L 10 AL 25/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AL 431/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 25/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Besteht keine Möglichkeit, die Masselosigkeit beim Arbeitgeber festzustellen, geht dies zu Lasten der Insolvenzgeldantragstellerin.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 insoweit aufgehoben, als es den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 aufhebt und die Beklagte zur Bewilligung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 29.12.2006 bis 28.02.2007 verurteilt. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.12.2006 bis 28.02.2007.

Die Klägerin war seit dem 01.09.1986 bei der Firma W. M., Inhaber A. M. (M), beschäftigt. Nachdem sie eine Kündigung zum 11.09.2006 erhielt, meldete sie sich am 11.09.2006 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg). Seit Juli 2006 habe sie kein Gehalt mehr bekommen und sei seit 12.09.2006 auch nicht mehr zur Arbeit gewesen. Die Tätigkeit werde seit September nicht mehr ausgeübt. Ab 12.09.2006 bewilligte die Beklagte Alg iHv 16,95 EUR täglich.

Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens schloss die Klägerin mit M am 08.11.2006 einen Vergleich (Az: 7 Ca 7287/06 W). Danach wurde das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2007 durch ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung beendet. M erkannte daneben verschiedene Forderungen der Klägerin bezüglich der Monate Juli bis Oktober 2006 an und gab zu Protokoll, er könne derzeit keine Zahlungen leisten. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die DAK vom 30.01.2007 beim Amtsgericht A. (Az: 3 IN 43/07) über das Vermögen des M wurde mit Schreiben vom 19.03.2007 nach Bezahlung der Forderung der DAK für erledigt erklärt. Die Beklagte lehnte daher einen Insolvenzgeld-Antrag der Klägerin vom 12.03.2007 mit Bescheid vom 25.07.2007 ab. Ein Insolvenzereignis habe nicht vorgelegen.

Wegen weiterer Insolvenzgeld-Anträge von bei M Beschäftigten wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2008 an diesen, um weitere Informationen einzuholen. Dieses Schreiben kam am 07.03.2008 mit dem Hinweis zurück, der Empfänger sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Die Stadtverwaltung B-Stadt teilte auf Anfrage der Beklagten mit, das von M eingetragene Gewerbe sei bislang nicht abgemeldet worden.

Am 17.03.2008 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld für den Zeitraum 01.12.2006 bis 28.02.2007. Das Brutto-Arbeitsentgelt habe monatlich 983,29 EUR (entspricht 759,74 EUR netto) betragen. Es liege nunmehr ein Insolvenzereignis vor, da offensichtliche Zahlungsunfähigkeit gegeben sei. Im Rahmen einer Pfändung sei M nicht angetroffen worden und auch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt habe die Abmeldung nach Unbekannt ergeben. Die Zwangsversteigerung des Anwesens des M sei für den 16.11.2007 anberaumt. Weitere Lohnzahlungen von M habe die Klägerin nicht erhalten. Offensichtlich seien alle Zahlungen eingestellt worden. Aus dem Pfändungsprotokoll vom 15.11.2007 ergibt sich, dass der Gerichtsvollzieher verschiedene Gegenstände des M gepfändet hat. Mit Bescheid vom 17.03.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Es liege kein Insolvenzereignis vor, da im maßgeblichen Zeitraum M nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Zumindest den Lohn eines ehemaligen Arbeitnehmers habe dieser nachgezahlt und die Forderung der Einzugsstelle beglichen.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. M sei vom Gerichtsvollzieher zuletzt am 29.03.2007 beim Verladen der Betriebsmittel und Büroausstattung in den Betriebsräumen angetroffen worden. Anschließend habe M offensichtlich seinen Wohnsitz nach L. verlegt und sei seitdem nicht mehr erreichbar. Es sei davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit offensichtlich auch Zahlungsunfähigkeit bestanden habe. Es gebe keine Hinweise dafür, dass M seine Zahlungen insgesamt wieder aufgenommen habe, vielmehr sei die Zwangsvollstreckung erfolglos verlaufen und die Zwangsversteigerung des Anwesens für den 16.11.2007 anberaumt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit sei für den 29.03.2007 anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei wieder für erledigt erklärt worden, da im März 2007 eine entsprechende Schuld in Höhe von 14.801,23 EUR beglichen worden sei. Zudem sei auch offenes Arbeitsentgelt teilweise beglichen worden. Es reiche für eine offensichtliche Masselosigkeit nicht aus, dass sich der Arbeitgeber nach dem Anhäufen von Schulden ins Ausland absetze, ohne diese zu begleichen. Zahlungsunwilligkeit sei nicht mit Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen.

Die Klägerin hat dagegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die vollständige Betriebseinstellung sei in der Zeit vom 29.03.2007 bis 16.11.2007 erfolgt. Nähere Feststellungen habe die Beklagte hierzu nicht getroffen. Es seien auch keine überhöhten Anforderungen an die Feststellung der offensichtlichen Masseunzulänglichkeit zu stellen. Forderungen der Klägerin als auch die ihrer beiden Arbeitskolleginnen von Juli 2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses seien ausgeblieben. Auch die Forderung der DAK sei zunächst nicht bedient worden. Wie sich aus den Schreiben der HYPO-Vereinsbank und der Raiffeisenbank ergebe, hätten auch dort die diversen Pfändungen die vorhandenen Guthaben überstiegen. Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit ende nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfülle, sondern nur dann, wenn im Allgemeinen wieder Zahlungen aufgenommen würden. M habe aber nur eine einzige Forderung wahrscheinlich mit dem Hintergrund wieder bedient, strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Letztlich sei es unerheblich, dass sich M möglicherweise ins Ausland abgesetzt habe. Nach wie vor sei davon auszugehen, dass die Schulden im Inland nicht mehr erfüllt werden konnten. Der Vollstreckungsversuch am 29.03.2007 sei auch erfolglos geblieben. Nur noch alte Bildschirme und Drucker seien vorhanden gewesen. Der Gerichtsvollzieher habe die Büroausstattung gekannt. Im Hinblick auf den Gesamtwert von nur 200 EUR bis 300 EUR sei eine Pfändung insofern auch zwecklos gewesen. Am 09.05.2007 habe dann der Gerichtsvollzieher einen vollstreckbaren Teilbetrag in Höhe von 443,36 EUR an die Klägerin überwiesen. Ein zweiter Teilbetrag in Höhe von 978,34 EUR sei dann am 02.01.2008 eingegangen.

Mit Urteil vom 19.11.2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.03.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 verurteilt, der Klägerin Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 29.12.2006 bis 28.02.2007 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Am 29.03.2007 sei ein Insolvenzereignis eingetreten. An diesem Tag sei das Büro leer geräumt und Einrichtungsgegenstände ins Ausland geschafft worden. Zu diesem Zeitpunkt habe auch Zahlungsunfähigkeit des M bestanden. So seien Löhne seit längerem gegenüber der Klägerin offen geblieben. Auch bei den Sozialabgaben habe es Rückstände gegeben, so dass die Krankenkasse einen Insolvenzantrag gestellt hatte, der nach Begleichung der Forderung - auf Druck einer drohenden Strafverfolgung - für erledigt erklärt worden sei. Die erfolglose Pfändung am 29.03.2007 zeige, dass nicht etwa denkbares Vermögen beiseite geschafft worden, sondern keine sinnvoll verwertbare Habe mehr vorhanden gewesen sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes reiche der Insolvenzgeld-Zeitraum vom Zeitpunkt des Insolvenzereignisses am 29.03.2007 kalendermäßig drei Monate zurück. Insolvenzgeld könne daher nur für die Zeit vom 29.12.2006 bis 28.02.2007 gewährt werden.

Dagegen haben die Klägerin und die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beklagte hat ausgeführt, der äußere Anschein spreche gegen das Vorliegen von Masselosigkeit vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit. Noch bevor sich M nach L. abgesetzt habe, habe er noch verschiedene Zahlungen geleistet. Zudem seien im Mai 2007 und Februar 2008 aus den Pfändungen noch weitere Beträge an die Klägerin geflossen. Auch seien nach den vorliegenden Angaben Arbeitsentgeltansprüche eines nicht bekannten anderen Arbeitnehmers erfüllt worden. Die Feststellungslast liege bei der Klägerin und es sei nicht auszuschließen, dass Gelder nach L. verschoben worden seien. Nach Auszügen aus dem Amtsblatt des Großherzogtums L. sei M Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma W. M. L. gewesen. Die Gesellschaftertätigkeit habe am 23.05.2008 geendet, nicht jedoch die Tätigkeit als Geschäftsführer. Jedenfalls bis Mai 2008 könne davon ausgegangen werden, dass M noch über Vermögen verfügt habe. Weiter ergebe sich aus den Unterlagen, dass M am 14.03.2007 Anteile an der L. Firma für 11.875,00 EUR verkauft habe. Somit habe M durchaus über Vermögen verfügt, als er sich nach L. abgesetzt habe.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 zu verurteilen, der Klägerin Insolvenzgeld auch für die Zeit vom 01.12.2006 bis 28.12.2006 zu zahlen, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Anspruch auf Insolvenzgeld beziehe sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis auf die letzten drei Monate des beendeten Arbeitsverhältnisses. Es gebe keine Feststellungen dazu, dass sich der ehemalige Arbeitgeber mit Vermögen ins Ausland abgesetzt habe. Es sei vielmehr unklar, ob er sich tatsächlich "abgesetzt" habe. Jedenfalls habe er offensichtlich kein Vermögen mitgenommen. Der Wert der Anteile an der Gesellschaft sei unklar. Diese seien schon am 14.03.2007 übertragen worden, weshalb sie insofern nicht mehr als Vermögen vorhanden gewesen seien. Im Übrigen sei damit auch die Zahlungsfähigkeit nicht mehr hergestellt worden. Ihre Arbeitskraft habe die Klägerin zwischen dem 11.09.2006 und dem 28.02.2007 nicht mehr ausdrücklich angeboten. M habe sich jedoch in Annahmeverzug befunden, da die Kündigung unwirksam gewesen und Kündigungsschutzklage erhoben worden sei. Eine Beendigung des Annahmeverzuges durch eine Erklärung von M sei nicht erfolgt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Der Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung der Klägerin ist hingegen zurückzuweisen. Sie hat keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.12.2006 bis einschließlich 28.12.2006. Das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 insgesamt abzuweisen.

Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008. Bereits mit Bescheid vom 25.07.2007 hat die Beklagte bestandskräftig den Antrag auf Insolvenzgeld der Klägerin vom 12.03.2007 abgelehnt. Der neuerliche Antrag auf die Gewährung von Insolvenzgeld vom 17.03.2008, der sich auf den selben Insolvenzgeldzeitraum bezogen hat, kann nur als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angesehen werden. Dem Bescheid vom 17.03.2008 ist auch zu entnehmen, dass die Beklagte nochmals das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen geprüft hat. Hierin ist eine Ablehnung nach erneuter Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu sehen. Eine Abänderung des Bescheides vom 25.07.2007 wurde von der Beklagten zu Recht (konkludent) abgelehnt.

Der Klägerin steht auf der Grundlage des § 44 SGB X kein Anspruch auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 25.07.2007 zu, denn die Beklagte hat das bei Erlass des Verwaltungsaktes geltende Recht richtig angewandt und die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld. Nach § 183 Abs 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) setzt ein Anspruch auf Insolvenzgeld voraus, dass (Nr 1) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, (Nr 2) bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (Nr 3) bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt geworden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, denn es fehlt bereits an einem Insolvenzereignis.

