L 1 R 606/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 327/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 606/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Juni 1952 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, kroatische Staatsangehörige, hat in ihrem Heimatland nach neunjährigem Besuch der Grundschule eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, diese jedoch nach einem Jahr ohne Abschluss abgebrochen. Im März 1971 ist sie in das Bundesgebiet zugezogen. Sie war dann als Flugzeugreinigerin, nach Zeiten der Kindererziehung als Näherin und zuletzt erneut bis Juni 1994 als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist die Klägerin keiner Tätigkeit mehr nachgegangen.

Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind durchgängig von September 1992 bis Januar 1997 Pflichtbeitragszeiten und nach einer Lücke erneut ab 1. Januar 2005 bis September 2005 sowie zuletzt von Januar 2008 bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten verzeichnet.

Die Klägerin begehrte erstmals im September 1995 unter anderem wegen eines Wirbelsäulenleidens und Bluthochdrucks Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom 13. Juni 1996 und Zurückweisung des hiergegen erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1996 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) unter dem Az. S 8 RJ 1748/96.

Das SG holte ein internistisches-arbeitsmedizinisches Gutachten von Professor Dr. K. vom 15. Juli 1997, ein psychiatrisches Gutachten von Dr. V. und ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. ein. Alle Sachverständigen bescheinigten der Klägerin noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. In der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 1998 endete der Rechtsstreit durch Vergleich, in dem die Beklagte der Klägerin ein Heilverfahren in der Psychosomatischen Klinik Bad D. bewilligte.

Am 9. März 2004 begehrte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 16. März 2004 unter Hinweis auf den Entlassungsbericht der Klinik Bad D. vom 12. November 1998 abgelehnt. Hierin ist festgehalten, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und ständigem Sitzen in Tagesschicht vollschichtig verrichten könne. Auch seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum 30. Oktober 1996 bis 29. Oktober 2001 seien nur 4 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum SG unter dem Az. S 10 RJ 1670/04. Das SG zog diverse Befundberichte sowie ein im Rahmen eines Betreuungsverfahrens für das Amtsgericht A-Stadt - Vormundschaftsgericht - erstelltes Gutachten von Dr. S. vom 6. Dezember 2004 bei. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24. November 2005 mit der Begründung ab, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die besonderen beitragsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr gegeben seien. Eine Vorverlegung des Versicherungsfalls in das Jahr 1998 komme nicht in Betracht, da der Klägerin im Entlassungsbericht der Klinik in Bad D. vom 12. November 1998 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten bescheinigt worden sei.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht unter dem Az. S 14 R 215/06 mit der Begründung ein, bereits im Jahr 1998 nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, einer Erwerbstätigkeit vollschichtig nachgehen zu können. Aufgrund eines Antrags vom 7. August 2001 sei ein Betreuungsverfahren eingeleitet, mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 18. Oktober 2001 die Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Wohnungs- und Arbeitsangelegenheiten angeordnet worden. Aus dem Gutachten von Dr. S. ergebe sich die Vorgeschichte der Klägerin. Die Betreuung sei erst am 27. Dezember 2004 aufgehoben worden. Dies sei vom SG nicht hinreichend beachtet worden.

Die Berufung wurde mit Beschluss vom 2. November 2006 zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn der Leistungsfall schon im Jahre 1998 eingetreten wäre. Aus der Anordnung der Betreuung im Oktober 2001 ließen sich jedoch keine Rückschlüsse auf eine bereits 1998 eingetretene Leistungseinschränkung im Sinne von Erwerbsunfähigkeit ziehen. Vielmehr ergebe sich aus dem Entlassungsbericht vom 12. November 1998 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Eine hiergegen zum Bundessozialgericht - BSG - eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 9. Februar 2007 als unzulässig verworfen.

Mit Antrag vom 10. Januar 2008 begehrte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten.

Die Beklagte holte ein psychiatrisches Gutachten von Dr. S. und ein Gutachten der Internistin F. ein. Dr. S. stellte bei der Klägerin in seinem Gutachten vom 26. Februar 2008 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung fest. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne erhöhten Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen zu verrichten.

Die Internistin F. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 17. März 2008 bei der Klägerin eine Adipositas mit Hypercholesterinämie, eine Belastungsdyspnoe nach ca. 10 bis 20 Pack Years bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, eine gegenwärtig remittierte rezidivierende depressive Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, einen Zustand nach Hinterwandinfarkt am 27. Dezember 2006 bei KHK-Eingefäßerkrankung mit inferobasaler Hypokinesie und bei subtotalem RCA-Verschluss mit PTCA und Stenting, normaler linksventrikulärer Pumpfunktion und koronarer Eingefäßerkrankung, eine Varikosis links betont 4-geradig, ein chronisch rezidivierendes, lumbal betontes Schmerzsyndrom mit Ischialgie rechtsseitig und Meralgia parästhetika, eine Gonarthrose links betont bei statischer Überlastung, eine medikamentenpflichtige arterielle Hypertonie, eine milde Hypakusis ohne Hörgeräteversorgung, einen Zustand nach Gallengangleck mit Stenting nach Colezystektomie 2005 sowie eine Unverträglichkeit von Diclofenac, Novalgin und Penicillin (anamnestisch). Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten überwiegend in sitzender Haltung 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Der Antrag wurde daraufhin mit Bescheid vom 4. April 2008 abgelehnt.

