Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 22 AS 1987/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 233/13
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Forderung auf vorzeitige Rückzahlung eines einem Dritten gewährten Darlehens kann verwertbares Vermögen nach § 12 SGB II sein und die Hilfebedürftigkeit des Darlehnsgebers nach § 9 SGB II ausschließen.
Ein Darlehen kann gemäß § 490 Abs. 3 i.V.m. § 314 BGB aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Eine ohne vorzeitige Darlehensrückzahlung eintretende Hilfebedürftigkeit kann ein derartiger wichtiger Grund sein.
Ein Darlehen kann gemäß § 490 Abs. 3 i.V.m. § 314 BGB aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Eine ohne vorzeitige Darlehensrückzahlung eintretende Hilfebedürftigkeit kann ein derartiger wichtiger Grund sein.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. August 2012, S 22 AS 679/12, wird zurückgewiesen, soweit sie den Bescheid vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 betrifft.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger in der Zeit von Februar bis Juli 2012 Arbeitslosengeld II als Zuschuss zusteht.
Der 1980 geborene Kläger schloss das erste juristische Staatsexamen erfolgreich ab und war bis Januar 2009 Rechtsreferendar. Dann bezog er bis Januar 2010 Krankengeld und weiter bis 30.01.2011 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) von kalendertäglich 15,06 Euro. Nachdem er im Jahr 2012 das zweite juristische Staatsexamen nachgeholt hat, ist er als Jurist erwerbstätig.
Der Kläger beantragte erstmals am 31.01.2011 Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Er wohne mit drei weiteren Personen in einer Wohnung von ca. 110 qm Wohnfläche, für die 990,- Euro Kaltmiete sowie 160,- Euro Betriebskosten (Nebenkosten und Heizkosten) anfallen würden. Mitmieter sei ein Herr F., die beiden anderen Personen seien Untermieter. Die Untermiete betrage 525,- Euro netto bzw. 680,- Euro monatlich einschließlich anteiliger Betriebskosten.
Seiner Mutter E. S. habe er ein Darlehen von 17.500,- Euro gegeben. Bei dem vereinbarten Zinsatz von 3 % erhalte er zu jedem Jahresende 525,- Euro an Zinsen. Der vorgelegte Darlehensvertrag datiert vom 28.03.2010. Das Darlehen werde zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten am Haus A-Straße in A-Stadt gewährt. Die Auszahlung erfolgte im Oktober 2010. Der Darlehensvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
"4. Laufzeit:
Das Darlehen ist spätestens 10 Jahre nach Inanspruchnahme der Darlehenssumme zurückzuzahlen. Der Darlehensnehmer kann das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen. Der Darlehensgeber kann die vorzeitige Rückzahlung nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
5. Abtretbarkeit von Ansprüchen:
Der Rückzahlungs- und der Zinsanspruch dürfen durch den Darlehensgeber nicht an Dritte abgetreten werden."
Als weiteres Vermögen gab der Kläger beim Erstantrag an:
- Ein Tagesgeldkonto bei der C.Bank mit dem Guthaben von 709,92 Euro,
- ein Wertpapierkonto bei der H.Bank mit einer Einlage von 1.333,80 Euro,
- eine Kapitallebensversicherung mit Endnummer 5569 mit einem Wert von 9.463,55 Euro bei bislang eingezahlten Beiträgen von 4.936,80 Euro - für diese Versicherung wurde am 13.04.2011 ein Verwertungsausschluss vereibart,
- eine weitere Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 mit einem Wert von 1.501,21 Euro bei bislang eingezahlten Beiträgen von 3.243,61 Euro,
- einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 2.611,29 Euro und
- das hälftige Miteigentum an einem Wohnhaus in der A-Straße in A-Stadt mit einem Grundstück von 675 qm.
Das Haus in der A-Straße wurde dem Kläger und seinem Bruder von ihrer 1954 geborenen Mutter mit notariellem Überlassungsvertrag vom 12.10.2004 jeweils hälftig zu Miteigentum übertragen. Die Mutter hat sich das Nießbrauchsrecht an dem Haus vorbehalten und sie beziehe daraus monatlich ca. 1.500,- Euro Miete. Daneben besteht eine Rückübertragungsverpflichtung für den Fall, dass das Haus zu Lebzeiten der Mutter veräußert oder belastet wird; für diese Verpflichtung ist im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen. Die Mutter hat sich ferner in § 4 des Vertrages das Recht vorbehalten, das Grundstück oder den Nießbrauch mit bis zu 150.000,- Euro zu belasten. Die Mutter ist im Übrigen Eigentümerin einer Eigentumswohnung in der X-Straße in A-Stadt.
Dem Kläger wurden mit Bewilligungsbescheid vom 08.03.2011 und Darlehensbescheid gleichen Datums vorläufig Leistungen für die Zeit vom 31.01.2011 bis 31.07.2011 bewilligt. Die Forderung aus dem Darlehensvertrag übersteige den Freibetrag von 5.250,- Euro und sei nicht sofort verwertbar. Das Begehren des Klägers, in dieser Zeit Leistungen in Form von Zuschüssen zu erhalten, ist Gegenstand der Berufung L 7 AS 762/12.
Den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit von August 2011 bis Januar 2012 lehnte der Beklagte vollständig ab. Diese Leistungsablehnung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 AS 750/12.
Der Kläger beantragte Ende Januar 2012 Leistungen ab 01.02.2012. Das Wertpapierkonto bei der H.Bank hatte ein Guthaben von 1.168,- Euro, der Bausparvertrag einen Wert von 2.631,78 Euro. Die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 hatte einen Rückkaufswert von 2.349,12 Euro bei eingezahlten Beiträgen, die trotz der Leistungsablehnung kontinuierlich auf nunmehr 4.120,12 Euro gestiegen waren. Sein Untermietanteil betrage seit dem Erstantrag 262,50 Euro.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 12.03.2012 abgelehnt. Auch der Anspruch aus dem Darlehen sei Vermögen. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2012 abgelehnt. Der Kläger erhob am 27.07.2012 die Klage S 22 AS 1987/12. In der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht erklärte der Kläger, dass die darlehensfinanzierte Renovierung des Hauses in der A-Straße etwa 20.000,- Euro gekostet habe. Bis 2010 habe seine Großmutter das Haus bewohnt. Seine Mutter habe das Haus dann vermieten wollen. Zum Abschluss des Darlehensvertrages sei er gesund gewesen und habe mit dem zweiten Staatsexamen gerechnet.
Für die Zeit ab 01.08.2012 stellte der Kläger erfolglos einen neuen Leistungsantrag. Dagegen ist am Sozialgericht München die Klage S 16 AS 43/13 anhängig.
Das Sozialgericht verband die Klage S 22 AS 1987/12 mit der Klage zum vorhergehenden Ablehnungszeitraum (Az. S 22 AS 679/12) und wies die Klage mit Urteil vom 17.08.2012 ab. Der Rückzahlungsanspruch sei verwertbares Vermögen im Sinn von § 12 Abs. 1 SGB II. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Darlehensvertrag von vornherein in sittenwidrige Absicht geschlossen worden sei. Der Kläger hätte das Darlehen aufgrund des vertraglichen Kündigungsrechts kündigen können. Ein wichtiger Grund hierfür liege in dem dringenden Eigenbedarf des Darlehensgebers. Das Darlehen hätte auch nicht in einer Summe zurückgezahlt werden müssen, sondern in Raten zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs des Klägers. Es handle sich außerdem um ein Gefälligkeitsdarlehen ohne Leistung von Sicherheiten, ohne laufende Tilgung und zu einem für diese Bedingungen sehr niedrigen Zinssatz von 3 %. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung selbst mitgeteilt, dass er eine Kündigung des Darlehens nicht ernsthaft betrieben habe. Tatsächliche Verwertungshindernisse könnten nicht angenommen werden, weil der Kläger seinen Anspruch nicht ernsthaft geltend gemacht habe.
Das Urteil wurde dem Kläger am 19.09.2012 zugestellt.
Der Kläger hat am 15.10.2012 Berufung gegen das Urteil vom 17.08.2012 eingelegt. Die Rechtsgedanken aus §§ 528, 605 und 728 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien nicht einschlägig für das vorliegende Rechtsverhältnis, weil hier eine Gegenleistung in Form von Zinsen vereinbart worden sei. Es werde auf das Urteil des OLG Brandenburg vom 14.10.1998, Az. 1 U 26/98, verwiesen. Die Notlage des Klägers sei für die Darlehensnehmerin kein wichtiger Grund, weil sie diese nicht verschuldet habe. Die einschlägigen Großkommentare würden eine Darlehenskündigung nach § 490 BGB bei Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers ablehnen. Außerdem sei eine Kündigung nach § 314 Abs. 3 BGB bei einem wichtigen Grund nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund möglich. Es habe sich nicht um ein Gefälligkeitsdarlehen gehandelt.
Das Landessozialgericht hat die vom Sozialgericht verbundenen Klagen wieder getrennt.
Im Erörterungstermin vom 12.08.2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter und dem Übertritt in die mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Anschließend wurde nach Herstellung der Öffentlichkeit in die mündliche Verhandlung übergetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. August 2012, S 22 AS 679/12, und den Bescheid vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit von 01.02.2012 bis 31.07.2012 Arbeitslosengeld II in Form eines Zuschusses zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Einzelrichter, der gemäß Geschäftsverteilungsplan des Senats zum Berichterstatter bestimmt worden war, aufgrund des im Erörterungstermin vom 12.08.2013 erklärten Einverständnisses der Beteiligten und der anschließenden mündlichen Verhandlung ergehen.
Die vom Kläger eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der alleinstehende Kläger war nicht hilfebedürftig im Sinn von § 9 Abs. 1 SGB II und hatte deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Leistung.
Ein Darlehen wurde ausdrücklich nicht begehrt. Deshalb kann dahinstehen, ob der Kläger nochmals ein Darlehen gemäß § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II hätte erhalten können, obwohl er keinerlei Anstrengungen unternommen hatte, sein Vermögen zu verwerten (gegen ein weiteres Darlehen etwa Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 24 Rn. 499 und Behrend in Juris-PK, SGB II, § 24 Rn. 90).
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012, mit dem die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.02.2012 bis 31.07.2012 abgelehnt wurde. Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Der Ablehnungsbescheid für den nachfolgenden Zeitraum ist Gegenstand einer anderen Klage (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012, B 4 As 29/12 R, Rn. 11).
Der Kläger war in dieser Zeit nicht hilfebedürftig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II, weil er über zu berücksichtigendes verwertbares Vermögen nach § 12 SGB II in Form des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehensvertrag verfügte. Vermögen ist so lange anzurechnen, wie es vorhanden ist. Es erfolgt keine fiktive Verteilung auf einen Verbrauchszeitraum (BSG, Beschluss vom 30.07.2008, B 14 AS 14/08 B).
Das Haus in der A-Straße war "sozialhilfefest", weil infolge des durch die Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruchs für den Kläger nicht verwertbar.
Die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 war nicht zu berücksichtigen, weil die Verwertung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II offensichtlich unwirtschaftlich war. Beiträgen von 3.349,61 Euro stand nur ein Rückkaufswert von 1.572,98 Euro gegenüber. Bei einem derartigen Missverhältnis kann dahinstehen, ab welchem Wertverhältnis die Verwertung zumutbar wäre und wie die bereits erhaltene Versicherungsleistung (Risikoschutz während der Vertragslaufzeit) einzustellen wäre. Für die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 5569 bestand kraft des Verwertungsausschlusses ein Schutz nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II.
Bei der Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen in Höhe von 17.500,- Euro handelte es sich um verwertbares Vermögen. Dieses überstieg die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II. Dem 1980 geborenen Kläger standen ab 24.09.2011 Freibeträge in Höhe von 5.400,- Euro (31 x 150,- Euro plus 750,- Euro) zu.
Nach der Rechtsprechung des BSG, insbesondere dem Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, ist bei der Frage der Verwertbarkeit von Vermögen von Folgendem auszugehen:
Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können. Ist der Inhaber dagegen in der Verfügung über den Gegenstand beschränkt und kann er die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen, ist von der Unverwertbarkeit des Vermögens auszugehen. Darüber hinaus enthält der Begriff der Verwertbarkeit aber auch eine tatsächliche Komponente. Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
Für die Unterscheidung, ob dem Hilfesuchenden (nur) ein Darlehen zusteht oder der begehrte Zuschuss, muss geprüft werden, ob es absehbar ist, dass dieser aus dem Vermögen einen wirtschaftlichen Nutzen wird ziehen können. Vermögen ist unverwertbar, wenn dagegen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt.
Maßgebend für die Frage, ob ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist regelmäßig eine Prognose für den sechsmonatigen Bewilligungszeitraum des § 41 Abs. 1 SGB II. Für diesen Zeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, die Hilfebedürftigkeit abzuwenden.
Es bestand weder ein rechtliches noch ein tatsächliches Verwertungshindernis. Der Kläger hatte einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens, den er innerhalb von sechs Monaten realisieren konnte. Die Mutter des Klägers war auch zahlungsfähig, zumindest in Höhe bedarfsdeckender Raten.
Das Recht des Klägers, die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen, ergibt sich unmittelbar aus dem Darlehensvertrag. Dort ist unter 4. Laufzeit" ein vertragliches Sonderkündigungsrecht des Klägers vereinbart:
"Das Darlehen ist spätestens 10 Jahre nach Inanspruchnahme der Darlehenssumme zurückzuzahlen. Der Darlehensnehmer kann das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen. Der Darlehensgeber kann die vorzeitige Rückzahlung nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt."
Ein wichtiger Grund besteht, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar macht (vgl. Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 314 Rn. 7 unter Hinweis auf BGH-Rechtsprechung). Es ist eine Einzelfallabwägung erforderlich. Das vom Kläger wiederholt zitierte Urteil des OLG Brandenburg vom 14.10.1998, Az. 1 U 26/98, führt demnach hier nicht weiter, zumal sich der dortige Sachverhalt sehr vom streitgegenständlichen unterscheidet. Dort hatte ein Darlehensgeber ein seinem Arbeitgeber gewährtes Darlehen ohne vertragliches Kündigungsrecht gekündigt, weil ihm die vereinbarten 3 % Zinsen zu niedrig vorkamen und er sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hatte.
Hier ist es so, dass der Kläger seiner Mutter ein betragsmäßig überschaubares Darlehen gab, um ihr eine erhebliche neue laufende Einnahmequelle durch Mieteinnahmen zu ermöglichen. Erst nach der Vereinbarung des Darlehens stellte sich nach Angaben des Klägers heraus, dass er das zweite juristische Staatsexamen nicht zeitnah machen konnte und ohne Rückzahlung des Darlehens hilfebedürftig werden würde. Hier gab es einen wichtigen Rückforderungsgrund. Das Interesse des Klägers an einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens zumindest in bedarfsdeckenden Raten überwog deutlich das Interesse der Mutter, den Darlehensbetrag weiter gegen Zinszahlung behalten zu dürfen. Die Fortführung des Darlehensvertrags war dem Kläger nicht zumutbar.
Der Einwand des Klägers, er sei durch § 314 Abs. 3 BGB gehindert, von seiner Mutter die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen, überzeugt nicht.
In § 490 BGB befinden sich Regelungen zum außerordentlichen Kündigungsrecht beim Darlehensvertrag. Nach § 490 Abs. 3 BGB bleiben die Vorschriften der §§ 313 und 314 unberührt." Das bedeutet, dass eine Kündigung eines Darlehensvertrags aus wichtigem Grund nach § 314 BGB von Gesetzes wegen möglich ist. § 314 Abs. 3 BGB lautet: "Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat."
Zum einen ergibt die die Kündigungsfrist des § 314 Abs. 3 BGB nur dann einen Sinn, wenn der Kündigungsgrund sich zeitlich eingrenzen lässt. Hier ist es aber so, dass ohne die vorzeitige Darlehensrückzahlung eine fortdauernde Hilfebedürftigkeit und ein sich fortwährend erneuernder Kündigungsgrund bestanden. In dieser Konstellation ist § 314 Abs. 3 BGB nicht anwendbar.
Zum anderen handelt es sich bei § 314 Abs. 3 BGB um eine Schutzvorschrift zugunsten des Darlehensnehmers. Auf diese Frist könnte sich - falls diese Vorschrift anwendbar wäre - nur die Mutter des Klägers berufen, nicht der Kläger. Dass sich seine Mutter auf § 314 Abs. 2 BGB berufen hat oder beruft, behauptet nicht einmal der Kläger. Bei der Frage, ob ein Verwertungshindernis besteht, geht es nicht darum, ob es theoretisch denkbar sein könnte, dass ein Anspruch nicht realisierbar ist. Ein Verwertungshindernis bestand nicht, weil die Mutter sich nicht auf § 314 Abs. 3 BGB berufen hatte.
Im Übrigen hat das Gericht Bedenken, § 314 Abs. 3 BGB auf das vertraglich vereinbarte Sonderkündigungsrecht des Klägers anzuwenden. § 314 Abs. 3 BGB will den Darlehensnehmer schützen, der mit einer außerordentlichen Kündigung des Darlehens konfrontiert wird, die gerade nicht vereinbart wurde. Da der Kläger und seine Mutter ein Sonderkündigungsrecht für den Sohn ausdrücklich vereinbart hatten, ist die Mutter nicht in gleichem Maße schutzbedürftig.
Nur nebenbei angemerkt: Wenn § 314 Abs. 3 BGB anwendbar wäre, weil der Kläger die rechtzeitige Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs versäumte, müsste er sich mit einem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auseinandersetzen.
Die Mutter des Klägers war auch in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen. Sie hat mit Renovierungskosten von 20.000,- Euro die Grundlage für die Vermietung des Hauses in der A-Straße geschaffen, aus der sie monatlich 1500,- Euro Kaltmiete erzielte. Weil das Haus bis zum Jahr 2010 von der Großmutter des Klägers bewohnt wurde, handelte es sich bei den Mieteinnahmen um zusätzliches Einkommen der Mutter des Klägers. Diese war deshalb in der Lage, aus den laufenden Einnahmen die Rückzahlung des Darlehens mindestens ratenweise in einem Umfang zu leisten, dass der Lebensbedarf des Klägers gesichert war.
Im Übrigen war die Mutter des Klägers berechtigt, das Haus bis zu einem Betrag von 150.000,- Euro zu beleihen. Auch damit hätte sie die Rückzahlung des Darlehens binnen kurzer Frist bewerkstelligen können. Daneben war sie Eigentümerin einer Eigentumswohnung in A-Stadt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SG ersichtlich sind.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger in der Zeit von Februar bis Juli 2012 Arbeitslosengeld II als Zuschuss zusteht.
Der 1980 geborene Kläger schloss das erste juristische Staatsexamen erfolgreich ab und war bis Januar 2009 Rechtsreferendar. Dann bezog er bis Januar 2010 Krankengeld und weiter bis 30.01.2011 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) von kalendertäglich 15,06 Euro. Nachdem er im Jahr 2012 das zweite juristische Staatsexamen nachgeholt hat, ist er als Jurist erwerbstätig.
Der Kläger beantragte erstmals am 31.01.2011 Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Er wohne mit drei weiteren Personen in einer Wohnung von ca. 110 qm Wohnfläche, für die 990,- Euro Kaltmiete sowie 160,- Euro Betriebskosten (Nebenkosten und Heizkosten) anfallen würden. Mitmieter sei ein Herr F., die beiden anderen Personen seien Untermieter. Die Untermiete betrage 525,- Euro netto bzw. 680,- Euro monatlich einschließlich anteiliger Betriebskosten.
Seiner Mutter E. S. habe er ein Darlehen von 17.500,- Euro gegeben. Bei dem vereinbarten Zinsatz von 3 % erhalte er zu jedem Jahresende 525,- Euro an Zinsen. Der vorgelegte Darlehensvertrag datiert vom 28.03.2010. Das Darlehen werde zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten am Haus A-Straße in A-Stadt gewährt. Die Auszahlung erfolgte im Oktober 2010. Der Darlehensvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
"4. Laufzeit:
Das Darlehen ist spätestens 10 Jahre nach Inanspruchnahme der Darlehenssumme zurückzuzahlen. Der Darlehensnehmer kann das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen. Der Darlehensgeber kann die vorzeitige Rückzahlung nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
5. Abtretbarkeit von Ansprüchen:
Der Rückzahlungs- und der Zinsanspruch dürfen durch den Darlehensgeber nicht an Dritte abgetreten werden."
Als weiteres Vermögen gab der Kläger beim Erstantrag an:
- Ein Tagesgeldkonto bei der C.Bank mit dem Guthaben von 709,92 Euro,
- ein Wertpapierkonto bei der H.Bank mit einer Einlage von 1.333,80 Euro,
- eine Kapitallebensversicherung mit Endnummer 5569 mit einem Wert von 9.463,55 Euro bei bislang eingezahlten Beiträgen von 4.936,80 Euro - für diese Versicherung wurde am 13.04.2011 ein Verwertungsausschluss vereibart,
- eine weitere Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 mit einem Wert von 1.501,21 Euro bei bislang eingezahlten Beiträgen von 3.243,61 Euro,
- einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 2.611,29 Euro und
- das hälftige Miteigentum an einem Wohnhaus in der A-Straße in A-Stadt mit einem Grundstück von 675 qm.
Das Haus in der A-Straße wurde dem Kläger und seinem Bruder von ihrer 1954 geborenen Mutter mit notariellem Überlassungsvertrag vom 12.10.2004 jeweils hälftig zu Miteigentum übertragen. Die Mutter hat sich das Nießbrauchsrecht an dem Haus vorbehalten und sie beziehe daraus monatlich ca. 1.500,- Euro Miete. Daneben besteht eine Rückübertragungsverpflichtung für den Fall, dass das Haus zu Lebzeiten der Mutter veräußert oder belastet wird; für diese Verpflichtung ist im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen. Die Mutter hat sich ferner in § 4 des Vertrages das Recht vorbehalten, das Grundstück oder den Nießbrauch mit bis zu 150.000,- Euro zu belasten. Die Mutter ist im Übrigen Eigentümerin einer Eigentumswohnung in der X-Straße in A-Stadt.
Dem Kläger wurden mit Bewilligungsbescheid vom 08.03.2011 und Darlehensbescheid gleichen Datums vorläufig Leistungen für die Zeit vom 31.01.2011 bis 31.07.2011 bewilligt. Die Forderung aus dem Darlehensvertrag übersteige den Freibetrag von 5.250,- Euro und sei nicht sofort verwertbar. Das Begehren des Klägers, in dieser Zeit Leistungen in Form von Zuschüssen zu erhalten, ist Gegenstand der Berufung L 7 AS 762/12.
Den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit von August 2011 bis Januar 2012 lehnte der Beklagte vollständig ab. Diese Leistungsablehnung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 AS 750/12.
Der Kläger beantragte Ende Januar 2012 Leistungen ab 01.02.2012. Das Wertpapierkonto bei der H.Bank hatte ein Guthaben von 1.168,- Euro, der Bausparvertrag einen Wert von 2.631,78 Euro. Die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 hatte einen Rückkaufswert von 2.349,12 Euro bei eingezahlten Beiträgen, die trotz der Leistungsablehnung kontinuierlich auf nunmehr 4.120,12 Euro gestiegen waren. Sein Untermietanteil betrage seit dem Erstantrag 262,50 Euro.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 12.03.2012 abgelehnt. Auch der Anspruch aus dem Darlehen sei Vermögen. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2012 abgelehnt. Der Kläger erhob am 27.07.2012 die Klage S 22 AS 1987/12. In der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht erklärte der Kläger, dass die darlehensfinanzierte Renovierung des Hauses in der A-Straße etwa 20.000,- Euro gekostet habe. Bis 2010 habe seine Großmutter das Haus bewohnt. Seine Mutter habe das Haus dann vermieten wollen. Zum Abschluss des Darlehensvertrages sei er gesund gewesen und habe mit dem zweiten Staatsexamen gerechnet.
Für die Zeit ab 01.08.2012 stellte der Kläger erfolglos einen neuen Leistungsantrag. Dagegen ist am Sozialgericht München die Klage S 16 AS 43/13 anhängig.
Das Sozialgericht verband die Klage S 22 AS 1987/12 mit der Klage zum vorhergehenden Ablehnungszeitraum (Az. S 22 AS 679/12) und wies die Klage mit Urteil vom 17.08.2012 ab. Der Rückzahlungsanspruch sei verwertbares Vermögen im Sinn von § 12 Abs. 1 SGB II. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Darlehensvertrag von vornherein in sittenwidrige Absicht geschlossen worden sei. Der Kläger hätte das Darlehen aufgrund des vertraglichen Kündigungsrechts kündigen können. Ein wichtiger Grund hierfür liege in dem dringenden Eigenbedarf des Darlehensgebers. Das Darlehen hätte auch nicht in einer Summe zurückgezahlt werden müssen, sondern in Raten zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs des Klägers. Es handle sich außerdem um ein Gefälligkeitsdarlehen ohne Leistung von Sicherheiten, ohne laufende Tilgung und zu einem für diese Bedingungen sehr niedrigen Zinssatz von 3 %. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung selbst mitgeteilt, dass er eine Kündigung des Darlehens nicht ernsthaft betrieben habe. Tatsächliche Verwertungshindernisse könnten nicht angenommen werden, weil der Kläger seinen Anspruch nicht ernsthaft geltend gemacht habe.
Das Urteil wurde dem Kläger am 19.09.2012 zugestellt.
Der Kläger hat am 15.10.2012 Berufung gegen das Urteil vom 17.08.2012 eingelegt. Die Rechtsgedanken aus §§ 528, 605 und 728 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien nicht einschlägig für das vorliegende Rechtsverhältnis, weil hier eine Gegenleistung in Form von Zinsen vereinbart worden sei. Es werde auf das Urteil des OLG Brandenburg vom 14.10.1998, Az. 1 U 26/98, verwiesen. Die Notlage des Klägers sei für die Darlehensnehmerin kein wichtiger Grund, weil sie diese nicht verschuldet habe. Die einschlägigen Großkommentare würden eine Darlehenskündigung nach § 490 BGB bei Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers ablehnen. Außerdem sei eine Kündigung nach § 314 Abs. 3 BGB bei einem wichtigen Grund nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund möglich. Es habe sich nicht um ein Gefälligkeitsdarlehen gehandelt.
Das Landessozialgericht hat die vom Sozialgericht verbundenen Klagen wieder getrennt.
Im Erörterungstermin vom 12.08.2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter und dem Übertritt in die mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Anschließend wurde nach Herstellung der Öffentlichkeit in die mündliche Verhandlung übergetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. August 2012, S 22 AS 679/12, und den Bescheid vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit von 01.02.2012 bis 31.07.2012 Arbeitslosengeld II in Form eines Zuschusses zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Einzelrichter, der gemäß Geschäftsverteilungsplan des Senats zum Berichterstatter bestimmt worden war, aufgrund des im Erörterungstermin vom 12.08.2013 erklärten Einverständnisses der Beteiligten und der anschließenden mündlichen Verhandlung ergehen.
Die vom Kläger eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der alleinstehende Kläger war nicht hilfebedürftig im Sinn von § 9 Abs. 1 SGB II und hatte deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Leistung.
Ein Darlehen wurde ausdrücklich nicht begehrt. Deshalb kann dahinstehen, ob der Kläger nochmals ein Darlehen gemäß § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II hätte erhalten können, obwohl er keinerlei Anstrengungen unternommen hatte, sein Vermögen zu verwerten (gegen ein weiteres Darlehen etwa Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 24 Rn. 499 und Behrend in Juris-PK, SGB II, § 24 Rn. 90).
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 12.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012, mit dem die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.02.2012 bis 31.07.2012 abgelehnt wurde. Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Der Ablehnungsbescheid für den nachfolgenden Zeitraum ist Gegenstand einer anderen Klage (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012, B 4 As 29/12 R, Rn. 11).
Der Kläger war in dieser Zeit nicht hilfebedürftig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II, weil er über zu berücksichtigendes verwertbares Vermögen nach § 12 SGB II in Form des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehensvertrag verfügte. Vermögen ist so lange anzurechnen, wie es vorhanden ist. Es erfolgt keine fiktive Verteilung auf einen Verbrauchszeitraum (BSG, Beschluss vom 30.07.2008, B 14 AS 14/08 B).
Das Haus in der A-Straße war "sozialhilfefest", weil infolge des durch die Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruchs für den Kläger nicht verwertbar.
Die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 4972 war nicht zu berücksichtigen, weil die Verwertung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II offensichtlich unwirtschaftlich war. Beiträgen von 3.349,61 Euro stand nur ein Rückkaufswert von 1.572,98 Euro gegenüber. Bei einem derartigen Missverhältnis kann dahinstehen, ab welchem Wertverhältnis die Verwertung zumutbar wäre und wie die bereits erhaltene Versicherungsleistung (Risikoschutz während der Vertragslaufzeit) einzustellen wäre. Für die Kapitallebensversicherung mit Endnummer 5569 bestand kraft des Verwertungsausschlusses ein Schutz nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II.
Bei der Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen in Höhe von 17.500,- Euro handelte es sich um verwertbares Vermögen. Dieses überstieg die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II. Dem 1980 geborenen Kläger standen ab 24.09.2011 Freibeträge in Höhe von 5.400,- Euro (31 x 150,- Euro plus 750,- Euro) zu.
Nach der Rechtsprechung des BSG, insbesondere dem Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, ist bei der Frage der Verwertbarkeit von Vermögen von Folgendem auszugehen:
Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können. Ist der Inhaber dagegen in der Verfügung über den Gegenstand beschränkt und kann er die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen, ist von der Unverwertbarkeit des Vermögens auszugehen. Darüber hinaus enthält der Begriff der Verwertbarkeit aber auch eine tatsächliche Komponente. Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
Für die Unterscheidung, ob dem Hilfesuchenden (nur) ein Darlehen zusteht oder der begehrte Zuschuss, muss geprüft werden, ob es absehbar ist, dass dieser aus dem Vermögen einen wirtschaftlichen Nutzen wird ziehen können. Vermögen ist unverwertbar, wenn dagegen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt.
Maßgebend für die Frage, ob ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist regelmäßig eine Prognose für den sechsmonatigen Bewilligungszeitraum des § 41 Abs. 1 SGB II. Für diesen Zeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, die Hilfebedürftigkeit abzuwenden.
Es bestand weder ein rechtliches noch ein tatsächliches Verwertungshindernis. Der Kläger hatte einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens, den er innerhalb von sechs Monaten realisieren konnte. Die Mutter des Klägers war auch zahlungsfähig, zumindest in Höhe bedarfsdeckender Raten.
Das Recht des Klägers, die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen, ergibt sich unmittelbar aus dem Darlehensvertrag. Dort ist unter 4. Laufzeit" ein vertragliches Sonderkündigungsrecht des Klägers vereinbart:
"Das Darlehen ist spätestens 10 Jahre nach Inanspruchnahme der Darlehenssumme zurückzuzahlen. Der Darlehensnehmer kann das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen. Der Darlehensgeber kann die vorzeitige Rückzahlung nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt."
Ein wichtiger Grund besteht, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar macht (vgl. Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 314 Rn. 7 unter Hinweis auf BGH-Rechtsprechung). Es ist eine Einzelfallabwägung erforderlich. Das vom Kläger wiederholt zitierte Urteil des OLG Brandenburg vom 14.10.1998, Az. 1 U 26/98, führt demnach hier nicht weiter, zumal sich der dortige Sachverhalt sehr vom streitgegenständlichen unterscheidet. Dort hatte ein Darlehensgeber ein seinem Arbeitgeber gewährtes Darlehen ohne vertragliches Kündigungsrecht gekündigt, weil ihm die vereinbarten 3 % Zinsen zu niedrig vorkamen und er sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hatte.
Hier ist es so, dass der Kläger seiner Mutter ein betragsmäßig überschaubares Darlehen gab, um ihr eine erhebliche neue laufende Einnahmequelle durch Mieteinnahmen zu ermöglichen. Erst nach der Vereinbarung des Darlehens stellte sich nach Angaben des Klägers heraus, dass er das zweite juristische Staatsexamen nicht zeitnah machen konnte und ohne Rückzahlung des Darlehens hilfebedürftig werden würde. Hier gab es einen wichtigen Rückforderungsgrund. Das Interesse des Klägers an einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens zumindest in bedarfsdeckenden Raten überwog deutlich das Interesse der Mutter, den Darlehensbetrag weiter gegen Zinszahlung behalten zu dürfen. Die Fortführung des Darlehensvertrags war dem Kläger nicht zumutbar.
Der Einwand des Klägers, er sei durch § 314 Abs. 3 BGB gehindert, von seiner Mutter die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen, überzeugt nicht.
In § 490 BGB befinden sich Regelungen zum außerordentlichen Kündigungsrecht beim Darlehensvertrag. Nach § 490 Abs. 3 BGB bleiben die Vorschriften der §§ 313 und 314 unberührt." Das bedeutet, dass eine Kündigung eines Darlehensvertrags aus wichtigem Grund nach § 314 BGB von Gesetzes wegen möglich ist. § 314 Abs. 3 BGB lautet: "Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat."
Zum einen ergibt die die Kündigungsfrist des § 314 Abs. 3 BGB nur dann einen Sinn, wenn der Kündigungsgrund sich zeitlich eingrenzen lässt. Hier ist es aber so, dass ohne die vorzeitige Darlehensrückzahlung eine fortdauernde Hilfebedürftigkeit und ein sich fortwährend erneuernder Kündigungsgrund bestanden. In dieser Konstellation ist § 314 Abs. 3 BGB nicht anwendbar.
Zum anderen handelt es sich bei § 314 Abs. 3 BGB um eine Schutzvorschrift zugunsten des Darlehensnehmers. Auf diese Frist könnte sich - falls diese Vorschrift anwendbar wäre - nur die Mutter des Klägers berufen, nicht der Kläger. Dass sich seine Mutter auf § 314 Abs. 2 BGB berufen hat oder beruft, behauptet nicht einmal der Kläger. Bei der Frage, ob ein Verwertungshindernis besteht, geht es nicht darum, ob es theoretisch denkbar sein könnte, dass ein Anspruch nicht realisierbar ist. Ein Verwertungshindernis bestand nicht, weil die Mutter sich nicht auf § 314 Abs. 3 BGB berufen hatte.
Im Übrigen hat das Gericht Bedenken, § 314 Abs. 3 BGB auf das vertraglich vereinbarte Sonderkündigungsrecht des Klägers anzuwenden. § 314 Abs. 3 BGB will den Darlehensnehmer schützen, der mit einer außerordentlichen Kündigung des Darlehens konfrontiert wird, die gerade nicht vereinbart wurde. Da der Kläger und seine Mutter ein Sonderkündigungsrecht für den Sohn ausdrücklich vereinbart hatten, ist die Mutter nicht in gleichem Maße schutzbedürftig.
Nur nebenbei angemerkt: Wenn § 314 Abs. 3 BGB anwendbar wäre, weil der Kläger die rechtzeitige Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs versäumte, müsste er sich mit einem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auseinandersetzen.
Die Mutter des Klägers war auch in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen. Sie hat mit Renovierungskosten von 20.000,- Euro die Grundlage für die Vermietung des Hauses in der A-Straße geschaffen, aus der sie monatlich 1500,- Euro Kaltmiete erzielte. Weil das Haus bis zum Jahr 2010 von der Großmutter des Klägers bewohnt wurde, handelte es sich bei den Mieteinnahmen um zusätzliches Einkommen der Mutter des Klägers. Diese war deshalb in der Lage, aus den laufenden Einnahmen die Rückzahlung des Darlehens mindestens ratenweise in einem Umfang zu leisten, dass der Lebensbedarf des Klägers gesichert war.
Im Übrigen war die Mutter des Klägers berechtigt, das Haus bis zu einem Betrag von 150.000,- Euro zu beleihen. Auch damit hätte sie die Rückzahlung des Darlehens binnen kurzer Frist bewerkstelligen können. Daneben war sie Eigentümerin einer Eigentumswohnung in A-Stadt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SG ersichtlich sind.
Rechtskraft
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