L 15 VK 15/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 V 17/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 15/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Überprüfung eines bestandskräftigen Bescheids unter dem Gesichtspunkt der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und der Höhe des GdS.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. August 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der Kläger begehrt im Rahmen eines Antrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem höheren Grad der Schädigung (GdS) als 40 und die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen.

Der 1926 geborene Kläger erlitt am 07.05.1944 als Soldat eine Geschoßverwundung am linken inneren Schulterblattwinkel. Das Geschoßprojektil lag intrapulmonal.

Mit Bescheid vom 13.09.1950 wurde dem Kläger ab dem 01.02.1947 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 60 v. H., die später auf 70 v.H. erhöht wurde, gewährt. Als Schädigungsfolgen wurden anerkannt ein Lungensteckschuss im linken Obergeschoss mit wiederkehrenden Lungenblutungen und ein Magenschleimhautkatarrh.

Bei versorgungsärztlichen Begutachtungen am 09.03.1955 und am 19.01.1956 zeigte sich das Herz betreffend ein im Wesentlichen unauffälliger Befund.

Am 27.08.1956 wurde das Geschoß samt Lungensegmenten operativ aus der Lunge des Klägers entfernt. Danach war der Kläger beschwerdefrei. Auffälligkeiten die Herztätigkeit betreffend konnten nicht festgestellt werden. Bei einer weiteren versorgungsärztlichen Begutachtung am 22.10.1956 wurde die Psyche des Klägers als ausgesprochen hypochondrisch eingestellt beschrieben. Die Herztöne waren rein und regelmäßig. Bei einer Badekur des Klägers im November und Dezember 1956 wurde eine zunächst deutlich verminderte Lungenkapazität festgestellt, die sich aber im Laufe der Kur wieder deutlich besserte.

Mit Bescheid vom 30.05.1961 wurde die MdE auf 40 v. H. herabgesetzt. Nach dem Ergebnis einer versorgungsärztlichen Untersuchung vom Dezember 1960 und einer versorgungsärztlichen Überprüfung vom 26.04.1961 sei in den als Schädigungsfolgen anerkannten Leiden eine wesentliche Änderung eingetreten. Anerkannt als Schädigungsfolgen wurden eine reizlose Narbe an der linken Brustwand nach operativer Entfernung eines Lungensteckschusses mit zwei Segmenten aus den oberen Lungenlappen und ein Magenschleimhautkatarrh.

Das vom Kläger dagegen bis zum Bayerischen Landessozialgericht angestrengte sozialgerichtliche Verfahren wurde am 18.07.1968 vergleichweise so beendet, dass die MdE von 100 v. H. ab dem 01.01.1956 stufenweise auf 40 v. H. ab dem 01.04.1964 herabgesetzt wurde. Umgesetzt wurde der Vergleich vom Beklagten mit Ausführungsbescheid vom 23.09.1968.

Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hatte der Nervenarzt Dr. A. ein Gutachten erstellt. Möglicherweise seien die ab 1956 aufgetretenen Schweißstörungen auf die Lungenoperation zurückzuführen; dies könne aber nur ein Chirurg abschließend beurteilen Eindeutig abzulehnen sei aber - so der Sachverständige - ein Zusammenhang zwischen beeinträchtigter geistiger Leistungsfähigkeit und möglichen Operationsfolgen.

Am 29.12.1997 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Das Kriegsleiden - so der Kläger - habe sich im Laufe der Jahre verschlimmert; das Atemvolumen habe sich erheblich verringert. Durch den Einfluss des um das Geschoß entstandenen Entzündungsprozesses habe sich eine erhebliche Bradykardie mit erheblichen Durchblutungsstörungen entwickelt.

Bei einer versorgungsärztlichen Begutachtung am 19.02.1998 erhob die Internistin Dr. W. lungenfunktionsanalytisch Normalwerte. Eine verminderte Vitalkapazität der Lunge liege nicht vor. Der Annahme des Klägers, durch die Lungenabszessbildung verursachte Immunprozesse würden den Puls verlangsamen, könne nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht gefolgt werden. Es sei anzunehmen, dass es sich bei dem zeitweise langsam auftretenden Puls um eine Alterserscheinung handle. Auch könnten die nachlassende geistige Kapazität und eine chronische Müdigkeit nicht auf den vor über 40 Jahren herausoperierten Lungenabszess zurückgeführt werden.

Mit Bescheid vom 29.05.1998 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs ab.

In dem dagegen vom Kläger angestrengten sozialgerichtlichen Verfahren wurde der Kläger vom Internisten M. begutachtet (Gutachten vom 16.06.2001). Dieser konnte keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung erkennen. Die bei der Begutachtung durchgeführten Untersuchungen hätten - so der Sachverständige - eine normale respiratorische Leistungsbreite ergeben. Es liege allenfalls eine geringfügige Obstruktion vor. Bei der EKG-Untersuchung hätten sich normale Werte gefunden. Die Vermutung des Klägers, dass sich durch Abgabe verschiedener Bestandteile des Projektils in die Blutbahn eine vermehrte Allergieneigung entwickelt habe, sei nicht belegbar Die eingehenden Herz- und Kreislaufkontrollen hätten altersphysiologische Werte bestätigt.

Gegen das auf das Gutachten des Internisten M. gestützte klageabweisende Urteil vom 27.03.2002 legte der Kläger Berufung ein, die durch einen Überprüfungsvergleich beendet wurde.

Eine versorgungsärztliche Auswertung der Unterlagen durch den Beklagten - dies geschah in Ausführung des Überprüfungsvergleichs - ergab lediglich, dass die Schweißstörung in den Bescheidwortlaut aufzunehmen sei, ohne dass es zu einer Änderung der MdE komme. Mit Bescheid vom 30.04.2003 wurde der Ausführungsbescheid vom 23.09.1968 mit Wirkung ab dem 01.08.1956 insoweit zurückgenommen, als eine Anerkennung der Gesundheitsstörung "Schweißstörungen" als Schädigungsfolge im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes nicht erfolgt war. Als Schädigungsfolgen wurden ab dem 01.08.1956 anerkannt:
1. Reizlose Narbe an der linken Brustwand nach operativer Entfernung eines Lungensteckschusses mit zwei Segmenten aus den oberen Lungenlappen
2. Magenschleimhautkatarrh
3. Schweißstörungen.
Eine Änderung der MdE ergebe sich daraus nicht.

Am 12.06.2003 legte der Kläger Widerspruch ein. Der vor dem Bayer. Landessozialgericht geschlossene Vergleich vom 07.01.2003 - so der Kläger - sei unwirksam, da die Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens fehle. Auch sei der mit der Beurteilung befasste Versorgungsarzt für Lungen- und Herzkrankheiten unzuständig. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2003 zurückgewiesen.

Am 12.11.2003 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er hat beantragt festzustellen, dass der am 07.01.2003 vor dem Bayer. Landessozialgericht abgeschlossene Vergleich rechtsunwirksam sei, weiter den Beklagten dazu zu verurteilen, ihm die beantragte Rente zu zahlen.

Mit Schreiben vom 24.09.2007 hat der Kläger seine Ansicht geäußert, dass die Gesamtsachbehandlung von vielen Gesetzesverstößen geprägt sei und die Gutachten (teilweise) unrichtige Zeugnisse im Sinne des § 278 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen würden. In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2007 hat der Kläger seine Klage dahingehend abgeändert, dass der Bescheid vom 30.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2003 unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen Beschwerden überprüft werde. Nicht berücksichtigt worden seien eine Bradykardie und eine Überblähung der Lunge durch Ausdehnung des nach der Operation entstandenen Hohlraums im Brustkorb. Auch sei die Gehirnfunktion erheblich gestört.

Der Internist und Lungenarzt Dr. B. ist im Rahmen seines Gutachtens vom 17.12.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass die beim Kläger als Schädigungsfolgen anzusehenden Gesundheitsstörungen im angefochtenen Bescheid vollständig erfasst seien. Die weiter diagnostizierten Erkrankungen (Sinusbradykardie, Schlaf-Apnoe-Syndrom (anamnestisch), V.a. Belastungshypertonus) seien nicht als Schädigungsfolge zu betrachten. Zur Störung der Schweißsekretion habe der Kläger angegeben, dass sie zum Ende der Sechzigerjahre nachgelassen habe. Die Lungenfunktionsprüfung bei der Begutachtung habe eine geringgradig ausgeprägte Restriktion gezeigt. Die Blutgaswerte seien weitgehend unauffällig gewesen. Die MdE betrage 40 v. H.

Gegen das Gutachten des Dr. B. hat der Kläger Einwendungen erhoben und den Sachverständigen, genauso wie anschließend den zuständigen Richter, - erfolglos - wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Gegen das klageabweisende Urteil vom 06.08.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Die 30. Kammer des Sozialgerichts München sei unzuständig gewesen. Der Sachverständige Dr. B. habe ein falsches ärztliches Attest im Sinne des § 278 StGB ausgestellt. Auf jeden Fall seien die Bradykardie und die Störungen der Gehirnfunktion als Folge der Kriegsverletzung zu werten.

Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 14.06.2010 erläutert, dass als Ursache für einen verlangsamten Herzschlag vegetative Störungen, Schilddrüsenerkrankungen, ein erhöhter Hirndruck, bestimmte Medikamente, Borreliose und vor allem eine koronare Herzkrankheit und Blutdruckstörungen in Betracht kämen, nicht aber die beim Kläger vorliegende Kriegsverletzung.

Der Kläger hat die Meinung vertreten, dass seine Lunge so schwer geschädigt worden sei, dass durch den Sauerstoffmangel der gesamte Organismus betroffen sei. Zudem hat er eine Kernspintomografie des Schädels vom 02.07.2009 vorgelegt, wonach eine Läsion zu erkennen sei, die am ehesten einem alten ischämischen Infarktareal entspreche. Es sei - so der Kläger - anzunehmen, dass dieser Hirninfarkt nach der Operation von 1956 entstanden sei. Als Beleg dafür, dass er einen Gehirninfarkt im Rahmen der Operation im dem Jahr 1956 erlitten habe, hat der Kläger vorgebracht, dass er zweimal im zweiten juristischen Staatsexamen durchgefallen sei. Es sei mit dem Projektil ein großer Teil des Lungenflügels operativ entfernt worden; es sei daher von einem Sauerstoffdefizit von 29% auszugehen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.08.2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 30.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2003 zur Gewährung von Versorgungsleistungen aufgrund eines GdS von mindestens 70 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München zu den Aktenzeichen S 29 V 35/99, S 30 V 32/03 und S 30 V 17/07 sowie des Bayerischen Landessozialgerichts mit den Aktenzeichen L 15 V 8/02, L 5 AR 131/05, L 5 SF 80/08 V und L 2 B 385/08 V 2 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat aus § 44 SGB X - über die Anerkennung der Schweißstörungen als Schädigungsfolge hinaus - keinen Anspruch darauf, dass unter (teilweiser) Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 23.09.1968 weitere Schädigungsfolgen nach dem BVG anzuerkennen sind und ein höherer Grad der Schädigung festzustellen ist. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.

1. Streitgegenstand

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 30.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2003. Dieser geht auf den vor dem Bayer. Landessozialgericht am 07.01.2003 geschlossenen Vergleich zurück, mit dem sich der Beklagte verpflichtet hat, seinen Bescheid vom 23.09.1968 gemäß § 44 SGB X zu überprüfen.

2. Rechtliche Vorgaben für die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X

Ein Verwaltungsakt erwächst, wenn gegen ihn nicht oder erfolglos ein Rechtsbehelf eingelegt wird, gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Bestandskraft. Bestandskraft bedeutet, dass ein Bescheid formell unanfechtbar wird und materiell im Interesse der Rechtssicherheit für die Beteiligten Bindungswirkung entfaltet.

Eine Durchbrechung dieser Bestandskraft ist im Sinne der Gewährleistung der Rechtssicherheit nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren regelt dies § 44 SGB X, wobei dieser Regelung die Überlegung des Gesetzgebers zu Grunde liegt, dass bei einer Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit der Gerechtigkeit der Vorrang zu geben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

§ 44 SGB X eröffnet zwei Alternativen für die Rücknahme. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden oder der Verwaltungsträger muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat.

3. Überprüfung des Bescheids vom 23.09.1968 unter dem Gesichtspunkt weiterer Schädigungsfolgen

Der Beklagte hat eine Aufhebung des Bescheids vom 23.09.1968 nach Überprüfung zutreffend abgelehnt, da sich keine weiteren Schädigungsfolgen feststellen lassen.

Für die Anerkennung weiterer Gesundheitsschäden als Schädigungsfolgen wäre gemäß § 1 Abs. 3 BVG ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Militärdienst und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen erforderlich. Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).

Für keine der vom Kläger im aktuellen, aber auch in früheren Verfahren geltend gemachten Gesundheitsstörungen lässt sich ein Zusammenhang mit der im Krieg erlittenen Verletzung (Lungensteckschuss) wahrscheinlich machen. Dabei stützt sich der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf das überzeugende und nachvollziehbar begründete Gutachten des Internisten und Lungenarztes Dr. B. vom 17.12.2007. Der Senat stützt sich weiter auf das Gutachten des Internisten M. vom 16.06.2001, das dieser im damaligen Verfahren für das Sozialgericht erstellt hat. In diesen sachverständigen Ausführungen sind die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen vollständig erfasst und umfassend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Ausführungen zu eigen.

3.1. Veränderung der Herzfunktion, insbesondere Bradykardie

Eine Veränderung des Herzschlags lässt sich, wie der Sachverständige Dr. B. überzeugend erläutert hat, weder mit dem im Krieg erlittenen Lungensteckschuss noch mit der später erfolgten operativen Entfernung des in der Lunge einliegenden Geschosses in einen wahrscheinlichen Zusammenhang bringen.

Gegen einen Zusammenhang spricht, dass das Reizleitungssystem des Herzens zu keinem Zeitpunkt traumatisiert worden ist und zudem die Symptomatik erst 1961, also 16 Jahre nach der Kriegsverletzung, aufgetreten ist. Bis dahin zeigte sich der Befund des Herzens bei diversen Untersuchungen unauffällig.

3.2. Reduzierung der geistigen Leistungsfähigkeit

Der Kläger meint, in seiner geistigen Leistungsfähigkeit deshalb beeinträchtigt zu sein, weil er infolge der wegen der Kriegsverletzung notwendigen Operation (Entfernung des Steckschusses und von Teilen der Lunge) an einem Sauerstoffmangel leide, der sich auf das Gehirn ausgewirkt habe.

Für diese Annahme des Klägers fehlen jegliche objektive Beweise.

Bereits im Jahr 1964 hat der nervenärztliche Sachverständige Dr. A. einen Zusammenhang zwischen Kriegsverletzung bzw. Operationsfolgen und einer Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit eindeutig verneint. Das vom Kläger aufgestellte Erklärungsmodell krankt an dem entscheidenden Fehler, dass dessen Ausgangspunkt (Sauerstoffmangel) nicht nur nicht nachgewiesen, sondern sogar durch zahlreiche Untersuchungen widerlegt ist. Zwar hat der Kläger damit Recht, dass bei ihm ein Teil der Lunge entfernt worden ist. Dies hat aber nach den wiederholten und übereinstimmenden Aussagen der Sachverständigen nicht dazu geführt, dass sich eine dauerhafte und relevante Leistungseinschränkung der Lunge entwickelt hätte oder eine Sauerstoffuntersättigung des Blutes eingetreten wäre, wie sie der Kläger seiner Hypothese zugrunde legt. Wenn der Kläger darüber hinaus eine schädigungsbedingte dauerhafte Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit dadurch zu belegen meint, dass er auf sein zweimaliges Scheitern beim zweiten juristischen Staatsexamen vor dem Bestehen beim dritten Versuch verweist, kann dies nicht überzeugen. Ganz abgesehen davon, dass - der Argumentation des Klägers folgend - mit dem Bestehen beim dritten Versuch eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit als wieder beseitigt betrachtet werden müsste, ist aufgrund der ungenauen und eher ausweichenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 22.10.2012 zu vermuten, dass er auch das erste Staatsexamen, das noch vor der Lungenoperation stattgefunden hat, nicht mit einer herausragenden Note bestanden hat. Im Übrigen kann der Kläger mit Angaben zu seinen Examensleistungen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht eine noch heute bestehende Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit belegen. Dagegen spricht auch, dass der Kläger nach eigenen Angaben ein Berufsleben als Rechtsanwalt gemeistert hat. Dass dies bei einer dauerhaften Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit möglich gewesen wäre, kann sich der Senat kaum vorstellen.

Wenn der Kläger schließlich im Laufe des Verfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht mit einer Kernspintomographie des Schädels vom 02.07.2009 einen Hirninfarkt infolge der Lungenoperation aus dem Jahr 1956 zu beweisen meint und damit auch sein zweimaliges Durchfallen beim zweiten Staatsexamen erklären will, kann dies nicht zum Erfolg führen. Auch wenn bei der Kernspintomographie eine Läsion beschrieben worden ist, die am ehesten einem alten Hirninfarkt entspricht, kann damit ein Hirninfarkt im Gefolge der Operation im Jahr 1956 nicht bewiesen werden. Eine genauere zeitliche Zuordnung der vermuteten Diagnose lässt sich nicht stellen. Im Übrigen fehlen den noch vorliegenden Unterlagen zum Gesundheitszustand des Klägers zeitnah nach der Operation jegliche Hinweise auf neurologische Auffälligkeiten, sodass nicht von einem Hirninfarkt anlässlich der Operation ausgegangen werden kann.

3.3. Reduzierung des allgemeinen Gesundheitszustands, erhöhte Allergieneigung, Schlafapnoe

Ein Zusammenhang mit der Kriegsverletzung lässt sich pathophysiologisch nicht erklären.

Die vom Kläger aufgestellte Hypothese, dass das mehrere Jahre in der Lunge einliegende Geschoss Stoffe in der Körper abgegeben habe, die zu einer erhöhten Allergieneigung geführt hätten, ist rein spekulativ und nicht medizinisch belegbar. Ein Zusammenhang ist, wie dies die Sachverständigen bestätigt haben, unwahrscheinlich. Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs reicht aber nicht aus für die Anerkennung als Schädigungsfolge.

Eine ohnehin nur äußerst unspezifisch vom Kläger beschriebene generelle Gesundheitsminderung haben die Sachverständige M. und Dr. B. nicht bestätigen können. Sie haben auch keine schädigungsbedingten Gründe gesehen, die eine weitergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit, als sie aus der Entfernung des Lungensteckschusses mit zwei Segmenten der oberen Lungenlappen resultiert, begründen könnten. Vielmehr haben beide Gutachter eine allenfalls geringfügige Obstruktion bzw. Restriktion ohne Sauerstoffuntersättigung des Blutes und keine Zeichen einer kardialen Insuffizienz festgestellt. Wenn der Kläger gleichwohl die Hypothese aufstellt, dass ein von der Lungenverletzung herrührender Sauerstoffmangel seinen gesamten Organismus negativ beeinflusst habe, ist dem schon dadurch die Grundlage entzogen, dass nicht nur bei den zuletzt durchgeführten Untersuchungen, sondern auch in der gesamten Vergangenheit nie eine Sauerstoffuntersättigung des Blutes nachgewiesen werden konnte und die Lungenfunktionswerte ganz überwiegend nicht oder nur in sehr geringem Umfang auffällig waren.

Ein Zusammenhang der Schlafapnoe mit der Kriegsverletzung lässt sich nicht hinreichend wahrscheinlich machen; die Schlafapnoe ist eher mit dem Übergewicht des Klägers zu erklären.

4. Überprüfung des Bescheids vom 23.09.1968 unter dem Gesichtspunkt der Höhe des GdS

Der GdS ist von den Sachverständigen übereinstimmend auf 40 geschätzt worden. Der Senat macht sich diese - aus seiner Sicht durchaus großzügige - Bewertung zu eigen. Durch die erfolgte Anerkennung der Schweißstörungen erhöht sich der GdS nicht. Darauf, ob die Schweißstörungen tatsächlich in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Kriegsverletzung und der in der Folge durchgeführten Operation stehen, kommt es angesichts der vom Beklagten ausgesprochenen Anerkennung nicht an. GdS-relevant kann die Störung der Schweißsekretion nicht (mehr) sein, da sie nach den eigenen Angaben des Klägers zum Ende der 60er Jahre nachgelassen hat und jetzt nicht mehr vorliegt.

Ergänzend und abschließend weist der Senat zu den Einwänden des Klägers, sofern noch nicht erfolgt, auf Folgendes hin:

- Sofern sich der Kläger bei seinem Begehren auf seinen behandelnden Neurologen Dr. C. (Atteste vom 03.01.2003 und 24.05.2010) stützt, kann der Senat dem nicht folgen. Wenn dieser eine Hirnschädigung infolge Sauerstoffmangels sieht und den Sauerstoffmangel auf die Lungenverletzung des Klägers zurückführt, lehnt er sich offensichtlich weit über die Grenzen seines Fachgebiets und seiner eigenen Fachkenntnisse hinaus. Die Ausführungen stehen in eklatantem Widerspruch zu den wiederholten Feststellungen auf lungenärztlichem Gebiet, die einen Sauerstoffmangel des Blutes gerade nicht bewiesen haben. Der Senat muss daher davon ausgehen, dass die unqualifizierten Vermutungen des Dr. C. von dem Wunsch getragen worden sind, seinem Patienten eine Wohltat zu erweisen. Irgendwelche verwertbaren Erkenntnisse haben sie nicht gebracht.

- Wenn der Kläger der Ansicht ist, dass das erstinstanzliche Urteil von einer unzuständigen Kammer erlassen worden sei, irrt er. Eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans hat zur Konsequenz, dass sich die innergerichtliche Zuständigkeit ändert. Eine Nichtumsetzung einer Änderung im Geschäftsverteilungsplan, nicht aber - wie dies der Kläger vorträgt - die Umsetzung würde einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter darstellen.

- Soweit der Kläger meint, alle ihm nicht genehmen Gutachten mit dem Hinweis darauf abqualifizieren zu können, dass die Sachverständigen unrichtige Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 278 StGB ausgestellt hätten, verlässt er die Ebene einer sachlichen Prozessführung. Auch wenn eine Betroffenheit in eigener Sache gegeben ist, rechtfertigt dies nicht, mit völlig unqualifizierten und durch nichts begründbaren Anschuldigungen sorgfältig arbeitende Sachverständige auch nur in die Nähe eines strafbaren Verhaltens zu rücken. Gerade vom Kläger als Juristen hätte der Senat mehr Objektivität und rechtliche Sachkenntnis erwartet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved