Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SF 13/10 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 209/12 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Rechtsanwaltsvergütung gem. § 45 ff. RVG
1. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren. Vielmehr wird bei einem bei abstrahierender Betrachtungsweise schwierigen Fall zunächst davon auszugehen sein, dass der Anwalt höheren Zeit und Arbeitsaufwand hat, um sich auf Stand zu bringen; die konkreten Umstände des Falls können diese Vermutung allerdings widerlegen.
2. Die Schwierigkeit einer Angelegenheit darf nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf einer gewissen Objektivierung.
3. Einigungsgebühr: Zum Versuch des Anwalts, die Klagerücknahme in einem gerichtlichen Verfahren mit dem Ausgang eines anderen gerichtlichen Verfahren zu einem Gesamtpaket zu verknüpfen und so ein Teilobsiegen zu reklamieren.
1. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren. Vielmehr wird bei einem bei abstrahierender Betrachtungsweise schwierigen Fall zunächst davon auszugehen sein, dass der Anwalt höheren Zeit und Arbeitsaufwand hat, um sich auf Stand zu bringen; die konkreten Umstände des Falls können diese Vermutung allerdings widerlegen.
2. Die Schwierigkeit einer Angelegenheit darf nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf einer gewissen Objektivierung.
3. Einigungsgebühr: Zum Versuch des Anwalts, die Klagerücknahme in einem gerichtlichen Verfahren mit dem Ausgang eines anderen gerichtlichen Verfahren zu einem Gesamtpaket zu verknüpfen und so ein Teilobsiegen zu reklamieren.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 3. September 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in zwei grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II vor dem Sozialgericht Landshut (wobei in einem formal nur eine Person als Klägerin geführt wurde). Für beide Klageverfahren war Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden. Während das Verfahren S 10 AS 614/08 allein Leistungen für Unterkunft und Heizung zum Gegenstand hatte, ging es im hier gegenständlichen Verfahren S 10 AS 613/08 um die Anrechnung von Kindesunterhalt als Einkommen. Dieses Problem stellte sich im Verfahren S 10 AS 613/08 im Rahmen eines Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens. Beide Klageverfahren wurden am 05.11.2009 in der mündlichen Verhandlung erledigt. Im Verfahren S 10 AS 614/08 schloss man einen Prozessvergleich, wobei die mündliche Verhandlung laut Sitzungsniederschrift 20 Minuten dauerte. Für die unmittelbar davor stattfindende mündliche Verhandlung zur Sache S 10 AS 613/08 wird in der Sitzungsniederschrift dagegen eine Dauer von 80 Minuten ausgewiesen. Sie endete mit einer Klagerücknahme, wobei der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes erklärt hatte: "Im Hinblick auf die Einigung im Verfahren S 10 AS 614/08 nehme ich die Klage zurück."
Während der Beschwerdeführer für das Verfahren S 10 AS 614/08 die von ihm veranschlagte Vergütung nach §§ 45 ff. RVG erhalten hatte, blieb diejenige im Verfahren S 10 AS 613/08 hinter seinen Vorstellungen zurück. Unter dem Datum 07.01.2010 hatte der Beschwerdeführer dort eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG in Höhe von 323 EUR (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG), eine Terminsgebühr in Höhe von 200 EUR sowie eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG in Höhe von 190 EUR beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Landshut billigte in seiner Kostenfestsetzung vom 24.02.2010 die Verfahrensgebühr (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG) nur in Höhe von 228 EUR und keine Einigungsgebühr zu. Die Höhe der Verfahrensgebühr begründete er damit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen. Für das Entstehen einer Einigungs- oder Erledigungsgebühr habe es an einer hinreichenden kausalen anwaltlichen Mitwirkung gefehlt.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.03.2010 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Verfahrensgebühr sei die Mittelgebühr sehr wohl angemessen. Die Einigungsgebühr sei entstanden, weil die Klagerücknahme "im Hinblick auf die Einigung im Parallelverfahren" erfolgt sei; durch eine vertragliche Vereinbarung sei die Ungewissheit über den Prozessstoff beseitigt worden.
Der Kostenrichter beim Sozialgericht Landshut hat die Erinnerung mit Beschluss vom 03.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr hat der Kostenrichter einen unterdurchschnittlichen Umfang sowie eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei weit überdurchschnittlicher Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit festgestellt. Der Beschwerdeführer, so der Kostenrichter, habe im Klageverfahren lediglich vorgetragen, den Klägern sei die Überzahlung nicht anzulasten und die Leistungen seien in gutem Glauben verbraucht worden. Eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, weil die Klage zurückgenommen, jedoch kein Vergleich geschlossen worden sei. Selbst wenn man aus dem vom Beschwerdeführer hergestellten Zusammenhang mit dem Verfahren S 10 AS 614/08 einen wie auch immer gearteten Vertragsschluss ableiten würde, läge jedenfalls ein Verzicht vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19.09.2012 eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer weiterhin die Vergütungsfestsetzung so wie beantragt begehrt. Der Beschwerdeführer hat das Rechtsmittel unter anderem damit begründet, Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seien grundsätzlich als schwierig einzustufen. Nicht zuletzt deswegen sei die Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr nicht unbillig. Hinsichtlich der Einigungsgebühr sei von Belang, dass die beklagte Behörde bei der Berechnung und Abwicklung der Leistungserstattung Fehler gemacht habe, die einen Teilerfolg der Kläger begründet hätten. Es liege daher lediglich ein Verzicht im Hinblick auf die anderweitige Einigung vor. Die Gebühr wäre im Übrigen auch als Erledigungsgebühr anzusetzen.
Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts S 10 AS 613/08 und S 10 AS 614/08 beigezogen sowie Richter am Bayer. Landessozialgericht B., den damaligen Kammervorsitzenden, zu den seinerzeitigen Vorgängen befragt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Kostenrichter hat die Vergütung des Beschwerdeführers richtig festgesetzt.
Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren umfasst die Höhe der im Verfahren S 10 AS 613/08 entstandenen Verfahrensgebühr sowie die Frage, ob und in welcher Höhe eine Einigungsgebühr oder Erledigungsgebühr anzusetzen ist (einschließlich der jeweils darauf entfallenden Umsatzsteuer).
1. Verfahrensgebühr
Der hier einschlägige Gebührenrahmen nach Nr. 3013 VV RVG erstreckt sich, berücksichtigt man drei Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG, von 38 EUR bis 608 EUR. Die Mittelgebühr liegt bei 323 EUR; diesen Betrag möchte der Beschwerdeführer zuerkannt haben. Bei abstrahierender Betrachtung bleibt einzuräumen, dass Aufhebungs- und Erstattungsstreitigkeiten sicherlich zu den anspruchsvollen Themen im Bereich des SGB II zählen. Zur Lösung des Falls müssen nicht nur umfangreiche, manchmal mehrere Jahre umfassende Berechnungen angestellt werden, sondern es treten häufig auch schwierige Fragen des Vertrauensschutzes auf. Neben den rechtlichen Problemen stellt auch die Sachverhaltserfassung nicht selten hohe Anforderungen. Gemessen daran handelte es sich hier nur um ein vergleichsweise unkompliziertes Aufhebungs- und Erstattungsverfahren. Gleichwohl wäre es durchaus angemessen, bei einer solchen Fallkategorie die Mittelgebühr anzusetzen, bei wirklich umfangreichen oder schwierigen Angelegenheiten selbstverständlich auch (mitunter deutlich) mehr.
Die konkreten Verhältnisse des Falls sind indes so gelagert, dass gleichwohl die Festsetzungen des Urkundsbeamten und des Kostenrichters Bestand haben. Denn der Beschwerdeführer hat die an sich bestehende Problemträchtigkeit des Falls nicht ausgeschöpft. Im Prinzip kommt es für die Bestimmung der angemessenen Gebühr auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren (obwohl dies einen wichtigen Indikator verkörpert). Vielmehr wird bei einem bei abstrahierender Betrachtungsweise schwierigen Fall zunächst davon auszugehen sein, dass der Anwalt höheren Zeit- und Arbeitsaufwand hat, um sich auf Stand zu bringen.
Hier jedoch liegen deutliche Anzeichen vor, dass der Beschwerdeführer von Anfang an keinen hinreichenden Zugang zu der Problematik gefunden hat. Der Schluss von der generellen Schwierigkeit des Falls auf einen erhöhten Aufwand für den Anwalt ist deswegen nicht zulässig. Denn einziges Argument des Beschwerdeführers - in Widerspruchs- und Klageverfahren - war, die Kläger hätte keine Obliegenheit getroffen, das zusätzliche Einkommen der Grundsicherungsbehörde mitzuteilen. Dies wird dem Fall allerdings nicht gerecht. Denn die Aufhebung war auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt, weswegen anders als bei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X kein Raum blieb, eventuelle Obliegenheitsverletzungen seitens der Kläger zu diskutieren. Dabei hat sich der Beschwerdeführer im Klageverfahren auf dieses eine, nicht tragfähige Argument weiter berufen, obwohl ihm im Widerspruchsbescheid explizit mitgeteilt worden war, die Problematik der fehlenden Mitwirkung seitens der Kläger sei ohne Belang. Ohne dem Beschwerdeführer zu nahe treten zu wollen, liegt damit der Schluss nahe, dass im Klageverfahren keine hinreichend eingehende Befassung mit dem Fall stattgefunden hat. Das kann vergütungsrechtlich nicht ohne Auswirkung bleiben.
Fehl geht die Ansicht des Beschwerdeführers, Angelegenheiten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit müssten generell als schwierig eingestuft werden. Vielmehr steht für solche Streitsachen ein Gebührenrahmen zur Verfügung, der auch auszuschöpfen ist. Das bedeutet, dass es vom Grundsatz her auch Fälle geben muss und gibt, die am unteren Rand des Spektrums liegen, und das nicht zuletzt deswegen, weil sie leicht zu bearbeiten sind. Es mag sein, dass der Beschwerdeführer angesichts anders gelagerter Aufgaben- und Interessenschwerpunkte sozialrechtliche Fälle generell als mühsam empfindet. Dafür hätte der Senat zwar großes Verständnis, es kommt aber nicht darauf an. Denn die Individualisierung der Gebührenbemessung geht nicht so weit, dass die subjektiv empfundene Schwierigkeit das maßgebende Kriterium wäre. Die "Schwierigkeit" einer Angelegenheit darf nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf vielmehr einer gewissen Objektivierung.
2. Einigungsgebühr
Eine Einigungsgebühr ist nicht entstanden. Insoweit macht sich der Senat vollumfänglich die zutreffende Begründung des Kostenrichters zu Eigen. In der Tat steht dem Begehren des Beschwerdeführers entgegen, dass materiell ein Verzicht vorliegt. Damit kommt es auf die Frage, ob sich überhaupt ein Vertragsabschluss feststellen lässt, nicht an. Der Beschwerdeführer selbst hat den Verzicht eingeräumt; er hat lediglich relativiert, es habe in diesem Zusammenhang auch eine Einigung gegeben. Eine Einigung unter Ausspruch eines Verzichts vermag aber keine Einigungsgebühr auszulösen.
Anders, nämlich dass kein Verzicht vorläge, wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn der im Verfahren S 10 AS 614/08 vereinbarte Leistungsbetrag auch einen - wenn auch kleinen - Anteil enthielte, der auf einem Fehler der Grundsicherungsbehörde in Bezug auf die Anrechnung des Kindesunterhalts zurückzuführen wäre. Dafür vermag der Senat trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten jedoch keinerlei Anhaltspunkte festzustellen.
Die in den Sitzungsniederschriften protokollierten Prozesserklärungen sprechen klar dagegen. Diese haben zwar insoweit keine unbedingte Beweiskraft, sie lassen aber vermuten, dass der protokollierte Wortlaut, so wie er bei objektivem Empfängerhorizont zu verstehen ist, auch das tatsächlich Erklärte wiedergibt. Der bloße Zusatz "Im Hinblick auf die Einigung im Verfahren S 10 AS 614/08" in der Sitzungsniederschrift zum Verfahren S 10 AS 613/08 wirkt sich nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers aus. Damit kommt allenfalls ein Motiv für die Klagerücknahme zum Ausdruck, das nicht einmal wesentlich gewesen sein muss.
Der Senat hat keinen Anlass, den Inhalt der Sitzungsniederschriften ernsthaft in Zweifel zu ziehen. So hat der Beschwerdeführer sich auf Bitte des Gerichts mit Schriftsatz vom 10.07.2013 nochmals geäußert und damit auch Gelegenheit zu entsprechendem Vortrag gehabt; zu diesem - vor allem für einen Rechtsanwalt - offenkundigen Problem hat er aber nichts gesagt. Zudem hat sich Richter am Bayer. Landessozialgericht B. nicht erinnern können, ob der Leistungsbetrag, der im Rahmen des Prozessvergleichs in der Sache S 10 AS 614/08 vereinbart wurde, auch einen Anteil enthielt, der sich auf den Streitgegenstand in der Sache S 10 AS 613/08 bezog.
Der Umstand, dass die Grundsicherungsbehörde die Anrechnung des Kindesunterhalts als Einkommen zum Teil unrichtig vorgenommen und umgesetzt hat, zwingt nicht dazu, einen Verzicht zu verneinen; es gibt keine tatsächliche Vermutung dafür, dass dann, wenn ein Klagebegehren zu einem kleinen Teil begründet ist, kein vollständiger Verzicht ausgesprochen sein kann. Gerade im vorliegenden Fall erscheint es nicht abwegig, dass die Kläger angesichts der erzielten Einigung, die zu einer relativ hohen Nachzahlung führte, auf das bis ins Letzte gehende Ausfechten in der Sache S 10 AS 613/08 verzichtet haben könnten.
3. Erledigungsgebühr
Auch eine Erledigungsgebühr ist nicht zur Entstehung gelangt. Dabei kann das Problem offen bleiben, ob der auf eine Einigungsgebühr gerichtete Antrag implizit und hilfsweise einen Antrag auf eine Erledigungsgebühr umfasst. Dazu sei auf Folgendes hingewiesen: Es spricht sehr viel dafür, dass die Erledigungsgebühr und die Einigungsgebühr sowohl im Erinnerungs- als auch im Beschwerdeverfahren unterschiedliche Streitgegenstände und nicht nur verschiedene rechtliche Begründungen ein und desselben Anspruchs sind. Auch kann in einem nachträglichen Umschwenken im Beschwerdeverfahren von der Einigungs- zur Erledigungsgebühr wohl nicht lediglich ein Tatbestand nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG analog erblickt werden, der nicht an den Voraussetzungen für eine Klageänderung zu messen wäre. Denn die Erledigungsgebühr knüpft abstrakt an einen anderen Anspruchsgrund als die Einigungsgebühr an.
Noch weniger bedarf der generellen Diskussion, ob und inwieweit im Vergütungsrecht der §§ 45 ff. RVG die gesetzlich einschlägigen Gebühren unabhängig von einem Antrag von Amts wegen geprüft und zuerkannt werden müssen.
All diese Erwägungen erübrigen sich, weil eine Erledigungsgebühr materiell nicht entstanden ist. Im Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E hat der Senat die Entstehungsvoraussetzungen für eine Erledigungsgebühr grundlegend dargestellt; darauf wird verwiesen. Danach entsteht eine Erledigungsgebühr nur dann, wenn der Anwalt gewissermaßen "treibende Kraft" für die Erledigung gewesen ist. Im Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E hat der Senat dazu Folgendes ausgeführt:
"Das Entstehen der Erledigungsgebühr setzt regelmäßig eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, die über die normale Prozessführung hinausgeht. Die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr, die die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um die Herstellung des Rechtsfriedens ohne Sachentscheidung des Gerichts honoriert. Die "anwaltliche Mitwirkung" erfordert daher einen besonderen, nicht ganz unwesentlichen Beitrag des Rechtsanwalts zur Erledigung des Rechtsstreits ohne eine gerichtliche Entscheidung. Der Senat sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das für das Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG (im Widerspruchsverfahren) eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache verlangt (Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 13/06 R; vom 21.03.2007, B 11a AL 53/06 R; vom 02.10.2008, B 9/9a SB 5/07 R und B 9/9a SB 3/07 R; vom 05.05.2009, B 13 R 137/08 R; vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R; vom 09.12.2010, B 13 R 63/09 R; vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 28.07.2010, L 15 SB 4/09). Für das Entstehen der Erledigungsgebühr reichen nicht schon Tätigkeiten aus, die durch andere Gebühren wie etwa die Verfahrensgebühr oder die Terminsgebühr honoriert werden (Bayer. LSG, Beschluss vom 26.01.2011, L 15 SF 169/10 B E m.w.N.)."
Entscheidende Voraussetzung ist das qualifizierte Mitwirken des Anwalts (vgl. dazu auch Gerold/Schmidt, a.a.O., 1002 VV, Rn. 38). Daran fehlt es hier. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeschriftsatz lediglich eine "ausführliche Besprechung mit der Klägerin" behauptet, obwohl er wusste, dass es auf einen qualifizierten Beitrag des Anwalts ankommt und deswegen ein substantiierter Vortrag seinerseits vonnöten sein könnte. Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass die Klägerin - gemeint ist die Mutter der zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder - im Umgang besonders schwierig gewesen sein könnte. Im Gegenteil: Für Richter am Bayer. Landessozialgericht B. waren die Fälle deswegen markant und daher erinnerlich, weil sich die Klägerin wohl aus Gutmütigkeit nicht schon frühzeitig gegen ein seiner Ansicht nach falsches Vorgehen der Behörde gewehrt habe.
Dass die Sitzungsniederschrift eine 80-minütige Dauer des Termins in der Sache S 10 AS 613/08 dokumentiert, vermag dem Beschwerdeführer nicht weiterzuhelfen. Denn Richter am Bayer. Landessozialgericht B. hat darauf hingewiesen, dass wohl schon im ersten Termin über die Frage der Unterkunftskosten gesprochen worden sei, so dass die tatsächliche Erörterungszeit mit hoher Wahrscheinlichkeit weitaus kürzer als 80 Minuten war. Der Schwerpunkt lag im Gegenteil ohne Zweifel bei dem Problem, ob die Mietwohnung im Haus der Mutter der Klägerin anzuerkennen sei. Nicht zuletzt weisen die Sitzungsniederschriften keinerlei Unterbrechungen der mündlichen Verhandlung aus.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in zwei grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II vor dem Sozialgericht Landshut (wobei in einem formal nur eine Person als Klägerin geführt wurde). Für beide Klageverfahren war Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden. Während das Verfahren S 10 AS 614/08 allein Leistungen für Unterkunft und Heizung zum Gegenstand hatte, ging es im hier gegenständlichen Verfahren S 10 AS 613/08 um die Anrechnung von Kindesunterhalt als Einkommen. Dieses Problem stellte sich im Verfahren S 10 AS 613/08 im Rahmen eines Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens. Beide Klageverfahren wurden am 05.11.2009 in der mündlichen Verhandlung erledigt. Im Verfahren S 10 AS 614/08 schloss man einen Prozessvergleich, wobei die mündliche Verhandlung laut Sitzungsniederschrift 20 Minuten dauerte. Für die unmittelbar davor stattfindende mündliche Verhandlung zur Sache S 10 AS 613/08 wird in der Sitzungsniederschrift dagegen eine Dauer von 80 Minuten ausgewiesen. Sie endete mit einer Klagerücknahme, wobei der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes erklärt hatte: "Im Hinblick auf die Einigung im Verfahren S 10 AS 614/08 nehme ich die Klage zurück."
Während der Beschwerdeführer für das Verfahren S 10 AS 614/08 die von ihm veranschlagte Vergütung nach §§ 45 ff. RVG erhalten hatte, blieb diejenige im Verfahren S 10 AS 613/08 hinter seinen Vorstellungen zurück. Unter dem Datum 07.01.2010 hatte der Beschwerdeführer dort eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG in Höhe von 323 EUR (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG), eine Terminsgebühr in Höhe von 200 EUR sowie eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG in Höhe von 190 EUR beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Landshut billigte in seiner Kostenfestsetzung vom 24.02.2010 die Verfahrensgebühr (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG) nur in Höhe von 228 EUR und keine Einigungsgebühr zu. Die Höhe der Verfahrensgebühr begründete er damit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen. Für das Entstehen einer Einigungs- oder Erledigungsgebühr habe es an einer hinreichenden kausalen anwaltlichen Mitwirkung gefehlt.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.03.2010 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Verfahrensgebühr sei die Mittelgebühr sehr wohl angemessen. Die Einigungsgebühr sei entstanden, weil die Klagerücknahme "im Hinblick auf die Einigung im Parallelverfahren" erfolgt sei; durch eine vertragliche Vereinbarung sei die Ungewissheit über den Prozessstoff beseitigt worden.
Der Kostenrichter beim Sozialgericht Landshut hat die Erinnerung mit Beschluss vom 03.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr hat der Kostenrichter einen unterdurchschnittlichen Umfang sowie eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei weit überdurchschnittlicher Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit festgestellt. Der Beschwerdeführer, so der Kostenrichter, habe im Klageverfahren lediglich vorgetragen, den Klägern sei die Überzahlung nicht anzulasten und die Leistungen seien in gutem Glauben verbraucht worden. Eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, weil die Klage zurückgenommen, jedoch kein Vergleich geschlossen worden sei. Selbst wenn man aus dem vom Beschwerdeführer hergestellten Zusammenhang mit dem Verfahren S 10 AS 614/08 einen wie auch immer gearteten Vertragsschluss ableiten würde, läge jedenfalls ein Verzicht vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19.09.2012 eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer weiterhin die Vergütungsfestsetzung so wie beantragt begehrt. Der Beschwerdeführer hat das Rechtsmittel unter anderem damit begründet, Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seien grundsätzlich als schwierig einzustufen. Nicht zuletzt deswegen sei die Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr nicht unbillig. Hinsichtlich der Einigungsgebühr sei von Belang, dass die beklagte Behörde bei der Berechnung und Abwicklung der Leistungserstattung Fehler gemacht habe, die einen Teilerfolg der Kläger begründet hätten. Es liege daher lediglich ein Verzicht im Hinblick auf die anderweitige Einigung vor. Die Gebühr wäre im Übrigen auch als Erledigungsgebühr anzusetzen.
Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts S 10 AS 613/08 und S 10 AS 614/08 beigezogen sowie Richter am Bayer. Landessozialgericht B., den damaligen Kammervorsitzenden, zu den seinerzeitigen Vorgängen befragt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Kostenrichter hat die Vergütung des Beschwerdeführers richtig festgesetzt.
Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren umfasst die Höhe der im Verfahren S 10 AS 613/08 entstandenen Verfahrensgebühr sowie die Frage, ob und in welcher Höhe eine Einigungsgebühr oder Erledigungsgebühr anzusetzen ist (einschließlich der jeweils darauf entfallenden Umsatzsteuer).
1. Verfahrensgebühr
Der hier einschlägige Gebührenrahmen nach Nr. 3013 VV RVG erstreckt sich, berücksichtigt man drei Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG, von 38 EUR bis 608 EUR. Die Mittelgebühr liegt bei 323 EUR; diesen Betrag möchte der Beschwerdeführer zuerkannt haben. Bei abstrahierender Betrachtung bleibt einzuräumen, dass Aufhebungs- und Erstattungsstreitigkeiten sicherlich zu den anspruchsvollen Themen im Bereich des SGB II zählen. Zur Lösung des Falls müssen nicht nur umfangreiche, manchmal mehrere Jahre umfassende Berechnungen angestellt werden, sondern es treten häufig auch schwierige Fragen des Vertrauensschutzes auf. Neben den rechtlichen Problemen stellt auch die Sachverhaltserfassung nicht selten hohe Anforderungen. Gemessen daran handelte es sich hier nur um ein vergleichsweise unkompliziertes Aufhebungs- und Erstattungsverfahren. Gleichwohl wäre es durchaus angemessen, bei einer solchen Fallkategorie die Mittelgebühr anzusetzen, bei wirklich umfangreichen oder schwierigen Angelegenheiten selbstverständlich auch (mitunter deutlich) mehr.
Die konkreten Verhältnisse des Falls sind indes so gelagert, dass gleichwohl die Festsetzungen des Urkundsbeamten und des Kostenrichters Bestand haben. Denn der Beschwerdeführer hat die an sich bestehende Problemträchtigkeit des Falls nicht ausgeschöpft. Im Prinzip kommt es für die Bestimmung der angemessenen Gebühr auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren (obwohl dies einen wichtigen Indikator verkörpert). Vielmehr wird bei einem bei abstrahierender Betrachtungsweise schwierigen Fall zunächst davon auszugehen sein, dass der Anwalt höheren Zeit- und Arbeitsaufwand hat, um sich auf Stand zu bringen.
Hier jedoch liegen deutliche Anzeichen vor, dass der Beschwerdeführer von Anfang an keinen hinreichenden Zugang zu der Problematik gefunden hat. Der Schluss von der generellen Schwierigkeit des Falls auf einen erhöhten Aufwand für den Anwalt ist deswegen nicht zulässig. Denn einziges Argument des Beschwerdeführers - in Widerspruchs- und Klageverfahren - war, die Kläger hätte keine Obliegenheit getroffen, das zusätzliche Einkommen der Grundsicherungsbehörde mitzuteilen. Dies wird dem Fall allerdings nicht gerecht. Denn die Aufhebung war auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt, weswegen anders als bei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X kein Raum blieb, eventuelle Obliegenheitsverletzungen seitens der Kläger zu diskutieren. Dabei hat sich der Beschwerdeführer im Klageverfahren auf dieses eine, nicht tragfähige Argument weiter berufen, obwohl ihm im Widerspruchsbescheid explizit mitgeteilt worden war, die Problematik der fehlenden Mitwirkung seitens der Kläger sei ohne Belang. Ohne dem Beschwerdeführer zu nahe treten zu wollen, liegt damit der Schluss nahe, dass im Klageverfahren keine hinreichend eingehende Befassung mit dem Fall stattgefunden hat. Das kann vergütungsrechtlich nicht ohne Auswirkung bleiben.
Fehl geht die Ansicht des Beschwerdeführers, Angelegenheiten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit müssten generell als schwierig eingestuft werden. Vielmehr steht für solche Streitsachen ein Gebührenrahmen zur Verfügung, der auch auszuschöpfen ist. Das bedeutet, dass es vom Grundsatz her auch Fälle geben muss und gibt, die am unteren Rand des Spektrums liegen, und das nicht zuletzt deswegen, weil sie leicht zu bearbeiten sind. Es mag sein, dass der Beschwerdeführer angesichts anders gelagerter Aufgaben- und Interessenschwerpunkte sozialrechtliche Fälle generell als mühsam empfindet. Dafür hätte der Senat zwar großes Verständnis, es kommt aber nicht darauf an. Denn die Individualisierung der Gebührenbemessung geht nicht so weit, dass die subjektiv empfundene Schwierigkeit das maßgebende Kriterium wäre. Die "Schwierigkeit" einer Angelegenheit darf nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf vielmehr einer gewissen Objektivierung.
2. Einigungsgebühr
Eine Einigungsgebühr ist nicht entstanden. Insoweit macht sich der Senat vollumfänglich die zutreffende Begründung des Kostenrichters zu Eigen. In der Tat steht dem Begehren des Beschwerdeführers entgegen, dass materiell ein Verzicht vorliegt. Damit kommt es auf die Frage, ob sich überhaupt ein Vertragsabschluss feststellen lässt, nicht an. Der Beschwerdeführer selbst hat den Verzicht eingeräumt; er hat lediglich relativiert, es habe in diesem Zusammenhang auch eine Einigung gegeben. Eine Einigung unter Ausspruch eines Verzichts vermag aber keine Einigungsgebühr auszulösen.
Anders, nämlich dass kein Verzicht vorläge, wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn der im Verfahren S 10 AS 614/08 vereinbarte Leistungsbetrag auch einen - wenn auch kleinen - Anteil enthielte, der auf einem Fehler der Grundsicherungsbehörde in Bezug auf die Anrechnung des Kindesunterhalts zurückzuführen wäre. Dafür vermag der Senat trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten jedoch keinerlei Anhaltspunkte festzustellen.
Die in den Sitzungsniederschriften protokollierten Prozesserklärungen sprechen klar dagegen. Diese haben zwar insoweit keine unbedingte Beweiskraft, sie lassen aber vermuten, dass der protokollierte Wortlaut, so wie er bei objektivem Empfängerhorizont zu verstehen ist, auch das tatsächlich Erklärte wiedergibt. Der bloße Zusatz "Im Hinblick auf die Einigung im Verfahren S 10 AS 614/08" in der Sitzungsniederschrift zum Verfahren S 10 AS 613/08 wirkt sich nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers aus. Damit kommt allenfalls ein Motiv für die Klagerücknahme zum Ausdruck, das nicht einmal wesentlich gewesen sein muss.
Der Senat hat keinen Anlass, den Inhalt der Sitzungsniederschriften ernsthaft in Zweifel zu ziehen. So hat der Beschwerdeführer sich auf Bitte des Gerichts mit Schriftsatz vom 10.07.2013 nochmals geäußert und damit auch Gelegenheit zu entsprechendem Vortrag gehabt; zu diesem - vor allem für einen Rechtsanwalt - offenkundigen Problem hat er aber nichts gesagt. Zudem hat sich Richter am Bayer. Landessozialgericht B. nicht erinnern können, ob der Leistungsbetrag, der im Rahmen des Prozessvergleichs in der Sache S 10 AS 614/08 vereinbart wurde, auch einen Anteil enthielt, der sich auf den Streitgegenstand in der Sache S 10 AS 613/08 bezog.
Der Umstand, dass die Grundsicherungsbehörde die Anrechnung des Kindesunterhalts als Einkommen zum Teil unrichtig vorgenommen und umgesetzt hat, zwingt nicht dazu, einen Verzicht zu verneinen; es gibt keine tatsächliche Vermutung dafür, dass dann, wenn ein Klagebegehren zu einem kleinen Teil begründet ist, kein vollständiger Verzicht ausgesprochen sein kann. Gerade im vorliegenden Fall erscheint es nicht abwegig, dass die Kläger angesichts der erzielten Einigung, die zu einer relativ hohen Nachzahlung führte, auf das bis ins Letzte gehende Ausfechten in der Sache S 10 AS 613/08 verzichtet haben könnten.
3. Erledigungsgebühr
Auch eine Erledigungsgebühr ist nicht zur Entstehung gelangt. Dabei kann das Problem offen bleiben, ob der auf eine Einigungsgebühr gerichtete Antrag implizit und hilfsweise einen Antrag auf eine Erledigungsgebühr umfasst. Dazu sei auf Folgendes hingewiesen: Es spricht sehr viel dafür, dass die Erledigungsgebühr und die Einigungsgebühr sowohl im Erinnerungs- als auch im Beschwerdeverfahren unterschiedliche Streitgegenstände und nicht nur verschiedene rechtliche Begründungen ein und desselben Anspruchs sind. Auch kann in einem nachträglichen Umschwenken im Beschwerdeverfahren von der Einigungs- zur Erledigungsgebühr wohl nicht lediglich ein Tatbestand nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG analog erblickt werden, der nicht an den Voraussetzungen für eine Klageänderung zu messen wäre. Denn die Erledigungsgebühr knüpft abstrakt an einen anderen Anspruchsgrund als die Einigungsgebühr an.
Noch weniger bedarf der generellen Diskussion, ob und inwieweit im Vergütungsrecht der §§ 45 ff. RVG die gesetzlich einschlägigen Gebühren unabhängig von einem Antrag von Amts wegen geprüft und zuerkannt werden müssen.
All diese Erwägungen erübrigen sich, weil eine Erledigungsgebühr materiell nicht entstanden ist. Im Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E hat der Senat die Entstehungsvoraussetzungen für eine Erledigungsgebühr grundlegend dargestellt; darauf wird verwiesen. Danach entsteht eine Erledigungsgebühr nur dann, wenn der Anwalt gewissermaßen "treibende Kraft" für die Erledigung gewesen ist. Im Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E hat der Senat dazu Folgendes ausgeführt:
"Das Entstehen der Erledigungsgebühr setzt regelmäßig eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, die über die normale Prozessführung hinausgeht. Die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr, die die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um die Herstellung des Rechtsfriedens ohne Sachentscheidung des Gerichts honoriert. Die "anwaltliche Mitwirkung" erfordert daher einen besonderen, nicht ganz unwesentlichen Beitrag des Rechtsanwalts zur Erledigung des Rechtsstreits ohne eine gerichtliche Entscheidung. Der Senat sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das für das Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG (im Widerspruchsverfahren) eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache verlangt (Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 13/06 R; vom 21.03.2007, B 11a AL 53/06 R; vom 02.10.2008, B 9/9a SB 5/07 R und B 9/9a SB 3/07 R; vom 05.05.2009, B 13 R 137/08 R; vom 05.05.2010, B 11 AL 14/09 R; vom 09.12.2010, B 13 R 63/09 R; vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 28.07.2010, L 15 SB 4/09). Für das Entstehen der Erledigungsgebühr reichen nicht schon Tätigkeiten aus, die durch andere Gebühren wie etwa die Verfahrensgebühr oder die Terminsgebühr honoriert werden (Bayer. LSG, Beschluss vom 26.01.2011, L 15 SF 169/10 B E m.w.N.)."
Entscheidende Voraussetzung ist das qualifizierte Mitwirken des Anwalts (vgl. dazu auch Gerold/Schmidt, a.a.O., 1002 VV, Rn. 38). Daran fehlt es hier. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeschriftsatz lediglich eine "ausführliche Besprechung mit der Klägerin" behauptet, obwohl er wusste, dass es auf einen qualifizierten Beitrag des Anwalts ankommt und deswegen ein substantiierter Vortrag seinerseits vonnöten sein könnte. Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass die Klägerin - gemeint ist die Mutter der zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder - im Umgang besonders schwierig gewesen sein könnte. Im Gegenteil: Für Richter am Bayer. Landessozialgericht B. waren die Fälle deswegen markant und daher erinnerlich, weil sich die Klägerin wohl aus Gutmütigkeit nicht schon frühzeitig gegen ein seiner Ansicht nach falsches Vorgehen der Behörde gewehrt habe.
Dass die Sitzungsniederschrift eine 80-minütige Dauer des Termins in der Sache S 10 AS 613/08 dokumentiert, vermag dem Beschwerdeführer nicht weiterzuhelfen. Denn Richter am Bayer. Landessozialgericht B. hat darauf hingewiesen, dass wohl schon im ersten Termin über die Frage der Unterkunftskosten gesprochen worden sei, so dass die tatsächliche Erörterungszeit mit hoher Wahrscheinlichkeit weitaus kürzer als 80 Minuten war. Der Schwerpunkt lag im Gegenteil ohne Zweifel bei dem Problem, ob die Mietwohnung im Haus der Mutter der Klägerin anzuerkennen sei. Nicht zuletzt weisen die Sitzungsniederschriften keinerlei Unterbrechungen der mündlichen Verhandlung aus.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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