L 9 AL 59/12 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 AL 332/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 59/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Fehlt es nach Auffassung des Klägers am Zugang eines Bescheides, so ist es grundsätzlich dem Bürger zumutbar, nach Erhalt einer Mahnung mit Zahlungsaufforderung dem Leistungsträger mitzuteilen, dass der verpflichtende Bescheid nicht zugegangen ist.
2. Die Frage, ob dieser verpflichtende Bescheid zugegangen ist, stellt grundsätzlich keine rechtlich so problematische Fragestellung dar, bei welcher eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts stets notwendig ist.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 01.02.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Zur Begründung verweist der Senat vollinhaltlich gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Regensburg in seinem Beschluss vom 01.02.2012.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren keine andere Entscheidung ergehen konnte. Bei der im Recht der Prozesskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) X nicht notwendig. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte, weil ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erkenntnisstand sich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte (Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, Kommentar, § 63, Rz.: 47; BVerwGE 61, 100, 102; BSG SozR 1300 § 63 Nr. 12), oder wenn es dem Beteiligten nach den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen (BSG SozR 1300 § 36 Nr. 12; BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 34). Dabei geht unsere Rechtsordnung von einem mündigen Bürger aus, der grundsätzlich in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu gestalten. Eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist jedoch dann notwendig, wenn sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand eines Rechtsanwalts bedient hätte. Als maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist auf die Sicht zur Zeit der Beauftragung abzustellen (ex-ante-Betrachtung) und nicht aus der Rückschau (ex-post-Betrachtung) zu überlegen, ob die Einschaltung eines Rechtsanwalts objektiv erforderlich und notwendig war (Becker a.a.O.; BSG vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 78/04 R; BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36; BVerwG Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35 = NJW 2000, 2832). Kriterien zur Beurteilung der Notwendigkeit sind die objektive Schwere der Sach- und Rechtslage, die Schwere des Eingriffs bzw. Bedeutung der beantragten Leistung oder Feststellung (vgl. BVerwGE 68, 1, 3), die Person des Widerspruchsführers, ggf. bei ihm vorliegende körperliche oder geistige Gebrechen oder seine Unbeholfenheit bei der Wahrnehmung seiner Rechtsverfolgung/-verteidigung (Becker a.a.O.). Zu Recht weist die Beschwerde insoweit darauf hin, dass häufig aufgrund der Komplexität des Sozial- und Zwangsvollstreckungsrechts grundsätzlich eine Beiziehung eines Rechtsanwalts geboten ist. Dies wird so auch in Rechtsprechung und Literatur vertreten (vergleiche beispielsweise Becker, a.a.O.). Im vorliegenden Fall waren jedoch primär keine sozialrechtlichen oder zwangsvollstreckungsrechtlichen Fragestellungen zu prüfen, sondern es ging lediglich um die Frage, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin überhaupt einen Bescheid erhalten hat. Nachdem dies nach dem Vortrag der Klägerin nicht der Fall war, wäre es der Klägerin, auch wenn sie im Zeitpunkt der Mahnung erst 18 Jahre alt war, zumutbar, zunächst telefonisch nachzufragen, um was für einen Bescheid es sich handeln solle und mitzuteilen, dass dieser Bescheid nicht angekommen ist. Dies gilt erst recht, nachdem in der Mahnung vom 22.12.2011 der folgende Hinweis aufgenommen ist: "Sollte Ihnen eine fristgerechte Zahlung nicht möglich sein, setzen Sie sich bitte umgehend mit dem Inkassobereich unter der obigen Rufnummer in Verbindung." Wie sich aus der Reaktion der Beklagten zeigte, hat diese auch unverzüglich einen Abdruck des Bescheides übersandt und die entsprechenden Mahngebühren in Höhe von 0,80 EUR aufgehoben. Insoweit handelt es sich um keine rechtlichen Bewertungen, welche aufgrund der Komplexität des Sozialrechts die Beiziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erscheinen lassen. Aber auch hinsichtlich der Höhe der Mahngebühren von 0,80 EUR bestehen erhebliche Bedenken, inwieweit sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwaltes bedient hätte. Bei der im Recht der Prozesskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung ist daher eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache zu verneinen.

Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO iVm § 73 a SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG, § 73a SGG iVm § 127 Abs 2, 3 ZPO.
Rechtskraft
Aus
Saved