Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 202/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 385/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einzelfall, in dem die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe durch besondere Umstände trotz Ablebens des Ehemannes ca. 3 Wochen nach der Eheschließung widerlegt sind.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente.
Die im Jahre 1961 geborene Klägerin ist Witwe des im Jahre 1959 geborenen und am 17.07.2006 verstorbenen M. H. (Versicherter; im Folgenden V genannt). Die Klägerin und V lebten seit August 2002 in einer Liebesbeziehung, ab 01.08.2005 auch zusammen in einem gemeinsamen Haushalt.
Im Dezember 2005 wurde bei V eine Krebserkrankung der Nasennebenhöhlen diagnostiziert. Diese wurde noch im Dezember 2005 als Berufskrankheit nach Nr. 4203 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK 4203) bei der Beklagten ärztlich angezeigt. Nach Diagnosestellung und umfangreicher Operation am 15.12.2005 befand sich V im Anschluss daran bis zu seinem Ableben die meiste Zeit in stationärer Behandlung. Er unterzog sich hierbei u. a. einer Radio- und einer Chemotherapie. Am 30.06.2006 ließ sich V von der stationären Behandlung beurlauben und heiratete an diesem Tag die Klägerin. Am 17.07.2006 verstarb V.
Nach Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens des Prof. Dr. D. vom 31.07.2006 kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Krebserkrankung des V auf dessen berufliche Tätigkeit als Schreiner zurückzuführen und als BK 4203 anzuerkennen sei. Nach Beiziehung der medizinischen Handakte der HNO-Universitätsklinik E. lehnte sie mit Bescheid vom 21.03.2007 (Widerspruchsbescheid vom 26.07.2007) einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus Anlass des Todes des V ab. Zwar sei V an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben, jedoch sei die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten. Gemäß § 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) spreche die gesetzliche Vermutung dafür, dass es sich um eine sog. Versorgungsehe gehandelt habe, die den Anspruch auf Hinterbliebenenrente grundsätzlich ausschließe. Diese gesetzliche Vermutung einer Versorgungsabsicht sei hier nicht durch besondere Umstände des Einzelfalles widerlegt.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat die Akte der Beklagten, die medizinische Handakte der HNO-Universitätsklinik und die Akte der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern beigezogen und mit Urteil vom 05.05.2010 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus Anlass des Todes ihres Ehegatten zu gewähren. Der Witwenrentenanspruch sei nicht nach § 65 Abs. 6 SGB VII ausgeschlossen. Zwar habe die Ehe mit V weniger als ein Jahr gedauert, so dass die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII zunächst eingreife, jedoch sei diese Vermutung widerlegbar. Die gesetzliche Vermutung sei hier widerlegt.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie führt aus, die gesetzliche Vermutung sei nicht widerlegt. Die Ehe sei 17 Tage vor dem Tod des V geschlossen worden. Je näher die Hochzeit am Todestag liege, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe zumindest überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Das erstinstanzliche Urteil sei fehlerhaft. Bereits im Mai 2006 seien Metastasen der Hirnhäute und der Wirbelsäule festgestellt worden. Bei Auftreten von Metastasen sei grundsätzlich von einer schlechten Prognose auszugehen. Der Befundverlauf weise auf eine eindeutige Progredienz hin. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Hochzeit den schlechten Gesundheitszustand des V gekannt und gewusst, dass mit einem baldigen Ableben zu rechnen gewesen sei. Vor Juni 2006 hätten keine konkreten Hochzeitspläne bestanden. Für die Vermutung einer Versorgungsehe spreche auch, dass die Klägerin einige Jahre arbeitslos gewesen sei. Es habe eine wirtschaftliche Abhängigkeit von V und damit der Wunsch nach einer Sicherstellung der Versorgung bestanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2007 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 zurückzuweisen.
Die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII sei widerlegt. Das SG gehe rechtsfehlerfrei davon aus, dass der V der Klägerin bereits mehrfach Heiratsanträge gemacht habe, deren Ablehnung zu einem psychischen Zusammenbruch des V geführt habe. Zudem sei in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart worden. Die Klägerin habe mit der Hochzeit ihrem Mann bei der Überwindung seiner schweren Krankheit helfen wollen. Zum Zeitpunkt der Heirat sei noch nicht mit einem baldigen Ableben des Ehemannes zu rechnen gewesen; es hätte auch zu einer längeren Pflegebedürftigkeit kommen können. Die 1961 geborene Klägerin sei lediglich ab dem 31.12.2005 arbeitslos gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. Seit dem 01.11.2006 sei sie wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin habe bereits zum 06.08.2002 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit dem V aufgenommen und sei im Juni 2005 zu ihm gezogen. Ein erster Heiratsantrag sei bereits 2003 erfolgt. Damals habe die Klägerin wegen der Scheidung von ihrem ersten Mann noch gezögert. Nach ersten Krankheitsanzeichen habe der V im November 2005 erneut einen Heiratsantrag gemacht. Wegen unangemessener Reaktionen der Familie des V habe die Klägerin den Ehevertrag vorgeschlagen mit einem Erbverzicht. Die Eheschließung am 30.06.2006 sei die konsequente Umsetzung eines Heiratsentschlusses, der bereits 2003 bestanden habe.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2007 abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten, der Krankenakte des V sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch ansonsten zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Leistung von Witwenrente wegen des Todes des V (dem Grunde nach) verurteilt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Tod des V mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom Bescheid vom 21.03.2007 (Widerspruchsbescheid vom 26.07.2007) als Todesursache anerkannte BK 4203 zurückzuführen ist und der Ausschlussgrund des § 65 Abs. 6 SGB VII nicht eingreift.
Gemäß § 65 Abs. 6 SGB VII ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und V hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 30.06.2006 bis 17.07.2006. Damit ist der Tatbestand des § 65 Abs. 6 SGB VII erfüllt. Die entsprechende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII). Der Begriff der "besonderen Umstände" in § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl BSG vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R zum gleichlautenden § 46 Abs 2a HS 2 SGB VI).
Aus § 65 Abs. 6 SGB VII ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter "den besonderen Umständen des Falles" zu verstehen ist, die geeignet sind, die Annahme einer Versorgungsehe (definiert als "Ehe, die allein oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen") zu entkräften bzw eine Ausnahme vom gesetzlichen Ausschluss einer Witwen-/Witwerrente bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zuzulassen. Als besondere Umstände iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII sind daher alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl BSGE 35, 272, 274 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (vgl BSGE 35, 272, 275 f = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 65 Abs. 6 SGB VII nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen (vgl BSGE 35, 272, 276 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO) oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl BSGE 35, 272, 276 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5, jeweils m.w.N).
Die Vorschrift des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII zwingt den Hinterbliebenen aber nicht, seine inneren Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu offenbaren (vgl BSGE 35, 272, 273 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Der hinterbliebene Ehegatte kann sich auch auf die Darlegung von äußeren (objektiv nach außen tretenden) Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, keinerlei Auskünfte über den "Zweck der Heirat" zu geben. Es soll nicht gegen seinen Willen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen, indem der Hinterbliebene genötigt wird, auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen. Denn die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 65 Abs. 6 SGB VII als Regel-/Ausnahmetatbestand verfolgt gerade den Zweck, die Träger der Unfallversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl BSG vom 05.05.2009, B 13 R 53/08 R; BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung bzw. zu § 592 des Entwurfs = § 594 RVO; vgl auch BSGE 35, 272, 273 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 205 f = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Dies bedeutet aber nicht, dass es dem hinterbliebenen Ehegatten untersagt ist, seine (höchst-)persönlichen Gründe und die des verstorbenen Versicherten für die Eheschließung darzulegen. Vielmehr kann er selbst abwägen, ob er derartige private Details preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr zu entkräften. Macht der Hinterbliebene von sich aus oder auf Befragen entsprechende Angaben und sind diese glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die (abschließende) Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" bzw des "Zwecks der Heirat" würde jedenfalls in einem solchen Fall die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken.
Allerdings ist eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen § 65 Abs. 6 SGB VII angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand iS des § 65 Abs. 6 SGB VII ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (zB Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des
§ 65 Abs. 6 SGB VII nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Der Ausnahmetatbestand des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird (vgl BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 3 S 9 und § 15 Nr 4 S 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 10. Aufl 2012,
§ 128 RdNr 3b).
Das Vorliegen von "besonderen Umständen" iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII ist von den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch, § 103 SGG). Eine Regelung (wie zB § 144 Abs 1 Satz 4 oder § 147a Abs 1 Satz 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch), wonach der Betroffene zur Anspruchsbegründung bestimmte Sachverhalte "darzulegen und zu beweisen" hat, enthält § 65 Abs. 6 SGB VII nicht. Die Regelungstechnik des § 65 Abs. 6 SGB VII verfolgt - wie bereits ausgeführt - den Zweck, die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichte zur Ermittlung des Sachverhalts nicht zu Ausforschungen im Bereich der privaten Lebensführung der Betroffenen zu zwingen. Der Frage, ob besondere Umstände vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist daher vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten nachzugehen (vgl BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Zu prüfen ist daher zunächst, ob die Eheschließungsmotive der Ehegatten in irgendeiner Form durch objektive Tatsachen nach außen getreten sind. Ermittlungen im Bereich der privaten Lebenssphäre der Ehegatten und zu deren (höchst-)persönlichen, inneren Motiven für die Heirat sind grundsätzlich nicht anzustellen, es sei denn, der Hinterbliebene, der hierüber naturgemäß zuvörderst Angaben machen kann, beruft sich hierauf und ist zur Auskunft bereit (vgl BSGE 60, 204, 206, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Das Gesetz zwingt ihn aber nicht zu entsprechenden Angaben. Der hinterbliebene Ehegatte muss dann aber mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen steht aufgrund der zu berücksichtigenden äußeren Umstände sowie der von der Klägerin glaubhaft mitgeteilten inneren Beweggründe der Eheleute zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Entschluss zur Eheschließung von beiden nicht in Versorgungsabsicht, sondern überwiegend aus davon verschiedenen Beweggründen gefasst wurden.
Der Senat stellt dabei folgende äußeren Umstände fest: Aufgrund des Inhalts der beigezogenen Patientenakte der Uniklinik E. steht fest, dass V zum Zeitpunkt der Eheschließung an einem Nasennebenhölencarcinom erkrankt war, das am 15.12.2005 operativ und ab 06.02.2006 mit Radio-Chemotherapie behandelt wurde. Einem Reha-Entlassungsbericht der S-Klinik O. vom 29.05.2006 lässt sich entnehmen, dass V an einer deutlichen körperlichen Schwäche mit rascher Ermüdbarkeit, Schmerzen, einer zurückgebildeten Hemiparese, Schlafstörungen und einer psychischen Belastungsreaktion litt und diese allgemeine körperliche Leistungsminderung und psychische Belastungssituation durch den Reha-Aufenthalt vom 10.05.2006 bis 29.05.2006 nicht wesentlich vermindert werden konnte. Die Reha-Maßnahme musste abgebrochen werden, weil der Verdacht auf eine Meningeosis carcinomatosa bestand. V wurde daher zur weiteren Behandlung in die Uni-Klinik E. verlegt, wo sich der Verdacht am 26.06.2006 bestätigt. Eine Strahlentherapie wurde eingeleitet, auf Wunsch des V aber am 01.07.2006 abgebrochen. Am 11.07.2006 wurde der V auf eigenen Wunsch in das Hospiz verlegt. Ohne dass es weiterer Ermittlungen, etwa der Einholung eines Gutachtens bedarf, stellte sich Gesundheitszustand des V im Zeitpunkt der Eheschließung am 30.06.2006 auch für den Laien erkennbar als lebensbedrohlich dar. Insbesondere der notwendig gewordene Abbruch der Reha-Maßnahme und der Entschluss, die Behandlung abzubrechen, zeigen deutlich die Ernsthaftigkeit der Situation und die konkrete Gefahr eines baldigen Ablebens des V. Gleichwohl kommt der Senat aufgrund einer abschließenden Gesamtbewertung der inneren und äußeren Umstände zu dem Ergebnis, dass die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände so gewichtig sind, dass die Widerlegung der gesetzlichen Annahme gelungen ist. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der Eheschließung bis auf einen Zeitraum von ca. drei Jahren (März 1985 bis April 1988) fast durchgängige Erwerbsbiographie, die durch den Versicherungsverlauf vom 05.07.2010 nachgewiesen ist, sich für die Zukunft eigene Rentenansprüche erworben hat und auch zum Zeitpunkt der Eheschließung in der Lage war, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch im Jahre 2006 beweist. Der Senat hält die Angaben der Klägerin zu ihrer Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 und 2006 für glaubhaft, dass sie ihre Stellung in B. aufgegeben hatte, um mit ihrem späteren Ehemann zusammenzuleben, und sie die Arbeitssuche dann aufgrund der schweren Erkrankung des V zunächst hintangestellt hat. Ein entscheidender Gesichtspunkt ist zudem, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Eheschließung noch gar nicht positiv über die Berufskrankheitenanzeige entschieden hatte und das von der Beklagten für die Entscheidung für notwendig erachtete Gutachten des Prof. Dr. D. noch nicht vorgelegen war. Im Zeitpunkt der Eheschließung war daher keinesfalls gesichert, dass es sich bei der Erkrankung des V um eine Berufskrankheit handelte und hieraus Ansprüche für die Hinterbliebenen entstehen könnten. Als ein weiteres äußeres Indiz für die Ansicht, der V habe die Klägerin nicht aus Versorgungsgründe geheiratet, ist auch der Ehevertrag anzusehen, der am Tag der Eheschließung abgeschlossen wurde und Gütertrennung sowie einen gegenseitigen Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrechte vorsieht. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin durch diesen Vertrag nicht nur auf ein Erbrecht, sondern sogar auf eine gesicherte Wohnung verzichtet hat, sodass sie nach dem Ableben des V kein Wohnrecht in dem im Eigentum des V stehenden Wohnhaus gegenüber den erbberechtigten Verwandten mehr geltend machen konnte, wird ebenfalls deutlich, dass der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine erhebliche Bedeutung hatte. Zur Überzeugung des Senats wäre ansonsten zumindest ein gesichertes Wohnrecht für die Klägerin und ihren minderjährigen Sohn vereinbart worden.
Hinsichtlich der inneren Beweggründe, die zur Eheschließung geführt haben, folgt der Senat deshalb den Feststellungen des SG, das aufgrund der von ihm als glaubhaft eingestuften Angaben der Klägerin ausgeführt hat, V habe der Klägerin bereits vor seiner Erkrankung und dann auch in der Klinik Heiratsanträge gemacht, die diese zunächst abgelehnt habe, was den V allerdings psychisch stark belastet habe, so dass die Klägerin schließlich in die Ehe eingewilligt habe. Diese Angaben hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und glaubhaft vertieft. Maßgebliches Motiv für die Eheschließung zu dem konkreten Zeitpunkt war daher die psychische Stabilisierung des Ehemannes, dessen psychische Verfassung äußerst prekär war, wie sich aus den beigezogenen Krankenunterlagen zur Überzeugung des Senats ergibt. Hinsichtlich der Motive der Klägerin hat diese den Verlauf der Beziehung zwischen ihr und V vor dem Senat nochmals glaubwürdig geschildert. Der Senat geht daher davon aus, dass sich die nichteheliche Beziehung insbesondere durch den Umzug mit Umschulung des Kindes der Klägerin im Sommer 2005 (vor Ausbruch bzw. Bekanntwerden der Erkrankung) allmählich verfestigt hat, so dass die Eheschließung als Endpunkt nachvollziehbar ist. Der bereits erwähnte, mit einem Erbverzicht versehene Ehevertrag fügt sich nach den Angaben der Klägerin zur familiären Situation des Ehemannes (Familienbetrieb, erwachsener Sohn aus vorausgegangener Ehe) in das Bild ein, dass die psychische Situation des Ehemannes bei der Eheschließung im Vordergrund gestanden hatte. Der von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückte schlechte physische gesundheitliche Zustand des V und damit einhergehend der Versorgungsgedanke war demgegenüber nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Zusammenfassend hat das SG daher die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII im Ergebnis zu Recht als widerlegt angesehen, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente.
Die im Jahre 1961 geborene Klägerin ist Witwe des im Jahre 1959 geborenen und am 17.07.2006 verstorbenen M. H. (Versicherter; im Folgenden V genannt). Die Klägerin und V lebten seit August 2002 in einer Liebesbeziehung, ab 01.08.2005 auch zusammen in einem gemeinsamen Haushalt.
Im Dezember 2005 wurde bei V eine Krebserkrankung der Nasennebenhöhlen diagnostiziert. Diese wurde noch im Dezember 2005 als Berufskrankheit nach Nr. 4203 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK 4203) bei der Beklagten ärztlich angezeigt. Nach Diagnosestellung und umfangreicher Operation am 15.12.2005 befand sich V im Anschluss daran bis zu seinem Ableben die meiste Zeit in stationärer Behandlung. Er unterzog sich hierbei u. a. einer Radio- und einer Chemotherapie. Am 30.06.2006 ließ sich V von der stationären Behandlung beurlauben und heiratete an diesem Tag die Klägerin. Am 17.07.2006 verstarb V.
Nach Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens des Prof. Dr. D. vom 31.07.2006 kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Krebserkrankung des V auf dessen berufliche Tätigkeit als Schreiner zurückzuführen und als BK 4203 anzuerkennen sei. Nach Beiziehung der medizinischen Handakte der HNO-Universitätsklinik E. lehnte sie mit Bescheid vom 21.03.2007 (Widerspruchsbescheid vom 26.07.2007) einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus Anlass des Todes des V ab. Zwar sei V an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben, jedoch sei die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten. Gemäß § 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) spreche die gesetzliche Vermutung dafür, dass es sich um eine sog. Versorgungsehe gehandelt habe, die den Anspruch auf Hinterbliebenenrente grundsätzlich ausschließe. Diese gesetzliche Vermutung einer Versorgungsabsicht sei hier nicht durch besondere Umstände des Einzelfalles widerlegt.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat die Akte der Beklagten, die medizinische Handakte der HNO-Universitätsklinik und die Akte der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern beigezogen und mit Urteil vom 05.05.2010 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus Anlass des Todes ihres Ehegatten zu gewähren. Der Witwenrentenanspruch sei nicht nach § 65 Abs. 6 SGB VII ausgeschlossen. Zwar habe die Ehe mit V weniger als ein Jahr gedauert, so dass die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII zunächst eingreife, jedoch sei diese Vermutung widerlegbar. Die gesetzliche Vermutung sei hier widerlegt.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie führt aus, die gesetzliche Vermutung sei nicht widerlegt. Die Ehe sei 17 Tage vor dem Tod des V geschlossen worden. Je näher die Hochzeit am Todestag liege, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe zumindest überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Das erstinstanzliche Urteil sei fehlerhaft. Bereits im Mai 2006 seien Metastasen der Hirnhäute und der Wirbelsäule festgestellt worden. Bei Auftreten von Metastasen sei grundsätzlich von einer schlechten Prognose auszugehen. Der Befundverlauf weise auf eine eindeutige Progredienz hin. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Hochzeit den schlechten Gesundheitszustand des V gekannt und gewusst, dass mit einem baldigen Ableben zu rechnen gewesen sei. Vor Juni 2006 hätten keine konkreten Hochzeitspläne bestanden. Für die Vermutung einer Versorgungsehe spreche auch, dass die Klägerin einige Jahre arbeitslos gewesen sei. Es habe eine wirtschaftliche Abhängigkeit von V und damit der Wunsch nach einer Sicherstellung der Versorgung bestanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2007 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 zurückzuweisen.
Die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII sei widerlegt. Das SG gehe rechtsfehlerfrei davon aus, dass der V der Klägerin bereits mehrfach Heiratsanträge gemacht habe, deren Ablehnung zu einem psychischen Zusammenbruch des V geführt habe. Zudem sei in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart worden. Die Klägerin habe mit der Hochzeit ihrem Mann bei der Überwindung seiner schweren Krankheit helfen wollen. Zum Zeitpunkt der Heirat sei noch nicht mit einem baldigen Ableben des Ehemannes zu rechnen gewesen; es hätte auch zu einer längeren Pflegebedürftigkeit kommen können. Die 1961 geborene Klägerin sei lediglich ab dem 31.12.2005 arbeitslos gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. Seit dem 01.11.2006 sei sie wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin habe bereits zum 06.08.2002 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit dem V aufgenommen und sei im Juni 2005 zu ihm gezogen. Ein erster Heiratsantrag sei bereits 2003 erfolgt. Damals habe die Klägerin wegen der Scheidung von ihrem ersten Mann noch gezögert. Nach ersten Krankheitsanzeichen habe der V im November 2005 erneut einen Heiratsantrag gemacht. Wegen unangemessener Reaktionen der Familie des V habe die Klägerin den Ehevertrag vorgeschlagen mit einem Erbverzicht. Die Eheschließung am 30.06.2006 sei die konsequente Umsetzung eines Heiratsentschlusses, der bereits 2003 bestanden habe.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.05.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2007 abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten, der Krankenakte des V sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch ansonsten zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Leistung von Witwenrente wegen des Todes des V (dem Grunde nach) verurteilt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Tod des V mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom Bescheid vom 21.03.2007 (Widerspruchsbescheid vom 26.07.2007) als Todesursache anerkannte BK 4203 zurückzuführen ist und der Ausschlussgrund des § 65 Abs. 6 SGB VII nicht eingreift.
Gemäß § 65 Abs. 6 SGB VII ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und V hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 30.06.2006 bis 17.07.2006. Damit ist der Tatbestand des § 65 Abs. 6 SGB VII erfüllt. Die entsprechende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII). Der Begriff der "besonderen Umstände" in § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl BSG vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R zum gleichlautenden § 46 Abs 2a HS 2 SGB VI).
Aus § 65 Abs. 6 SGB VII ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter "den besonderen Umständen des Falles" zu verstehen ist, die geeignet sind, die Annahme einer Versorgungsehe (definiert als "Ehe, die allein oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen") zu entkräften bzw eine Ausnahme vom gesetzlichen Ausschluss einer Witwen-/Witwerrente bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zuzulassen. Als besondere Umstände iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII sind daher alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl BSGE 35, 272, 274 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (vgl BSGE 35, 272, 275 f = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 65 Abs. 6 SGB VII nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen (vgl BSGE 35, 272, 276 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO) oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl BSGE 35, 272, 276 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5, jeweils m.w.N).
Die Vorschrift des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII zwingt den Hinterbliebenen aber nicht, seine inneren Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu offenbaren (vgl BSGE 35, 272, 273 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Der hinterbliebene Ehegatte kann sich auch auf die Darlegung von äußeren (objektiv nach außen tretenden) Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, keinerlei Auskünfte über den "Zweck der Heirat" zu geben. Es soll nicht gegen seinen Willen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen, indem der Hinterbliebene genötigt wird, auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen. Denn die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 65 Abs. 6 SGB VII als Regel-/Ausnahmetatbestand verfolgt gerade den Zweck, die Träger der Unfallversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl BSG vom 05.05.2009, B 13 R 53/08 R; BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung bzw. zu § 592 des Entwurfs = § 594 RVO; vgl auch BSGE 35, 272, 273 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO; BSGE 60, 204, 205 f = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Dies bedeutet aber nicht, dass es dem hinterbliebenen Ehegatten untersagt ist, seine (höchst-)persönlichen Gründe und die des verstorbenen Versicherten für die Eheschließung darzulegen. Vielmehr kann er selbst abwägen, ob er derartige private Details preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr zu entkräften. Macht der Hinterbliebene von sich aus oder auf Befragen entsprechende Angaben und sind diese glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die (abschließende) Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" bzw des "Zwecks der Heirat" würde jedenfalls in einem solchen Fall die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken.
Allerdings ist eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen § 65 Abs. 6 SGB VII angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand iS des § 65 Abs. 6 SGB VII ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (zB Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des
§ 65 Abs. 6 SGB VII nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Der Ausnahmetatbestand des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird (vgl BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 3 S 9 und § 15 Nr 4 S 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 10. Aufl 2012,
§ 128 RdNr 3b).
Das Vorliegen von "besonderen Umständen" iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII ist von den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch, § 103 SGG). Eine Regelung (wie zB § 144 Abs 1 Satz 4 oder § 147a Abs 1 Satz 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch), wonach der Betroffene zur Anspruchsbegründung bestimmte Sachverhalte "darzulegen und zu beweisen" hat, enthält § 65 Abs. 6 SGB VII nicht. Die Regelungstechnik des § 65 Abs. 6 SGB VII verfolgt - wie bereits ausgeführt - den Zweck, die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichte zur Ermittlung des Sachverhalts nicht zu Ausforschungen im Bereich der privaten Lebensführung der Betroffenen zu zwingen. Der Frage, ob besondere Umstände vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist daher vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten nachzugehen (vgl BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Zu prüfen ist daher zunächst, ob die Eheschließungsmotive der Ehegatten in irgendeiner Form durch objektive Tatsachen nach außen getreten sind. Ermittlungen im Bereich der privaten Lebenssphäre der Ehegatten und zu deren (höchst-)persönlichen, inneren Motiven für die Heirat sind grundsätzlich nicht anzustellen, es sei denn, der Hinterbliebene, der hierüber naturgemäß zuvörderst Angaben machen kann, beruft sich hierauf und ist zur Auskunft bereit (vgl BSGE 60, 204, 206, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5). Das Gesetz zwingt ihn aber nicht zu entsprechenden Angaben. Der hinterbliebene Ehegatte muss dann aber mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" iS des § 65 Abs. 6 HS 2 SGB VII nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr 5).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen steht aufgrund der zu berücksichtigenden äußeren Umstände sowie der von der Klägerin glaubhaft mitgeteilten inneren Beweggründe der Eheleute zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Entschluss zur Eheschließung von beiden nicht in Versorgungsabsicht, sondern überwiegend aus davon verschiedenen Beweggründen gefasst wurden.
Der Senat stellt dabei folgende äußeren Umstände fest: Aufgrund des Inhalts der beigezogenen Patientenakte der Uniklinik E. steht fest, dass V zum Zeitpunkt der Eheschließung an einem Nasennebenhölencarcinom erkrankt war, das am 15.12.2005 operativ und ab 06.02.2006 mit Radio-Chemotherapie behandelt wurde. Einem Reha-Entlassungsbericht der S-Klinik O. vom 29.05.2006 lässt sich entnehmen, dass V an einer deutlichen körperlichen Schwäche mit rascher Ermüdbarkeit, Schmerzen, einer zurückgebildeten Hemiparese, Schlafstörungen und einer psychischen Belastungsreaktion litt und diese allgemeine körperliche Leistungsminderung und psychische Belastungssituation durch den Reha-Aufenthalt vom 10.05.2006 bis 29.05.2006 nicht wesentlich vermindert werden konnte. Die Reha-Maßnahme musste abgebrochen werden, weil der Verdacht auf eine Meningeosis carcinomatosa bestand. V wurde daher zur weiteren Behandlung in die Uni-Klinik E. verlegt, wo sich der Verdacht am 26.06.2006 bestätigt. Eine Strahlentherapie wurde eingeleitet, auf Wunsch des V aber am 01.07.2006 abgebrochen. Am 11.07.2006 wurde der V auf eigenen Wunsch in das Hospiz verlegt. Ohne dass es weiterer Ermittlungen, etwa der Einholung eines Gutachtens bedarf, stellte sich Gesundheitszustand des V im Zeitpunkt der Eheschließung am 30.06.2006 auch für den Laien erkennbar als lebensbedrohlich dar. Insbesondere der notwendig gewordene Abbruch der Reha-Maßnahme und der Entschluss, die Behandlung abzubrechen, zeigen deutlich die Ernsthaftigkeit der Situation und die konkrete Gefahr eines baldigen Ablebens des V. Gleichwohl kommt der Senat aufgrund einer abschließenden Gesamtbewertung der inneren und äußeren Umstände zu dem Ergebnis, dass die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände so gewichtig sind, dass die Widerlegung der gesetzlichen Annahme gelungen ist. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der Eheschließung bis auf einen Zeitraum von ca. drei Jahren (März 1985 bis April 1988) fast durchgängige Erwerbsbiographie, die durch den Versicherungsverlauf vom 05.07.2010 nachgewiesen ist, sich für die Zukunft eigene Rentenansprüche erworben hat und auch zum Zeitpunkt der Eheschließung in der Lage war, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch im Jahre 2006 beweist. Der Senat hält die Angaben der Klägerin zu ihrer Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 und 2006 für glaubhaft, dass sie ihre Stellung in B. aufgegeben hatte, um mit ihrem späteren Ehemann zusammenzuleben, und sie die Arbeitssuche dann aufgrund der schweren Erkrankung des V zunächst hintangestellt hat. Ein entscheidender Gesichtspunkt ist zudem, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Eheschließung noch gar nicht positiv über die Berufskrankheitenanzeige entschieden hatte und das von der Beklagten für die Entscheidung für notwendig erachtete Gutachten des Prof. Dr. D. noch nicht vorgelegen war. Im Zeitpunkt der Eheschließung war daher keinesfalls gesichert, dass es sich bei der Erkrankung des V um eine Berufskrankheit handelte und hieraus Ansprüche für die Hinterbliebenen entstehen könnten. Als ein weiteres äußeres Indiz für die Ansicht, der V habe die Klägerin nicht aus Versorgungsgründe geheiratet, ist auch der Ehevertrag anzusehen, der am Tag der Eheschließung abgeschlossen wurde und Gütertrennung sowie einen gegenseitigen Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrechte vorsieht. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin durch diesen Vertrag nicht nur auf ein Erbrecht, sondern sogar auf eine gesicherte Wohnung verzichtet hat, sodass sie nach dem Ableben des V kein Wohnrecht in dem im Eigentum des V stehenden Wohnhaus gegenüber den erbberechtigten Verwandten mehr geltend machen konnte, wird ebenfalls deutlich, dass der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine erhebliche Bedeutung hatte. Zur Überzeugung des Senats wäre ansonsten zumindest ein gesichertes Wohnrecht für die Klägerin und ihren minderjährigen Sohn vereinbart worden.
Hinsichtlich der inneren Beweggründe, die zur Eheschließung geführt haben, folgt der Senat deshalb den Feststellungen des SG, das aufgrund der von ihm als glaubhaft eingestuften Angaben der Klägerin ausgeführt hat, V habe der Klägerin bereits vor seiner Erkrankung und dann auch in der Klinik Heiratsanträge gemacht, die diese zunächst abgelehnt habe, was den V allerdings psychisch stark belastet habe, so dass die Klägerin schließlich in die Ehe eingewilligt habe. Diese Angaben hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und glaubhaft vertieft. Maßgebliches Motiv für die Eheschließung zu dem konkreten Zeitpunkt war daher die psychische Stabilisierung des Ehemannes, dessen psychische Verfassung äußerst prekär war, wie sich aus den beigezogenen Krankenunterlagen zur Überzeugung des Senats ergibt. Hinsichtlich der Motive der Klägerin hat diese den Verlauf der Beziehung zwischen ihr und V vor dem Senat nochmals glaubwürdig geschildert. Der Senat geht daher davon aus, dass sich die nichteheliche Beziehung insbesondere durch den Umzug mit Umschulung des Kindes der Klägerin im Sommer 2005 (vor Ausbruch bzw. Bekanntwerden der Erkrankung) allmählich verfestigt hat, so dass die Eheschließung als Endpunkt nachvollziehbar ist. Der bereits erwähnte, mit einem Erbverzicht versehene Ehevertrag fügt sich nach den Angaben der Klägerin zur familiären Situation des Ehemannes (Familienbetrieb, erwachsener Sohn aus vorausgegangener Ehe) in das Bild ein, dass die psychische Situation des Ehemannes bei der Eheschließung im Vordergrund gestanden hatte. Der von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückte schlechte physische gesundheitliche Zustand des V und damit einhergehend der Versorgungsgedanke war demgegenüber nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Zusammenfassend hat das SG daher die gesetzliche Vermutung des § 65 Abs. 6 SGB VII im Ergebnis zu Recht als widerlegt angesehen, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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