L 13 R 509/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 531/10 FdV
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 509/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Landshut vom 14. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1961 in Rumänien geborene Kläger, rumänischer Staatsangehöriger, ist am 9. September 1990 in das Bundesgebiet zugezogen. Er hat in Rumänien von September 1976 bis Juni 1980 den Beruf des Maschinenbaumechanikers erlernt. Bis zu seinem Zuzug war er als Mechaniker und Busfahrer, in der Bundesrepublik Deutschland zunächst bis März 1993 als Mechaniker, dann von August bis Dezember 1993 als Montagehelfer, von Oktober 1994 bis März 1995 als Auswuchter von Antriebswellen, von Januar bis Mai 1998 als Trockenbauhelfer und zuletzt von Oktober bis Dezember 1998 als Gerüstbauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Der Kläger begehrte erstmals mit Antrag vom 18. Mai 2005 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Der Antrag wurde mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 12. Juli 2005 abgelehnt, nachdem die ärztlichen Untersuchungen ergeben hatten, dass der Kläger aufgrund seiner Gesundheitsstörungen (lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung, Abnutzungserscheinungen und Zustand nach Bandscheibenoperation wegen Prolaps L 4/5 rechts (5/2000), halswirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung, Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschäden, Gelenkbeschwerden und Übergewicht) nicht gehindert sei, noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Mit Antrag vom 5. September 2007 begehrte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung verwies er auf Wirbelsäulenbeschwerden, Depressionen, Bluthochdruck und chronische Schmerzen. Die Beklagte holte ein orthopädisches Gutachten von Dr. P. vom 17. Oktober 2007 ein. Dieser stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Schmerzhafter erneuter Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule, begleitende narbige Verwachsungen
2. Schmerzhafte Bandscheibenschädigung der Halswirbelsäule
3. Degenerative Kapsel- und Sehnenschäden des linken Schultergelenks mit Bewegungseinschränkung
4. Gering schmerzhafte Arthrose der Hüftgelenke
5. Bluthochdruck
6. Depression.

Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde, in geschlossenen Räumen, ohne Überkopfarbeit, ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne Zwangshaltungen, ohne viel Bücken und ohne Kälte- und Nässeeinflüsse vollschichtig zu verrichten.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 29. Oktober 2007 ab. Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger darauf, er habe aufgrund seiner Wirbelsäulenschäden ständig Schmerzen. Deshalb hätten sich auch Depressionen eingestellt. Er sei psychisch keinesfalls mehr belastbar. Er leide unter Durchschlafstörungen, Unkonzentriertheit und Übermüdung. Seine Bewegungsfähigkeit werde durch Hüftbeschwerden weiter eingeschränkt. Es bestehe auch noch ein starker Bluthochdruck.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten der Psychiaterin R. vom 18. März 2008 ein. Diese diagnostizierte beim Kläger einen ständigen Gebrauch von Opiaten und NSAR, Übergewicht, eine Fettstoffwechselstörung, eine medikamentös befriedigend eingestellte Harnsäure-Stoffwechselstörung, einen Leberschaden, einen schmerzhaften erneuten Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule mit begleitenden narbigen Verwachsungen. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2008 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) unter dem Az. S 14 R 518/08 erhoben und zur Begründung auf die Widerspruchsbegründung verwiesen.

Das SG hat diverse Befundberichte beigezogen und gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz -SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-sozialmedizinischen Terminsgutachtens von Dr. L. vom 16. Januar 2009 und eines psychiatrischen Terminsgutachtens von Dr. N. vom gleichen Tag.

Dr. L. hat beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:
1. Hals- und lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Zustand nach operiertem Bandscheibenvorfall L 4/5 2000, Nachweis mehrfacher Bandscheibenvorwölbungen im Bereich der Halswirbelsäule und Nachweis eines erneuten Bandscheibenvorfalls in Höhe L 4/5 und von Narbengewebe
2. Schultergelenksbeschwerden links bei Aufbraucherscheinungen
3. Schmerzen im Bereich der Hüftgelenke beidseits bei altersentsprechendem Befund
4. Bluthochdruck
5. Depressive Entwicklung bei chronischem Schmerzsyndrom.

Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien dauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten, nervliche Belastung, Zeitdruck sowie Akkord- und Nachtschichtarbeit.

Dr. N. hat dem Kläger eine depressive Entwicklung bei chronischem Schmerzsyndrom bescheinigt. Dieser könne noch leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung (kein Zeitdruck, keine Nachtschicht) verrichten.

Nachdem die Beklagte einen Entlassungsbericht der AHG Klinik H. vom 20. Januar 2009 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 11. November bis 16. Dezember 2008 auf psychosomatischer Grundlage übermittelt hatte, in dem ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden angekreuzt, im Text hingegen noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt worden war, hat das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein psychiatrisches Gutachten vom 9. Juni 2009 von Dr. W. eingeholt. Die Sachverständige hat eine mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt und erklärt, der Kläger könne täglich nur noch unter 6 Stunden leichte Arbeiten ohne starke psychische Belastung (kein Zeitdruck, keine Schichtarbeit) verrichten. Das depressive Syndrom habe sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert, wahrscheinlich auch aufgrund der Zunahme der Intensität der Schmerzen und der damit verbundenen körperlichen Einschränkungen. Das eingeschränkte Leistungsvermögen bestehe seit mindestens einem Jahr. Aufgrund des Verdachts auf einen erneuten Bandscheibenvorfall ausweislich eines radiologischen Befundes vom 2. Juni 2009 sei ein orthopädisches bzw. neurochirurgisches Gutachten erforderlich. Möglicherweise könnte der Kläger von einer psychosomatischen Schmerztherapie in vollstationärem Rahmen profitieren.

Nachdem sich die Beklagte nicht der Einschätzung von Dr. W. angeschlossen hatte, holte das SG nach Beiziehung weiterer Befundberichte gemäß § 106 SGG ein neurologisches Gutachten von Dr. P. vom 25. September 2009 ein. Dieser stellte folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung und degenerativer Wirbelsäulenerkrankung
2. Leicht- bis mittelgradige depressive Störung
3. Funktionsbeeinträchtigung im linken Schultergelenk
4. Funktionsbeeinträchtigung in den Hüftgelenken
5. Bluthochdruck.

Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne schweres Heben und Tragen mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Er könne sich noch auf einfachste sowie ungelernte Tätigkeiten, die einer Einweisung bzw. Einarbeitung betrieblicher Art bedürfen, umstellen. Eine stationäre psychosomatische Schmerztherapie sei sinnvoll.

In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2009 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass von Seiten der Gutachter Dr. P. und Dr. W. eine stationäre Maßnahme in einer spezialisierten Klinik für chronische Schmerzstörung empfohlen worden sei. Es werde für sinnvoll erachtet, einen entsprechenden Antrag bei der Krankenkasse zu stellen. Eine Erwerbsminderung liege nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Auf Vorschlag des Gerichts haben sich die Beteiligten mit dem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse einverstanden erklärt. Daraufhin ist mit Beschluss vom selben Tag das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Auf Antrag des Klägers vom 17. Mai 2010 ist das Verfahren unter dem Az. S 14 R 531/10 FdV fortgeführt worden. Der Kläger hat den Entlassungsbericht der Technischen Universität C-Stadt über einen vollstationären Aufenthalt vom 5. Januar bis zum 16. Februar 2010 übermittelt, aus der er arbeitsunfähig entlassen worden ist. Das SG hat daraufhin gemäß § 106 SGG ein weiteres psychiatrisches Terminsgutachten von Dr. N. vom 30. September 2010 eingeholt. Dieser hat eine somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Störung, ein LWS-Syndrom bei Bandscheibenschäden, ein degeneratives und fehlstatisches HWS-Syndrom, Schultergelenksbeschwerden links bei Aufbraucherscheinungen sowie einen Bluthochdruck festgestellt. Der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung, ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen und ohne Überkopfarbeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Es bestehe Umstellungsfähigkeit auf einfachste und ungelernte Arbeiten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.

Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2011 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. L., Dr. P. und Dr. N. abgewiesen. Die Auffassung von Dr. W., es liege nur noch ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen vor, sei nicht überzeugend.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht hat der Kläger bemängelt, das SG habe den Grad der Behinderung in Höhe von 30 nicht mit berücksichtigt. Bei ihm lägen nicht nur eine rezidivierende depressive Störung, sondern auch Persönlichkeits- und Somatisierungsstörungen vor. Die Testergebnisse in Bezug auf das Schmerzempfinden des Klägers seien von Dr. L., Dr. N. und Dr. P. nicht ausreichend gewürdigt worden. Auch die Therapeuten des Klägers beim Klinikum B. und der Technischen Universität C-Stadt gingen von einem eingeschränkten quantitativen Leistungsvermögen aus. Die Terminsgutachten der Sachverständigen seien nur wenig aussagekräftige Momentaufnahmen. Eine Bezugnahme auf die zuvor erstellten Befunde würde fehlen. Auch der ständige Gebrauch von Opiaten und NSAR würde von den Sachverständigen nicht thematisiert. Schließlich habe keine Erforschung des Sachverhalts in neurologischer Hinsicht stattgefunden.

Der Senat hat nach Beiziehung diverser Befundberichte gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch ein nervenärztliches Gutachten von Dr. C. vom 10. Mai 2012. Der Sachverständige hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:

1. Degeneratives LWS-Syndrom, leichtgradige sensible Schädigung der Nervenwurzel L 5 rechts, ohne aktuelle Nervenwurzelreizerscheinungen
2. Degeneratives HWS-Syndrom, Zustand nach Bandscheiben-Operation zwischen HWK 5 und 7 ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit oder Nervenwurzelreizerscheinungen
3. Narzisstisch depressive Störung, Dysthymie
4. Essstörung
5. Schmerzmittelmissbrauch
6. Periarthropathia humeroscapularis beidseits
7. Hypertonus.

Der Kläger könne seit September 2007 leichte Arbeiten möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend allerdings in sitzender Position in geschlossenen Räumen sowie im Freien vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen ausüben. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen (Überkopfarbeit), Tätigkeiten in gebückter Position oder in der Hocke, Zeitdruck (Fließband-/Akkordarbeit), Tätigkeiten in einem hektischen Arbeitsumfeld sowie Nachtschichttätigkeiten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Umstellungsfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

In seiner Stellungnahme hierzu hat der Kläger ausgeführt, er habe nur Schmerzmittel nach ärztlicher Verordnung eingenommen. Ein Schmerzmittelmissbrauch liege hierin nicht. Es sei nicht zu erklären, wie Dr. C. zu dem Ergebnis komme, die Merkfähigkeit sei ausreichend erhalten. Bei einem Merkfähigkeitstest habe der Kläger von drei Wörtern nach einiger Zeit nur noch eines erinnern können. Der Sachverständige habe auch ignoriert, dass die Funktionsgriffe für den Kläger sehr schmerzhaft gewesen seien. Hier sei vom Sachverständigen nachgeholfen worden. Auch sei der zweite Aufenthalt des Klägers im Klinikum I. nur sehr spärlich erwähnt worden. Die Schwerpunkte im Gutachten seien falsch gesetzt worden. Auch habe sich das Gesamtgesundheitsbild des Klägers seit 2007 entgegen der Auffassung von Dr. C. dramatisch im negativen Sinne verändert. Dies könne aus den vielen ärztlichen Befunden entnommen werden. Soweit diese Dr. C. nicht vorgelegen haben, sei dies eine erhebliche Fehlerquelle. Auch die Angabe von Dr. C., dass der Kläger keine zusätzlichen Arbeitspausen bräuchte, werde anders dargestellt, als der Kläger dies zum Untersuchungszeitpunkt angegeben habe. Nach seinen Angaben brauche er im Alltag immer wieder alle 2 bis 3 Stunden eine Auszeit. Dies habe er dem Sachverständigen auch gesagt. Der Ratschlag von Dr. C., er solle mehr Sport treiben, stelle nur Spott und Hohn dar. Dies sei für den Kläger nicht realisierbar.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 hat der Kläger auf Beschwerden am linken Knie hingewiesen sowie mitgeteilt, dass er am 28. August 2012 einen Termin zu einer Computertomographie - Untersuchung habe. Er übersandte einen Abschlussbericht der Klinik H. vom 21. Mai 2012 über einen stationären Rehabilitationsaufenthalt vom 25. April 2012 bis 16. Mai 2012 auf orthopädischer Grundlage. Hierin wird dem Kläger noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 14. Januar 2011 und des Bescheids der Beklagten vom 29. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2008 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2008 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2

SGB VI scheidet von vornherein aus, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Gutachten von Dr. L., Dr. N., Dr. P. und Dr. C ... Der hiervon abweichenden Einschätzung von Dr. W. vermag der Senat nicht zu folgen.

Bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. L. zeigten sich am Kopf, Hals, Thorax/ Lunge, Herz und Bauch - abgesehen von einem auf RR 160/95 mmHg erhöhten Blutdruck - keine auffälligen Befunde. Das Gangbild des Klägers war harmonisch, Zehen- und Fersengang sowie der Einbeinstand waren dem Kläger problemlos möglich. Die Bewegungsabläufe waren flüssig bei erkennbarer Schonhaltung von Wirbelsäule und linker Schulter. Die Wirbelsäule war lotgerecht aufgebaut bei gut ausgebildeter paravertebraler Muskulatur. Die Funktion der Halswirbelsäule war leichtgradig, die der Brust- und Lendenwirbelsäule leicht- bis mittelgradig eingeschränkt. An den oberen Extremitäten fand die erfahrene Gerichtssachverständige eine beidseits seitengleich gut ausgebildete Muskulatur mit normaler Handbeschwielung. Die Beweglichkeit des Schultergelenks links war leichtgradig eingeschränkt. So konnte der Kläger den linken Arm nur bis zur Waagrechten anheben. Das Schultergelenk rechts, die Ellbogen- und Handgelenke waren hingegen frei beweglich. Die Funktionsgriffe der oberen Extremitäten waren für den Kläger abgesehen vom Nackengriff links problemlos durchführbar. An den unteren Extremitäten fand sich ebenfalls eine seitengleich gut ausgebildete Muskulatur ohne Ödeme oder Varikosis. Abgesehen von einer geringgradigen Funktionseinschränkung der Hüftgelenke beidseits waren die Gelenke der unteren Extremitäten frei beweglich ohne Deformierung, Schwellungen oder Instabilität.

Angesichts dieser Befunde ist die Einschätzung der erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. L., der Kläger könne noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mit bestimmten qualitativen Einschränkungen verrichten, nachvollziehbar. Dr. L. konnte keine neurologische Ausfälle finden. Sie hat darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine sehr ausgebildete Muskulatur im Bereich des Rückens und auch der Extremitäten vorliege, was gegen eine dauernde körperliche Schonung spreche. Die alltagsrelevanten Verrichtungen würden flüssig bei Schonung der Wirbelsäule und der linken Schulter vonstatten gehen. Auch das Gangbild sei flüssig und harmonisch.

Bei der psychiatrischen Untersuchung durch Dr. N. war der Kläger bewusstseinsklar, allseits vollständig orientiert und ohne kognitive oder mnestische Leistungseinschränkungen. Die Denkabläufe waren flüssig und geordnet, ohne paranoide Gedankeninhalte oder psychotische Phänomene. Die Stimmungslage war subdepressiv bei ausreichender emotionaler Schwingungsfähigkeit. In Bezug auf Antrieb und Psychomotorik waren keine wesentlichen Hemmungen erkennbar. Zwar waren die Gedanken des Klägers inhaltlich auf sein Schmerzerleben und seine psychosozialen Probleme zentriert, das Ausdrucksverhalten war aber nicht auffallend schmerzgeplagt. Das depressive Syndrom des Klägers war nach der Einschätzung von Dr. N. nicht so erheblich, als dass daraus eine quantitative Leistungsminderung resultieren würde.

Dr. W. hat ihre Einschätzung, der Kläger sei nur noch unter 6 Stunden täglich einsetzbar für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, mit dem Hinweis begründet, aufgrund der chronischen Schmerzsymptomatik habe sich beim Kläger mittlerweile ein chronifiziertes depressives Syndrom entwickelt. Dies habe sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert, wahrscheinlich auch aufgrund der Zunahme der Intensität der Schmerzen, der damit verbundenen körperlichen Einschränkungen und der weiter verminderten Belastbarkeit. Dieser Zustand bestehe seit mindestens einem Jahr, also seit Juni 2008.

Eine hinreichende Begründung für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 6 Stunden stellt dies nach Auffassung des Senats nicht dar. Bei dem von Dr. W. erhobenen psychopathologischen Befund zeigte sich der Kläger ebenfalls wach, bewusstseinsklar und vollständig orientiert. Zwar war der Kläger insbesondere beim Ansprechen seiner Krankheitssymptome und der damit verbundenen Einschränkungen depressiv herabgestimmt, bei anderen, weniger belastenden Themen war jedoch der Affekt adäquat. Es bestand auch noch eine ausreichende Schwingungsfähigkeit. Auffassung, Konzentration und Merkfähigkeit waren regelgerecht. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben gegenüber Dr. W. noch in der Lage ist, einen geregelten Tagesablauf zu absolvieren. Nach einem gemeinsamen Frühstück fährt er seinen Sohn in die Schule und erledigt anschließend Einkäufe oder Behördengänge. Er versorgt seinen Sohn, kümmert sich um den Haushalt, kocht und liest. Der Kläger lebt in einer Familie, ist nach eigenen Angaben glücklich verheiratet und hat auch noch einige gute Freunde. Dies alles lässt die Annahme nicht plausibel erscheinen, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, noch leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.

Für den Senat ist im Gutachten von Dr. W. auch nicht nachvollziehbar, dass sie ihre, von den Vorgutachtern abweichende Leistungseinschätzung wesentlich auf eine Verschlechterung im psychischen Gesundheitszustand des Klägers stützt, den Leistungsfall aber auf Juni 2008 datiert. Dr. N. und Dr. L. haben den Kläger nach diesem Zeitpunkt im Januar 2009 untersucht. Eine gravierende, eine Rentengewährung rechtfertigende psychiatrische Erkrankung konnten sie jedoch nicht feststellen. Auch im Entlassungsbericht der AHG Klinik H. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. November bis 16. Dezember 2008 wird nur von einer mittelgradigen depressiven Episode berichtet. Bei Aufnahme war der Kläger freundlich zugewandt bei gut herstellbarem Kontakt. Aufmerksamkeit und Auffassung waren unauffällig, der Kläger war zu allen Qualitäten gut orientiert ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen. Der Affekt war gedrückt bei geminderten Antrieb und reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit. Aus dieser Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger im Hinblick auf seine depressive Symptomatik leicht gebessert entlassen. Der Kläger war selbstbewusster und im Vergleich zum Zeitpunkt der Aufnahme positiver gestimmt. Er wurde vollschichtig arbeits- und erwerbsfähig entlassen. Der Senat geht dabei davon aus, dass die in der Epikrise eingehend dargestellte und begründete Einschätzung der vollschichtigen Leistungsfähigkeit zutreffend ist und nicht die nur ohne nähere Begründung angekreuzte Angabe eines Leistungsvermögens von 3 bis unter 6 Stunden. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Versehen. Denn eine - ansonsten zu erwartende - Begründung für eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich den gesamten Entlassungsbericht nicht entnehmen.

Auch Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 25. September 2009 bestätigt, dass eine Absenkung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers nicht begründet werden kann. Er hat von einer gedrückten Grundstimmung berichtet, wobei die affektive Schwingungsfähigkeit allerdings nur leicht eingeschränkt war. Die emotionale Ausdrucksfülle war nur etwas reduziert. Auffassungsvermögen und Denkablauf waren regelgerecht ohne erkennbare Verlangsamung. Zeitgitterstörungen, kognitive Defizite, paranoide Denkinhalte oder Wahrnehmungsstörungen traten nicht auf. Zeichen für eine tiefergehende depressive Erkrankung waren bei der Untersuchung durch Dr. P. nicht nachweisbar. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der Kläger in seiner Alltagsgestaltung aktiv sei und seine sozialen Kompetenzen nicht defizitär ausübe. Die neurologische Untersuchung ergab ebenfalls keine wesentlichen Befunde. Paresen oder Muskelathropien liegen beim Kläger nicht vor. Die Muskeldehnungsreflexe waren seitengleich. Stand und Gang des Klägers waren sicher.

Diese Einschätzung wurde erneut im Rahmen der vom Senat durchgeführten Begutachtung durch Dr. C. bestätigt. Dr. C. fand eine allenfalls dysthyme Verstimmung des Klägers bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit. Eine tiefergehende depressive Störung war nicht festzustellen. Es zeigten sich auch keine Hinweise für eine nennenswerte Antriebsminderung.

Nach den Feststellungen von Dr. C. waren auch das Kontaktverhalten unauffällig sowie Kognition, Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit ungestört. Der Senat hat entgegen der Auffassung der Berufung keine Zweifel daran, dass Dr. C., der ein ausgesprochen erfahrener Gerichtssachverständiger ist, in der Lage ist, die kognitiven Funktionen des Klägers zu prüfen. Störungen in diesem Bereich wurden bislang auch von keinem anderen Sachverständigen berichtet.

Die von Dr. C. durchgeführte Überprüfung der Medikamentenkonzentration im Blutserum erbrachte Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger weder Citalopram (Antidepressivum) noch Pipamperon (sedierendes Neuroleptikum bei Schlafstörungen) einnimmt sowie Ibuprofen allenfalls unregelmäßig und mit Sicherheit nicht in der vom Kläger angegebenen Häufigkeit während der vorangegangen 14 Tage. Dies lässt den Schluss zu, dass die

vom Kläger geltend gemachten Schmerzen nicht in einem derart hohen Ausmaß bestehen, wie von ihm geltend gemacht wird.

Entgegen der Befürchtungen der Berufung hat Dr. C. auch sämtliche Befundberichte bei seiner Gutachtenserstellung zur Verfügung gehabt. Von einer dramatischen Verschlechterung des Gesamtgesundheitsbildes des Klägers, die auch nur pauschal behauptet, aber in keiner Weise konkret belegt wird, kann angesichts der Feststellungen von Dr. C. keine Rede sein. Im wesentlichen haben sich die Gesundheitsstörungen des Klägers im Laufe des seit rd. 5 Jahren andauernden Rentenverfahrens nicht verändert.

Hierfür spricht auch der nachgereichte Entlassungsbericht der Klinik H. über Maßnahmen der stationären Rehabilitation vom 25. April 2012 bis 16. Mai 2012, aus dem sich ebenfalls kein anderes Ergebnis ergibt. Hierin wird vielmehr dem Kläger auch aus orthopädischer Sicht noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt. Bei der Untersuchung der Kniegelenke zeigten sich keine akuten Reizzeichen bei Angabe von Schmerzen bei Rotation und Kompression lateral im Bereich des linken Kniegelenks. Im Röntgenbild fanden sich allerdings nur angedeutete degenerative Veränderungen am linken Kniegelenk. Eine maßgebliche leistungsreduzierene Relevanz dieser Befunde hat die Klinik H. für den Senat nachvollziehbar nicht gesehen.

Der Kläger hat nach alledem damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI.

Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit oder die Notwendigkeit unüblicher Arbeitspausen. Es mag zwar sein, dass der Kläger gegenüber Dr. C. angegeben hat, er brauche im Alltag immer wieder alle 2 bis 3 Stunden eine "Auszeit". Diese Angabe des Klägers hat aber nicht zur notwendigen Konsequenz, dass aus medizinischer - gutachterlicher Sicht arbeitsmarktunübliche Pausen erforderlich wären. Dr. C. hat vielmehr eine derartige Notwendigkeit für den Senat nachvollziehbar

nicht gesehen. Auch ist für den Senat nicht erkennbar, warum der Ratschlag von Dr. C. an den Kläger, abzunehmen, körperlich aktiver zu werden und mehr Sport zu treiben, für diesen nicht tatsächlich realisierbar sein soll. Es steht außer Zweifel, dass körperliche Betätigung bei chronischen Schmerzerkrankungen positive Wirkungen zeitigen kann. Ein triftiger medizinischer Grund, warum es dem Kläger nicht möglich sein sollte, abzunehmen und sich dann wieder mehr körperlich zu betätigen, ist nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit Dr. C. nicht gegeben. Ein solcher wird auch nicht von der Berufung aufgezeigt.

Die Berufung war damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved