wegen eines somatisiert-depressiven Syndroms begeben müssen. In dem Kurzarztbrief des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin vom 21.03.2008 fänden sich noch weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die bislang von den Gutachtern noch nicht festgestellt worden seien. Zu nennen seien hier Analbeschwerden bei Hämorrhoidalleiden, Analfisur, operierte Rektozele, rezidivierende Unterbrauchbeschwerden bei Endometriose, Darmadhäsionen, Blasenentleerungsstörungen, degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Wurzelreizungen, künstliche Linsen bds., grüner Star, bronchiale Hyperreagibilität, allergische Diathese. Im Übrigen seien der Klägerin die benannten Verweisungsberufe nicht zumutbar. Aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen könne sie sowohl aus orthopädischer Sicht als auch im Hinblick auf das bei ihr bestehende allergische Asthma die Tätigkeit einer Frisörmeisterin bzw. Frisörin ebenso wenig verrichten wie die Tätigkeit als Einkäuferin für Frisör- und Kosmetikartikel. Soweit eine Rezeptionistin für Frisörsalons vorgeschlagen worden sei, handle es sich hierbei nicht um Arbeitsplätze, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswerter Zahl vorhanden seien.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 08.02.2011 weitere Befundunterlagen übersandt, insbesondere zur psychosomatischen/ psychotherapeutischen Behandlung der Klägerin seit 2009.

Der Senat hat daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.D. eingeholt, der am 08.07.2011 zu folgenden Diagnosen gekommen ist:
1. Undifferenzierte Somatisierungsstörung
2. rezidivierende depressive Störung
3. V.a. kombinierte Persönlichkeitsstörung
4. degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik.
5. degenerative Gelenksyndrome
6. Asthma bronchiale.

Trotz der bei der Klägerin vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei sie noch in der Lage, die Tätigkeit einer Frisörmeisterin, insbesondere die Verweisungsberufe Rezeptionistin im Frisörsalon, Einkäuferin für Frisör- und Kosmetikartikel, Registratorin oder Poststellenmitarbeiterin sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Bei der Klägerin liege eine Neigung zu körperlichen Beschwerden aufgrund psychischer Ursachen vor, eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, ängstlich-abhängige Persönlichkeitszüge, ein Asthma bronchiale, Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule sowie verschiedener anderer Gelenke und eine Neigung zu vermehrtem Harndrang. Gelegentlich auftretende stärkere depressive Verstimmungen sowie zeitweise verstärkt auftretende körperliche Beschwerden aufgrund seelischer Ursache könnten jeweils mit fremder Hilfe bzw. unter Intensivierung psychiatrisch-psychotherapeutischer Maßnahmen, beispielsweise auch in teilstationärem Setting, sowie auch bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft überwunden werden. Aufgrund der verminderten Stresstoleranz und einer eingeschränkten psychophysischen Belastbarkeit seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, beispielsweise unter Zeitdruck, im Akkord, mit regelmäßigen Überstunden, in Gefahrbereichen und an laufenden Maschinen, am Fließband oder in Nachtschicht zu vermeiden. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise regelmäßiges Heben und Tragen schwerer oder mittelschwerer Lasten ohne Hilfsmittel, regelmäßige Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr. Ebenso seien aufgrund des Asthmas Tätigkeiten im Umgang mit reizenden Stoffen sowie in Nässe, Kälte oder Feuchtigkeit zu vermeiden. Die festgestellten Erwerbsfähigkeitsbeschränkungen bestünden im Wesentlichen seit etwa 2003, eine wesentliche Änderung sei seither nicht eingetreten. Berufsfördernde Maßnahmen, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben dienlich sein könnten, würden empfohlen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die qualitativen Einschränkungen behoben werden könnten.

