L 3 U 305/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 176/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 305/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 26/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage des zugrundezulegenden Jahresarbeitsverdienstes (hier: Mindestjahresarbeitsverdienst) bei einer fingierten Formalversicherung des Geschäftsführers einer "Ein-Mann-GmbH" bei unbeanstandet von dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung entgegengenommenen Beiträge im Lohnsammelnachweisverfahren:
Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der sich als Unternehmer hätte freiwillig gesetzlich unfallversichern können, ist nicht besser zu stellen als ein Unternehmer, der tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und entsprechende der Satzung der Berufsgenossenschaft von einer Versicherung über den Mindestjahresarbeitsverdienst hinaus abgesehen hat.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt aufgrund des Arbeitsunfalls vom 27.07.2007 eine höhere Verletztenrente gemäß §§ 56, 83 und 85 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) i. V. m. § 45 der Satzung der Beklagten. Streitig ist zwischen den Parteien die Zugrundelegung des Mindestjahresarbeitsverdiensts im Rahmen einer Formalversicherung.

Der Kläger hatte zum 03.09.2001 als alleiniger Gesellschafter die Auto A. GmbH in A-Stadt übernommen (Betrieb einer Kfz-Werkstatt sowie Handel mit Kraftfahrzeugen). Er hielt das Stammkapital in Höhe von 25.000,00 Euro zu 100 v. H. Der damalige Geschäftsführer schied zum 01.08.2004 aus und der Kläger wurde Geschäftsführer.

Im Lohnnachweis für den Zeitraum 03.09. - 31.12.2001 gab der Kläger für einen Beschäftigten das Arbeitsentgelt mit 9.319,13 Euro an. Der Lohnnachweis für das Jahr 2005 enthält den Hinweis auf zwei Beschäftigte mit einem Arbeitsentgelt von 22.715.00 Euro für den Bereich der KFZ-Reparatur-Werkstätte und einen Beschäftigten mit einem Arbeitsentgelt von 8.055,00 Euro im kaufmännisch-verwaltenden Bereich.

Nach Überprüfung übermittelte die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 17.06.2005 einen Antrag zur freiwilligen Versicherung als Unternehmer. Wegen der Einzelheiten der Versicherung war ein entsprechendes Merkblatt beigefügt, das hinsichtlich der Versicherungssumme folgenden Hinweis enthielt: "Im Antrag zur freiwilligen Unternehmerversicherung muss die gewünschte Versicherungssumme angegeben werden, ansonsten gilt die Mindestversicherungssumme" (§§ 45, 48 der Satzung). Eine solche hatte der Kläger jedoch weder in der Vergangenheit beantragt, noch stellte er aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 17.06.2005 einen entsprechenden Antrag. Am 17.09.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei nicht pflichtversichert.

Ausweislich des Lohnnachweises vom 29.01.2007 für das Jahr 2006 beschäftigte der Kläger zwei Angestellte, davon eine Person halbtags und eine Person als geringfügig Beschäftigte für das Büro. Als Arbeitsentgelt für die beiden Beschäftigten wurden ein Betrag von 33.540,00 Euro und 3056 Arbeitsstunden für drei Beschäftigte angegeben. Der Betrag wurde auf 23.285,00 Euro, die Arbeitsstunden auf 1018 und die Zahl der Beschäftigten auf zwei am 12.02.2007 korrigiert. Der Beitrag wurde am 23.04.2007 mit Lastschrift eingezogen auf der Grundlage der ursprünglich erfassten Lohnsumme (Aktenvermerk vom 18.10.2007).

Der Kläger war bei der Firma Auto A. GmbH unverändert als allein geschäftsführender Gesellschafter tätig, als er am 27.07.2007 verunfallte und sich vor allem eine Querschnittlähmung unterhalb des 6. Brustwirbelkörpers zuzog.

Die damalige Bevollmächtigte des Klägers erläuterte mit Schreiben vom 20.09.2007 nochmals, dass man im Lohnnachweis für das Jahr 2006 bewusst die Stunden gestrichen habe, die auf den Kläger entfallen seien. Dies habe die Beklagte jedoch nicht beachtet und den vollen Betrag aufgrund der ursprünglichen Stunden abgerechnet. Entsprechend den Beitragsbescheiden sei der Kläger daher stillschweigend versichert worden. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 04.12.2007 eine Formalversicherung für die Zukunft auf.

Mit Bescheid vom 25.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2010 gewährte sie dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.2007 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. ab dem 23.01.2009 in Höhe von monatlich 990,78 Euro. Bei der Rentenberechnung legte sie den Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst zugrunde. Der Kläger sei im Unternehmen Autohaus A. GmbH versicherungsfreier Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen. Da er keine freiwillige Unternehmerversicherung abgeschlossen habe, hätte er zum Unfallzeitpunkt grundsätzlich nicht unter dem Schutz der freiwilligen Unfallversicherung gestanden. Weil jedoch im Lohnsummennachweis für das Jahr 2006 das Gehalt des Klägers enthalten gewesen sei und die Beklagte diesen Fehler trotz Lohnnachweiskorrektur vom 29.01.2007 nicht berücksichtigt habe, sei zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles eine Formalversicherung entstanden, so dass der Kläger als versicherte Person unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung durch ein fingiertes Versicherungsverhältnis als freiwillig versicherter Unternehmer gestanden habe. Da die Einkünfte in der Lohnsumme des Jahres 2006 vom Kläger mit 10.305,00 Euro angegeben worden seien und dieser Betrag unter dem Mindestjahresarbeitsverdienst gelegen sei, sei bei der Rentenberechnung satzungsgemäß entsprechend der freiwilligen Unternehmerversicherung der Mindestjahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt worden. Somit beruhten die Berechnungen auf der vom Kläger mitgeteilten Versicherungssumme.

Mit Klage beim Sozialgericht Augsburg (SG) vom 21.06.2010 haben die Bevollmächtigten des Klägers beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010 aufzuheben und diese zu verpflichten, bei der Rentenberechnung für die Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE in Höhe von 100 v. H. von einem Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 30.080,00 Euro auszugehen. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 habe der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 30.080,00 Euro erzielt. Von Seiten der Beklagten seien jedoch lediglich 17.640,00 Euro im Rahmen der Berechnung der Verletztenrente zugrunde gelegt worden. Die Verletztenrente solle den Lebensstandard des Versicherten widerspiegeln. Eine Abweichung von der Regelberechnung nach § 87 SGB VII zu Lasten des Klägers komme nicht in Betracht, insbesondere weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe. Mit Schriftsatz vom 01.02.2011 haben die Bevollmächtigten des Klägers ergänzend vorgetragen, die Rente sei gemäß § 57 SGB VII um weitere 10 v. H. zu erhöhen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.04.2011 entgegnet, sie sei von einem fingierten Versicherungsverhältnis des Klägers als freiwillig versicherter Unternehmer und nicht als versicherter Beschäftigter ausgegangen, weil der Kläger als Gesellschafter-Geschäfts- führer der GmbH mit maßgeblichem Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens als Unternehmer und nicht als Arbeitnehmer oder mit einem Arbeitnehmer vergleichbar rechtlich einzuordnen gewesen sei. Wie der beigefügten Mitglieds- und Beitragsakte der Firma Auto A. GmbH zu entnehmen sei, habe der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch wissen müssen, dass er rechtlich als Unternehmer und nicht als Arbeitnehmer angesehen werde. Aufgrund dieser Hinweise habe der Kläger auch wissen müssen, dass sich eine Versicherung nur aus einer freiwilligen Unternehmerversicherung habe ergeben können. Deshalb sei eine freiwillige Unternehmerversicherung fingiert worden, zustande gekommen durch eine Formalversicherung.

Nach Anhörung hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 25.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010 mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 abgewiesen. Das SG teilte die Auffassung der Beklagten, dass beim Kläger allenfalls ein formales Versicherungsverhältnis im Sinne einer fingierten freiwilligen Versicherung vorgelegen habe. Die Beklagte sei für den Kläger erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger als freiwillig versicherter Unternehmer behandelt werden sollte. Denn mit Schreiben vom 17.06.2005 habe sie ihm mitgeteilt, dass dieser nicht pflichtversichert sei. Insoweit habe der Kläger nicht darauf vertrauen können, dass er als pflichtversicherter Arbeitnehmer behandelt werde. Daran würden auch die Angaben des Klägers im Lohnnachweis vom 29.01.2007 nichts ändern. Der Jahresarbeitsverdienst des Klägers bemesse sich an dessen fiktiver Versicherungssumme. Da diese den Betrag des Mindestjahresarbeitsverdienstes nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII unterschreite, bestimme sich der Jahresarbeitsverdienst nach dem Mindestjahresarbeitsverdienst.

Der Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 06.06.2011 zugestellt. Die Berufung vom 06.07.2011 ging am selben Tag beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein.

Die Bevollmächtigten des Klägers halten an dem Begehren fest, dem Kläger eine Verletztenrente unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes in Höhe von 30.080,00 Euro infolge des Arbeitsunfalles vom 27.07.2007 zu gewähren. Das SG habe sich nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, weswegen die Beklagte den Jahresarbeitsverdienst auf 60 % des tatsächlichen Verdienstes festgesetzt habe. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger Beiträge aus einem Jahresarbeitsverdienst von 29.723,40 Euro einbezahlt habe. Auch habe sich das Gericht nicht mit der vom Kläger aufgeworfenen Frage einer Erhöhung der Rente um 10 v. H. nach § 57 SGB VII auseinander gesetzt.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 10.01.2012 erklären beide Beteiligte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Senat.

Die Bevollmächtigten des Klägers beantragen entsprechend dem Schriftsatz vom 06.07.2011,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010 zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes in Höhe von 30.080,00 Euro infolge des Arbeitsunfalles vom 27.07.2007 zu gewähren, hilfsweise die Angelegenheit zur erneuten Verbescheidung an das Sozialgericht Augsburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 22.07.2011,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 26.05.2011 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i. V. m. § 540 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 25.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010 im Ergebnis zutreffend mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 abgewiesen. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass bei dem Kläger eine Formalversicherung nicht bestanden hat.

Das Wesen der Formalversicherung beruht im Wesentlichen auf dem Vertrauensschutz desjenigen, der trotz nicht bestehender Mitgliedschaft unbeanstandet Beiträge entrichtet hat (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 30.03.1988 - 2 RU 34/87 in SozR 2200 § 539 Nr. 126).

Typischerweise sind Fallkonstellationen betroffen, in denen nach dem Wegfall der Voraussetzungen einer Versicherungspflicht das Verhalten des Versicherungsträgers einen Vertrauenstatbestand schafft, der zum Versicherungsschutz führt (Kasseler Kommentar, Ricke vor §§ 2 - 6 SGB VII RdNr.3). Der wichtigste Fall der Formalversicherung ist gegeben, wenn ein zunächst mit Recht eingetragener Betrieb trotz einer sein Ausscheiden rechtfertigenden Betriebsveränderung weiterhin im Verzeichnis geführt wird und die fälligen Beiträge weiter eingezogen werden (Riebel in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, RdNr. 315 a zu § 2 mit Hinweis auf BSG, 27.07.1972 - 2 RU 193/68, BSGE 34 S. 230 ff.). Die Formalversicherung unterfällt dem Versicherungsschutz aufgrund des Rechtsgedankens des "venire contra factum proprium" (§ 242 BGB). Der Unfallversicherungsträger darf sich nicht auf den Wegfall der Versicherungspflicht berufen, wenn er über einen längeren Zeitraum Beiträge entgegengenommen hat, ohne den Betroffenen hinreichend auf die Rechtslage hingewiesen zu haben, obgleich erkennbar war, dass dieser für sich durch die Beitragszahlung den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch nehmen wollte (Riebel a.a.O.).

Die Grundsätze der Formalversicherung sind vor allem für die Fälle von praktischer Bedeutung, in denen ein nicht dem Unfallversicherungsschutz unterliegendes Unternehmen vorliegt, aber für ein solches Beiträge gezahlt wurden. Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen, wie auch hier, das Arbeitsentgelt einer bestimmten Person bei der Höhe des Beitrags berücksichtigt wurde, aber sich nachträglich ergibt, dass diese nicht dem Kreis der versicherten Personen zugehört wie zum Beispiel hier der geschäftsführende GmbH-Gesellschafter. Für diese Fälle gilt: Werden die Beiträge des versicherten Unternehmens, wie es regelmäßig der Fall ist, durch Lohnsammelnachweis ermittelt, besteht für den Unfallversicherungsträger grundsätzlich keine Möglichkeit, die Voraussetzungen der Versicherungspflicht dieser Personen zu überprüfen (BSG vom 29.11.1973 - 8/7 RU 24/71, Breithaupt 1974, S. 570 ff.). Deshalb kann in den Fällen, in denen die Beitragsermittlung im Lohnsammelnachweisverfahren erfolgt, eine Formalversicherung grundsätzlich nicht bzw. nur in bestimmten Ausnahmefällen zustande kommen (Riebel in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, RdNr. 315 c zu § 2 m.w.N.).

Eine solche Ausnahme hat das BSG unter folgenden Voraussetzungen angenommen (BSG, 02.02.1999 - B 2 U 3/98 R, SozR 3-2400 § 26 Nr. 11 = BSGE 83, S. 270 ff.; siehe auch Hess. LSG vom 05.12.20911, L 3 U 174/10): Dem Unfallversicherungsträger fehle regelmäßig die genaue Möglichkeit zu prüfen, ob die einzelnen im Lohnnachweis angegebenen Personen tatsächlich zum Kreis der versicherten gehörten. Deshalb überlasse der Unfallversicherungsträger nach Aufklärung der Mitglieder über die für ihre Versicherung wesentlichen Grundsätze diesen die Prüfung, ob ein einzelner Arbeitnehmer in den Lohnnachweisen aufzuführen sei. Wenn im Lohnnachweis nicht versicherte Personen oder Personen ohne nähere Erläuterung aufgeführt würden, sei kein Vertrauensschutz gerechtfertigt. Eine Formalversicherung liege ausnahmsweise dann vor, wenn dem Unfallversicherungsträger bei der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte auffallen müssen, dass in den Lohnnachweisen nicht versicherte Personen aufgeführt wurden und er langjährig Beiträge nach Maßgabe dieser Lohnnachweise erhoben hat, ohne seinerseits irgendwelche Erhebungen und Freistellungen zu veranlassen.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte zu Unrecht eine Formalversicherung als freiwillig versicherter Unternehmer angenommen. Denn ein Vertrauenstatbestand ist nicht geschaffen worden. Zum einen hat sie den Kläger mit Schreiben vom 17.06.2005 darauf hingewiesen, dass er die Möglichkeit habe, sich freiwillig zu versichern. Sein Versicherungsschutz beginne mit dem Tag nach Eingang des Antrages. Zum anderen hat sie den Lohnnachweis für das Jahr 2006 vom 29.01.2007 entgegengenommen, in dem ursprünglich ein Arbeitsentgelt von 33.540,00 Euro angegeben worden ist. Dieser Betrag ist auf 23.235,00 Euro gekürzt worden, d. h. um 10.305,00 Euro. Entsprechendes gilt für die Korrektur der Arbeitsstunden von 3.056 Stunden auf 1.018 Stunden. Zur Erläuterung ist ausgeführt worden, die Differenz zu den vorherigen Stunden würde den Geschäftsführer der GmbH (d. h. den Kläger) betreffen. Weiterhin seien zwei Angestellte beschäftigt worden, davon eine Person halbtags und eine geringfügig Beschäftigte für das Büro. Ausgehend von dem Arbeitsentgelt in Höhe von 33.540,00 Euro hat die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2007 einen Beitrag in Höhe von 356,77 Euro erhoben. Dass die Differenz in Höhe von 10.305,00 Euro auf den Kläger entfällt, ist nochmals eigens mit Nachricht der Bevollmächtigten des Klägers vom 20.09.2007 bestätigt worden.

