Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4350/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 299/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Augsburg vom 9. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1962 geborene Klägerin hat von 1979 bis 1983 eine Lehre zur Zahnarzthelferin absolviert und war im Anschluss daran mit Unterbrechungen bis 2006 im erlernten Beruf tätig, seit 2004 halbtags neben einer selbstständigen Tätigkeit als Gastronomin (Eisdiele). Seit 30. März 2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin nahm vom 10. Oktober 2006 bis 6. November 2006 an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf orthopädischer Grundlage teil, aus der sie vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Mit Antrag vom 12. Juli 2007 begehrte sie Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf Arthrose, einen Bandscheibenvorfall sowie ein chronisches Schmerzsyndrom.
Die Beklagte holte nach Beiziehung diverser Befundberichte ein orthopädisch-rheuma-tologisches Gutachten von Dr. N. ein. Die Sachverständige stellte bei der Klägerin eine leichte thorakolumbale Skoliose, eine MR-tomographisch diagnostizierte linksbetonte Spondylarthrose L 4/5 und L 5/S 1, eine beginnende Coxarthrose beidseits (asymptomatisch) sowie ein chronisches Schmerzsyndrom/Verdacht auf psychosomatisches Schmerzsyndrom fest. Nach ihren Ausführungen sei die Intensität der Beschwerdeangabe mit dem objektivierbaren Befund nicht vereinbar. Neurologische Defizite der unteren Extremitäten bestünden nicht. Die Klägerin sei für leichte und mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar.
Der weiterhin beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. S. diagnostizierte bei der Klägerin eine Kiefergelenksaffektion links, ein Schmerzsyndrom mit LWS-Betonung sowie einen Verdacht auf psychische Überlagerung bzw. Schmerzverstärkung. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus oder ständig im Sitzen 6 Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 23. November 2007 ab. Zugleich wurden der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation angeboten.
Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten an und erhob zugleich Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Die Reha-Maßnahme fand vom 22. Januar bis 26. Februar 2008 in der Klinik S. statt. Hier wurden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie rezidivierende Lumbalgien bei bekannten Protrusionen i.B. der LWS festgestellt und der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2008 zurückgewiesen.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin werde durch ein chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Konversionsschmerz sowie durch ein LWS-Syndrom bei linksbetonter Spondylarthrose L 4/5 und L 5/S 1 und eine beginnende Coxarthrose beidseits eingeschränkt. Auch eine reaktive Depression bzw. eine somatoforme Schmerzstörungskomponente kämen als Ursachen der therapieresistenten Beschwerden in Betracht.
Das SG hat Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. E. und des Orthopäden Dr. F. sowie ein für die IKK direkt erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vom 10. Mai 2007 beigezogen. Es hat zunächst gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. N. vom 28. März 2009 und eines Gutachten des Neurologen und Psychiaters S. vom 13. Mai 2009.
Dr. N. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:
1. Degenerative Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule, wiederholt auftretende pseudoradikuläre, links betonte Nervenwurzelreizerscheinungen; Einschränkung der Belastbarkeit; zum Zeitpunkt der Untersuchung keine radikuläre Begleitsymptomatik
2. Verdacht auf chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen in wechselnder Körperhaltung (zum Beispiel leichte Montage- und Sortierarbeiten, Telefondienste, aufsichtsführende Tätigkeiten, Pförtnerdienste) zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien die dauerhafte Einnahme von Zwangshaltungen (gebückt, hockend, kniend, vornüber geneigt), dauerhaft gehend und/oder stehend zu verrichtende Arbeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie Witterungseinflüsse wie Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin liege nicht vor.
Der Nervenarzt S. hat Lumboischialgien mit links betonten Nervenwurzelreizerscheinungen ohne Lähmungserscheinungen, ein cervikocephales Syndrom mit Nackenschmerzen ohne motorische Ausfallerscheinungen sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich mit den üblichen Unterbrechungen verrichten. Neben den von Dr. N. festgestellten Einschränkungen seien der Klägerin Arbeiten überwiegend im Freien, mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und mit Publikumsverkehr sowie mit Gefährdung an laufenden Maschinen, Zeitdruckarbeiten, Akkord-, Schicht- und Fließbandarbeiten nicht mehr zumutbar.
Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein orthopädisches Gutachten von Dr. P. vom 12. Oktober 2009 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 11. Mai 2010 eingeholt.
Dr. P. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Rezidivierendes pseudoradikuläres Cervicobrachialsyndrom beidseits und pseudoradikuläres Lumboischialgiesyndrom links mehr als rechts ohne sensomotorische Ausfallserscheinungen von Seiten der oberen bzw. unteren Extremitäten
2. Tripleskoliose I. Grades der Wirbelsäule (cervikal linkskonvex, thorakal rechtskonvex, lumbal linkskonvex)
3. Geringe Bandscheibenprotrusionen L 3/L4, L 4/L 5 und L 5/S 1
4. Initiale, asymptomatische Coxarthrose beidseits mit geringer Hüftgelenksrotationsstörung beidseits
5. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.
Die Klägerin sei noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen täglich sechs und mehr Stunden auszuüben. Nicht zumutbar seien Schwerarbeit und ständig mittelschwere Arbeiten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.
Dr. S. hat bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:
1. HWS-Syndrom mit leichtem Muskelhartspann, leichter Kopfdrehbewegungseinschränkung ohne motorische Ausfälle
2. Lumboischialgie mit Wurzelreizerscheinungen betont L 4/L 5 links
3. Migranöse Cephalgien
4. Konversions- bzw. psychosomatische Erkrankungsneigung
5. Neurotische Schmerzstörung bei Autonomiekonflikt.
Die Klägerin verfüge nur noch über ein grenzwertiges positives Leistungsvermögen von 1 bis 2 Stunden, wobei bei Belastung bzw. Gefühl der Überforderung rasche Dekompensation eintreten werde.
Der Nervenarzt S. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. September 2010 ausgeführt, die Klägerin sei entgegen der Einschätzung von Dr. S. in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr auszuüben. Dr. S. hat wiederum hierzu eine ergänzende Stellungnahme vom 29. September 2010 abgegeben, in der er an seiner Einschätzung festhält.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2011 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. N. und S. abgewiesen. Das Gutachten von Dr. S. sei nicht überzeugend.
Mit der hiergegen beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat auf das Gutachten von Dr. S. verwiesen. Es sei von einer schmerzneurotischen Entwicklung auszugehen, die seit Jahren konversions- bzw. psychosomatisch imponiere. Darüber hinaus bestehe eine depressive Charakterstruktur bei mangelnder Affektfähigkeit. Die Körperbeschwerden seien glaubhaft. Bei Belastung bzw. dem Gefühl der Überforderung komme es zu einer raschen Dekompensation.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr. F., des Allgemeinmediziners Dr. E. und die Schwerbehindertenakten beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Schwaben beigezogen sowie gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. G. vom 13. Dezember 2011. Dr. G. hat folgende Gesundheitsstörungen bei der Klägerin festgestellt:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Angststörung mit phobischer Prägung (soziale Phobie) und psychoneurotischer Fehlentwicklung
2. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom leichter Ausprägung ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit
3. Einfache Migräne
4. Sulcus-Ulnaris-Syndrom geringer Ausprägung rechts.
Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Das Heben und Tragen schwerer Lasten, Nachtschichttätigkeiten, Tätigkeiten unter Zeitdruck bzw. in einem hektischen Arbeitsumfeld sollten der Klägerin nicht zugemutet werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen und ein Kfz. Die Umstellungsfähigkeit auf andere Tätigkeit sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat ein neuropsychiatrisches Gutachten von Dr. C. vom 27. März 2012 eingeholt. Dr. C. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Mehrfache, vorwiegend neurotische Persönlichkeitsstörung mit Angst, Zwängen, Depressionen und deutlich eingeschränktem Selbstwertgefühl
2. Somatoforme Störung auf dem Hintergrund einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung mit psychodynamischen Aspekten
3. Chronifizierung des Schmerzes sowie der psychischen konnotierten Symptome als Ausdruck einer Fixierung bei einer stark narzisstisch, konversionsneurotisch geprägten Primärstruktur
4.
Anlassgebundene Verschlimmerung seit ca. drei Jahren ohne bisher eingetretenen befriedigenden therapeutischen Response (Besserung).
Hinzugekommen seien, von den Vorgutachter nicht berücksichtigt, Zwangsstörungen mit Angst und Depressionen sowie Panikattacken, psychosomatische Funktionsstörungen mit somatoformer Schmerzsymptomatik.
Die Klägerin könne nur noch weniger als 3 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Das Leistungsbild bestehe seit ca. einem Jahr. Eine Besserung der Erwerbsminderung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Februar 2011 und des Bescheids der Beklagten vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2008 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2008 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen rentenerheblichen Umfang angenommen hätten.
Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Gutachter Dr. N., S., Dr. P. und Dr. G. liegt bei der Klägerin keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens vor. Der hiervon abweichenden Auffassung von Dr. S. und Dr. C. vermag der Senat nicht zu folgen.
Bei der Klägerin stehen die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet im Vordergrund. Auf orthopädischem Fachgebiet imponiert nach den Ausführungen von Dr. N. vor allem die degenerative Verschleißerkrankung an der Lendenwirbelsäule mit einer Einschränkung der Belastbarkeit. Bei der Untersuchung durch Dr. L. zeigte sich bei der Klägerin beim Entkleiden allerdings ein unauffälliges Bewegungsspiel des Achsorgans. Es bestand ein annähernder Beckengeradestand. Die Körperhaltung war eingesunken und sichtlich muskelschwach bei Rundungen der Wirbelsäule. Eine aktive Ausrichtung war nach Aufforderung jedoch hinreichend möglich. Die paravertebrale Muskulatur war genügend entwickelt, allerdings nicht optimal trainiert. Bei der Prüfung des Bewegungsausmaßes der Lendenwirbelsäule ergaben sich bei der Angabe von Schmerzen in endgradiger Bewegungsstellung zufriedenstellende Ergebnisse. Die Halswirbelsäule der Klägerin zeigte sich regelhaft aufgebaut mit altersgenügender Beweglichkeit und symmetrischen Funktionsverhältnissen. Die Brustwirbelsäule konnte die Klägerin aktiv ausreichend aufrichten. Die Atembeweglichkeit des Brustkorbes war symmetrisch ohne erkennbare Einengungen. An den oberen Extremitäten waren keine wesentlichen Auffälligkeiten festzustellen, Bewegungseinschränkungen der großen Gelenke oder Störungen des Greifvermögens der Hände nicht zu beobachten. Die Muskulatur der Schultergürtels und der Arme war regulär entwickelt, die aktive Beweglichkeit seitengleich frei. Die Durchführung der Funktionstests erbrachte reguläre Ergebnisse. Auch an den unteren Extremitäten zeigte sich eine regulär entwickelte Muskulatur ohne Hinweise auf schonungsbedingte Muskelminderungen. Das Gangbild war symmetrisch, flüssig und hinkfrei, sämtliche Gang- und Standarten waren der Klägerin seitengleich möglich.
Diese Feststellungen wurden von Dr. P. bestätigt. Auch er fand an den Gelenken der oberen und unteren Extremitäten eine normale Bemuskelung und eine altersentsprechende freie Funktion in allen Ebenen bei normalen Gebrauchsspuren an beiden Händen. Nach seinen Feststellungen war auch die Funktionssituation im Bereich der Wirbelsäule im Wesentlichen altersentsprechend, nur bei der Lendenwirbelsäule fand sich eine geringe, endgradige Funktionsstörung in Bezug auf Rotation und Seitneige nach beiden Seiten. Die Neurologie der oberen und unteren Extremitäten erbrachte keine Auffälligkeiten.
Beide Sachverständige haben für den Senat nachvollziehbar aus diesem Untersuchungsergebnis abgeleitet, dass eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin nicht zu begründen ist.
Die von der Klägerin geklagten Beschwerden sind durch die orthopädisch objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht erklärbar. Dasselbe gilt im Hinblick auf den neurologischen Befund. Dr. G. hat (erneut) festgestellt, dass dieser nach wie vor weitgehend unauffällig ist und das im Vordergrund stehende Wirbelsäulensyndrom als eher geringgradig ausgeprägt anzusehen ist. So war etwa bei seiner Untersuchung das Zeichen nach Laségue negativ, der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm. Lediglich der Achillessehnenreflex war beidseits nicht sicher auslösbar. Bewegungsverhalten, Muskeltonus, Muskeltrophik und grobe Kraft waren hingegen ebenso ungestört wie Koordination und Sensibilität. Der psychopathologische Befund ergab ebenfalls keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Klägerin war überwiegend in einer ausgeglichenen Grundstimmung, nennenswerte kognitive, mnestische oder rezeptive Defizite waren nicht zu beobachten. Auch Dr. von C. hat insoweit keine wesentlich abweichenden Befunde erhoben. Aus den objektivierbaren neurologischen oder orthopädischen Befunden leitet auch Dr. von C. die von ihm angenommene quantitative Leistungseinschränkung nicht ab.
Im Vordergrund steht daher ein chronisches Schmerzsyndrom bzw. somatoforme Schmerzstörung. Der Gerichtssachverständige S. hat ausgeführt, dass eine für ein chronisches Schmerzsyndrom typische Beschwerdeschilderung bei fehlender schwerwiegender depressiver oder anderweitiger Verstimmung vorliegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S. gehen die hierdurch ausgelösten Einschränkungen aber nicht so weit, dass die Klägerin nicht unter Ausschöpfung weiterer ärztlicher, auch psychotherapeutischer Hilfe ihre psychische Hemmung gegen eine Arbeitsleistung nicht zumindest in absehbarer Zeit überwinden könnte.
Dieser Einschätzung hat Dr. S. entgegengehalten, bei der Klägerin hätten sich bei der neurologischen Untersuchung zwar in der Tat keine pathologischen Ausfälle bzw. Anhalte für eine Neuropathie, eine Myopathie oder Wurzeldruckschädigungen ergeben. Im Rahmen eines Konflikts mit den drogenabhängigen Kindern ihres Partners bestehe aber eine erneute Angst vor Verlassenwerden, davor, "wieder auf sich selbst geworfen zu sein". Es bestehe der dringende Verdacht, dass in diesem Zusammenhang die Schmerzerkrankung eingetreten sei, um eigene Autonomie stärker zurückzunehmen, appelative Hilfe zu ertrotzen. Die Körperbeschwerden wirkten glaubhaft erlebt, gerieten jedoch rasch in eine unübersichtliche Konversionschmerzdynamik, die mit Angstüberlagerung ausgeweitet imponiere. Dabei habe sich in den zurückliegenden Jahren eine immer stärkere Ausprägung mit zunehmender Interesseneinengung im Sinne einer Einbahnstraßenmentalität ergeben. Dies zeige sich in einer histrionischen Schmerzfixierung mit passager erlebter Lähmung, die zunehmend manifest imponiere. Über ihre Beschwerden wirke die Klägerin im Sinne eines Invaliden, dem eine eigene autonome Leistung nicht mehr abverlangt werden könne. So lebe sie in einer geschützten Umgebung, einzige Belastung sei das Ausführen ihres Hundes und Grenzversorgung ihres Freundes und ihres Sohnes. Damit ergebe sich ein auf unter 3 Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen der Klägerin.
Mit einer ähnlichen Argumentation kommt auch Dr. von C. zu der Auffassung, die Klägerin sei nur noch unter 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Dr. von C. betont, bei der Klägerin liege eine zwangsneurotische Störung vor, die darin liege, dass die Klägerin erhebliche Zeit dafür aufbringen müsse, um ihre Umgebung zu organisieren, in Schuss zu halten, Ordnung zu schaffen, die Sauberkeit zu erhalten, da unter diesem Handlungsschema Angst und Depression einigermaßen beherrschbar seien. Die Klägerin zeige keinerlei Einsicht, sich mit diesen zwanghaften Handlungsabläufen zu überfordern. Sie sehe nur in der Ausführung solcher Zwänge den Tagesablauf sinnvoll gestaltet. Diese zwangsneurotische Störung sei von dem Vorgutachtern nicht ausreichend bewertet worden. Die Mehrfachstörung in der Persönlichkeit mit Zwängen, Ängsten, Depressionen und narzisstischer Kränkbarkeit bedeuteten eine erhebliche Verstärkung von Schmerzen, möglicherweise sogar deren Generierung. Eine Aggravation oder Simulation habe Dr. S. durch testpsychologische Untersuchungen ausgeschlossen. Die Schmerzen und die Befindlichkeitsstörungen der Klägerin seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhanden. Damit erscheine es plausibel, dass die Klägerin keinen Tätigkeiten mehr nachgehen könne.
Diese Ausführungen sind für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass bereits im Entlassungsbericht der Klinik S. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 22. Januar bis 16. Februar 2008 vermerkt ist, dass sich bei der Klägerin aggravierende Tendenzen der Schmerzartikulation fanden, die im Widerspruch zu der entspannten und variablen Körperhaltung zum Beispiel während einer neunzigminütigen Gruppentherapie gestanden hätten. Auch Dr. N. berichtete von einer nicht immer genügenden Mitarbeit bei gelegentlich erkennbaren bewusstseinsnahen Befundakzentuierungen. Dr. G. hat der Klägerin eine hochgradig histrionische Persönlichkeitsstörung attestiert. Hiermit haben sich weder Dr. S. noch Dr. von C. zureichend auseinandergesetzt. Dr. von C. hat vielmehr sämtliche Angaben der Klägerin im Rahmen seines Begutachtungstermins als zutreffend unterstellt, ohne diese mit dem gesamten Akteninhalt abzugleichen, und letztlich seine sozialmedizinische Beurteilung ausschließlich auf die ungeprüften Angaben der Klägerin gestützt.
Die von Dr. S. behauptete zunehmende Interesseneinengung im Sinne einer Einbahnstraßenmentalität ist durch den Sachverständigen weder näher beschrieben noch auch nur ansatzweise belegt worden.
Nach der von Dr. G. vorgenommenen ausführlichen Anamnese ist diese Einschätzung auch nicht nachvollziehbar. Dr. G. hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben noch in der Lage ist, mehr oder weniger sämtliche Hausarbeiten zu verrichten (Bettenmachen, [Fenster]Putzen, Staubsaugen, Kochen). Sie beschäftigt sich mit ihren Haustieren (Schildkröte, Hund) und liest. Sie hat ferner erklärt, im Besitz eines Segelscheins zu sein und im Juni des Jahres 2011 gemeinsam mit Freunden auf einer Segeljacht Urlaub gemacht zu haben. Sie seien viele Tage mit der Segeljacht unterwegs gewesen. Dr. von C. setzt sich hiermit nicht auseinander und hinterfragt angesichts dieser aktenkundigen Umstände in keiner Weise die Angaben der Klägerin etwa dazu, dass sie unfähig sei, alltägliche Entscheidungen zu treffen, da sie zwanghaft an die Möglichkeit denke, sie werde von einer Schmerzattacke überfallen. Die Angst- und Panikattacken würden fast täglich kurzfristig oder mittelfristig ihren Tagesablauf bestimmen. Dies ist angesichts des geschilderten Tagesablaufs und der angegebenen Urlaubsaktivitäten für den Senat nicht nachvollziehbar.
Für den Senat ist auch nicht erklärlich, warum aus den von Dr. C. wiedergegebenen Zwangshandlungen der Klägerin, die vor allem die Haushaltsführung betreffen (Desinfizierung der Toilettenbrille vor und nach Gebrauch, Führung von Listen, was zu tun sei) eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt folgen soll. Auch fällt auf, dass die Klägerin diese Zwangsstörungen bei der Untersuchung durch Dr. von C. in den Vordergrund gestellt hat, bei Dr. G. hingegen ihre Kreuzschmerzen als die primären Beschwerden dargestellt und nur auf Nachfrage von einer Angstproblematik berichtet hat. Schließlich ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum diese Beschwerden nicht für die Klägerin aus eigener Kraft oder mit ärztlicher Hilfe überwindbar sein sollen. Die Klägerin hat sich bislang nach den Ausführungen von Dr. G. keiner ernstzunehmenden psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung unterzogen. Hiergegen hat Dr. von C. zwar eingewandt, die Klägerin sei in Behandlung beim Nervenarzt Dr. S. gewesen. Insoweit ist jedoch anzumerken, dass die Kläger nach ihren eigenen Angaben Dr. S. insgesamt nur dreimal aufgesucht hat und in psychotherapeutischer Behandlung bisher noch niemals gewesen ist. Auch der Senat kann hierin keine ernstzunehmende psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erkennen.
Schließlich hält Dr. S. Dr. G. vor, dieser habe ausgeführt, bei Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten könne die Erwerbsminderung der Klägerin weitgehend behoben werden. Trotz dieser Einlassung habe Dr. G. erklärt, dass die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin die Durchführung einer stationären Maßnahme nicht rechtfertige. Dieser gutachterliche Widerspruch lasse sich nach Aktenlage und auch aus dem Gutachten nicht erklären. Seine Aussagen seien nicht haltbar, da widersprüchlich.
Widersprüche im Gutachten von Dr. G. sind für den Senat nicht zu erkennen. Dr. G. hat dargetan, dass zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin die Durchführung stationärer Heilmaßnahmen nicht erforderlich sei. Vielmehr reicht eine ambulante Behandlung von vertragsärztlicher Seite (auch psychotherapeutische Behandlung) aus. Auf der anderen Seite hat er erklärt, dass bei motivierter Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten es nicht unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung der Klägerin behoben werden könne. Für Dr. G. stand erkennbar im Vordergrund, dass die Klägerin sich keiner adäquaten Behandlung ihrer psychischen Erkrankung unterzieht. Die - nach Auffassung von Dr. G. nur in qualitativer Hinsicht bestehende - Erwerbsminderung der Klägerin könne behoben werden, wenn die Klägerin sich in eine adäquate, insbesondere eine psychotherapeutische Behandlung begeben würde. Dass nach Auffassung von Dr. G. insoweit eine ambulante Behandlung ausreichen würde und keine stationäre Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation erforderlich seien, steht hierzu nicht in Widerspruch.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und der Klägerin keine Tätigkeit benannt werden kann, die sie trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Die "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht für den Versicherungsträger die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B5 RJ 64/02 R, in juris). Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen hier allerdings nicht vor, insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin.
Damit scheidet die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung aus.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Augsburg vom 9. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1962 geborene Klägerin hat von 1979 bis 1983 eine Lehre zur Zahnarzthelferin absolviert und war im Anschluss daran mit Unterbrechungen bis 2006 im erlernten Beruf tätig, seit 2004 halbtags neben einer selbstständigen Tätigkeit als Gastronomin (Eisdiele). Seit 30. März 2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin nahm vom 10. Oktober 2006 bis 6. November 2006 an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf orthopädischer Grundlage teil, aus der sie vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Mit Antrag vom 12. Juli 2007 begehrte sie Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf Arthrose, einen Bandscheibenvorfall sowie ein chronisches Schmerzsyndrom.
Die Beklagte holte nach Beiziehung diverser Befundberichte ein orthopädisch-rheuma-tologisches Gutachten von Dr. N. ein. Die Sachverständige stellte bei der Klägerin eine leichte thorakolumbale Skoliose, eine MR-tomographisch diagnostizierte linksbetonte Spondylarthrose L 4/5 und L 5/S 1, eine beginnende Coxarthrose beidseits (asymptomatisch) sowie ein chronisches Schmerzsyndrom/Verdacht auf psychosomatisches Schmerzsyndrom fest. Nach ihren Ausführungen sei die Intensität der Beschwerdeangabe mit dem objektivierbaren Befund nicht vereinbar. Neurologische Defizite der unteren Extremitäten bestünden nicht. Die Klägerin sei für leichte und mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar.
Der weiterhin beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. S. diagnostizierte bei der Klägerin eine Kiefergelenksaffektion links, ein Schmerzsyndrom mit LWS-Betonung sowie einen Verdacht auf psychische Überlagerung bzw. Schmerzverstärkung. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus oder ständig im Sitzen 6 Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 23. November 2007 ab. Zugleich wurden der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation angeboten.
Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten an und erhob zugleich Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Die Reha-Maßnahme fand vom 22. Januar bis 26. Februar 2008 in der Klinik S. statt. Hier wurden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie rezidivierende Lumbalgien bei bekannten Protrusionen i.B. der LWS festgestellt und der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2008 zurückgewiesen.
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin werde durch ein chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Konversionsschmerz sowie durch ein LWS-Syndrom bei linksbetonter Spondylarthrose L 4/5 und L 5/S 1 und eine beginnende Coxarthrose beidseits eingeschränkt. Auch eine reaktive Depression bzw. eine somatoforme Schmerzstörungskomponente kämen als Ursachen der therapieresistenten Beschwerden in Betracht.
Das SG hat Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. E. und des Orthopäden Dr. F. sowie ein für die IKK direkt erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vom 10. Mai 2007 beigezogen. Es hat zunächst gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. N. vom 28. März 2009 und eines Gutachten des Neurologen und Psychiaters S. vom 13. Mai 2009.
Dr. N. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:
1. Degenerative Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule, wiederholt auftretende pseudoradikuläre, links betonte Nervenwurzelreizerscheinungen; Einschränkung der Belastbarkeit; zum Zeitpunkt der Untersuchung keine radikuläre Begleitsymptomatik
2. Verdacht auf chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen in wechselnder Körperhaltung (zum Beispiel leichte Montage- und Sortierarbeiten, Telefondienste, aufsichtsführende Tätigkeiten, Pförtnerdienste) zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien die dauerhafte Einnahme von Zwangshaltungen (gebückt, hockend, kniend, vornüber geneigt), dauerhaft gehend und/oder stehend zu verrichtende Arbeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie Witterungseinflüsse wie Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin liege nicht vor.
Der Nervenarzt S. hat Lumboischialgien mit links betonten Nervenwurzelreizerscheinungen ohne Lähmungserscheinungen, ein cervikocephales Syndrom mit Nackenschmerzen ohne motorische Ausfallerscheinungen sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich mit den üblichen Unterbrechungen verrichten. Neben den von Dr. N. festgestellten Einschränkungen seien der Klägerin Arbeiten überwiegend im Freien, mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und mit Publikumsverkehr sowie mit Gefährdung an laufenden Maschinen, Zeitdruckarbeiten, Akkord-, Schicht- und Fließbandarbeiten nicht mehr zumutbar.
Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein orthopädisches Gutachten von Dr. P. vom 12. Oktober 2009 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 11. Mai 2010 eingeholt.
Dr. P. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Rezidivierendes pseudoradikuläres Cervicobrachialsyndrom beidseits und pseudoradikuläres Lumboischialgiesyndrom links mehr als rechts ohne sensomotorische Ausfallserscheinungen von Seiten der oberen bzw. unteren Extremitäten
2. Tripleskoliose I. Grades der Wirbelsäule (cervikal linkskonvex, thorakal rechtskonvex, lumbal linkskonvex)
3. Geringe Bandscheibenprotrusionen L 3/L4, L 4/L 5 und L 5/S 1
4. Initiale, asymptomatische Coxarthrose beidseits mit geringer Hüftgelenksrotationsstörung beidseits
5. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.
Die Klägerin sei noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen täglich sechs und mehr Stunden auszuüben. Nicht zumutbar seien Schwerarbeit und ständig mittelschwere Arbeiten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.
Dr. S. hat bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:
1. HWS-Syndrom mit leichtem Muskelhartspann, leichter Kopfdrehbewegungseinschränkung ohne motorische Ausfälle
2. Lumboischialgie mit Wurzelreizerscheinungen betont L 4/L 5 links
3. Migranöse Cephalgien
4. Konversions- bzw. psychosomatische Erkrankungsneigung
5. Neurotische Schmerzstörung bei Autonomiekonflikt.
Die Klägerin verfüge nur noch über ein grenzwertiges positives Leistungsvermögen von 1 bis 2 Stunden, wobei bei Belastung bzw. Gefühl der Überforderung rasche Dekompensation eintreten werde.
Der Nervenarzt S. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. September 2010 ausgeführt, die Klägerin sei entgegen der Einschätzung von Dr. S. in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr auszuüben. Dr. S. hat wiederum hierzu eine ergänzende Stellungnahme vom 29. September 2010 abgegeben, in der er an seiner Einschätzung festhält.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2011 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. N. und S. abgewiesen. Das Gutachten von Dr. S. sei nicht überzeugend.
Mit der hiergegen beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat auf das Gutachten von Dr. S. verwiesen. Es sei von einer schmerzneurotischen Entwicklung auszugehen, die seit Jahren konversions- bzw. psychosomatisch imponiere. Darüber hinaus bestehe eine depressive Charakterstruktur bei mangelnder Affektfähigkeit. Die Körperbeschwerden seien glaubhaft. Bei Belastung bzw. dem Gefühl der Überforderung komme es zu einer raschen Dekompensation.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr. F., des Allgemeinmediziners Dr. E. und die Schwerbehindertenakten beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Schwaben beigezogen sowie gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. G. vom 13. Dezember 2011. Dr. G. hat folgende Gesundheitsstörungen bei der Klägerin festgestellt:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Angststörung mit phobischer Prägung (soziale Phobie) und psychoneurotischer Fehlentwicklung
2. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom leichter Ausprägung ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit
3. Einfache Migräne
4. Sulcus-Ulnaris-Syndrom geringer Ausprägung rechts.
Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Das Heben und Tragen schwerer Lasten, Nachtschichttätigkeiten, Tätigkeiten unter Zeitdruck bzw. in einem hektischen Arbeitsumfeld sollten der Klägerin nicht zugemutet werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen und ein Kfz. Die Umstellungsfähigkeit auf andere Tätigkeit sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat ein neuropsychiatrisches Gutachten von Dr. C. vom 27. März 2012 eingeholt. Dr. C. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Mehrfache, vorwiegend neurotische Persönlichkeitsstörung mit Angst, Zwängen, Depressionen und deutlich eingeschränktem Selbstwertgefühl
2. Somatoforme Störung auf dem Hintergrund einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung mit psychodynamischen Aspekten
3. Chronifizierung des Schmerzes sowie der psychischen konnotierten Symptome als Ausdruck einer Fixierung bei einer stark narzisstisch, konversionsneurotisch geprägten Primärstruktur
4.
Anlassgebundene Verschlimmerung seit ca. drei Jahren ohne bisher eingetretenen befriedigenden therapeutischen Response (Besserung).
Hinzugekommen seien, von den Vorgutachter nicht berücksichtigt, Zwangsstörungen mit Angst und Depressionen sowie Panikattacken, psychosomatische Funktionsstörungen mit somatoformer Schmerzsymptomatik.
Die Klägerin könne nur noch weniger als 3 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Das Leistungsbild bestehe seit ca. einem Jahr. Eine Besserung der Erwerbsminderung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Februar 2011 und des Bescheids der Beklagten vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2008 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2008 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen rentenerheblichen Umfang angenommen hätten.
Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Gutachter Dr. N., S., Dr. P. und Dr. G. liegt bei der Klägerin keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens vor. Der hiervon abweichenden Auffassung von Dr. S. und Dr. C. vermag der Senat nicht zu folgen.
Bei der Klägerin stehen die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet im Vordergrund. Auf orthopädischem Fachgebiet imponiert nach den Ausführungen von Dr. N. vor allem die degenerative Verschleißerkrankung an der Lendenwirbelsäule mit einer Einschränkung der Belastbarkeit. Bei der Untersuchung durch Dr. L. zeigte sich bei der Klägerin beim Entkleiden allerdings ein unauffälliges Bewegungsspiel des Achsorgans. Es bestand ein annähernder Beckengeradestand. Die Körperhaltung war eingesunken und sichtlich muskelschwach bei Rundungen der Wirbelsäule. Eine aktive Ausrichtung war nach Aufforderung jedoch hinreichend möglich. Die paravertebrale Muskulatur war genügend entwickelt, allerdings nicht optimal trainiert. Bei der Prüfung des Bewegungsausmaßes der Lendenwirbelsäule ergaben sich bei der Angabe von Schmerzen in endgradiger Bewegungsstellung zufriedenstellende Ergebnisse. Die Halswirbelsäule der Klägerin zeigte sich regelhaft aufgebaut mit altersgenügender Beweglichkeit und symmetrischen Funktionsverhältnissen. Die Brustwirbelsäule konnte die Klägerin aktiv ausreichend aufrichten. Die Atembeweglichkeit des Brustkorbes war symmetrisch ohne erkennbare Einengungen. An den oberen Extremitäten waren keine wesentlichen Auffälligkeiten festzustellen, Bewegungseinschränkungen der großen Gelenke oder Störungen des Greifvermögens der Hände nicht zu beobachten. Die Muskulatur der Schultergürtels und der Arme war regulär entwickelt, die aktive Beweglichkeit seitengleich frei. Die Durchführung der Funktionstests erbrachte reguläre Ergebnisse. Auch an den unteren Extremitäten zeigte sich eine regulär entwickelte Muskulatur ohne Hinweise auf schonungsbedingte Muskelminderungen. Das Gangbild war symmetrisch, flüssig und hinkfrei, sämtliche Gang- und Standarten waren der Klägerin seitengleich möglich.
Diese Feststellungen wurden von Dr. P. bestätigt. Auch er fand an den Gelenken der oberen und unteren Extremitäten eine normale Bemuskelung und eine altersentsprechende freie Funktion in allen Ebenen bei normalen Gebrauchsspuren an beiden Händen. Nach seinen Feststellungen war auch die Funktionssituation im Bereich der Wirbelsäule im Wesentlichen altersentsprechend, nur bei der Lendenwirbelsäule fand sich eine geringe, endgradige Funktionsstörung in Bezug auf Rotation und Seitneige nach beiden Seiten. Die Neurologie der oberen und unteren Extremitäten erbrachte keine Auffälligkeiten.
Beide Sachverständige haben für den Senat nachvollziehbar aus diesem Untersuchungsergebnis abgeleitet, dass eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin nicht zu begründen ist.
Die von der Klägerin geklagten Beschwerden sind durch die orthopädisch objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht erklärbar. Dasselbe gilt im Hinblick auf den neurologischen Befund. Dr. G. hat (erneut) festgestellt, dass dieser nach wie vor weitgehend unauffällig ist und das im Vordergrund stehende Wirbelsäulensyndrom als eher geringgradig ausgeprägt anzusehen ist. So war etwa bei seiner Untersuchung das Zeichen nach Laségue negativ, der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm. Lediglich der Achillessehnenreflex war beidseits nicht sicher auslösbar. Bewegungsverhalten, Muskeltonus, Muskeltrophik und grobe Kraft waren hingegen ebenso ungestört wie Koordination und Sensibilität. Der psychopathologische Befund ergab ebenfalls keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Klägerin war überwiegend in einer ausgeglichenen Grundstimmung, nennenswerte kognitive, mnestische oder rezeptive Defizite waren nicht zu beobachten. Auch Dr. von C. hat insoweit keine wesentlich abweichenden Befunde erhoben. Aus den objektivierbaren neurologischen oder orthopädischen Befunden leitet auch Dr. von C. die von ihm angenommene quantitative Leistungseinschränkung nicht ab.
Im Vordergrund steht daher ein chronisches Schmerzsyndrom bzw. somatoforme Schmerzstörung. Der Gerichtssachverständige S. hat ausgeführt, dass eine für ein chronisches Schmerzsyndrom typische Beschwerdeschilderung bei fehlender schwerwiegender depressiver oder anderweitiger Verstimmung vorliegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S. gehen die hierdurch ausgelösten Einschränkungen aber nicht so weit, dass die Klägerin nicht unter Ausschöpfung weiterer ärztlicher, auch psychotherapeutischer Hilfe ihre psychische Hemmung gegen eine Arbeitsleistung nicht zumindest in absehbarer Zeit überwinden könnte.
Dieser Einschätzung hat Dr. S. entgegengehalten, bei der Klägerin hätten sich bei der neurologischen Untersuchung zwar in der Tat keine pathologischen Ausfälle bzw. Anhalte für eine Neuropathie, eine Myopathie oder Wurzeldruckschädigungen ergeben. Im Rahmen eines Konflikts mit den drogenabhängigen Kindern ihres Partners bestehe aber eine erneute Angst vor Verlassenwerden, davor, "wieder auf sich selbst geworfen zu sein". Es bestehe der dringende Verdacht, dass in diesem Zusammenhang die Schmerzerkrankung eingetreten sei, um eigene Autonomie stärker zurückzunehmen, appelative Hilfe zu ertrotzen. Die Körperbeschwerden wirkten glaubhaft erlebt, gerieten jedoch rasch in eine unübersichtliche Konversionschmerzdynamik, die mit Angstüberlagerung ausgeweitet imponiere. Dabei habe sich in den zurückliegenden Jahren eine immer stärkere Ausprägung mit zunehmender Interesseneinengung im Sinne einer Einbahnstraßenmentalität ergeben. Dies zeige sich in einer histrionischen Schmerzfixierung mit passager erlebter Lähmung, die zunehmend manifest imponiere. Über ihre Beschwerden wirke die Klägerin im Sinne eines Invaliden, dem eine eigene autonome Leistung nicht mehr abverlangt werden könne. So lebe sie in einer geschützten Umgebung, einzige Belastung sei das Ausführen ihres Hundes und Grenzversorgung ihres Freundes und ihres Sohnes. Damit ergebe sich ein auf unter 3 Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen der Klägerin.
Mit einer ähnlichen Argumentation kommt auch Dr. von C. zu der Auffassung, die Klägerin sei nur noch unter 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Dr. von C. betont, bei der Klägerin liege eine zwangsneurotische Störung vor, die darin liege, dass die Klägerin erhebliche Zeit dafür aufbringen müsse, um ihre Umgebung zu organisieren, in Schuss zu halten, Ordnung zu schaffen, die Sauberkeit zu erhalten, da unter diesem Handlungsschema Angst und Depression einigermaßen beherrschbar seien. Die Klägerin zeige keinerlei Einsicht, sich mit diesen zwanghaften Handlungsabläufen zu überfordern. Sie sehe nur in der Ausführung solcher Zwänge den Tagesablauf sinnvoll gestaltet. Diese zwangsneurotische Störung sei von dem Vorgutachtern nicht ausreichend bewertet worden. Die Mehrfachstörung in der Persönlichkeit mit Zwängen, Ängsten, Depressionen und narzisstischer Kränkbarkeit bedeuteten eine erhebliche Verstärkung von Schmerzen, möglicherweise sogar deren Generierung. Eine Aggravation oder Simulation habe Dr. S. durch testpsychologische Untersuchungen ausgeschlossen. Die Schmerzen und die Befindlichkeitsstörungen der Klägerin seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhanden. Damit erscheine es plausibel, dass die Klägerin keinen Tätigkeiten mehr nachgehen könne.
Diese Ausführungen sind für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass bereits im Entlassungsbericht der Klinik S. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 22. Januar bis 16. Februar 2008 vermerkt ist, dass sich bei der Klägerin aggravierende Tendenzen der Schmerzartikulation fanden, die im Widerspruch zu der entspannten und variablen Körperhaltung zum Beispiel während einer neunzigminütigen Gruppentherapie gestanden hätten. Auch Dr. N. berichtete von einer nicht immer genügenden Mitarbeit bei gelegentlich erkennbaren bewusstseinsnahen Befundakzentuierungen. Dr. G. hat der Klägerin eine hochgradig histrionische Persönlichkeitsstörung attestiert. Hiermit haben sich weder Dr. S. noch Dr. von C. zureichend auseinandergesetzt. Dr. von C. hat vielmehr sämtliche Angaben der Klägerin im Rahmen seines Begutachtungstermins als zutreffend unterstellt, ohne diese mit dem gesamten Akteninhalt abzugleichen, und letztlich seine sozialmedizinische Beurteilung ausschließlich auf die ungeprüften Angaben der Klägerin gestützt.
Die von Dr. S. behauptete zunehmende Interesseneinengung im Sinne einer Einbahnstraßenmentalität ist durch den Sachverständigen weder näher beschrieben noch auch nur ansatzweise belegt worden.
Nach der von Dr. G. vorgenommenen ausführlichen Anamnese ist diese Einschätzung auch nicht nachvollziehbar. Dr. G. hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben noch in der Lage ist, mehr oder weniger sämtliche Hausarbeiten zu verrichten (Bettenmachen, [Fenster]Putzen, Staubsaugen, Kochen). Sie beschäftigt sich mit ihren Haustieren (Schildkröte, Hund) und liest. Sie hat ferner erklärt, im Besitz eines Segelscheins zu sein und im Juni des Jahres 2011 gemeinsam mit Freunden auf einer Segeljacht Urlaub gemacht zu haben. Sie seien viele Tage mit der Segeljacht unterwegs gewesen. Dr. von C. setzt sich hiermit nicht auseinander und hinterfragt angesichts dieser aktenkundigen Umstände in keiner Weise die Angaben der Klägerin etwa dazu, dass sie unfähig sei, alltägliche Entscheidungen zu treffen, da sie zwanghaft an die Möglichkeit denke, sie werde von einer Schmerzattacke überfallen. Die Angst- und Panikattacken würden fast täglich kurzfristig oder mittelfristig ihren Tagesablauf bestimmen. Dies ist angesichts des geschilderten Tagesablaufs und der angegebenen Urlaubsaktivitäten für den Senat nicht nachvollziehbar.
Für den Senat ist auch nicht erklärlich, warum aus den von Dr. C. wiedergegebenen Zwangshandlungen der Klägerin, die vor allem die Haushaltsführung betreffen (Desinfizierung der Toilettenbrille vor und nach Gebrauch, Führung von Listen, was zu tun sei) eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt folgen soll. Auch fällt auf, dass die Klägerin diese Zwangsstörungen bei der Untersuchung durch Dr. von C. in den Vordergrund gestellt hat, bei Dr. G. hingegen ihre Kreuzschmerzen als die primären Beschwerden dargestellt und nur auf Nachfrage von einer Angstproblematik berichtet hat. Schließlich ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum diese Beschwerden nicht für die Klägerin aus eigener Kraft oder mit ärztlicher Hilfe überwindbar sein sollen. Die Klägerin hat sich bislang nach den Ausführungen von Dr. G. keiner ernstzunehmenden psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung unterzogen. Hiergegen hat Dr. von C. zwar eingewandt, die Klägerin sei in Behandlung beim Nervenarzt Dr. S. gewesen. Insoweit ist jedoch anzumerken, dass die Kläger nach ihren eigenen Angaben Dr. S. insgesamt nur dreimal aufgesucht hat und in psychotherapeutischer Behandlung bisher noch niemals gewesen ist. Auch der Senat kann hierin keine ernstzunehmende psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erkennen.
Schließlich hält Dr. S. Dr. G. vor, dieser habe ausgeführt, bei Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten könne die Erwerbsminderung der Klägerin weitgehend behoben werden. Trotz dieser Einlassung habe Dr. G. erklärt, dass die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin die Durchführung einer stationären Maßnahme nicht rechtfertige. Dieser gutachterliche Widerspruch lasse sich nach Aktenlage und auch aus dem Gutachten nicht erklären. Seine Aussagen seien nicht haltbar, da widersprüchlich.
Widersprüche im Gutachten von Dr. G. sind für den Senat nicht zu erkennen. Dr. G. hat dargetan, dass zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin die Durchführung stationärer Heilmaßnahmen nicht erforderlich sei. Vielmehr reicht eine ambulante Behandlung von vertragsärztlicher Seite (auch psychotherapeutische Behandlung) aus. Auf der anderen Seite hat er erklärt, dass bei motivierter Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten es nicht unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung der Klägerin behoben werden könne. Für Dr. G. stand erkennbar im Vordergrund, dass die Klägerin sich keiner adäquaten Behandlung ihrer psychischen Erkrankung unterzieht. Die - nach Auffassung von Dr. G. nur in qualitativer Hinsicht bestehende - Erwerbsminderung der Klägerin könne behoben werden, wenn die Klägerin sich in eine adäquate, insbesondere eine psychotherapeutische Behandlung begeben würde. Dass nach Auffassung von Dr. G. insoweit eine ambulante Behandlung ausreichen würde und keine stationäre Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation erforderlich seien, steht hierzu nicht in Widerspruch.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und der Klägerin keine Tätigkeit benannt werden kann, die sie trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Die "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht für den Versicherungsträger die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B5 RJ 64/02 R, in juris). Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen hier allerdings nicht vor, insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin.
Damit scheidet die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung aus.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
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