L 15 VK 17/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 VK 10/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 17/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus einem gegen einen Dritten ergangenen Bescheid kann nicht die Vollstreckung betrieben werden.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom
17. November 2009 wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem gegen die Mutter der Klägerin ergangenen Bescheid vom 23. Juni 2005 unzulässig ist.

III. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt, eine vom Beklagten veranlasste Vollstreckung für unzulässig zu erklären.

Die Klägerin ist die Tochter des 2000 verstorbenen kriegsbeschädigten W. A. (im Folgenden: Versorgungsberechtigter), der eine Versorgungsrente bezog, und dessen 2007 verstorbener Ehefrau F. A ... Die Klägerin ist weder Erbin des Versorgungsberechtigten noch ihrer Mutter geworden.

Die Ehefrau des Versorgungsberechtigten und die Klägerin informierten den Beklagten über das Versterben des Versorgungsberechtigten nicht, so dass die Versorgungsbezüge in Höhe von zuletzt 118,00 EUR monatlich über Jahre hinweg weiterhin ausgezahlt wurden. Über die Konten, auf die die Zahlungen des Beklagten nach dem Tod des Versorgungsberechtigten eingingen, waren die Klägerin und ihre Mutter verfügungsberechtigt; die Klägerin traf auch diverse Verfügungen zu ihren eigenen Gunsten. Im Telefax vom 20.01.2005 trat die Klägerin als Bevollmächtigte ihrer "Eltern, F. und W. A." unter dem Briefkopf "F. und W. A." auf und bat den Beklagten, die Zahlungen des Versorgungsamts auf ein anderes Konto zu überweisen.

Nachdem der Beklagte vom Standesamt erfahren hatte, dass der Versorgungsberechtigte bereits am 15.04.2000 verstorben war, wurden mit zwei Bescheiden vom 23.06.2005 sowohl die Mutter der Klägerin als auch die Klägerin selbst jeweils gesamtschuldnerisch zur Rückerstattung der zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen in Höhe von 6.607,16 EUR aufgefordert.

Die vom VdK vertretene Mutter erhob erfolglos gegen den an sie gerichteten Bescheid Widerspruch und Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 27.09.2006, Az.: S 33 V 27/05).

Ein Widerspruch der Klägerin gegen den sie betreffenden Bescheid ging beim Beklagten nicht ein.

Ein gegen die Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 153 a Abs. 2 Strafprozessordnung zunächst vorläufig mit der Auflage, dass die Klägerin bis zum 31.12.2006 20 Stunden unentgeltliche Arbeitsleistung zu erbringen und die Widersprüche gegen die Bescheide des Versorgungsamtes zurückzunehmen habe, später dann endgültig eingestellt.

Am 14.08.2008 richtete der Beklagte ein Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt - Vollstreckungsstelle - und gab dabei als Grund "lt. Bescheid vom 23.06.2005, bestätigt durch Gerichtsbescheid des SG Bayreuth v. 27.09.2006" an. Mit Kurznachricht vom 27.08.2008 wurden die Unterlagen für die Vollstreckung an das Finanzamt nachgereicht.

Mit Schreiben vom 22.06.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben mit dem Ziel, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 23.06.2005 für unzulässig erklären zu lassen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2009 ist die Klage abgewiesen worden, da - so das Sozialgericht - der Bescheid vom 23.06.2005 bestandskräftig geworden sei.

Die Klägerin hat dagegen am 04.12.2009 Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung - ähnlich wie schon die Klage - damit begründet, dass Empfängerin der Rentenleistungen ausschließlich ihre Mutter gewesen sei. Sie, so die Klägerin, habe gedacht, dass die Renteneingänge vom Versorgungsamt für ihre Mutter gedacht gewesen seien. Sie selbst habe nie Zugriff auf die Zahlungen gehabt. Der gegen sie ergangene Bescheid vom 23.05.2006 sei nicht bestandskräftig geworden.

Mit Schreiben vom 08.11.2010 hat das Finanzamt A-Stadt dem Beklagten das Vollstreckungsersuchen zurückgegeben, da die Beitreibung fruchtlos verlaufen sei.

Der Senat hat sich im Oktober 2012 die Unterlagen zur Verfügung stellen lassen, die dem Finanzamt als Vollstreckungsstelle vom Beklagten als Grundlage für die Vollstreckung übersandt worden waren. Dies war der vom Beklagten gegen die Mutter der Klägerin erlassene Bescheid samt dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 27.09.2006.

Die Klägerin beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid des Beklagten vom 23.06.2005 für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Vollstreckung aus dem gegen die Mutter ergangenen Bescheid vom 23.06.2005 gegen die Klägerin ist unzulässig.

1. Formelle Gesichtspunkte

Die Frage des Rechtswegs einer Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Vollstreckung einer Forderung im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts ist einer Prüfung durch das Berufungsgericht gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz entzogen.

Die Frage, ob das Finanzamt - und nicht das Zentrum Bayern Familie und Soziales - als zuständiger Vertreter des Beklagten am Verfahren zu beteiligen gewesen wäre, stellt sich vorliegend nicht mehr. Denn mit der Rückgabe des Vollstreckungsersuchens durch das Finanzamt mit Schreiben vom 08.11.2010 ist die Versorgungsverwaltung wieder Herrin des Verfahrens geworden.

Richtige Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage. Nicht einschlägig ist eine Vollstreckungsgegenklage im Sinne von § 767 Zivilprozessordnung, deren Statthaftigkeit strittig wäre (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteile vom 05.04.2005, Az.: L 5 KR 12 /05 , vom 06.07.2005, Az.: L 16 LW 14/04, und vom 17.03.2009, Az.: L 8 SO 100/08; Beschluss vom 07.04.2010, Az.: L 20 R 845/09 ER). Denn bei der Vollstreckungsgegenklage geht es um die Unzulässigkeit der Vollstreckung wegen einer Einwendung, die die Rechtskraft des Titels unberührt lässt und ledig den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich vernichtet oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmt. Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob der vom Beklagten veranlassten Vollstreckung überhaupt ein vollstreckbarer Titel zugrunde liegt.

2. Materielle Prüfung

Die vom Beklagten veranlasste Vollstreckung ist für unzulässig zu erklären, weil der Beklagte dem Vollstreckungsersuchen den "falschen", nämlich nicht den an die Klägerin, sondern den an ihre Mutter gerichteten Bescheid zugrunde gelegt hat.

Für die Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung gilt gemäß § 66 Abs. 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG). Grundvoraussetzung für die Vollstreckung ist gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG ein Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist.

An einem solchen Leistungsbescheid fehlt es bei der konkret durchgeführten Vollstreckung. Denn der Beklagte hat die Vollstreckung nicht auf einen gegen die Klägerin gerichteten Leistungsbescheid gestützt. Vielmehr hat er die Vollstreckung mit dem gegen die Mutter der Klägerin erlassenen Bescheid begründet. Daraus kann er aber nicht gegen die Klägerin vollstrecken.

Die Zugrundelegung eines "falschen" Bescheids ist dem Vollstreckungsersuchen des Beklagten vom 14.08.2008 und der Kurzmitteilung vom 27.08.2008 zu entnehmen. Insbesondere aus der Kurzmitteilung vom 27.08.2008, mit der der Beklagte die Unterlagen, auf die das Vollstreckungsersuchen gestützt wurde, an das Finanzamt weiter geleitet hat, ist zweifelsfrei ersichtlich, dass er aus dem gegen die Mutter gerichteten Bescheid vom 23.06.2005 und den im Rechtsstreit der Mutter der Klägerin mit dem Beklagten ergangenen Gerichtsbescheid vom 27.09.2006 vollstrecken wollte. Damit ist die Vollstreckung auf keinen gegen die Klägerin, die auch nicht Erbin ihrer Mutter geworden ist, gerichteten Leistungsbescheid gestützt worden.

3. Ausblick

Gegenstand dieses Verfahrens war nicht die Frage, ob der Beklagte nicht aus einem anderen Grund, d.h. auf der Basis eines anderen Leistungsbescheids, gegen die Klägerin die Vollstreckung hätte einleiten können.

Der Streitgegenstand und damit der Prüfungsumfang des Gerichts werden durch das klägerische Begehren und das zugrunde liegende Verwaltungshandeln beschrieben. Da die Klägerin nur angestrebt hat, die vom Beklagten veranlasste Vollstreckung für unzulässig zu erklären, ist dem Gericht die Prüfung verwehrt gewesen, ob der Beklagte aus dem gegenüber der Klägerin selbst, also nicht gegenüber ihrer Mutter, erlassenen Rückforderungsbescheid vom 23.06.2005 vollstrecken könnte.

Dafür, dass die Vollstreckung gegen die Klägerin auch aus dem gegen sie selbst erlassenen Bescheid für unzulässig erklärt würde, spricht rein gar nichts. Denn nach den vorliegenden Akten besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass der gegen die Klägerin erlassene Bescheid vom 23.06.2005 in Bestandskraft erwachsen ist und eine zulässige Grundlage für eine Vollstreckung darstellt. Die von der Klägerin in diesem Verfahren zur Begründung der Berufung vorgebrachten Einwände, auf die es im vorliegenden Verfahren überhaupt nicht ankam, wären auch bei der Prüfung einer Vollstreckung aus dem "richtigen" Bescheid sämtlich unbehelflich. Materielle Einwände wegen der von der Klägerin unterstellten Unrichtigkeit des Bescheids vom 23.06.2005 wären schon wegen der Bestandskraft dieses Bescheids unbeachtlich, wobei der Senat sich den Hinweis erlaubt, dass diese Einwände auch inhaltlich nicht überzeugend wären. Das gilt umso mehr, als sich beim Senat überdeutlich der Eindruck verfestigt hat, dass die Klägerin von Beginn an unlautere Mittel zur Verfolgung ihres Ziels angewandt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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