Gegen das Gutachten von Dr.D. hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.08.2011 Einwendungen vorgetragen, insbesondere den Umstand, dass kurz vor der Untersuchung durch Dr.D. im Rahmen einer Schwerbehindertenstreitsache vor dem SG Würzburg eine Begutachtung durch Dr.S. stattgefunden habe. Es sei zu einer Erhöhung des GdB gekommen, nachdem Dr.S. die Feststellung getroffen gehabt habe, dass die seelische Störung der Klägerin mit depressiver Verstimmung, Somatisierungsstörung und Schmerzkrankheit, die bis dahin mit einem GdB von 20 bewertet gewesen sei, nunmehr mit 30 bewertet werde und der Klägerin aufgrund dessen ab dem 01.01.2011 ein GdB von 50 zuerkannt sei.

Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr.D. eingeholt, der am 27.10.2011 bei seiner bisherigen Einschätzung verblieben ist. Insbesondere weist er darauf hin, dass die von Herrn Dr.S. gestellten Diagnosen inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich seien mit den von ihm getroffenen Einschätzungen. In seinem Gutachten seien auch neuroorthopädische Gesichtspunkte berücksichtigt worden. Er erlaube sich in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass er umfassende Kenntnisse aufgrund einer langjährigen Tätigkeit auf einer neuroorthopädischen Station mit schwerpunktmäßiger Versorgung von Wirbelsäulenerkrankungen habe.

Im Rahmen eines am 29.11.2011 durchgeführten Erörterungstermins hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass er in seinem Schriftsatz vom 30.08.2011 einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Dr.D. gestellt habe. Er sei der Auffassung, dass das Gutachten von Dr.D. nicht verwertbar sei, zum einen aufgrund der Befangenheit, zum anderen aufgrund der darin gemachten Ausführungen. Er sei der Auffassung, dass die vorliegenden Gutachten in keinster Weise den medizinischen Gegebenheiten der Klägerin gerecht würden. Es müssten weitere Gutachten von Amts wegen auf orthopädischem, neuro-psychologischem, augenärztlichem, internistischem und urologischem Fachgebiet eingeholt werden. Mit Beschluss vom 21.12.2011 hat der Senat das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr.D. zurückgewiesen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 02.04.2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weitere ärztliche Befundberichte sowie den Allergiepass der Klägerin mit einem Schreiben der behandelnden Hautärztin Dr. E. vom 16.12.2011 übersandt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise werden sämtliche Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 30.08.2011 aufrecht erhalten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.2007 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das SG Würzburg hat zu Recht mit Urteil vom 30.10.2007 einen Anspruch der Klägerin auf volle, hilfsweise teilweise Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI sowie auf teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI abgelehnt. Auch zwischenzeitlich hat sich das verbliebene Restleistungsbild der Klägerin nicht in rentenrechtlich relevantem Umfang verändert.

Gemäß § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin trotz der zahlreichen bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6-stündig zu verrichten. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI steht der Klägerin deshalb nicht zu.

Aufgrund der bei der Klägerin bestehenden psychischen Erkrankungen und der damit einhergehenden verminderten Stresstoleranz und eingeschränkten psychophysischen Belastbarkeit sind Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, beispielsweise unter Zeitdruck, im Akkord, mit regelmäßigen Überstunden, in Gefahrenbereichen und an laufenden Maschinen, am Fließband oder in der Nachtschicht zu vermeiden. Aufgrund der orthopädischen Probleme der Wirbelsäule und der Knie sind sicherlich auch Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise regelmäßiges Heben und Tragen schwerer oder mittelschwerer Lasten ohne Hilfsmittel, regelmäßige Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr zu vermeiden. Aufgrund des bestehenden Asthma bronchiale, das überwiegend allergiebedingt ist, sind Tätigkeiten im Umgang mit reizenden Stoffen sowie in Nässe, Kälte oder Feuchtigkeit zu vermeiden. Leichte Tätigkeiten sollten überwiegend im Sitzen sowie im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden.

Dieses Leistungsbild der Klägerin, das von einem mehr als 6-stündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeht, ergibt sich nach Überzeugung des Senats aus den im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr.K. auf orthopädischem Fachgebiet, von Dr.R. auf internistischem Fachgebiet sowie aus dem auf Antrag der Klägerin eingeholten neurologisch/psychiatrischen - schmerztherapeutischen Gutachten von Dr.K ... Bestätigt werden diese Einschätzungen durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr.D ...

Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin besteht trotz gewisser organischer Erkrankungen auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet, die von den Sachverständigen Dr. K. und Dr. R. ausreichend erfasst wurden, in erster Linie auf dem psychiatrischen Fachgebiet. Auf orthopädischem Fachgebiet ergeben sich keine relevanten quantitativ leistungsbeschränkenden Gesundheitsstörungen der Klägerin. Den genannten Einschränkungen kann im Rahmen der von den Gutachtern genannten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Anhaltspunkte für schwerwiegende orthopädische Leiden ergeben sich nicht. Vielmehr wird in den Gutachten regelmäßig festgestellt, dass die Klägerin längeres Sitzen problemlos toleriert, keine schmerzbedingten Haltungswechsel vornimmt, insgesamt eine lockere Sitzposition beibehält und keinerlei schmerzgeplagten Eindruck erweckt. Die Klägerin zeigte deutliche Gebrauchsspuren an den Händen und Füßen, was auf eine entsprechend aktive Alltagsgestaltung hinweist.

Auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich aus den beigezogenen ärztlichen Befundberichten, den Entlassungsberichten aus der stationären psychosomatischen Behandlung und den vorliegenden Gutachten, dass die Klägerin unter einer Anpassungsstörung und Somatisierungsstörung leidet. So ergibt sich aus dem Entlassungsbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Bezirks A-Stadt, Außenstelle A., dass sich die Klägerin ganz verzweifelt, erschöpft fühle, sie habe Angst, dass sie eine schwere Erkrankung habe, dass eine Erkrankung übersehen werden könnte. Sie sei in ständiger Behandlung, jedoch würden sich die ganzen körperlichen Beschwerden nur mindern, aber eine eindeutige Besserung würde sie nicht bemerken. Zusätzlich berichte die Klägerin über die belastenden familiären Faktoren wie Spannungen mit dem Bruder, der Alzheimer- und Parkinson-kranken Mutter, der Schwiegermutter und dem Ehemann. Alle würden kein Verständnis für ihre Beschwerden haben und seien sehr vorwurfsvoll. Deswegen müsse sie viel grübeln, sei sehr weinerlich, hoffnungslos, schlafe unruhig, habe ab und zu lebensmüde Gedanken. Es liegt offenbar ein erheblicher innerfamiliärer Konflikt vor, der die Klägerin psychisch sehr belaste. Auch aus den Berichten der behandelnden Orthopäden, z.B. Dr.B., ergibt sich, dass bei der Klägerin ein komplexes Schmerzsyndrom vorliegt, das massiv psychisch überlagert ist. Dem Vorschlag, ihre Bewegungen zu intensivieren, Krankengymnastik und manuelle Therapie sowie eine kontinuierliche psychotherapeutische Behandlung durchführen zu lassen, stand die Klägerin nicht aufgeschlossen gegenüber. Gleichzeitig wird in den Befundberichten aber auch dokumentiert, dass bei entsprechender intensiver Behandlung der Zustand der Klägerin, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, deutlich gebessert werden könnte.