Der Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs wurde auf das reduzierte internistische Leistungsvermögen der Klägerin (Herzerkrankung, COPD, Gallenerkrankung, Reizmagen) sowie auf die Wirbelsäuleerkrankung, den beidseitigen Fersensporn und eine depressive Störung mit Somatisierung verwiesen.

Die Beklagte holte daraufhin ein orthopädisches Gutachten von Dr. P. vom 14. Juli 2008 ein, der bei der Klägerin ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik, ein Wirbelgleiten L 5/S 1, eine initiale Gonarthrose bei Genua valga, eine initiale Coxarthrose, eine somatoforme Schmerzstörung bei Poliarthralgien, Senk-Spreizfüße, einen Fersensporn beidseits und einen Hohl-Rundrücken bei zunehmender Obesitas mit statischen Wirbelsäulenbeschwerden feststellte. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2008 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage diverser Befundberichte Klage zum SG unter dem Az. S 16 R 2272/08 und verwies hierbei insbesondere auf ihre seelischen Störungen (Depressionen, Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Angstzustände), die COPD-Erkrankung mit Atemnot bei leichter Belastung, den erlittenen Herzinfarkt, die Wirbelsäulenbeschwerden sowie die Beschwerden an den Gelenken der unteren Extremitäten.

Im Rahmen des Klageverfahrens gab die Beklagte eine Stellungnahme ab, wonach ihr sozialmedizinischer Dienst unter dem 17. September 2008 festgestellt habe, dass es sich bei der Klägerin um eine multimorbide Probandin handele. Trotz Behandlung auf den verschiedensten Fachgebieten habe eine längerfristige Stabilisierung des Gesundheitszustandes letztendlich nicht erreicht werden können. In Kenntnis aller Befunde und des bisherigen Verlaufs sei anzuerkennen, dass bei der Klägerin ab Rentenantrag (10. Januar 2008) ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich auf Dauer anzuerkennen sei. Berufliche oder medizinische Reha-Maßnahmen seien bei der vorliegenden Multimorbidität nicht mehr zielführend. Bei einem Eintritt des Leistungsfalls am 10. Januar 2008 seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Diese wären letztmalig bei einem Eintritt des Leistungsfalls am 28. Februar 1999 erfüllt. Hierfür gebe es jedoch keine Anhaltspunkte. Die Klägerin nahm daraufhin die Klage in der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2009 zurück.

Nachdem ein Überprüfungsantrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X vom 17. Juni 2009 mit Bescheid vom 1. Juli 2009 abgelehnt und der hiergegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2009 zurückgewiesen worden war, begehrte die Klägerin mit streitgegenständlichem Antrag vom 13. Oktober 2010 erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten.

Der Antrag wurde mit angefochtenem Bescheid vom 15. Dezember 2010 abgelehnt, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien. Die Klägerin sei seit 10. Januar 2008 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Im maßgeblichen Zeitraum 10. Januar 2003 bis 9. Januar 2008 seien jedoch nur 16 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Auch sei nicht jeder Kalendermonat seit 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 2007 mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe bereits mehr als 30 Jahre Beitragszeiten vor der letzten Rentenantragstellung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011 zurückgewiesen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es sei von einem Leistungsfall 10. Januar 2008 auszugehen. Im letzten Fünfjahreszeitraum davor seien nur 16 anstelle der erforderlichen 36 Beitragsmonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorhanden.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum SG unter dem Az. S 15 R 3 127/11 erhoben und geltend gemacht, sie sei voll erwerbsgemindert. Die Mindestversicherungszeit habe sie erfüllt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen damit vor.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2011 abgewiesen und zur Begründung auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2011 verwiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt mit der Bitte, die erstinstanzliche Entscheidung zu überprüfen. Der Senat hat gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. D. vom 2. August 2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 17. August 2012. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin sei bis zum Auftreten des ersten Myokardinfarkts am 27. Dezember 2006 in der Lage gewesen, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig zu verrichten. Seit dem Myokardinfarkt im Dezember 2006 bestehe ein unter dreistündiges Leistungsvermögen. Ab diesem Zeitpunkt sei auch die Wegefähigkeit der Klägerin insoweit eingeschränkt, als sie 500 m auch unter Zuhilfenahme eines Rollators nicht mehr in einer Zeit von 20 Minuten zurücklegen könne.

Eine Stellungnahme der Klägerin hierzu ist nicht erfolgt. Der medizinische Dienst der Beklagten hat erklärt, es könne offen bleiben, ob der Leistungsfall im Dezember 2006 oder im Januar 2008 eingetreten sei. Jedenfalls im Februar 1999 habe noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2011 sowie des Bescheids der Beklagten vom 15. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2011 zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2011 abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller, teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 1, 2 SGB VI) zu, da die Klägerin zwar ab 27. Dezember 2006 voll erwerbsgemindert ist, zu diesem Zeitpunkt jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat steht fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin seit 27. Dezember 2006 so stark gemindert ist, dass ihr nur noch unter 3 Stunden täglich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zugemutet werden können.

Nach der Einschätzung des erfahrenen Gerichtsachverständigen Dr. D. ist die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin durch das bei ihr seit vielen Jahren chronifiziert vorliegende Schmerzsyndrom, die dadurch deutlich herabgesetzter Motilität und durch die internistischen Erkrankungen in Form eines massiven arteriellen Hypertonus und eines Zustands nach 2 Myokardinfarkten in den Jahren 2006 und 2007 quantitativ gemindert. Die Leistungsminderung sei spätestens mit dem Auftreten des Myokardinfarkts im Dezember 2006 eingetreten. Diese bestünde voraussichtlich auch auf Dauer fort. Vor diesem Zeitpunkt lasse sich allerdings eine quantitative Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen.

Bei einem Eintritt des Leistungsfalls am 27. Dezember 2006 sind allerdings die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. In dem maßgeblichen Zeitraum 27. Dezember 2001 bis 26. Dezember 2006 sind insgesamt nur neun und nicht die erforderlichen 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung vorhanden. Etwas anderes ergibt sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man der Auffassung der Beklagten folgt und den Eintritt von voller Erwerbsminderung erst auf den 10. Januar 2008 datiert. Denn in dem dann maßgeblichen Zeitraum vom 10. Januar 2003

bis 9. Januar 2008 liegen ebenfalls nicht 36, sondern nur 16 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten vor.

Der Umstand, dass die Klägerin nach Eintritt des Leistungsfalls von Januar 2008 bis Dezember 2010 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat, führt nicht dazu, dass ein Rentenanspruch der Klägerin anzuerkennen wäre. Denn § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI verlangen ausdrücklich, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen.

Der Zeitraum von fünf Jahren ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um Anrechnungszeiten, Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berücksichtigungszeiten, Zeiten die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 oder 2 liegt, Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres oder gemäß § 241 Abs. 1 SGB VI um Ersatzzeiten (vgl. § 250 SGB VI) bzw. um Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 1. Januar 1992 zu verlängern, da derartige Zeiten bei der Klägerin nicht vorliegen. Zur weiteren Begründung verweist der Senat insoweit auf die angefochtenen Bescheide sowie den Bescheid vom 1. Juli 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2009 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Das Erfordernis einer Pflichtbeitragszeit von 3 Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entfällt nicht gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI, da die Erwerbsminderung bei der Klägerin nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Insbesondere ist die Erwerbsminderung nicht auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) zurückzuführen.

Schließlich entfällt das Erfordernis der Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht nach der Bestimmung des § 241 Abs. 2 SGB VI. Zwar hat die Klägerin vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt. Jedoch ist nicht jeder Kalendermonat ab 1. Januar 1984 mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (vgl. die Aufzählung in § 241 Abs. 2 SGB VI) belegt. Von September 1990 bis August 1992, Februar 1997 bis Dezember 2004 und Oktober 2005 bis Juni 2007 liegen bei der Klägerin keine Versicherungszeiten vor. Für diese Zeiten ist auch keine Beitragszahlung mehr zulässig (§ 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI i.V.m. §§ 197, 198, 204 ff., 284 ff. SGB VI bzw. - für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 - §§ 1418 ff. RVO).

Zu dem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals erfüllt sind (Februar 1999), bestand hingegen noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies ergibt sich bereits aus dem Entlassungsbericht der Klinik Bad D. vom 12. November 1998. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. November 2006, denen er sich anschließt. Diese Einschätzung wurde erneut von Dr. D. bestätigt, der eine quantitative Leistungseinschränkung bzw. eine rentenrelevante qualitative Leistungseinschränkung insbesondere in Form einer Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin vor dem 27. Dezember 2006 nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen konnte.

Der Klägerin steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1, 2 SGB VI zu. Denn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müssen bei dieser Rente ebenfalls erfüllt sein (vgl. § 240 Abs. 1 SGB VI). Dies ist bei einem Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit im Dezember 2006 jedoch - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Berufsunfähigkeit lag bei der Klägerin auch nicht bereits durchgängig seit Februar 1999 vor. Die Klägerin, die keine Berufsausbildung absolviert hat, war zuletzt in Deutschland mit Hilfstätigkeiten als Näherin und Reinigungskraft beschäftigt. Sie hat damit ungelernte oder allenfalls einfach angelernte Tätigkeiten verrichtet mit der Folge, dass sie nach dem Stufenschema des BSG auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. Da insoweit zu diesem Zeitpunkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin bestand, scheidet auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus.

Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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