Die Beklagte hätte somit aufgrund des Lohnnachweises für das Jahr 2006 vom 29.01.2007 und der dort enthaltenen Korrekturen und Erläuterungen unschwer erkennen und müssen, dass auch der Verdienst des Klägers in Höhe von 10.305,00 Euro eingerechnet worden ist. Dies ergibt sich vor allem aus dem Hinweis, dass die Differenz zu den vorherigen Stunden den Geschäftsführer der GmbH betreffen würde und im Übrigen zwei Angestellte halbtags bzw. geringfügig beschäftigt worden seien.

Hier fehlt es somit an einer langjährigen Entgegennahme anteiliger auf den Kläger entfallender Beiträge ohne entsprechendes Tätigwerden. Der Vergleich der Lohnnachweise für die Jahre 2001, 2005 und 2006 ergibt unter Berücksichtigung der Korrektur vom 29.01.2007 und der Erläuterung vom 20.09.2007, dass die Beklagte nur für das Jahr 2006 Beiträge entgegengenommen, die auch anteilig auf den Kläger entfallen sind (insoweit ist eine anteilige Lohnsumme von 10.305,00 Euro gesichert).

Weiterhin hat die Beklagte dem Kläger bereits am 06.06.2005 einen Fragebogen zur Feststellung der Gesellschaftsverhältnisse übersandt und nach Überprüfung mit Schreiben vom 17.06.2005 Unterlagen zur freiwilligen Versicherung als Unternehmer übermittelt und damit einen etwaigen bis dahin bestehenden Vertrauensschutz beseitigt: Als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist der Kläger nicht als Beschäftigter kraft Gesetzes versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Denn als typische Merkmale für ein Beschäftigungsverhältnis werden das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Arbeitsleistung bzw. die persönliche Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienstleistung angesehen, ebenso dass der Arbeitgeber das Arbeitsmaterial bzw. das Werkzeug zur Verfügung stellt, eine feste Entlohnung besteht sowie eine Überwachung bzw. Qualitätskontrolle durch den Arbeitgeber erfolgt (Riebel in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch - SGB VII - Gesetzliche Unfallversicherung, Rdnr. 10 zu § 2). An diesen Merkmalen fehlt es hier. Als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hat der Kläger eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt. Hieran ändert auch die einkommenssteuerrechtliche Behandlung der Einkünfte des Klägers nichts, wenn ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 30.080,00 Euro ausgewiesen sind.

Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist zu einer höheren Rentenzahlung nicht verpflichtet.

Für kraft Gesetzes versicherte selbständig Tätige, für kraft Satzung versicherte Unternehmer und Ehegatten oder Lebenspartner und für freiwillig Versicherte hat die Satzung des Unfallversicherungsträgers die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes zu bestimmen. Sie hat ferner zu bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen die kraft Gesetzes versicherten selbständig Tätigen und die kraft Satzung versicherten Unternehmer und Ehegatten oder Lebenspartner auf ihren Antrag mit einem höheren Jahresarbeitsverdienst versichert werden (§ 83 SGB VII).

Insoweit bestimmt § 45 Satz 5 der Satzung der Beklagten: "Ist die Versicherungssumme in der Anmeldung nicht angegeben, so gilt die Mindestversicherungssumme." Hierauf ist der Kläger in dem Merkblatt, das der Nachricht der Beklagten vom 17.06.2005 beigefügt worden war, auch ausdrücklich hingewiesen worden. Ausweislich des korrigierten und erläuterten Lohnnachweises für das Jahr 2006 vom 29.01.2007 sind auf den Kläger anteilig 10.305,00 Euro angemeldetem Arbeitsentgelt entfallen. Da dieser Betrag den Betrag des Mindestjahresarbeitsverdienstes nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII unterschreitet, bestimmt sich der Jahresarbeitsverdienst nach dem Mindestjahresarbeitsverdienst. Dieser beträgt für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalles das 18. Lebensjahr vollendet haben, 60 v. H. der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, hier: 17.640,00 Euro).

Soweit der Bevollmächtigte des Klägers hervorhebt, die Beklagte habe Beiträge aus einem Jahresarbeitsverdienst von 29.723,40 Euro entgegengenommen, trifft dies dem Grunde nach zu (richtig ist ausweislich des Bescheides vom 23.04.2007 eine Gesamtlohnsumme von 33.540,00 Euro). Wie bereits ausgeführt begründet dies jedoch keine Formalversicherung. Im Übrigen sind ausweislich des korrigierten und erläuterten Lohnnachweises für das Jahr 2006 vom 29.01.2007 hierin auch die Arbeitsentgelte für zwei Angestellte enthalten gewesen, davon eine halbtags und eine geringfügig beschäftigte Person. Dies hat die damalige Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 20.09.2007 nochmals eigens bestätigt.

Der Hinweis des Bevollmächtigten des Klägers auf § 87 SGB VII ist unbehelflich. Danach kann der Jahresarbeitsverdienst unter anderem dann nach billigem Ermessen festgesetzt werden, wenn der nach der Regelung über den Mindestjahresarbeitsverdienst festgesetzte Jahresarbeitsverdienst in erheblichem Maße unbillig erscheint. Anhaltspunkte dafür, dass der zugrunde gelegte Mindestjahresarbeitsverdienst von 17.640,00 Euro (erstmalig erhöht ab 01.07.2008 auf 17.834,04 Euro) in diesem Sinne erheblich unbillig ist, bestehen nicht. Er entspricht bei angenommenen 13 Monatsgehältern einem monatlichen Verdienst von 1.356,92 Euro, also einem Lohnniveau im unteren Bereich, das grundsätzlich noch geeignet ist, die Existenz zu sichern.

Hier hätte sich der Kläger als Unternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig auf schriftlichen Antrag versichern können. Da er hiervon trotz Hinweises der Beklagten vom 17.06.2005 keinen Gebrauch gemacht hat, kann der Kläger somit nicht bessergestellt werden, als ein freiwillig versicherter Unternehmer, der ein materiell-rechtliches Versicherungsverhältnis begründet hat.

Ob die Voraussetzungen einer Erhöhung der Rente um 10 v.H. gemäß § 57 SGG gegeben sind (vgl. BSG, 27.10.2009 - B 2 U 30/08 R in SozR 4-2700 § 57 Nr. 1), hat der Senat offen lassen können (§ 99 Abs. 1 SGG). Denn insoweit fehlt es an einer Entscheidung der Beklagten. In Berücksichtigung des Prinzips der Gewaltenteilung ist die Beklagte vorrangig verpflichtet, hierüber noch zu entscheiden.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 26.05.2011 zurückzuweisen. Beide Beteiligte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Senat erklärt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Frage des zugrunde zulegenden Jahresarbeitsverdienstes bei einer fingierten Formalversicherung des Geschäftsführers aufgrund unbeanstandet entgegengenommener Beiträge im Lohnsammelnachweis liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
Rechtskraft
Aus
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