L 11 AS 13/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 784/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 13/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs nach § 20 SGB II
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.12.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Höhe des Regelbedarfs gemäß § 20 Abs 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.

Der Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte ihm der Beklagte Alg II für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011. Anlässlich des Inkrafttretens des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften und Zweiten Sozialgesetzbuches (vom 24.03.2011; BGBl. I S. 453ff) zum 01.01.2011 änderte der Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2011 die bis dahin maßgeblichen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 dahingehend ab, dem Kläger unter Zugrundelegung eines monatlichen Regelbedarfes zur Sicherung des Lebensunterhaltes von 364.- EUR für Januar 2011 Alg II in Höhe von 522,63 EUR, für Februar und März 2011 in Höhe von jeweils 650,71 EUR und für April bis Juni 2011 in Höhe von jeweils 693,61 EUR zu bewilligen. Den hiergegen am 05.05.2011 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 als unzulässig zurück, denn der Kläger habe versäumt, fristgerecht Widerspruch zu erheben.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, den Bescheid vom 26.03.2011 erst vier bis fünf Tage vor dem 01.05.2011 erhalten zu haben. Auf Hinweis des SG hat der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 mit einem an das SG gerichteten Schreiben vom 31.08.2011 aufgehoben und den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Mit dem Änderungsbescheid vom 26.03.2011 sei im Hinblick auf die zum 01.01.2011 eingetretene Änderung der Rechtslage lediglich der Regelbedarf nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2011 für den Kläger als Alleinstehenden auf 364,- EUR festgesetzt worden. Die Klage hat das SG unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2011 mit Gerichtsbescheid vom 07.12.2011 abgewiesen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger beantragt:

Der Bescheid vom 16.02.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.03.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.05.2011 und 31.08.2011 werden abgeändert und der Beklagte verpflichtet, unter Zugrundelegung einer Regelleistung vom 450,- EUR, für Januar 2011 Arbeitslosengeld- II in Höhe von 608,63 EUR, für Februar und März 2011 in Höhe von jeweils 736,71 EUR und für April bis Juni 2011 in Höhe von jeweils 779,61 EUR monatlich zu bezahlen.

Der Beklagte,
die Berufung zurückzuweisen

Nach der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Rechtslage habe der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren Regelbedarf.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die fristgemäße Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Insbesondere wird der für eine zulassungsfreie Berufung maßgebliche Rechtsmittelstreitwert von 750,- EUR überschritten, nachdem der Kläger vor dem SG keinen konkreten Antrag gestellt und das SG es versäumt hat, einen solchen Antrag beziffern zu lassen. Der nunmehr formulierte Berufungsantrag erweist sich allenfalls als Beschränkung des Streitgegenstandes nach Einlegung der Berufung, die jedoch regelmäßig nicht zu deren Unzulässigkeit führt (vgl. Leitherer in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 144 Rn.19). Der Berufungsantrag ist sinngemäß dahingehend zu ergänzen, dass der Kläger ebenfalls die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG begehrt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Änderungsbescheid vom 26.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2011, denn der Bescheid vom 16.02.2011 wurde durch den Änderungsbescheid vom 26.03.2011 vollständig ersetzt, und der Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2011 aufgehoben. Der allein streitgegenständliche Bescheid vom 26.03.2011 (idG des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2011) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser Bescheid regelt den Leistungsanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011, wobei vorliegend im Hinblick auf den Berufungsantrag allein die Höhe des Regelbedarfes Streit entscheidend ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft, denn diese werden gemäß § 22 SGB II in angemessener Höhe durch den Beklagten erstattet. Zudem fehlen Hinweise auf das Bestehen eines Mehrbedarfes gemäß § 21 SGB II, so dass der Kläger im Ergebnis keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Der mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 zuerkannte Regelbedarf von 364,- EUR monatlich entspricht der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Rechtslage, denn der Gesetzgeber hat die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende gemäß § 19 Abs 1 Satz 1 und 3, Abs 3 Satz 1, § 20 Abs 1 und 2 Satz 1 SGB II (idF d G zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 29.03.2011; BGBl I S. 453) für den hier maßgebende Zeitraum ab dem 01.01.2011 (bis 30.06.2011) nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt.

Unabhängig davon, dass der Kläger die Gründe für sein Berufungsbegehren nicht dargelegt hat, bestehen für den Senat insbesondere nach der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 12.07.2012 (B 14 AS 153/11 R - SozR 4-4200 § 20 Nr. 17) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe des Regelbedarfs in § 20 Abs 2 SGB II, denn der Gesetzgeber hat den ihm zugewiesenen Auftrag, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum über einen gesetzlichen Anspruch zu gewährleisten, erfüllt. Er hat bei der Bemessung des Regelbedarfs den Umfang des konkreten gesetzlichen Anspruchs, der insbesondere den Bedarf an Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile) sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens abdecken soll, in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren bemessen (vgl. hierzu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 12.07.2012 aaO). Der Gesetzgeber hat sich bei der Bemessung des neuen Regelbedarfs auf ein gesetzlich geregeltes Verfahren gestützt, das geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen. Der Gesetzgeber hat sich des vom BVerfG gebilligten Statistikmodells bedient, das sich in Gestalt der Einkommens- und Verbraucherstichprobe auf geeignete empirische Daten bezieht und das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung empirisch abbildet. Auch die Auswahl der Referenzgruppe der Ein-Personen-Haushalte, nach deren Ausgaben der Regelbedarf u.a. für alleinstehende Personen im Sinne des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II ermittelt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (LSG Stuttgart, Urteil vom 12.12.2012 - L 3 AS 4252/11 - juris).

Nachdem eine evidente Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsfestsetzung nicht zu erkennen ist, ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved