Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 1007/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 314/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die "Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage" des Europäischen Patentamts stellt ausländisches Einkommen i.S.v. § 18 a Abs. 1 Satz 3 SGB IV bzw. § 114 SGB IV dar, das dem deutschen Kindergeld der §§ 62 ff. EStG vergleichbar ist. Damit es es nicht als Einkommen gem. § 97 SGB VI auf eine gesetzliche Witwenrente anzurechnen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2010 aufgehoben.
II. Die Bescheide der Beklagten vom 30. Juni 2005 und 27. Juli 2005 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 werden
insoweit aufgehoben, als darin ab dem 1. Juli 2005 auch die Kinder-
und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamts auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet wird und die Rückforderung auf dieser Anrechnung beruht.
III. Die der Klägerin in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe der Witwenrente der Klägerin nach Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamtes (EPA).
Die im Jahr 1969 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie war mit dem 1970 geborenen rumänischen Staatsangehörigen S. A., geb. C., verheiratet, der im Mai 2001 verstorben ist. Das gemeinsame Kind F. wurde 1999 geboren. In der Folgezeit begann die Klägerin eine Laufbahn als Beamtin des Europäischen Patentamts in A-Stadt (EPA).
Durch Bescheid vom 13.07.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente. Dabei kam es zu einer - im Ergebnis geringfügigen - Anrechnung des damals niedrigen Erwerbseinkommens der Klägerin (Anwärtervergütung für B-Laufbahn des EPA; Bruttorentenzahlbetrag 568,45 EUR vor Anrechnung; nach Anrechnung eigenen Einkommens 505,34 EUR; 463,40 EUR Nettorentenzahlbetrag). Mit den Bescheiden vom 07.05.2002 und 19.05.2003 hat die Beklagte die Witwenrente jeweils neu festgestellt.
Die Klägerin zeigte am 16.09.2003 an, dass sich ihr Gehalt seit dem 01.09.2003 geändert habe (nach Bestehen der Laufbahnprüfung reguläre Dienstbezüge an Stelle der Anwärterbezüge). Sie legte eine Gehaltsmitteilung vor, in der ab dem 01.09.2003 auch eine Kinderzulage in Höhe von 260,74 EUR getrennt ausgewiesen ist.
Nach Anhörung erließ die Beklagte am 30.06.2005 einen auf § 48 SGB X gestützten Neufeststellungsbescheid, mit dem die Witwenrente unter Anrechnung des höheren Gehalts sowie auch der Kinderzulage geringer festgesetzt wurde. Im Neufeststellungsbescheid heißt es, dass der bisherige Bescheid "mit Wirkung ab 01.09.2003" aufgehoben werde. Die in Anlage 8 enthaltene Berechnung weist aus, dass sich für die Zeit ab dem 01.09.2003 keine Änderung der Höhe des anzurechnenden Einkommens ergibt. Erst für die Zeit ab dem 01.07.2005 ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen von 539,33 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 27.07.2005 wird die sich ergebende Überzahlung in Höhe von 433,74 EUR zurückgefordert.
Mit einem am 28.07.2005 eingegangenen Schreiben vom 25.07.2005 legte die Klägerin gegen einen "Bescheid vom 07.07.2005" Widerspruch ein. Zur Begründung verweist sie darauf, dass das Kindergeld kein gemäß § 18a SGB IV zu berücksichtigendes Einkommen sei. Die Unterhaltsberechtigtenzulage für Beamte des Europäischen Patentamtes erfülle den gleichen Zweck wie das deutsche Kindergeld. Dementsprechend handele es sich nicht um Erwerbseinkommen oder Einkommen im Sinne des § 18a SGB IV. Die Anrechnung müsse rückgängig gemacht werden. Der Widerspruch wurde auf die Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage beschränkt.
Beigefügt wird eine Bestätigung des Europäischen Patentamtes vom 14.09.2005, in der die Unterhaltsberechtigtenzulage als im Prinzip dem deutschen Kindergeld entsprechend bezeichnet wird.
Mit Bescheid vom 15.02.2006 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.06.2005 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2005 zurückgewiesen. Ausgeführt wird, dass die mit dem Gehalt gezahlte Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage eine Einnahme aus einer Beschäftigung und somit Erwerbseinkommen darstelle. Diesen Teil der Bezüge erhalte die Widerspruchsführerin nur deshalb, weil sie für das Patentamt arbeite. Dagegen werde das gesetzliche Kindergeld allein wegen der Elternstellung gewährt und unabhängig davon, ob Erwerbsarbeit verrichtet werde. Für Erwerbseinkommen gebe es auch keine dem § 18a Abs. 3 Satz 2 SGB IV vergleichbare Ausnahmevorschrift für kindbezogene Leistungen. Ein atypischer Fall liege nicht vor.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben, die mit Urteil vom 28.01.2010 abgewiesen wurde. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift auch Einnahmen seien, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erzielt würden.
Dagegen richtet sich die zum Bayerischen Landessozialgericht erhobene Berufung. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Anrechnung der Kinderzulage, die auf das deutsche Kindergeld angerechnet werde, nicht statthaft sei. Im Übrigen gehöre das gesamte Einkommen der Klägerin zu den steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 EStG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2010 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. Juni 2005 und 27. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2006 insoweit aufzuheben, als darin eine Anrechnung auch der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage in Höhe von (anfänglich) EUR 260,74 als Einkommen auf die Witwenrente der Klägerin erfolgt und die Rückforderung auf dieser Anrechnung beruht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich vollumfänglich als begründet. Das unzutreffende Urteil der Vorinstanz war daher aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 30.06.2005 und 27.07.2005 zu verpflichten, von der Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamts auf die gesetzliche Witwenrente abzusehen und auch die Rückforderung entsprechend niedrigerer festzusetzen.
1.
Streitgegenständlich sind der Neufeststellungsbescheid vom 30.06.2005 sowie der Rückforderungsbescheid vom 27.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2006.
Bei Auslegung des Widerspruchsvorbringens ist eine Rechtsbehelfseinlegung gegen den Bescheid vom 30.06.2005 anzunehmen. Das Widerspruchsvorbringen erfasst die Anrechnung der Zulage. Daher hatte der Widerspruch der Versicherten trotz falscher Datumsangabe zunächst den Bescheid vom 30.06.2005 zum Gegenstand. Der kurz darauf bekannt gegebene abändernd - ergänzende Bescheid vom 27.07. 2005 ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Der Tenor des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2006 weist folgerichtig den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.06.2005 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2005 zurück. Die mit Bescheid vom 27.07.2005 festgesetzte Rückforderung ist daher ebenfalls Gegenstand der Widerspruchsentscheidung.
2.
Die Bescheide vom 30.06.2005 und 27.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2006 erweisen sich als rechtswidrig, soweit darin die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage als anzurechnendes Einkommen gemäß § 97 SGB VI eingestellt wurde. Insoweit liegt eine wesentliche Änderung des Sachverhalts gemäß § 48 SGB X nicht vor.
Gemäß § 97 Abs. 1 SGB VI ist nach Maßgabe der weiteren Absätze Einkommen gemäß § 18a SGB VI von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf anzurechnen.
Nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen
1. Erwerbseinkommen,
2. Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen),
3. Vermögenseinkommen und
4. Elterngeld.
Satz 2 zählt nicht berücksichtigende Einnahmen auf.
Nach Satz 3 gelten die Sätze 1 und 2 auch für vergleichbare ausländische Einkommen.
Die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA qualifiziert sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht als dem Erwerbseinkommen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV vergleichbares ausländisches Einkommen. Sie stellt ausländisches Einkommen dar, welches dem deutschen Kindergeld der §§ 62 ff. Einkommenssteuergesetz (EStG) vergleichbar ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das deutsches Kindergeld der §§ 62 ff. EStG im Rahmen des § 18 a SGB IV nicht zu berücksichtigen ist, weil es sich nicht um Erwerbseinkommen handelt. Daneben handelt es sich auch nicht um eine Leistung, die Erwerbseinkommen ersetzt. Dies deshalb, weil das Kindergeld - anders als das Elterngeld - nicht den Ausgleich des Lohnausfalls bezweckt.
Nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG wird deutsches Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind, gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären.
Das Europäische Patentamt ist eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG.
Die Kindergeld- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA ist auch ein im Sinne dieser Vorschrift dem deutschen Kindergeld "vergleichbares ausländisches Einkommen". Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg vom 26.09.2007 - III 168/2006, juris - sowie der Entscheidung des Finanzgerichts A-Stadt vom 07.07.2011 - 5 K 765/10, juris - an.
Dort wird zutreffend hervorgehoben, dass für die Frage der Vergleichbarkeit auf den materiellen Gehalt der Leistungen und nicht auf die formelle Ausgestaltung, etwa die Auszahlung als Dienstbezüge oder zusammen mit dem Gehalt, abzustellen ist.
Damit erhält der Beamte des Europäischen Patentamtes, der eine solche Unterhaltsberechtigtenzulage nach Art. 69 des Statuts der Beamten des Europäischen Patentamts erhält, aufgrund Anrechnung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG als dem Kindergeld vergleichbare Leistung für Kinder einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung kein deutsches Kindergeld.
Diese steuerrechtliche Anrechenbarkeit der Zulage aufgrund Vergleichbarkeit mit dem deutschen Kindergeld, lässt den Senat annehmen, dass die Zulage des EPA auch im Rahmen des § 18a Abs. 1 Satz 2 SGB IV als ein dem deutschen Kindergeld vergleichbares ausländisches Einkommen anzusehen ist.
Der Senat betont in diesem Zusammenhang, dass die Zahlung der Kinderzulage des EPA von dem Fall der Gewährung einer Kinderzulage durch einen innerstaatlichen Arbeitgeber zu unterscheiden ist. Zwar können ehe- und familienbezogene Gehaltskomponenten eines Arbeitgebers, auch wenn sie den Charakter von arbeitsrechtlichen Sozialabgaben haben, Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV darstellen (vgl. aber BSG vom 23.08.2005, B 4 RA 29/04 R, SozR 4-2600 § 313 Nr. 4; zur Beachtung des Benachteiligungsverbots von Ehe und Familie bei Anwendung des Arbeitsentgeltbegriffs des § 14 SGB IV). Allerdings ist diese Argumentation bereits aufgrund des institutionellen Rahmens des Europäischen Patentamts nicht übertragbar. Das Europäische Patentamt ist eine supranationale Behörde, die institutionell eigenständig verfasst ist. Sie ist weder Behörde der EU noch des Europarats. Sämtliche Zahlungen an ihre Bediensteten können nur durch sie selbst - praktischerweise mit den Dienstbezügen - und nicht durch eine organisatorisch verselbständigte Kindergeldbehörde geleistet werden.
Auch nach der Spezialregelung des § 114 SGB IV ergibt sich nicht anderes. Diese gegenüber § 18 a SGB IV speziellere Norm ist hier nicht anwendbar, weil zwar die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde bzw. der Ehegatte der Klägerin vor dem 01.01.2002 gestorben ist, jedoch weder jener noch die Klägerin vor dem 02.01.1962 geboren wurden. Im Übrigen stellt diese Norm eine Privilegierung des erfassten Personenkreises hinsichtlich der bei der Anrechnung zu berücksichtigenden Einkommensarten dar, so dass der Rechtsgedanke des § 18 a Abs. 1 Satz 3 SGB IV ebenfalls heranzuziehen ist.
Die Beklagte war damit unter Abänderung des Bescheids vom 30.06.2005 zu verurteilen, die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA in der jeweiligen tatsächlichen Höhe nicht auf die gesetzliche Witwenrente anzurechnen.
Der Rückforderungsbescheid vom 27.07.2012 war insoweit aufzuheben, als der Erstattungsbetrag auf der Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage beruht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und stützt sich auf den Umstand des Obsiegens der Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG).
II. Die Bescheide der Beklagten vom 30. Juni 2005 und 27. Juli 2005 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 werden
insoweit aufgehoben, als darin ab dem 1. Juli 2005 auch die Kinder-
und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamts auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet wird und die Rückforderung auf dieser Anrechnung beruht.
III. Die der Klägerin in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe der Witwenrente der Klägerin nach Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamtes (EPA).
Die im Jahr 1969 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie war mit dem 1970 geborenen rumänischen Staatsangehörigen S. A., geb. C., verheiratet, der im Mai 2001 verstorben ist. Das gemeinsame Kind F. wurde 1999 geboren. In der Folgezeit begann die Klägerin eine Laufbahn als Beamtin des Europäischen Patentamts in A-Stadt (EPA).
Durch Bescheid vom 13.07.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente. Dabei kam es zu einer - im Ergebnis geringfügigen - Anrechnung des damals niedrigen Erwerbseinkommens der Klägerin (Anwärtervergütung für B-Laufbahn des EPA; Bruttorentenzahlbetrag 568,45 EUR vor Anrechnung; nach Anrechnung eigenen Einkommens 505,34 EUR; 463,40 EUR Nettorentenzahlbetrag). Mit den Bescheiden vom 07.05.2002 und 19.05.2003 hat die Beklagte die Witwenrente jeweils neu festgestellt.
Die Klägerin zeigte am 16.09.2003 an, dass sich ihr Gehalt seit dem 01.09.2003 geändert habe (nach Bestehen der Laufbahnprüfung reguläre Dienstbezüge an Stelle der Anwärterbezüge). Sie legte eine Gehaltsmitteilung vor, in der ab dem 01.09.2003 auch eine Kinderzulage in Höhe von 260,74 EUR getrennt ausgewiesen ist.
Nach Anhörung erließ die Beklagte am 30.06.2005 einen auf § 48 SGB X gestützten Neufeststellungsbescheid, mit dem die Witwenrente unter Anrechnung des höheren Gehalts sowie auch der Kinderzulage geringer festgesetzt wurde. Im Neufeststellungsbescheid heißt es, dass der bisherige Bescheid "mit Wirkung ab 01.09.2003" aufgehoben werde. Die in Anlage 8 enthaltene Berechnung weist aus, dass sich für die Zeit ab dem 01.09.2003 keine Änderung der Höhe des anzurechnenden Einkommens ergibt. Erst für die Zeit ab dem 01.07.2005 ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen von 539,33 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 27.07.2005 wird die sich ergebende Überzahlung in Höhe von 433,74 EUR zurückgefordert.
Mit einem am 28.07.2005 eingegangenen Schreiben vom 25.07.2005 legte die Klägerin gegen einen "Bescheid vom 07.07.2005" Widerspruch ein. Zur Begründung verweist sie darauf, dass das Kindergeld kein gemäß § 18a SGB IV zu berücksichtigendes Einkommen sei. Die Unterhaltsberechtigtenzulage für Beamte des Europäischen Patentamtes erfülle den gleichen Zweck wie das deutsche Kindergeld. Dementsprechend handele es sich nicht um Erwerbseinkommen oder Einkommen im Sinne des § 18a SGB IV. Die Anrechnung müsse rückgängig gemacht werden. Der Widerspruch wurde auf die Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage beschränkt.
Beigefügt wird eine Bestätigung des Europäischen Patentamtes vom 14.09.2005, in der die Unterhaltsberechtigtenzulage als im Prinzip dem deutschen Kindergeld entsprechend bezeichnet wird.
Mit Bescheid vom 15.02.2006 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.06.2005 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2005 zurückgewiesen. Ausgeführt wird, dass die mit dem Gehalt gezahlte Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage eine Einnahme aus einer Beschäftigung und somit Erwerbseinkommen darstelle. Diesen Teil der Bezüge erhalte die Widerspruchsführerin nur deshalb, weil sie für das Patentamt arbeite. Dagegen werde das gesetzliche Kindergeld allein wegen der Elternstellung gewährt und unabhängig davon, ob Erwerbsarbeit verrichtet werde. Für Erwerbseinkommen gebe es auch keine dem § 18a Abs. 3 Satz 2 SGB IV vergleichbare Ausnahmevorschrift für kindbezogene Leistungen. Ein atypischer Fall liege nicht vor.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben, die mit Urteil vom 28.01.2010 abgewiesen wurde. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift auch Einnahmen seien, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erzielt würden.
Dagegen richtet sich die zum Bayerischen Landessozialgericht erhobene Berufung. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Anrechnung der Kinderzulage, die auf das deutsche Kindergeld angerechnet werde, nicht statthaft sei. Im Übrigen gehöre das gesamte Einkommen der Klägerin zu den steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 EStG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2010 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. Juni 2005 und 27. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2006 insoweit aufzuheben, als darin eine Anrechnung auch der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage in Höhe von (anfänglich) EUR 260,74 als Einkommen auf die Witwenrente der Klägerin erfolgt und die Rückforderung auf dieser Anrechnung beruht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich vollumfänglich als begründet. Das unzutreffende Urteil der Vorinstanz war daher aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 30.06.2005 und 27.07.2005 zu verpflichten, von der Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des Europäischen Patentamts auf die gesetzliche Witwenrente abzusehen und auch die Rückforderung entsprechend niedrigerer festzusetzen.
1.
Streitgegenständlich sind der Neufeststellungsbescheid vom 30.06.2005 sowie der Rückforderungsbescheid vom 27.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2006.
Bei Auslegung des Widerspruchsvorbringens ist eine Rechtsbehelfseinlegung gegen den Bescheid vom 30.06.2005 anzunehmen. Das Widerspruchsvorbringen erfasst die Anrechnung der Zulage. Daher hatte der Widerspruch der Versicherten trotz falscher Datumsangabe zunächst den Bescheid vom 30.06.2005 zum Gegenstand. Der kurz darauf bekannt gegebene abändernd - ergänzende Bescheid vom 27.07. 2005 ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Der Tenor des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2006 weist folgerichtig den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.06.2005 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2005 zurück. Die mit Bescheid vom 27.07.2005 festgesetzte Rückforderung ist daher ebenfalls Gegenstand der Widerspruchsentscheidung.
2.
Die Bescheide vom 30.06.2005 und 27.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2006 erweisen sich als rechtswidrig, soweit darin die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage als anzurechnendes Einkommen gemäß § 97 SGB VI eingestellt wurde. Insoweit liegt eine wesentliche Änderung des Sachverhalts gemäß § 48 SGB X nicht vor.
Gemäß § 97 Abs. 1 SGB VI ist nach Maßgabe der weiteren Absätze Einkommen gemäß § 18a SGB VI von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf anzurechnen.
Nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen
1. Erwerbseinkommen,
2. Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen),
3. Vermögenseinkommen und
4. Elterngeld.
Satz 2 zählt nicht berücksichtigende Einnahmen auf.
Nach Satz 3 gelten die Sätze 1 und 2 auch für vergleichbare ausländische Einkommen.
Die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA qualifiziert sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht als dem Erwerbseinkommen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV vergleichbares ausländisches Einkommen. Sie stellt ausländisches Einkommen dar, welches dem deutschen Kindergeld der §§ 62 ff. Einkommenssteuergesetz (EStG) vergleichbar ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das deutsches Kindergeld der §§ 62 ff. EStG im Rahmen des § 18 a SGB IV nicht zu berücksichtigen ist, weil es sich nicht um Erwerbseinkommen handelt. Daneben handelt es sich auch nicht um eine Leistung, die Erwerbseinkommen ersetzt. Dies deshalb, weil das Kindergeld - anders als das Elterngeld - nicht den Ausgleich des Lohnausfalls bezweckt.
Nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG wird deutsches Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind, gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären.
Das Europäische Patentamt ist eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG.
Die Kindergeld- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA ist auch ein im Sinne dieser Vorschrift dem deutschen Kindergeld "vergleichbares ausländisches Einkommen". Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg vom 26.09.2007 - III 168/2006, juris - sowie der Entscheidung des Finanzgerichts A-Stadt vom 07.07.2011 - 5 K 765/10, juris - an.
Dort wird zutreffend hervorgehoben, dass für die Frage der Vergleichbarkeit auf den materiellen Gehalt der Leistungen und nicht auf die formelle Ausgestaltung, etwa die Auszahlung als Dienstbezüge oder zusammen mit dem Gehalt, abzustellen ist.
Damit erhält der Beamte des Europäischen Patentamtes, der eine solche Unterhaltsberechtigtenzulage nach Art. 69 des Statuts der Beamten des Europäischen Patentamts erhält, aufgrund Anrechnung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG als dem Kindergeld vergleichbare Leistung für Kinder einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung kein deutsches Kindergeld.
Diese steuerrechtliche Anrechenbarkeit der Zulage aufgrund Vergleichbarkeit mit dem deutschen Kindergeld, lässt den Senat annehmen, dass die Zulage des EPA auch im Rahmen des § 18a Abs. 1 Satz 2 SGB IV als ein dem deutschen Kindergeld vergleichbares ausländisches Einkommen anzusehen ist.
Der Senat betont in diesem Zusammenhang, dass die Zahlung der Kinderzulage des EPA von dem Fall der Gewährung einer Kinderzulage durch einen innerstaatlichen Arbeitgeber zu unterscheiden ist. Zwar können ehe- und familienbezogene Gehaltskomponenten eines Arbeitgebers, auch wenn sie den Charakter von arbeitsrechtlichen Sozialabgaben haben, Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV darstellen (vgl. aber BSG vom 23.08.2005, B 4 RA 29/04 R, SozR 4-2600 § 313 Nr. 4; zur Beachtung des Benachteiligungsverbots von Ehe und Familie bei Anwendung des Arbeitsentgeltbegriffs des § 14 SGB IV). Allerdings ist diese Argumentation bereits aufgrund des institutionellen Rahmens des Europäischen Patentamts nicht übertragbar. Das Europäische Patentamt ist eine supranationale Behörde, die institutionell eigenständig verfasst ist. Sie ist weder Behörde der EU noch des Europarats. Sämtliche Zahlungen an ihre Bediensteten können nur durch sie selbst - praktischerweise mit den Dienstbezügen - und nicht durch eine organisatorisch verselbständigte Kindergeldbehörde geleistet werden.
Auch nach der Spezialregelung des § 114 SGB IV ergibt sich nicht anderes. Diese gegenüber § 18 a SGB IV speziellere Norm ist hier nicht anwendbar, weil zwar die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde bzw. der Ehegatte der Klägerin vor dem 01.01.2002 gestorben ist, jedoch weder jener noch die Klägerin vor dem 02.01.1962 geboren wurden. Im Übrigen stellt diese Norm eine Privilegierung des erfassten Personenkreises hinsichtlich der bei der Anrechnung zu berücksichtigenden Einkommensarten dar, so dass der Rechtsgedanke des § 18 a Abs. 1 Satz 3 SGB IV ebenfalls heranzuziehen ist.
Die Beklagte war damit unter Abänderung des Bescheids vom 30.06.2005 zu verurteilen, die Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage des EPA in der jeweiligen tatsächlichen Höhe nicht auf die gesetzliche Witwenrente anzurechnen.
Der Rückforderungsbescheid vom 27.07.2012 war insoweit aufzuheben, als der Erstattungsbetrag auf der Anrechnung der Kinder- und Unterhaltsberechtigtenzulage beruht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und stützt sich auf den Umstand des Obsiegens der Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG).
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