Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 452/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 201/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 123/12 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Kostenerstattung für Sanoglobulin bei Multipler Sklerose - auch bei Kinderwunsch
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 3.2.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Kostenerstattungsanspruch für das selbst beschaffte Arzneimittel Sandoglobulin im Zeitraum von Dezember 2007 bis Februar 2009.
Die 1968 geborene Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 1.3.1993 bis zum 28.2.2009 pflichtversichert. Im September 2001 wurde bei der Klägerin eine multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Seit der Geburt ihres 2002 geborenen Sohnes erhielt die Klägerin monatlich intravenös verabreichte Immunglobuline, deren Kosten von der Beklagten bis einschließlich Dezember 2007 übernommen wurden. Die Klägerin befand sich in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum in einem klinisch stabilen Zustand. Weitere Schübe sind in dieser Zeit nicht aufgetreten. Bei der Klägerin bestand ein dringender weiterer Kinderwunsch. Im April 2006 und im Juni 2007 erlitt sie Fehlgeburten.
Mit Schreiben vom 11.12.2007 beantragte Prof. Dr. Dr. F., Facharzt für Neurologie, bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine am 1.12.2007 begonnene Immunglobulin-Therapie mit dem Arzneimittel Sandoglobulin. Das Arzneimittel war zugelassen für die Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, Myelomen oder chronisch lymphatischer Leukämie mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen, sowie bei Kindern mit angeborenem AIDS, für die Immunmodulation zu Behandlung Idiopathischer thrombozytopenischer Purpura (ITP), des Guillain-Barré Syndroms und des Kawasaki-Syndroms, nach allogener Knochenmarkstransplantation und zur Virusprophylaxe (Masernprophylaxe). Die Behandlung von MS gehörte nicht zu den zugelassenen Anwendungsgebieten. Das Arzneimittel Sandoglobulin wird mittlerweile nicht mehr produziert. Der Arzneimittelhersteller hat dieses Präparat durch das polyvalente intravenöse Immunglobulin Privigen ersetzt.
Prof. Dr. Dr. C. F. verordnete auf privatärztlichem Rezept am 6.12.2007 Sandoglobulin M Lsgm TRS N1 10 g und mit weiteren privatärztlichen Verordnungen vom 10.1.2008, 7.2.2008, 6.3.2008, 3.4.2008, 31.7.2008, 4.9.2008, 15.10.2008, 20.11.2008 und 20.12.2008. Die Rezepte vom 3.4.2008 (791,78 EUR), vom 6.3.2008 (791,78 EUR) und das Rezept vom 10.1.2008 (791,78 EUR) wurden in der Rosenapotheke A-Stadt jeweils zeitnah zur Verordnung eingelöst. Des Weiteren legte die Klägerin Rechnungen über den Kauf des Arzneimittels Sandoglobulin vom 11.12.2007, 16.1.2008, 15.2.2008, vom 14.3.2008 und vom 7.4.2008 vor. Darüber hinaus legte die Klägerin Rechnungen über den Verkauf von 2 x Sandoglobulin AMP 10 g 167ML vom 2.7.2008 und über den Verkauf des Arzneimittels Intratect INF 10 g 200 ML (2x) vom 15.4.2008 vor.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim MDK ein, der unter dem 11.1.2008 feststellte, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für einen Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Die Krankheitsverläufe bei MS seien sehr unterschiedlich. Es handle sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit. Bei Fehlen von therapeutischen Alternativen bei bestehendem Kinderwunsch sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit sei es jedoch medizinisch nachvollziehbar, wenn eine MS-Schubprophylaxe mit intravenös verabreichten Immunglobulinen in Betracht gezogen werde.
Daraufhin lehnte die Beklagte am 24.1.2008 mit Schreiben an die Klägerin die Kostenübernahme für die Behandlung mit den begehrten Immunglobulinen ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten des MDK und stellte fest, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für eine Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte rückwirkend die Fortführung der früheren Kostenübernahme für ihre Multiple-Sklerose-Therapie mit dem Medikament Sandoglobulin. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.4.2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Versicherter vor der Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems gehalten, seine Krankenkasse um Kostenübernahme zu bitten. Die Klägerin habe jedoch erst nach Beginn der Behandlung mit Immunglobulinen einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt.
Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München Klage erhoben und vorgetragen, dass die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use erfüllt seien. Es habe bei der Klägerin wegen ihres Kinderwunsches keine alternativen Behandlungsformen gegeben. Es handle sich darüber hinaus nicht um eine erstmalige Antragstellung, sondern die Klägerin erhalte bereits seit Geburt ihres Sohnes 2002 monatlich intravenös Immunglobuline. Es liege daher ein Vertrauenstatbestand vor. Es sei nicht nach vollziehbar, dass ein Versicherter über Jahre eine bestimmte Therapie als Sachleistung bekäme und dies dann gesondert beantragen müsse. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Frauenarztes Dr. med. N. eingeholt. Mit Urteil vom 3.2.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung von Sandoglobulin. Zudem sei der Beschaffungsweg nicht eingehalten. Es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar, dass ein Vertragsarzt Anträge für die Klägerin stelle. Die Klägerin habe vor Beschaffung des Medikaments keinen wirksamen Antrag gestellt. Darüber hinaus bestehe auch unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten kein Leistungsanspruch der Beklagten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Versorgung mit dem nicht zugelassenen Arzneimittel.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Klägerin ist unverändert der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Erstattung der für das Arzneimittel Sandoglobulin aufgewandten Kosten. Der behandelnde Arzt sei offensichtlich in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt mit Regressverfahren überzogen worden, so dass er sich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sah, die zwingend gebotene Medikation auf einem Kassenrezept zu verordnen. Dies könne der Klägerin nicht zugerechnet werden. Der Antrag auf Kostenübernahme unterliege keinem besonderen Formerfordernis. Der von Dr. F. gestellte Antrag habe das Verwaltungsverfahren eröffnet. Darüber hinaus sei auch unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten ein Leistungsanspruch begründet. Es sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar in besonderen Fällen, in denen nachhaltige und gravierende Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohten, erfolgversprechende rechtzeitige Behandlungen zu verweigern und Beeinträchtigungen in Kauf zu nehmen, wohl wissend, dass sie später nicht mehr zu beheben sind.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 3.2.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.4.2008 zu verurteilen, an die Klägerin 6.700 Euro zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurück zuweisen.
Die Beteiligten wurden zu der Absicht des Senates, ohne mündliche Verhandlung im Beschlussverfahren zu entscheiden und die Berufung einstimmig für unbegründet zurückzuweisen, mit Schreiben vom 12.7.2012 angehört. Die Beteiligten haben sich bis zum Ablauf der gesetzten Frist am 17.8.2012 nicht geäußert. Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts wurden zum Gegenstand dieses Verfahrens.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung von 6.700 Euro abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 24.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.4.2008 ist rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V sind nicht erfüllt (dazu 1.). Ebenso kann die Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen, einem Vertrauenstatbestand oder einer etwaigen Bindungswirkung herleiten (dazu 2.).
1. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Vorgehen der Klägerin in dem hier zu entscheidenden Fall die Anforderungen an das Kausalitätserfordernis des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V erfüllt.
Zwar spricht vieles dafür, im Schreiben des behandelnden Arztes Prof. Dr. Dr. F. vom 11.12.2007 einen im Namen der Klägerin gestellten Antrag auf Kostenübernahme zu sehen (vgl. auch §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Schließlich erfolgte auch die Ablehnung der Leistung durch die Beklagte allein gegenüber der Klägerin. Die Beklagte hat die Ablehnung der Kostenübernahme an die Klägerin persönlich gerichtet, an diese adressiert, sie persönlich angesprochen und den Antrag der Klägerin ausweislich des Wortlauts des Bescheids vom 24.1.2008 der Klägerin zugerechnet. Die Beklagte hat selbst das Schreiben des behandelnden Arztes so verstanden, dass es im Namen der Klägerin ergangen ist. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass bereits ein Antrag der Klägerin fehle. Auch der Verweis auf das Urteil des BSG vom 28.2.2008 (B 1 KR 15/07 R, NZS 2009, 154 ff.) greift nicht durch. Anders als vorliegend hat der behandelnde Arzt in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall bei der Krankenkasse um eine Bestätigung gebeten, sie möge von einem Prüfantrag wegen eines sonstigen Schadens absehen. Die Ablehnungsentscheidung wurde unmittelbar an den behandelnden Arzt gesandt, die Versicherte erhielt lediglich eine Kopie. Vorliegend hat die Beklagte die Ablehnungsentscheidung dagegen unmittelbar an die Klägerin gerichtet und sie persönlich angesprochen und damit deutlich gemacht, dass sie ihr den Antrag des Arztes zurechnete.
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne vorher einen Antrag bei der Krankenkasse gestellt und ihre Entscheidung abgewartet zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 14/07 R; Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 15/07 R). Bereits nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen.
Ein solcher Ursachenzusammenhang fehlt zwischen der ablehnenden Entscheidung vom 24.1.2008 und den vor diesem Tag entstandenen Kosten des selbst beschafften Arzneimittels. Dies gilt unzweifelhaft für die beantragte Kostenerstattung für die Verordnungen vom 6.12.2007 (Rechnung vom 11.12.2007) und vom 10.1.2008 (Rechnung vom 16.1.2008). Hier ist der Beschaffungsweg sicher nicht eingehalten worden.
Aufgrund der ärztlichen Vorgehensweise, ihrer ärztlichen Begründung und des tatsächlichen Geschehensablaufs ist der Senat überzeugt, dass die Anwendung von Sandoglobulin zur Schubprophylaxe mit Beginn 6.12.2007 eine einheitliche Behandlung darstellt, mit der Folge, dass die Entscheidung der Beklagten vom 24.1.2008 keine Zäsur im Rahmen des Kausalitätserfordernisses darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/07 R, Rz. 17). Wird nämlich mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Hierzu ist festzustellen, dass Prof. Dr. Dr. F. in seinem Schreiben vom 11.12.2007 die Anwendung zur "Schubprophylaxe" empfohlen hatte. Wegen des bei der Klägerin bestandenen Kinderwunsches sollte Sandoglobulin langfristig und ausdrücklich auch im Hinblick auf eine spätere Schwangerschaft und Stillzeit verabreicht werden. Ausweislich des Kostenübernahmeantrags vom 11.12.2007 war zunächst eine Behandlungsdauer von sechs Monaten festgesetzt und beantragt. Eine derartige Dauer der Behandlung wurde im Widerspruch der Klägerin und im Rahmen der Klage nicht mehr vorgetragen, die Klägerin begehrte vielmehr schlicht die Fortführung der Kostenübernahme. Die Klägerin trägt zudem in ihrer Widerspruchsbegründung vom 5.1.2008 ausdrücklich vor, dass ein Wechsel der Therapie nicht geplant sei und von ihr auch nicht gewünscht werde. Damit war die nach Beginn der Behandlung ab 6.12.2007, am 24.1.2008 getroffene Entscheidung der Krankenkasse nicht geeignet, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen (vgl. BSG, Urteil vom 3.8.2006, B 3 KR 24/05 R, Rz. 22).
b.) Jedenfalls reicht der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 12).
Arzneimittel werden mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der gesetzlichen Krankienversicherung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geleistet, wenn ihnen die arzneimittelrechtliche Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 AMG fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 13). Sandoglobulin war nicht für die Behandlung von MS zugelassen.
aa) Die Klägerin hatte auch keinen Anspruch auf eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Sandoglobulin nach den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen eines "Off-Label-Use" auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kostenübernahme für einen solchen Off-Label-Use kommt nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 13).
Selbst bei Annahme der ersten beiden vom Bundessozialgericht geforderten Voraussetzungen eines Off-Label-Use auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, fehlte es an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Anwendung von Sandoglobulin. Von solchen hinreichenden Erfolgsaussichten kann nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/06 R, Rz. 23). Seit dem Sandoglobulin-Urteil des BSG vom 28.2.2008 (B 1 KR 15/06 R) hat sich für den hier streitgegenständlichen Anwendungszeitraum in den Jahren 2007 und 2008 insoweit nichts Wesentliches geändert. Wie aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Bericht der Profs. S. und G. vom 18.12.2007 über den aktuellen wissenschaftlichen Sachstand zur Anwendung von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen hervorgeht, bestand gerade kein fachlicher Konsens über deren Nutzen. Vielmehr hätten die klinischen Studien bei der MS die hohen Erwartungen nicht erfüllt. In dem Bericht wird ausgeführt: "Nach den negativen Ergebnissen zur chronisch progredienten MS und den enttäuschenden Daten zur Regeneration stellt die neueste Studie zur schubförmigen MS auch diese Indikation in Frage." Auf Bl. 43 ff der Akte des Sozialgerichts wird Bezug genommen. Zuletzt hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 20.10.2011 dazu entschieden, aufgrund der Empfehlung der "Expertengruppe Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie zur Anwendung von intravenösem Immunglobulin G (IVIG) im Anwendungsgebiet MS" weder eine positive noch eine negative Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis festzustellen. Aufgrund von bislang divergierenden Studienergebnissen hielt die Expertengruppe weitere methodisch angemessene Studien für erforderlich, insbesondere für die vielversprechende, aber bisher unzureichend gesicherte Indikation Schwangerschaft" (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des GBA über eine Nichtänderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) vom 20.10.2011, im Internet unter www.g-ba.de).
bb) Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten, und mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V normierten besonderen Anforderungen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmässig vergleichbaren Erkrankung. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. BSG, Urteil vom 4.4.2006, B 1 KR 7/05 R, Rz. 18). Zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Anwendung von Sandoglobulin befand sich die Klägerin in einem klinisch stabilen Zustand. Weitere Schübe waren nicht aufgetreten, so dass schon keine besonders schwere Erkrankung im Sinne einer besonderen Notstandssituation gegeben war (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/07 R, Rz. 34; anders in dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall, vgl. Urteil vom 15.4.2011, L 2 KR 326/08).
2. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen, einem "Vertrauenstatbestand" oder einer "Bindungswirkung" zulasten der Beklagten. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, das Arzneimittel bereits früher auf Kassenrezept erhalten zu haben. Eine Bindung der Beklagten besteht hier jedoch nicht. Die Beklagte war bei der erneuten Überprüfung nicht verpflichtet, die Kosten für ein auf Privatrezept verordnetes Arzneimittel nur bereits deshalb zu übernehmen, weil sie früher nach einem Kassenrezept die Kosten übernommen hat. Im Rahmen des Antrags auf Kostenübernahme kann die Beklagte neu entscheiden, ob sie die Kosten trägt oder nicht. Eine Zusicherung der Beklagten, auch weiterhin - zumal auf Privatverordnung - die Kosten für Sandoglobulin zu übernehmen, liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Kostenerstattungsanspruch für das selbst beschaffte Arzneimittel Sandoglobulin im Zeitraum von Dezember 2007 bis Februar 2009.
Die 1968 geborene Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 1.3.1993 bis zum 28.2.2009 pflichtversichert. Im September 2001 wurde bei der Klägerin eine multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Seit der Geburt ihres 2002 geborenen Sohnes erhielt die Klägerin monatlich intravenös verabreichte Immunglobuline, deren Kosten von der Beklagten bis einschließlich Dezember 2007 übernommen wurden. Die Klägerin befand sich in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum in einem klinisch stabilen Zustand. Weitere Schübe sind in dieser Zeit nicht aufgetreten. Bei der Klägerin bestand ein dringender weiterer Kinderwunsch. Im April 2006 und im Juni 2007 erlitt sie Fehlgeburten.
Mit Schreiben vom 11.12.2007 beantragte Prof. Dr. Dr. F., Facharzt für Neurologie, bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine am 1.12.2007 begonnene Immunglobulin-Therapie mit dem Arzneimittel Sandoglobulin. Das Arzneimittel war zugelassen für die Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, Myelomen oder chronisch lymphatischer Leukämie mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen, sowie bei Kindern mit angeborenem AIDS, für die Immunmodulation zu Behandlung Idiopathischer thrombozytopenischer Purpura (ITP), des Guillain-Barré Syndroms und des Kawasaki-Syndroms, nach allogener Knochenmarkstransplantation und zur Virusprophylaxe (Masernprophylaxe). Die Behandlung von MS gehörte nicht zu den zugelassenen Anwendungsgebieten. Das Arzneimittel Sandoglobulin wird mittlerweile nicht mehr produziert. Der Arzneimittelhersteller hat dieses Präparat durch das polyvalente intravenöse Immunglobulin Privigen ersetzt.
Prof. Dr. Dr. C. F. verordnete auf privatärztlichem Rezept am 6.12.2007 Sandoglobulin M Lsgm TRS N1 10 g und mit weiteren privatärztlichen Verordnungen vom 10.1.2008, 7.2.2008, 6.3.2008, 3.4.2008, 31.7.2008, 4.9.2008, 15.10.2008, 20.11.2008 und 20.12.2008. Die Rezepte vom 3.4.2008 (791,78 EUR), vom 6.3.2008 (791,78 EUR) und das Rezept vom 10.1.2008 (791,78 EUR) wurden in der Rosenapotheke A-Stadt jeweils zeitnah zur Verordnung eingelöst. Des Weiteren legte die Klägerin Rechnungen über den Kauf des Arzneimittels Sandoglobulin vom 11.12.2007, 16.1.2008, 15.2.2008, vom 14.3.2008 und vom 7.4.2008 vor. Darüber hinaus legte die Klägerin Rechnungen über den Verkauf von 2 x Sandoglobulin AMP 10 g 167ML vom 2.7.2008 und über den Verkauf des Arzneimittels Intratect INF 10 g 200 ML (2x) vom 15.4.2008 vor.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim MDK ein, der unter dem 11.1.2008 feststellte, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für einen Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Die Krankheitsverläufe bei MS seien sehr unterschiedlich. Es handle sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit. Bei Fehlen von therapeutischen Alternativen bei bestehendem Kinderwunsch sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit sei es jedoch medizinisch nachvollziehbar, wenn eine MS-Schubprophylaxe mit intravenös verabreichten Immunglobulinen in Betracht gezogen werde.
Daraufhin lehnte die Beklagte am 24.1.2008 mit Schreiben an die Klägerin die Kostenübernahme für die Behandlung mit den begehrten Immunglobulinen ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten des MDK und stellte fest, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für eine Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte rückwirkend die Fortführung der früheren Kostenübernahme für ihre Multiple-Sklerose-Therapie mit dem Medikament Sandoglobulin. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.4.2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Versicherter vor der Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems gehalten, seine Krankenkasse um Kostenübernahme zu bitten. Die Klägerin habe jedoch erst nach Beginn der Behandlung mit Immunglobulinen einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt.
Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München Klage erhoben und vorgetragen, dass die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use erfüllt seien. Es habe bei der Klägerin wegen ihres Kinderwunsches keine alternativen Behandlungsformen gegeben. Es handle sich darüber hinaus nicht um eine erstmalige Antragstellung, sondern die Klägerin erhalte bereits seit Geburt ihres Sohnes 2002 monatlich intravenös Immunglobuline. Es liege daher ein Vertrauenstatbestand vor. Es sei nicht nach vollziehbar, dass ein Versicherter über Jahre eine bestimmte Therapie als Sachleistung bekäme und dies dann gesondert beantragen müsse. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Frauenarztes Dr. med. N. eingeholt. Mit Urteil vom 3.2.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung von Sandoglobulin. Zudem sei der Beschaffungsweg nicht eingehalten. Es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar, dass ein Vertragsarzt Anträge für die Klägerin stelle. Die Klägerin habe vor Beschaffung des Medikaments keinen wirksamen Antrag gestellt. Darüber hinaus bestehe auch unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten kein Leistungsanspruch der Beklagten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Versorgung mit dem nicht zugelassenen Arzneimittel.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Klägerin ist unverändert der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Erstattung der für das Arzneimittel Sandoglobulin aufgewandten Kosten. Der behandelnde Arzt sei offensichtlich in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt mit Regressverfahren überzogen worden, so dass er sich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sah, die zwingend gebotene Medikation auf einem Kassenrezept zu verordnen. Dies könne der Klägerin nicht zugerechnet werden. Der Antrag auf Kostenübernahme unterliege keinem besonderen Formerfordernis. Der von Dr. F. gestellte Antrag habe das Verwaltungsverfahren eröffnet. Darüber hinaus sei auch unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten ein Leistungsanspruch begründet. Es sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar in besonderen Fällen, in denen nachhaltige und gravierende Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohten, erfolgversprechende rechtzeitige Behandlungen zu verweigern und Beeinträchtigungen in Kauf zu nehmen, wohl wissend, dass sie später nicht mehr zu beheben sind.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 3.2.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.4.2008 zu verurteilen, an die Klägerin 6.700 Euro zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurück zuweisen.
Die Beteiligten wurden zu der Absicht des Senates, ohne mündliche Verhandlung im Beschlussverfahren zu entscheiden und die Berufung einstimmig für unbegründet zurückzuweisen, mit Schreiben vom 12.7.2012 angehört. Die Beteiligten haben sich bis zum Ablauf der gesetzten Frist am 17.8.2012 nicht geäußert. Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts wurden zum Gegenstand dieses Verfahrens.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung von 6.700 Euro abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 24.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.4.2008 ist rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V sind nicht erfüllt (dazu 1.). Ebenso kann die Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen, einem Vertrauenstatbestand oder einer etwaigen Bindungswirkung herleiten (dazu 2.).
1. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Vorgehen der Klägerin in dem hier zu entscheidenden Fall die Anforderungen an das Kausalitätserfordernis des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V erfüllt.
Zwar spricht vieles dafür, im Schreiben des behandelnden Arztes Prof. Dr. Dr. F. vom 11.12.2007 einen im Namen der Klägerin gestellten Antrag auf Kostenübernahme zu sehen (vgl. auch §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Schließlich erfolgte auch die Ablehnung der Leistung durch die Beklagte allein gegenüber der Klägerin. Die Beklagte hat die Ablehnung der Kostenübernahme an die Klägerin persönlich gerichtet, an diese adressiert, sie persönlich angesprochen und den Antrag der Klägerin ausweislich des Wortlauts des Bescheids vom 24.1.2008 der Klägerin zugerechnet. Die Beklagte hat selbst das Schreiben des behandelnden Arztes so verstanden, dass es im Namen der Klägerin ergangen ist. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass bereits ein Antrag der Klägerin fehle. Auch der Verweis auf das Urteil des BSG vom 28.2.2008 (B 1 KR 15/07 R, NZS 2009, 154 ff.) greift nicht durch. Anders als vorliegend hat der behandelnde Arzt in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall bei der Krankenkasse um eine Bestätigung gebeten, sie möge von einem Prüfantrag wegen eines sonstigen Schadens absehen. Die Ablehnungsentscheidung wurde unmittelbar an den behandelnden Arzt gesandt, die Versicherte erhielt lediglich eine Kopie. Vorliegend hat die Beklagte die Ablehnungsentscheidung dagegen unmittelbar an die Klägerin gerichtet und sie persönlich angesprochen und damit deutlich gemacht, dass sie ihr den Antrag des Arztes zurechnete.
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne vorher einen Antrag bei der Krankenkasse gestellt und ihre Entscheidung abgewartet zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 2.11.2007 - B 1 KR 14/07 R; Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 15/07 R). Bereits nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen.
Ein solcher Ursachenzusammenhang fehlt zwischen der ablehnenden Entscheidung vom 24.1.2008 und den vor diesem Tag entstandenen Kosten des selbst beschafften Arzneimittels. Dies gilt unzweifelhaft für die beantragte Kostenerstattung für die Verordnungen vom 6.12.2007 (Rechnung vom 11.12.2007) und vom 10.1.2008 (Rechnung vom 16.1.2008). Hier ist der Beschaffungsweg sicher nicht eingehalten worden.
Aufgrund der ärztlichen Vorgehensweise, ihrer ärztlichen Begründung und des tatsächlichen Geschehensablaufs ist der Senat überzeugt, dass die Anwendung von Sandoglobulin zur Schubprophylaxe mit Beginn 6.12.2007 eine einheitliche Behandlung darstellt, mit der Folge, dass die Entscheidung der Beklagten vom 24.1.2008 keine Zäsur im Rahmen des Kausalitätserfordernisses darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/07 R, Rz. 17). Wird nämlich mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Hierzu ist festzustellen, dass Prof. Dr. Dr. F. in seinem Schreiben vom 11.12.2007 die Anwendung zur "Schubprophylaxe" empfohlen hatte. Wegen des bei der Klägerin bestandenen Kinderwunsches sollte Sandoglobulin langfristig und ausdrücklich auch im Hinblick auf eine spätere Schwangerschaft und Stillzeit verabreicht werden. Ausweislich des Kostenübernahmeantrags vom 11.12.2007 war zunächst eine Behandlungsdauer von sechs Monaten festgesetzt und beantragt. Eine derartige Dauer der Behandlung wurde im Widerspruch der Klägerin und im Rahmen der Klage nicht mehr vorgetragen, die Klägerin begehrte vielmehr schlicht die Fortführung der Kostenübernahme. Die Klägerin trägt zudem in ihrer Widerspruchsbegründung vom 5.1.2008 ausdrücklich vor, dass ein Wechsel der Therapie nicht geplant sei und von ihr auch nicht gewünscht werde. Damit war die nach Beginn der Behandlung ab 6.12.2007, am 24.1.2008 getroffene Entscheidung der Krankenkasse nicht geeignet, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen (vgl. BSG, Urteil vom 3.8.2006, B 3 KR 24/05 R, Rz. 22).
b.) Jedenfalls reicht der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 12).
Arzneimittel werden mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der gesetzlichen Krankienversicherung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V geleistet, wenn ihnen die arzneimittelrechtliche Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 AMG fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 13). Sandoglobulin war nicht für die Behandlung von MS zugelassen.
aa) Die Klägerin hatte auch keinen Anspruch auf eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Sandoglobulin nach den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen eines "Off-Label-Use" auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kostenübernahme für einen solchen Off-Label-Use kommt nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 13).
Selbst bei Annahme der ersten beiden vom Bundessozialgericht geforderten Voraussetzungen eines Off-Label-Use auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, fehlte es an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Anwendung von Sandoglobulin. Von solchen hinreichenden Erfolgsaussichten kann nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/06 R, Rz. 23). Seit dem Sandoglobulin-Urteil des BSG vom 28.2.2008 (B 1 KR 15/06 R) hat sich für den hier streitgegenständlichen Anwendungszeitraum in den Jahren 2007 und 2008 insoweit nichts Wesentliches geändert. Wie aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Bericht der Profs. S. und G. vom 18.12.2007 über den aktuellen wissenschaftlichen Sachstand zur Anwendung von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen hervorgeht, bestand gerade kein fachlicher Konsens über deren Nutzen. Vielmehr hätten die klinischen Studien bei der MS die hohen Erwartungen nicht erfüllt. In dem Bericht wird ausgeführt: "Nach den negativen Ergebnissen zur chronisch progredienten MS und den enttäuschenden Daten zur Regeneration stellt die neueste Studie zur schubförmigen MS auch diese Indikation in Frage." Auf Bl. 43 ff der Akte des Sozialgerichts wird Bezug genommen. Zuletzt hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 20.10.2011 dazu entschieden, aufgrund der Empfehlung der "Expertengruppe Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie zur Anwendung von intravenösem Immunglobulin G (IVIG) im Anwendungsgebiet MS" weder eine positive noch eine negative Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis festzustellen. Aufgrund von bislang divergierenden Studienergebnissen hielt die Expertengruppe weitere methodisch angemessene Studien für erforderlich, insbesondere für die vielversprechende, aber bisher unzureichend gesicherte Indikation Schwangerschaft" (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des GBA über eine Nichtänderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) vom 20.10.2011, im Internet unter www.g-ba.de).
bb) Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten, und mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V normierten besonderen Anforderungen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmässig vergleichbaren Erkrankung. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. BSG, Urteil vom 4.4.2006, B 1 KR 7/05 R, Rz. 18). Zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Anwendung von Sandoglobulin befand sich die Klägerin in einem klinisch stabilen Zustand. Weitere Schübe waren nicht aufgetreten, so dass schon keine besonders schwere Erkrankung im Sinne einer besonderen Notstandssituation gegeben war (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2008, B 1 KR 15/07 R, Rz. 34; anders in dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall, vgl. Urteil vom 15.4.2011, L 2 KR 326/08).
2. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen, einem "Vertrauenstatbestand" oder einer "Bindungswirkung" zulasten der Beklagten. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, das Arzneimittel bereits früher auf Kassenrezept erhalten zu haben. Eine Bindung der Beklagten besteht hier jedoch nicht. Die Beklagte war bei der erneuten Überprüfung nicht verpflichtet, die Kosten für ein auf Privatrezept verordnetes Arzneimittel nur bereits deshalb zu übernehmen, weil sie früher nach einem Kassenrezept die Kosten übernommen hat. Im Rahmen des Antrags auf Kostenübernahme kann die Beklagte neu entscheiden, ob sie die Kosten trägt oder nicht. Eine Zusicherung der Beklagten, auch weiterhin - zumal auf Privatverordnung - die Kosten für Sandoglobulin zu übernehmen, liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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