Über das Vermögen des M ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden (§ 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III). Ein entsprechender Antrag der DAK wurde wieder für erledigt erklärt, ohne dass es zur Insolvenzverfahrenseröffnung gekommen war. Auch ein entsprechender Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht mangels Masse abgewiesen worden (§ 183 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III).

Ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III ist ebenfalls nicht gegeben. Die überwiegenden Anhaltspunkte sprechen für eine vollständige Betriebseinstellung im Inland am 29.03.2007. Zu diesem Zeitpunkt ist offenbar M das letzte Mal vom Gerichtsvollzieher in den Betriebsräumen gesehen worden und die Büroeinrichtung wurde verladen und weggeschafft. Weitere Betriebstätigkeiten danach sind auch nicht erkennbar. Die fehlende Abmeldung des Gewerbes ist unerheblich (vgl Kühl in: Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 165 Rn 35 mwN). Offen gelassen werden kann, ob M sein Gewerbe in L. weiter betrieben hat, denn es handelt sich dann nicht mehr um eine Betriebstätigkeit im Inland.

Allerdings kann ein offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommendes Insolvenzverfahren nicht festgestellt werden. Die Masselosigkeit muss dabei vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten; spätere Masselosigkeit ist nicht ausreichend (vgl Kühl aaO Rn 39 mwN). Masselosigkeit kann bereits angenommen werden, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen (BSG, Urteil vom 04.03.1999 - B 11/10 AL 3/98 R - juris; Peters-Lange in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2009, § 183 SGB III Rn 47; Völzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 07/2010, § 183 Rn 65; Kühl aaO). Dies kann der Fall sein, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird (BSG, Urteil vom 23.11.1981 - 10/8b RAr 6/80 - SozR 4100 § 141b Nr 21). Weitere Indizien können in zahlreichen arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen auf Lohnzahlung, erfolglos gebliebenen Zwangsvollstreckungen, eidesstattlichen Versicherungen oder einer Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über sechs Monate gesehen werden (vgl dazu insgesamt Kühl aaO mwN). Dass ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich ins Ausland abgesetzt hat, ohne sie zu begleichen, ist dagegen allein kein Grund für die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit, da zwischen Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist (vgl BSG, Urteil vom 22.09.1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr 7). Aus der Zahlungsunwilligkeit kann auch nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden (vgl Estelmann in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 183 Rn 72). Lässt sich nicht aufklären, ob Zahlungsunfähigkeit oder lediglich Zahlungsunwilligkeit vorliegt, geht dies zu Lasten des Arbeitnehmers (vgl. BSG aaO; Kühl aaO; Voelzke aaO).

Vorliegend fehlt es an einem Nachweis der Masselosigkeit. Insbesondere ist diese auch nicht aus den Nichtzahlungen von Gehaltsansprüchen des M und dessen Hinweis um Protokoll zum arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 08.11.2006 zu entnehmen, so dass die Beklagte das Entfallen der Zahlungsunfähigkeit zu beweisen hätte (vgl BSG, Urteil vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R - SozR 3-4300 § 183 Nr 3).Es ist offen, aus welchen Gründen die offenen Gehaltsansprüche der Klägerin nicht befriedigt worden sind. Diesbezüglich kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass alle äußeren Tatsachen für eine Masselosigkeit sprechen. Die zunächst offene Forderung der DAK in Höhe von 14.801,23 EUR, die Auslöser für den Antrag auf Insolvenzeröffnung vom 30.01.2007 gewesen ist, wurde von M beglichen. Mit welchen Motiven dies geschehen ist, kann dahinstehen, M ist jedenfalls in der Lage gewesen, diese Forderung zu bedienen. Dabei war die zu begleichende Forderung höher als die von M etwa zur gleichen Zeit verkauften Gesellschaftsanteile, so dass weiteres Vermögen bei ihm vorhanden gewesen sein muss. Soweit weitere Pfändungen vorlagen, die die Guthaben bei der HYPO-Vereinsbank und der Raiffeisenbank überstiegen haben, kann allein daraus nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden. Alleine eine Überschuldung bedeutet nicht, dass deshalb die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären (vgl dazu auch Kühl aaO Rn 39 mwN). Zudem erhielt die Klägerin am 09.05.2007 und 02.01.2008 weitere Teilbeträge aus einer Vollstreckung gegen M. Auch das Anwesen von M wurde im Herbst 2007 zwangsversteigert. Vor allem aber war er neben dem Inhaber des Werbegrafikbüros in Deutschland gleichzeitig noch Gesellschafter bzw. Geschäftsführer einer entsprechenden Firma in L ... Es ist davon auszugehen, dass noch Vermögenswerte in L. vorhanden waren, denn so konnte M nach den Eintragungen im Amtsblatt Gesellschaftsanteile für 11.875,00 EUR verkaufen. Offen ist zudem, ob er im Hinblick auf die Tätigkeit in L. als Geschäftsführer Einkünfte erzielt hat und daher ggf lediglich nicht willens war die Forderungen der Klägerin zu erfüllen. Insofern kann die Fortsetzung des Betriebes in L. die Indizwirkung der Zahlungsunfähigkeit von M im Hinblick auf die Betriebseinstellung seiner Firma in Deutschland als fraglich erscheinen lassen (vgl dazu BSG, Urteil vom 29.02.1984 - 10 RAr 14/82 - juris; Kühl aaO Rn 35). M haftet nicht nur mit seinem Betriebsvermögen, sondern mit seinem gesamten - auch privatem - Vermögen. Soweit M im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Protokoll gegeben hat, er könne derzeit keine Zahlungen leisten, ist damit ebenso nicht dessen Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen. Diese Erklärung ist nicht näher konkretisiert und erscheint nicht plausibel. M hatte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch verwertbares Vermögen, wie spätere Vollstreckungsversuche, der Verkauf von Anteilen an der Firma in L. und die Begleichung der Forderung der DAK nahelegen. Eine Zahlungsunfähigkeit war damit allenfalls offen. Weitere Aufklärung konnte diesbezüglich weder durch die Klägerin noch durch das Gericht betrieben werden, nachdem der weitere Aufenthalt von M ungeklärt ist, da er sich mit unbekannter Adresse laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes A-Stadt (letzt bekannte Adresse) nach L. abgemeldet hat.

Mangels Nachweises einer offensichtlichen Masselosigkeit hat die Klägerin die Feststellungslast zu tragen. Damit können die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Insolvenzereignisses nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III nicht festgestellt werden, dies geht zu Lasten der Klägerin. Dem Schutz von - auch gutgläubigen - Arbeitnehmern vor derartigen Risiken dient allein das Straf- und/oder Schadensersatzrecht, nicht aber das Insolvenzgeld (siehe dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.06.2009 - L 9 AL 166/06 - juris).

Es kann nach alledem dahinstehen, ob der Klägerin für den Insolvenzgeldzeitraum überhaupt noch ein Arbeitsentgeltanspruch gegen M zugestanden hat. Hiergegen könnte sprechen, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht mehr konkret angeboten hat, falls der durch die Kündigung eingetretene Annahmeverzug des M durch den Vergleichsschluss vor dem Arbeitsgericht beendet worden ist. Eine Freistellung der Klägerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde jedenfalls in dem Vergleich nicht geregelt.

Die Beklagte hat damit bei ihrer Entscheidung im Bescheid vom 25.07.2007 weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Sie ist nicht verpflichtet, ihre damalige Entscheidung abzuändern.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG insoweit aufzuheben, als es die Beklagte zur Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 29.12.2006 bis 28.02.2007 verurteilt hat. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 war insgesamt abzuweisen. Infolge dessen war auch die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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