Aus den in den Gutachten festgehaltenen Tagesabläufen der Klägerin wird auch ersichtlich, dass sie keinem relevanten krankheitsbedingten Rückzug im Alltag unterliegt. Sie ist im Besitz eines Führerscheins, fährt noch mit dem Auto. Sie steht i.d.R. um 6.00 Uhr in der Frühe auf, bereitet dem Ehemann das Frühstück und frühstückt mit diesem gemeinsam. Sie verrichtet dann den Haushalt, gießt Blumen, geht ins Gewächshaus, holt Salat. Mittags kocht sie i.d.R. für sich und ihren Sohn, am Abend kocht sie für den Mann, sie macht auch das Bügeln, geht Einkaufen, macht Arztbesuche. Sie gab an, dass sie keine Hobbys im engeren Sinne habe, sie lese und rätsele jedoch gerne. Sie erhalte Besuch von Bekannten, auch von Personen, die man im Urlaub kennengelernt habe. Sie wolle mit ihrem Mann und einer Trachtengruppe 5 Tage lang fortfahren, im März sei sie 5 Tage lang zur Kamelienblüte an den Lago Maggiore gefahren. Sie habe Freude an der Unternehmung von Kurztrips. Aufgrund dieser Beschreibung ihrer Lebensumstände, insbesondere auch aufgrund der psychischen Anamnese durch Dr.D. ist nach Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass eine durchgehende, nicht mehr zu behandelnde, dauerhafte mittelschwere bis schwere Depression der Klägerin keinesfalls angenommen werden kann, zumal noch weitere Behandlungsoptionen bestehen und die bereits durchgeführten Maßnahmen - wie etwa die stationäre psychosomatische Behandlung - auch zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden der Klägerin geführt haben. In der psychischen Testung der Klägerin hat der Sachverständige Dr.D. festgehalten, dass die Klägerin bei der Selbstbeurteilung zu einer mittelschweren depressiven Symptomatik kommt, bei der Fremdbeurteilung hingegen zeigt sich nicht einmal ein sicherer Hinweis für eine depressive Symptomatik. Ein verbaler IQ der Klägerin von 136 wurde festgehalten. Der Sachverständige Dr.D. legt ausführlich dar, dass bei der Klägerin sicherlich organpathologische Beschwerden vorhanden sind, die auch im Rahmen einer gewissen fortschreitenden Degeneration eine Rolle spielen. Darüber hinaus fänden sich aber biografische und in der Persönlichkeit der Klägerin verankerte Konflikte und Belastungen, welche die tatsächlich vorhandenen körperlichen Beschwerden verstärken und die Psychogenese der Beschwerden fördern. Hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang der Konflikt mit dem Bruder, der sich offensichtlich über eine Auseinandersetzung bezüglich der Versorgung der demenzkranken Mutter entwickelt habe. Sie habe sich durch die Forderung des Bruders, die Mutter zu unterstützen und zu pflegen, unter Druck gesetzt und sich überfordert gefühlt und verweise in diesem Zusammenhang immer wieder auf eigene Erkrankungen. Gleichzeitig seien Schuldgefühle mobilisiert worden. Darüber hinaus hadere die Klägerin mit ihrer Biografie. Bei deutlich überdurchschnittlichem IQ habe sie den Eindruck, im Vergleich zu damaligen Schulkameradinnen zu wenig aus ihrem Leben und ihren Möglichkeiten gemacht zu haben. Es zeige sich eine gewisse Verbitterung über die lebensgeschichtliche Entwicklung, insbesondere auch die damit verbundene jahrelange Pflege und Betreuung der Großeltern und Eltern. In der Persönlichkeit fänden sich ängstlich-abhängige Züge, wobei in der Kindheit mit verlängerter Enuresis eine Primordial-Symptomatik vorhanden gewesen sei. Hypochondrische und ängstlich-abwehrende Züge seien durchaus erkennbar. In diesem Zusammenhang sei nachvollziehbar von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirks A-Stadt, Außenstelle A. die Diagnose einer ängstlich-abhängigen und kombinierten Persönlichkeitsstörung gestellt worden. Bis etwa 2007 sei noch keine regelmäßige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erfolgt. Die Klägerin habe sich im Rahmen der damaligen familiären und gesamtsozialen Konfliktsituation bei dem Psychotherapeuten Dr.H. vorgestellt. Eine psychotherapeutische Behandlung sei damals als nicht aussichtsreich eingeschätzt und auf die Notwendigkeit einer antidepressiven Medikation verwiesen worden. Unter zunehmendem psychosozialem Druck sei es im Jahr 2008 zu einer Dekompensation gekommen, die Klägerin habe für ca. 10 Tage in stationäre Behandlung gemusst. Hypochondrische Befürchtungen hätten damals im Vordergrund gestanden. Es habe sich ein deutlicher Bezug zu den damaligen familiären Belastungen und Konflikten gezeigt. Ende 2010 sei es dann wiederum zu einer teilstationären Behandlung in der gleichen Klinik aufgrund der somatoformen Beschwerden und der dann in den Vordergrund getretenen depressiven Symptomatik gekommen. Unter antidepressiver Behandlung habe sich jedoch eine deutliche Besserungstendenz eingestellt. Der Facharzt für Neurologie Dr.S. habe 2010 berichtet, dass die frühere Medikation mit dem antidepressiven Medikament Duloxitin durchaus erfolgreich gewesen sei, die Klägerin dieses jedoch dann wegen Übergewichts abgesetzt habe. Mittlerweile zeige sich auch mehrere Monate nach der Entlassung aus der teilstationären Behandlung ein zufriedenstellender Befund. Eine manifeste depressive Symptomatik sei nicht mehr erkennbar. Damit korreliere die Alltagsgestaltung aktiv und nach außen orientiert. Der Sachverständige Dr.D. schlägt mittelfristig eine psychiatrische und psychotherapeutische Begleitbehandlung vor. Des Weiteren sollten der Klägerin berufsfördernde Maßnahmen angeboten werden, die einer Rückkehr in die Erwerbstätigkeit dienlich sein könnten. Allerdings sei das Verhalten der Klägerin nicht unbedingt von einem drängenden Wunsch nach einer Rückkehr in eine Erwerbstätigkeit geprägt.

Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt nicht in Betracht. Hiernach sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 S 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 S 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 240 Abs 2 S 4 SGB VI).

Die eingeholten Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen nach wie vor eine Tätigkeit als Frisörmeisterin bzw. als Frisörin im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben könnte. Meister im Frisörhandwerk können, abhängig von der Betriebsgröße, verschiedene Fach- und Führungsaufgaben übernehmen (vgl. berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, vom 20.04.2005 in dem Verfahren L 6 RJ 664/03 vor dem Bayer. Landessozialgericht). So führen sie anspruchsvolle Tätigkeiten selbst durch, die besonderes Können und langjährige Erfahrung voraussetzen. I.d.R. arbeiten sie praktisch im Betrieb mit, beraten Kunden bei der Wahl einer passenden und modischen Frisur, schneiden, formen und färben Kopf- und Barthaare und führen kosmetische Behandlungen durch. Außerdem beraten sie die Kunden bei der Auswahl, Verwendung und Pflege von künstlichen Haarteilen wie Perücken oder Toupets und fertigen diese zum Teil auch selbst an. Ansonsten verteilen sie die Aufgaben an einzelne Mitarbeiter, leiten sie, organisieren die Arbeitsabläufe im Betrieb, kontrollieren die Einhaltung von Kosten und Terminen und prüfen die Arbeitsausführung. Auch für Betriebsbereitschaft und rationellen Einsatz von Betriebsmitteln, für den Einkauf der eingesetzten Produkte sind sie zuständig. I.d.R. sind sie für die Ausbildung im Rahmen ihrer sonstigen Aufgaben verantwortlich. Dabei beachten sie einschlägige rechtliche Regelungen und pädagogische Grundsätze. Als selbstständige Inhaber eines Handwerksbetriebes entwickeln Frisörmeister die betrieblichen Grundsätze, bestimmen Art und Umfang der Investitionen, sind für Personalauswahl verantwortlich und kontrollieren den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin wird man wohl davon ausgehen müssen, dass sie den Beruf der Frisörmeisterin nicht mehr in dem von ihr bisher ausgeübten Umfang bzw. in dieser Art ausüben kann. Die Klägerin war alleinige Inhaberin eines kleinen Frisörsalons ohne Mitarbeiter. Es kommt aber für die Frage der Berufsunfähigkeit nicht darauf an, ob die Klägerin gerade die konkrete Tätigkeit in der von ihr selbst bestimmten Form weiterhin ausführen kann, sondern ob sie mit ihrem Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, eine Tätigkeit als Frisörmeister überhaupt auszuüben. Je nach Betriebsgröße sind durchaus Tätigkeiten denkbar, die überwiegend anleitend und überwachend sind, so dass ein entsprechender Haltungswechsel gewährleistet sowie die übermäßige Exposition gegenüber reizenden Stoffen weitgehend vermieden werden kann. Arbeitsplätze, auf denen die Klägerin als Frisörmeisterin mit eher überwachender und anleitender Funktion tätig werden kann, sind sicherlich auch ausreichend im Bundesgebiet vorhanden.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Auffassung vertritt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Allergiedisposition diese Tätigkeit - und ebenfalls die einer Einkäuferin für Friseur- und Kosmetikprodukte - nicht mehr ausüben könne, hat die behandelnde Hautärztin Dr. E. im Schreiben vom 16.12.2011 zwar bestätigt, dass der im Jahr 1999 ausgestellte Allergiepass nach wie vor seine Gültigkeit habe. Die genannten Allergene müssten gemieden werden, um dermatologische Beschwerden zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Dies würde jedoch nur eine qualitative Leistungseinschränkung darstellen, die bereits im Rahmen der eingeholten Gutachten berücksichtigt wurde.

Im Übrigen kann die Klägerin nach Überzeugung des Senats jedenfalls auf die ihr sowohl medizinisch als auch sozial zumutbaren Tätigkeiten der Registratorin und der Poststellenmitarbeiterin verwiesen werden. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter mit seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt sich nach einem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema. Dieses gliedert die Berufe in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen, je nach Qualität der absolvierten Ausbildung. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannte Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die sogenannten Ungelernten. Eine vom Versicherten mindestens sechsstündig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des § 240 SGB VI, wenn er Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann (vgl. Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI, Rdnr. 24 ff. mit zahlreichen Nachweisen).

Die Klägerin ist aufgrund ihrer Qualifikation in die zweite Gruppe der Facharbeiter einzuordnen. Sie hat zwar einen anerkannten Abschluss als Friseurmeisterin, der sie zum Betreiben eines Handwerksbetriebes berechtigt hat, wenngleich dieser Abschluss bereits nach einem halbjährlichen Qualifikationskurs erworben werden konnte. Die Klägerin hat aber lediglich einen kleinen Friseurbetrieb ohne Mitarbeiter auf dem Dorf mit nur geringer Kundenfrequenz betrieben, so dass sie gerade keine Vorgesetztenfunktion ausgeübt hat, die Voraussetzung für die oberste Qualifikationsstufe wäre. Sie kann deshalb zumutbar auf Tätigkeiten der nächsten Stufe, also in Berufe mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren verwiesen werden, zu denen der Beruf des Registrators und des Poststellenmitarbeiters im gehobenen Bereich gehören (vgl. Bayer. Landessozialgericht v. 06.05.2009, Az. L 20 R 182/07, veröffentlicht bei juris). Eine Einarbeitung in diese Berufe ist der Klägerin aufgrund ihrer mit der bisherigen selbständigen Tätigkeit und den damit verbundenen wirtschaftlichen und organisatorischen Kenntnissen unzweifelhaft innerhalb von drei Monaten möglich, wofür auch der konstatierte hohe IQ der Klägerin spricht. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin wurde vom gerichtlichen Sachverständigen Dr.D. ebenso wie vom Gutachter nach § 109 SGG, Dr. K. nach wie vor gesehen, wenn auch beide die Umstellungswilligkeit der Kläger bezweifelten. In diesen Verweisungsberufen wäre die Klägerin den vom Prozessbevollmächtigten geschilderten "typischen Schadstoffen des Friseurhandwerks" nicht mehr ausgesetzt.

Die Einholung weitere Gutachten entsprechend dem Antrag des Prozessbevollmächtigen der Klägerin im Erörterungstermin vom 29.11.2011, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012 wiederholt wurde, ist nach Überzeugung des Senats entbehrlich, da die Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin in zahlreichen Gutachten zum einen bereits umfassend erfolgt ist und keine Anhaltspunkte für weitere wesentliche gesundheitliche Einschränkungen in rentenrechtlich relevantem Umfang bestehen, die gegebenenfalls noch einer gutachterlichen Bewertung zugeführt werden müssten und zum anderen auch keine weiteren leistungsrechtlich relevanten Gesundheitseinschränkungen konkret benannt wurden. Auch aus den mit Schriftsatz vom 02.04.2012 noch übersandten ärztlichen Unterlagen ergeben sich keine derartigen Anhaltspunkte.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 30.10.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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